Rezension Geist: The Sin-Eaters

Das Arkanum

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Geist: The Sin-Eaters
WoD2 Quellenband​

Anhang anzeigen 19548So setzt sich auch 2009 die Reihe jährlicher Systeme für White Wolf’s World of Darkness fort. Ich kann mich noch an das große Rätselraten erinnern, welches kurz vor und nach der Veröffentlichung von Hunter: The Vigil ausgebrochen war. Was sollte jetzt noch kommen? Vampire, Werewolf, Magus standen bereits 4 und mehr Jahre in den Regalen und das Rumoren, welches nach der Einstellung der oWoD durch die Rollenspielerschaft ging, war nun nicht einmal mehr ein Echo. Man hatte sich angefreundet oder lebte zumindest in friedlicher Koexistenz. In den folgenden 4 Jahren gesellten sich sogar bereits 3 weitere Figuren des klassischen Horrors in jährlichen Systemen dazu: sei es nun Promethean: The Created, das sehr erfolgreiche Changeling: The Lost oder Hunter: The Vigil. Zur selben Zeit kamen noch Minor Templates zu Dämonen (Inferno) und diverse Sorten Unsterblicher (Immortals) raus. Damit fanden doch irgendwie alle großen Settings der oWoD Einzug in die neue, oder nicht?... Aber Moment, plötzlich stand da dieses merkwürdig vertraut vorkommende Wort „Geist“ auf der letzten Seite des Hunter Grundregelwerks und plötzlich kramten alle ihre alten Wraith oder Orpheus Regelwerke raus, welche verstaubt und beinahe vergessen irgendwo in den Regalen ihr Dasein fristeten. (Naja, falls man Glück hat ein Exemplar zu besitzen. *grummel*) Nun sind die Unterschiede aber so offensichtlich, wie verheißungsvoll: Geist heißt nicht Wraith, sondern schlicht, einfach und deutsch „Geist“. Das Spiel musste sich also derart von Wraith unterscheiden, dass man es nicht Wraith nennen konnte, aber irgendwas mit Geistern zu tun haben.
Ich weiß nicht mehr, wann genau der Untertitel „The Sin-Eaters“ verraten wurde, aber damit war die Überraschung perfekt. Bis dahin hatte niemand mit etwas Ähnlichem gerechnet.

Im Folgenden werde ich versuchen euch Geist: The Sin-Eaters kurz näherzubringen. Wraith-kundigen werden die Unterschiede direkt ins Auge fallen. Dann gehe ich auf die Inhalte der einzelnen Kapitel des Buches ein. An jeder Stelle versuche ich gewisse Schwächen und Pluspunkte des Buches aufzuzeigen, was mich letztlich zu meinem Fazit bewegt. Aber zuerst ein Blick auf den Einband.

Aufmachung:
Das Buch ist in einem relativ schlichten und elegant matten Schwarz gehalten. Der Titel Geist: The Sin-Eaters ist von hellblauem Dunst unterlegt. In der unteren Ecke findet sich der Hinweis „A Storytelling Game of Second Chances“. Fein säuberlich reihen sich reflektierende Motive von alten Schlüsseln auf. Ein Motiv, dass auf jeder Seite des Werkes in Form einer regelrechten Flut von Schlüsseln wiederzufinden ist, in welcher, je nach Kapitel und wie für die WoD mittlerweile üblich, unterschiedliche Illustrationen aus dem Werk zu erkennen sind.
Das Layout im Inneren war für mich irgendwie gewöhnungsbedürftig. Die Seitenzahl ist sehr prominent auf der rechten Seiten in blassblau unterlegt. Die Info-Boxen befinden sich stets am unteren Seitenrand und sind als solche durch eine für WoD untypische Schriftart gekennzeichnet. Hierdurch kommt es schon einmal vor, dass auf mehreren Seiten hintereinander Info-Boxen folgen, welche auf eine frühere Seite Bezug nehmen. Als positiv zu erwähnen ist, dass die Illustrationen erstmals mit den Namen des Erstellers beschriftet sind. Wollte man früher mal herausfinden, von wem eine Illustration stammt, tat man sich unter Umständen ziemlich schwer, wenn man die Signatur nicht entziffern konnte. Um meinen Favoriten zu nennen: John Wigley hat wirklich ganze Arbeit geleistet.

Hintergrund:
Der Titel des Werkes ist etwas verwirrend. Während die Titel anderer Werke, wie Vampire: The Requiem oder Changeling: The Lost, eindeutig anzeigen, was man im Begriff ist zu spielen, scheint das aufgrund des Titels Geist: The Sin-Eaters diesmal nicht ganz so klar zu sein. Man spielt nämlich keinen Geist, sondern einen Sin-Eater.
Aber was bedeutet das? Es beginnt mit einem Menschen, welcher eine Begabung besitzt, die ihm bereits früh – früher als den anderen - die Augen für die World of Darkness öffnet. Sin-Eater sind bereits vor ihrer „Verwandlung“ auf unterschiedlichste Weise empfänglich für die Energien des Todes. Die einen haben imaginäre Freunde, welche sich als die Geister verstorbener Verwandter herausstellen, andere können auf einen Blick voraussagen, wann und wie jemand sterben wird. Es sind diese Fähigkeiten, die Sin-Eater empfänglich und interessant für Geister machen.
Was ist nun ein Geist (im Unterschied zu Geistern (engl. Ghost)… puh)? Geister waren einst Menschen bzw. die Geister der Verstorbenen, welche aufgrund einzigartiger Eigenschaften der Unterwelt oder unbekannter Vorgänge ihre Anker nach und nach gegen archetypische Merkmale einer Todesart eingetauscht haben und so zu einer Verkörperung des Todes selbst geworden sind. Sie haben den Großteil ihrer menschlichen Erinnerungen und (teilweise) Erscheinung verloren und besitzen nunmehr sehr bizarre Motivationen. So brennt ein Geist des Feuertods nicht, weil er es will, sondern weil er es muss, um zu sein. Sie werden als „more than a ghost, less than a god“ beschrieben und besitzen sowohl Eigenschaften von Geistern (Ghost) als auch von „Geistern“ (Spirits).
Und so kommt es wie es kommen muss. Jeder muss irgendwann sterben und es passiert gerade in dem Moment, in dem sich der Mensch auf der Grenze zwischen Leben und Tod bewegt, als ein Geist sich seiner Seele annimmt und ihr einen Handel (The Bargain) vorschlägt. Dem Menschen wird die Chance gegeben weiterzuleben und der Geist bekommt erneut einen Körper, Sicherheit und die Möglichkeit in den Genuss des Lebens zu kommen. Eine zweite Chance für beide. Ihre Seelen verschmelzen und von dem Zeitpunkt an ist der Mensch nie wieder allein.
Historisch gesehen bezieht sich der Begriff Sin-Eater auf eine Person, welche in einem religiös magischen Ritual Brot und Trank über einem Verstorbenen zu sich nahm, um den Verstorbenen von seinen Sünden zu befreit, worauf der Verstorbene in Frieden ruhen kann. Hiermit können sich die Sin-Eater sehr gut identifizieren. Viele sehen sich plötzlich berufen sich mit dem Tod auseinander zu setzen, der ihnen nun allgegenwärtig ist. Sie verstehen sich als Gatekeeper zwischen dem Reich der Lebenden und der Toten und sind immer bemüht diese Grenze zu wahren. Wie sie es tun, ist hingegen von Fall zu Fall unterschiedlich (siehe Charaktere, Archetypen). Ein gelungener Hintergrund, welcher Sin-Eater, anders als die Figuren des alten Wraith oder teilweise die eigenbrötlerischen Promethean, voll und ganz in die World of Darkness integriert und zusätzlich für sehr viele systemübergreifende Geschichten sorgt, besonders mit Vampiren oder Magi.

Charaktere:
Sin-Eater bricht etwas aus den klassischen Achsen der WoD aus. Es gibt keine festgelegten politischen Bünde, diese werden ersetzt durch eine ganz eigene persönliche Charakterisierung des Umgangs mit seiner zweiten Chance, den Archetypen.

Archetypen sind:

  • Reaper entscheiden wer lebt oder stirbt.
  • Celebrant genießen ihre zweite Chance in vollen Zügen.
  • Gatekeeper bewachen die Wege zwischen Leben und Tod.
  • Mourner können mit Geistern oft besser als mit Menschen. Das Afterlife ist auch nur eine Form des Lebens.
  • Bonepicker benutzen ihre neuerworbenen Fähigkeiten, um sich zu bereichern und ihr Leben so angenehm wie möglich zu gestalten
  • Advocate erledigen die unerledigte Angelegenheiten von Geistern
  • Necromancer studieren die Geheimnisse der Unterwelt und des Todes.
  • Pilgrim helfen sich und andere die Dinge richtig zu stellen, in dem sie versuchen sich und andere von allem zu trennen, was möglicherweise als Anker dienen kann. Sie wollen den Übergang erleichtern.
Anstelle der politischen Bünde treten „lose“ organisierte Krewes unterschiedlicher Größe und Bedeutung (Tiers) (inkl. mystischem Bund und Kanal zur Unterwelt), welche über ein geheimes Netzwerk, dem Twilight Network, bestehend aus verschlüsselten Botschaften über Internet, Fernsehen, Radio, Zeitung oder Graffiti auf Friedhöfen, oder den Treffen auf gewissen Partys, sogenannten Flesh Fairs, in Verbindung bleiben. (Meiner Meinung nach hat die fehlende Organisation bereits bei Promethean das Spiel irgendwie erschwert, interessant ist deshalb, dass es hier problemlos funktioniert. Nichtsdestotrotz erscheinen die Krewe Regeln etwas befremdlich und sind nicht jedermanns Sache.)

Die andere Achse wird beschrieben durch die Thresholds. Hierbei handelt es sich um die Todesart des Sin-Eaters, die Resonanz des Todes, ein Art Seins-Zustand. Der Threshold kann gleichzeitig ein Maß dafür sein, welcher Geist auf welchen Sin-Eater aufmerksam wird. Gleiches zu gleichen ist in diesem Fall aber kein Muss.
  • The Torn: Death by Violence, The Bleeding Ones, Victims of Malice, Marked by Murder and Conflict
  • The Silent: Death by Deprivation, The Starved Ones, Victims of Neclect, Marked by Starvation and Need
  • The Prey: Death by Nature, The Eaten and Drowned Ones, Victim of the Elements, Marked by Claw, Wave and Earth
  • The Stricken: Death by Pestilence, The Ravaged Ones, Victims of Plague, Marked by Poison, Virus and Bacterium
  • The Forgotten: Death by Chance, The Lightning-Struck, Victim of Misfortune, Marked by Fate’s Injustice
Manchmal drängt sich die Frage auf, welcher Threshold durch Todesart x erzeugt wird. Die Antwort darauf wird einzig dem Spieler überlassen. Man kann sich also Austoben und sich sehr viele Gedanken darüber machen, wie sein Charakter stirbt.

Es gibt keine dritte Achse in Form von Blutlinien, Legacies, Noble Order etc.

Fähigkeiten:
Die Fähigkeiten der Sin-Eater werden unterteilt in Keys und Manifestation.
Jede Manifestation kann auf einer unterschiedliche Weise, das heißt mit einem anderen Schlüssel, entfesselt werden und entfaltet daraufhin unterschiedliche Effekte vor dem Hintergrund des gewählten Keys.
Es gibt insgesamt 10 Keys, vier Elemental Keys und sechs andere. Hierzu gehören:

  • Tear-Stained Key (Wasser)
  • Grave-Dirt Key (Erde)
  • Cold Wind Key (Luft)
  • Pyre-Flame Key (Feuer)
  • Industrial Key (Einfluss auf Technik, besonders alte Technik)
  • Stigmata Key (Verwendung von Blut und Opfer zum Einfluss über die spirituelle Welt)
  • Stillness Key (Heimlichkeit, Unsichtbarkeit und die Sinne anderer)
  • Phantasmal Key (Einfluss über Illusionen)
  • Primeval Key (Einfluss auf Natur, Fauna und Flora)
  • Passion Key (Einfluss auf Emotionen)
Keys besitzen keinen Wert zwischen eins und fünf, sondern werden mit dem ersten Punkt erworben. Im Buch gibt es jedoch mehrere Hinweise darauf, dass dies nicht von Anfang an geplant war. Hier und da findet man Textstellen, welche von einem Key-Wert sprechen, oder Tabellen, welche einen Maximalwert für Keys beschreiben. Diese Fehler sind echt bedauerlich und zeigen leider, wie kurzfristig noch an dem Werk gearbeitet wurde, damit es pünktlich zur GenCon auf den Markt kommt.

Manifestations hingegen besitzen einen Wert von eins bis fünf. Nach der Aktivierung einer Manifestation durch einen bestimmten Key stehen einem alle Fähigkeiten bis zu dem Wert, den man besitzt, zur Auswahl. Einige besitzen gesonderte Kosten, andere müssen bewusst ausgeschaltet werden.
Es gibt insgesamt 7 Manifestations:

  • The Boneyard: Kontrolle über die Umgebung, Haunting-Effekte
  • The Caul: Veränderung des Körpers, häufig auf sehr beängstigende Weise
  • The Curse: Flüche und Kontrolle über den Verstand
  • The Marionette: Kontrolle über physische Objekte, Tiere oder andere Personen
  • The Oracle: Verstärkung der Sinne, Vorahnungen
  • The Rage: Ein Schlag gegen seine Gegner
  • The Shroud: Schutz und Verbesserung bzw. Veränderung des Körpers.
Auch hier haben sich wieder einige Fehler eingeschlichen. Einige Effekte eines Keys unter unterschiedlichen Manifestations ähneln sich sehr. Schade, aber nicht unbedingt schlimm. Aber ein paar Effekte der Manifestation sind zudem redundant, da es bereits ähnliche innate Fähigkeiten gibt, welche den Effekt bereits erfüllen. (So können Sin-Eater beispielsweise nicht das Bewusstsein verlieren, einige Grave-Dirt Kräfte sollen aber eben diesen Effekt haben.) Schade. Die verwirrenden Hinweise auf einen Key-Wert kann man noch hinnehmen, aber an dieser Stelle wird es irgendwie ärgerlich.

Das Ganze wird natürlich auch dieses Mal durch eine ganze Reihe von innaten Fähigkeiten gewürzt. Hierzu zählen Möglichkeiten Schaden zu überstehen oder dem Tod weitere Male von der Schippe zu springen. Außerdem sind Sin-Eater in der Lage Geister zu sehen und mit ihnen zu sprechen, immer und überall. Es bedeutet sogar, dass der Sin-Eater sich anstrengen muss, um etwas Ruhe vor den Toten zu haben. Letztlich hinterlässt jeder Tod Spuren, die ein Sin-Eater an Orten oder Personen wahrnehmen kann, was ihm eine sehr präzise Vorstellung über die Gesundheit oder die Todesart seines Gegenübers gibt.

Desweiteren gibt es eine ganze Hausnummer an Ceremonien (Rituale) und Mementos (Artefakte).

Regelwerk:
Wie versprochen folgt ein kurzer Blick über das Regelwerk. Da ich bereits recht viel über das Setting erzählt habe, wird der Blick umso kürzer ausfallen.

Es fängt mit dem obligatorischen Prologue an. Dieser trägt den Namen „Rum is the Drink the Dead Like Best“ und erzählt die Geschichte zweier Geschwister, welche bei einem Wohnungsbrand umgekommen waren, und nun gemeinsam ihrer verstorbenen Mutter die letzte Ehre erweisen wollen. Die Geschichte wird immer wieder von kurzen Einschüben unterbrochen, welche von anderen Geistergeschichten berichten.
Leider ist der Prologue sehr schwer zu lesen, aufgrund der Schriftfarbe und dem graduellen Hintergrund. Ich hatte echt Probleme mit den Augen bekommen und musste mehrfach absetzen bis ich sie endlich durch hatte.

Hierauf folgt die Introduction. Wie üblich gibt es hier ein Lexikon über die Sin-Eater Terminologie und eine Vorstellung von ausgewählten Quellen, welche zur Inspiration herangezogen werden kann. Außerdem gibt es einen ersten Einblick in das Thema und die Stimmung des Settings.

Im Kapitel 1 „At the Cemetery Gate“ wird auf 44 Seiten das Setting vorgestellt. Es beschreibt ausführlich, was man sich unter einem Geist, einem Sin-Eater, dem Bargain und den daraus resultierende Verantwortungen vorzustellen hat. Hier werden das Twilight Netzwerk und die exzessiven Treffen der Sin-Eater, die Flesh Fairs, vorgestellt. Zu dem Thema gehören außerdem die Krewes und ihre Strukturen. Abschließend wird der Umgang mit Geistern, der Unterwelt und dem Rest der World of Darkness thematisiert. Hier wird auch ein erster Blick auf die natürlichen Feinde der Sin-Eater geworfen: Neben Geistern, rivalisierenden Krewes und irregeführten Sin-Eatern, den Sacrosancts, gibt es einen ersten Blick auf die Wächter und Gesetzeshüter der Unterwelt, den Kerberoi, und weit bizarreren Bewohnern der Unterwelt.

An gewohnter Stelle folgen in Kapitel 2 die Mechanismen der Charaktererschaffung auf Basis des World of Darkness Grundregelwerks. Das Kapitel ist 112 Seiten stark. Wie üblich gibt es zuerst eine kurze Zusammenfassung der einzelnen Schritte der Charaktererschaffung, die mit der Quick Reference abschließt. Es folgt ein intensiverer Blick auf die einzelnen Aspekte des Prozesses. An dieser Stelle werden die Archetypes ausführlich beschrieben und die speziellen Sin-Eater Traits (der Powertrait Psyche, der Treibstoff Plasm und der Morality trait Synergy) vorgestellt. Natürlich dürfen auch dieses Mal nicht die Sin-Eater spezifischen allgemeinen Merits fehlen. Verglichen mit anderen Systemen fallen diese mit 3 Merits (Ceremonies, Haunt, Memento) jedoch ziemlich mickrig aus. Im Anschluss an die Beschreibung der Thresholds folgen die ausführliche Beschreibung der Manifestations und Keys sowie der Ceremonies.

Kapitel 3: Systems beschäftigt sich auf 44 Seiten mehr mit den Mechanismen der innaten Fähigkeiten des Zustands, in dem sich Sin-Eater befinden. Hier werden die Regeln für die Verwendung von Plasm zu den unterschiedlichsten Zwecken beschrieben und was Sin-Eater fähig sind wahrzunehmen. Anschließend wird die Erschaffung einer Krewe behandelt. Jede Krewe hat eine Mythology (Creation Myth, Metaphysics, Aspects), eine Art Offenbarung welche die Krewe während des Binding Rituals erfährt, und einen Ethos (Ban, Duty, Destiny), den Verhaltenskodex der Gruppe. Es folgt eine Reihe weiterer Merits, die Krewe Benefits, geordnet nach Größe bzw. Tier der Krewe.
Wie bereits erwähnt können die Krewe-Regeln befremdlich wirken und sind sicher nicht jedermanns Geschmack. Ich empfinde es als einen Versuch die Spieler näher zueinander zu bringen, um sie auf eine gemeinsame Aufgabe/Story einzustellen. Ich sehe jedoch die Gefahr, dass das Spiel unter der Diskussion, bis man sich endlich über alles einig ist, leiden könnte, besonders wenn man mit Spielern zu tun hat, die von sich aus irgendwie nichts beitragen oder sich bei einer Gruppenarbeit (wie in der Schule) schwer tun und eher mit Stille glänzen. Gruppen, die keine Probleme damit haben Individuen zusammenzubringen und die Individualität schätzen, werden sich mit den Regeln also u.U. etwas schwer tun.
Das Kapitel endet mit einer Beschreibung der Mementos (auch Keystone Mementos) und liefert einige ready-to-use Mementos und Inspirationen.

In Kapitel 4: Storytelling (42 Seiten) findet man natürlich wieder einige Aufhänger für sein eigenes Spiel. Hier werden Storyhooks und Konfliktmöglichkeiten beschrieben, die ein sehr gutes Gefühl für das Spiel vermitteln. Natürlich darf auch dieses Mal die Beschreibung von Antagonisten nicht fehlen. Hier findet man neue Numina für Ghosts und Unfettered Geists. Außerdem werden Kerberoi, Abmortals, Sacrosanct Vacants und Wretched weiterführend behandelt.

Im Appendix I: Descent to the Underworld gibt es einen ersten, 40 Seiten starken Ausblick auf die Unterwelt. Hier wird beschrieben, wie Sin-Eater in die Unterwelt reisen können, was sie dort vorfinden und welche Gefahren mit einer solchen Reise verbunden sind. Besonders wird auch auf die Struktur der Unterwelt eingegangen, die in zahlreiche Dominions aufgeteilt ist, deren Grenzen von Flüssen beschrieben werden. In jedem Dominion gibt es andere Regeln, an die man sich besser hält, um nicht in Streit mit einem Kerberoi zu geraten. Ich finde das Kapitel sehr informativ. Die Beschreibung der Unterwelt ist wirklich gelungen. Die Metaphysik der Unterwelt ist eine echte Bereicherung für das Spiel und die World of Darkness. Aber das Kapitel bleibt lediglich eine Einführung in dieses Thema und man kommt als interessierter Spieler nicht um den Blick in das Supplement „Book of the Dead“ rum.

Last but not least: Appendix II: The Modern Gomorrah. In diesem Beispielszenario wird man mitten in den Big Apple katapultiert.

Ein letztes Wort: Der Charakterbogen ist irgendwie… hell… und… anders. Die Änderung des Layouts hat sich auch auf den Charakterbogen niedergeschlagen. Mir gefällt er überhaupt nicht. Das Schlüsselmotiv ist breitgetreten, die Farbe erinnert mich an den augenunfreundlichen Prologue. Abhilfe findet man im Internet: Mr. Gone wird vielen WoD Spielern bereits ein Begriff sein. Die Charakterbögen von ihm verzichten auf das merkwürdige Design und orientieren sich mehr an dem „alten“ Charakterbogenlayout. Das beste: Es gibt sie in 2 Farben und es gibt eine sehr schöne Lösung für die Keys.

Fazit:
Geist: The Sin-Eater ist in vielerlei Hinsicht gelungen. Der Hintergrund ist wirklich originell, interessant und macht Spaß. Wer aufpasst wird Aspekte unterschiedlicher Systeme aus der oWoD wiedererkennen (W:tO oder in Spuren sogar D:tF, um zwei zu nennen). Gleichzeitig hat sich gezeigt, dass Sin-Eater durchaus das Potenzial zu vollwertigen und nennenswerten Mitgliedern der World of Darkness haben. Sin-Eater stehen den anderen Einwohnern der World of Darkness in nichts nach, vielmehr haben sie die Isolation ihres Vorgängers Wraith überwunden und warten mit zahlreichen Berührungspunkten mit anderen Übernatürlichen und Menschen auf. Vielmehr noch bereichert das Regelwerk die WoD mit den Beschreibungen der Unterwelt und ihrer Bewohner, welche sehr gelungen und stimmungsvoll sind. Leider handelt es sich dabei aber höchstens um eine Einführung, so dass ein Blick in Book of the Dead wärmstens empfohlen ist. Weitere Supplements sind aus meiner Sicht nicht zwingend notwendig, solange man sich auf Sin-Eater beschränkt. Schließlich wird mit dem Regelwerk eine Brücke zum Grundregelwerk geschlagen, in welchem bekanntermaßen ein Großteil der Regeln für Geister bereits beschrieben ist.
Aber das Regelwerk zeigt auch gewisse Schwächen, viele davon entstanden aufgrund einer mangelnden Korrektur, Änderungen auf den letzten Drücker und dem nahen Veröffentlichungstermin (kurz: unnötige Schwächen!). An anderen Stellen wünscht man sich einfach etwas „mehr“: mehr Merits, mehr kreativen Spielraum (bzw. diesen an anderen Stellen, denkt man an die Krewe Regeln), mehr Information. 7 von 10 Punkten.

Ausblick:
„ALL THINGS ARE BORN OF DARKNESS“. Diese Worte erscheinen in weißen Blockbuchstaben auf schwarzem Grund an der Stelle, an der normalerweise die Hinweise für kommende Veröffentlichungen zu finden sind. Dunkel erscheint auch die Zukunft der World of Darkness an dieser Stelle. Für die Sin-Eater Reihe wurde nur ein Band neben dem Regelwerk angekündigt, Book of the Dead. Auf mehr Informationen wird man also (vorerst?) vergeblich warten. White Wolf kündigte eine Reihe interner Strukturänderungen an, welche ihre ganze Aufmerksamkeit fordern würden. Ob es weitere Erweiterungen im Sinne der annual game lines geben wird, bleibt abzuwarten.
 
Für mich eines der besten WOD Spiele. Wenn man die Tzimisce, die Baali und den Sabbat schon gespielt hat und auch die Dämonen schon Monate lang gespielt hat sind die Sin Eater genau das richtige.

Gibt es aktuell noch Geist Spielgruppen. Bin zur Zeit nicht fündig nach einer Gruppe geworden um wieder einmal einen Sin Eater zu spielen.
 
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