Geschichten aus der Gruft(WiP)

Ius

Hungrig wie ein Rabe
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17. April 2005
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[font=Tahoma,Helvetica]Das geschmeidige Mondlicht tröpfelte in jener Nacht zart über sein Gesicht wie ein durcheinender Seidenschleier, der seine strenge Miene Lüge strafte. Seine behandschuhte Faust, ruhte in steinernem Griff auf dem Sims des schmalen Turmfensters, und seine ergrauende Haarpracht, zeichnete hinter ihm feine Linien blonder Wellen in die Luft, wenn der sanfte Wind erneut seine Züge streifte. Mit einem harten Seufzen gab er sich dann der Nacht hin, von seinem Fenster abgewandt und entkleidet. Unruhig schlief er vor dem Tag der sein Schicksal besiegeln sollte. Gesichtslose Dämonen quälten ihn bis zum verfrühten Morgengrauen, an dem durchscheinende Tauperlen in die Büsche flossen, wie durch eine brandende Welle, die am höchsten Punkt erfriert und zerbricht geschaffen.
Sanft weckten ihn auch an diesem Morgen seine Maiden, wenngleich sie nicht sein Nachtlager teilten. Seine Schädel war schwer von Benommenheit, und er taumelte regelrecht in den Speisesaal, während er sich die Schläfen rieb, um einen klaren Kopf zu bekommen. Man hatte ihm den sauren Wein vom Vortag bereits in seinen Kupferbecher gefüllt, wie er es befohlen hatte. Er brauchte den Alkohol, das einzige Gift, welches seine Seele vor der kommenden Pein schützen sollte. Heute um die Mittagsstunde sollte er heiraten. Noch immer konnte sein Geist den abscheulichen Gedanken nicht zur Gänze fassen. Dieser verdrängte ihn, und das war auch gut so. Er musste sich wieder ins Gedächtnis rufen, dass diese Heirat eine Staatsheirat war. Er würde nicht diese unliebsame Person heiraten, sondern ihr Vermögen und ihr Reich. Immer wieder ließ er diesen imaginären Hammer auf seinen Verstand niederfahren, unfähig ganz seine Zweifel, seine wahre Liebe zu vergessen. Er dachte an sie, und Tränen perlten über seine Wange. Sein inneres Auge rief ihr Bild in sein Bewusstsein. Seine blauen Augen verwässerten zu leblosen Seen, ohne das er inne hielt, sich den Holzlöffel zwischen die Lippen zu schieben und sich zu nähren. Sie würde sterben müssen, und das war seine Schuld. Er wusste es, er hätte sich niemals mit einer Bauerntochter einlassen dürfen. Er war ihr Tod, sie sein Untergang. Er konnte es nicht. Klappernd schlug der Löffel über den Hölzernen Boden und spie Brocken unverdauten Essens durch den Raum. Er schlug sich die Hände vor sein Gesicht. Nie würde er dieses Monster heiraten können. Er würde seine Herzensdame befreien! Nicht seine selbsternannte Gemahlin, sondern er war Herr dieser Burg. Seine auf den Tisch donnernde Faust war der letzte Klang, den der Raum vernahm während er anwesend war.
Mit steifen Schritten die auf die steinernen Gänge einhagelten wie Hammerschläge, nur gedämpft von der Mildtätigkeit seiner Ledersohlen stieg er die zahlreichen Steinstufen hinab zum Kerker. Die knisternde Fackel in seiner Hand brachte zum Ausdruck um was sich seine Seele grämte, und ließ undeutliche Schemen an der Wand ihre beunruhigenden Tänze tanzen. Seine Atem ging schwer und rasselte aus seiner Lunge, im beißenden Kontrast zur frischen und taugeschwängerten Luft die diesen Tag zu preisen schienen. Die Wände des Kerkers waren auch an jenem Morgen düster und rußgeschwärzt. Der Geruch von modrigem Holz und schimmligen Bänken, von rußspeienden Fackeln und ausgebrannter Asche, von rostigem Stahl brannte dem Verließ aber immer noch seine düstere Stimmung ins Mark. Hier unten war die Luft schwer von Sünde und Schmach. Sie brannte in der Lunge und kroch wie ein schleimiges Tier über die Zunge. Gefangener hier zu sein, war eine schlimme Strafe, und nur die schlimmsten aller Verbrecher, Hochverräter, Ehebrecher und auswärtige Spionen konnten darum bangen, ihn von innen sehen zu müssen.
Er hielt einen Moment inne, als ihm diese Gedanken durch den Verstand gingen. Er hatte zugelassen, dass seine Geliebte als Schwerverbrecherin in Ketten gelegt wurde. Er war derjenige, der sich nicht getraut hatte eher einzugreifen. Er war derjenige, dem die alleinige Schuld für diese Entjungferung der Barmherzigkeit zu zuschreiben war. Schuldbewusst senkte er den Blick, ohne jedoch die terrakottafarbenen Treppenstufen aus den Augen zu lassen über die seine Füße glitten. Nachdenklich massierte er sein stoppelbärtiges Kinn, und warf eine prüfenden Blick auf die morsche Tür, die sich vor ihm aufgetan hatte. Der Gang machte hier eine scharfe Biegung.
Harschen Schrittes trat er ein, und seine Augen streiften aus den Winkeln die Lumpenbündel die bebend in der Ecke lagen. Heißeres Krächzen pochte in oder aus ihren Kehlen, und ihre gepeinigten Leiber erzitterten wie Espenlaub, über das ein heißer Windstoß hinwegging. Einige hatten noch die Kraft zusammenzuzucken als sein Schatten Unlicht über ihnen ausbreitete. Er wurde von Schuldgefühl zerfressen, und sein nobler Magen verkrampfte sich, als er das letzte Folteropfer in einer blutigen Dreckkruste am Boden liegen sah. Man hatte ihm augenscheinlich die Augen und Haare ausgebrannt, die Zunge ausgerissen und ihm Nägel der Länge nach durch die Finger getrieben. Seine Arme wirkten unnatürlich verdreht, und die Ellenbogen des Gefangen berührten sich sogar hinter seinem Rücken, an dem er mit Stacheldraht aufgehangen wurde. Seine Füße stützten das Gestell zusätzlich, wenngleich sie nicht mehr waren als blutige Stümpfe. Es war unmöglich, dass ein Sterblicher diese Pein verkraftet, doch mit Schrecken nahm er zur Kenntnis, dass sich die entblößte und mit Peitschenstriemen überzogene Brust des Opfers noch hob und senkte. Erbleichend meinte er für einen Moment, den jungen Hühnerdieb wieder zu erkennen, den er vor einer Woche in den Kerker werfen ließ. Nur für einen Nacht, hatte er damals zu sich selbst gesagt. Keine zwanzig Sommer war er alt gewesen. Erschreckt stellte er fest, dass er niemals selbst hier unten gewesen war, um nach den Gefangenen zu sehen. Die Folterknechte schienen sich anzuschicken auf höfischen Anlässen zu erscheinen, und er zog es vor, nicht länger als irgend nötig in ihrer Gesellschaft zu verbringen. Sie waren noch von seinem Vater angestellt worden, und keiner außer den Pagen die in seinem Dienst standen, hatten sie nach seinem Wissen gesehen. Er überließ den Umgang mit Gefangenen ihnen, obgleich ihm spürbar unwohl wurde, bei dem Gedanken was noch alles seine Schuld gewesen sein musste. Kalter Schweiß rann über seinen Rücken während er vorwärts lief. Seine Schuldgefühle wurden immer beklemmender, während er unwillkürlich daran denken musste, dass er auch jetzt nur aus egoistischen Gründen hier war. Für einen Moment schloss er die Augen, um seinem Gewissen den Todesstoss zu versetzen. Nicht mehr als ein Atemzug.
Wie in Trance öffnete seine behandschuhte Faust das kalte Kupferschloss, und gab mit der Messingklinke den Blick auf die Folterkammer frei. Nagelbesetzte Bretter, neunschwänzige Katzen, eiserne Jungfern, Daumenschrauben, ein Kamin voll Esse in dem weitere düstere Werkzeuge der Folter versteckt brannten. Allesamt blutverkrustete Zeugen häufigen Gebrauchs. Den Herzog fröstelte es, trotz der Hitze im Raum bei dem Gedanken daran, dass diese Gestalten Tag um Tag nichts anderes tun würden, als anderen Schmerzen zu zufügen. Er bedauerte jede Sekunde die er in dem schlecht belüfteten Raum verbrachte, dass er sie angestellt hatte. Schließlich gewann er seine Fassung wieder, und erhob die Stimme. Wie durch einen Kristall gefiltertes Wasser floss sie Klar durch den Raum, und richtete die Aufmerksamkeit sämtlicher Foltermeister sofort auf seine aufragende Gestalt. Lang und aufrichtig klang seine Rede durch den Raum, und als stumme Antwort erhielt er den Fingerzeig des düstersten Knechts, dessen Robe das Licht beinnahe zu ersticken drohte, und dessen Kapuze Blut säumte. Ungläubig folgte er ihm, und seine Augen weiteten sich vor Entsetzen. Abrupt vertrocknete seine Zunge und raubte ihm den Atem. Abrupt verschwand seine Sicht unter einem Schleier aus Tränen. Abrupt Klang der Schmerzensschrei seiner gequälten Seele durch die gesamte Burg. Rotz und Wasser rannen über sein Gesicht, und immer wieder Schlug er auf den Steinboden der Folterkammer ein. Er musste Stunden im Staub der Folterkammer gelegen, und sein Schicksal verflucht haben.
Mit wachsendem Wahnsinn erhob er erneut seinen Blick, und sah dem Furor Mortis in die Augen. Man hatte ihr den Kopf abgeschlagen, wie es sich für Ehebrecher gehörte. man hatte sie entkleidet und ihr die Brüste abgeschnitten. Man hatte ihre Armee in ein Kreuz genagelt, und Stück für Stück abgeschnitten, sodass in je einem Zentimeter abstand ein Fleischstück von ihr am Kreuz hing. Mit ihren Füßen verhielt es sich ähnlich. Die ganze Leiche war außerdem schwarz vor Asche und rot vor Blut.
Mit einem irren Kichern richtete sich der Herzog der Finsterkämme schließlich auf. Sein Gesicht war noch immer voll von Wasser und Rotz. Er torkelte zum Aschebecken, wobei er immer wieder einknickte, und in einem qualvollen Lachen aufstöhnte. Seine Beine wirkten unnatürlich angewinkelt, während er tapste, und jeder Medikus hätte seine Gesundheit wohl in Frage gestellt. Schließlich kam er an, und seine verschmutzten Handschuhe ruhten auf dem rußverschmierten Steinrand. Einen momentlang wanderte sein Blick zur Decke, dann schlossen sie sich in einer Minute tiefster Trauer, tiefsten Entsetzens und höchsten Wahnsinns. Seine Schreie hallten erneut durch die Burg, als die Nacht anbrach, und sein Gesicht verbrannte zu einer Fratze des Wahnsinns. Nie wieder, würde er in einen Spiegel sehen, denn die Schmerzen die seine Seele litt, hatte er mit glühenden Kohlen gelindert. Der Preis des Wahnsinns münzte seine eigene Währung, und der Herzog verstümmelte sich selbst grausam.

Wird fortgesetzt. . .
Kritik ist dennoch gern gesehen
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(P.s. Leider noch unlektoriert, und dringend korrekturbedürftig, vor allem was die Kommasetzung angeht)

Euer Ius
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