Rezension Gaslight Victorian Fantasy (SW Edition)

Zornhau

Freßt NAPALM!
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18. März 2004
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Geschätzte Damen, werte Herren, eine gute Nachricht harrt ihrer Verkündung!

Für die Freunde des gepflegten viktorianischen bzw. wilhelminischen Personnagen-Verkörperungsspiels tun sich neue Horizonte auf, die es zu erobern und vom überlegenen europäischen Geist zu bekehren gilt.

Nach dem bereits exzellenten Ausflug in die Legende von Robin Hood (Sherwood: The Legend of Robin Hood (SW Edition)) haben die umtriebigen und kundigen Savage-Worlds-Konstrukteure Marc Gacy, Stephen J. Miller, sowie Jonathan M. Thompson, die unter dem martialischen Namen Battlefield Press firmieren, ihre neueste Welt der Phantastik publiziert.

Gaslight Victorian Fantasy in der Savage Worlds Edition ist wahrlich bemerkenswert.

Meiner Kenntnis nach ist selbiges Produkt nur im ausgesuchten Handel für Produkte im tragbaren Schriftgut-Format erhältlich. Ob es je auf ehrlichem Papier mit Blei gesetzt erscheinen wird, ist mir nicht bekannt.

Ich möchte zunächst den Herstellern die Gelegenheit geben, sich in ihrer Sprache zu ihrem Produkt zu äußern:
Battlefield Press, Inc presents Gaslight.

A Victorian Fantasy where technology meets sorcery, where fantasy meets history. A world where Humans co-exist with Vampires, where fantasy meets history. Beast Men, Werewolves and Wildlings. A land of secret organizations and hidden agendas. Welcome to a Victorian world of magic, non humans and technology all trying to take their rightful place in society. Meet Vampire Detectives, Beast Men Sheriffs, and Wildling Rogues. Non humans in society exist from their counterparts in Victorian literature. An interesting and unique setting for Savage Worlds.

In Gaslight you will find:
• A history of Gaslight Earth
• Four new races each with their own specific Arcane Backgrounds
• A host of new general and race-specific edges
• A Target-Number based Wealth system
• Rules for Social Standing
• Weapons and equipment from the Victorian era
• A detailed Gazetteer and Timeline
Nun, das klingt ausgesprochen vollmundig. Doch - wie schon in ihrem Sherwood-Vorgänger - wird hier selbst gehobenen Erwartungen entsprochen.

Die 83 Seiten des elektronischen Produkts im tragbaren Schriftgutformat sind gefüllt mit stimmungsvoll und dennoch in aller Rücksichtnahme auf die Lebenszeit des Lesers kurz und treffend formulierten Darstellungen der alternativen Welt der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, sowie mit Sinn für das rechte Maß entworfenen Regelergänzungen gegenüber der Erkundungsreisendenausgabe des Grundregelwerks, denen die Besonderheiten der hier beschriebenen andersartigen und doch vertrauten Welt in regeltechnischen Mechanismen einzufangen mit Bravour gelungen ist.

Im Folgenden möchte ich so nach und nach über dieses wunderbare Produkt solider Spielentwicklungsingenieurskunst berichten. - Ich werde daher die Vorzüge des hier vorliegenden Mittels nutzen und diesen meinen ersten Beitrag mit mir verfügbarer Zeit um nähere Angaben zu den Inhalten von Gaslight Victorian Fantasy ergänzen. Daher ist es durchaus wahrscheinlich, daß ein späteres Lesen dieses meines Beitrages einen merklich erweiterten Inhalt aufweisen wird. - Ich entschuldige mich schon jetzt für die Inkonvenienz, welche derartige Mitteilung auf Raten für einen Leser mitbringen mag.

Bevor ich für die nächsten Stunden schließe, sei mir noch ein Appell an alle wahrhaft an phantastischen, andersartigen historischen Welten Interessierten gestattet:

Nicht auf meine ausführliche Darstellung warten, sondern das GUTE Werk SOFORT erwerben! Ja. Es ist SO wohlgelungen!



Erster Nachtrag zur ausführlicheren Eindrucksverschaffung über Gaslight:

Nun, nachdem ich ein wenig Zeit und ein Kännchen Tee für das weitere Berichten über dieses außergewöhnliche Produkt abgestellt habe, möchte ich damit beginnen, über noch nicht so sehr inhaltliche, wie mehr formale und auch persönliche Eigenschaften dieses Werkes zu sprechen.

Gaslight tritt auf unter dem Untertitel "A Victorian Era Fantasy Campaign Setting for Savage Worlds". Und genau das wird einem hier geboten.

Es ist nicht unsere historisch akkurat wiedergebene viktorianische Zeit von 1837 bis 1901, die hier als Spielwelt/Kampagnen-Setting dargeboten wird. Es ist vielmehr eine ähnliche Zeit. Eine Zeit, in welcher Phantastik Wirklichkeit ist und die Wirklichkeit phantastischer, als man es heute zu glauben vermag, war.

Ein Blick auf das Umschlagbild sagt viel über dieses Buch aus. Daher möchte ich diesen Blick den hiesigen Lesern nicht vorenthalten.

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Kennern wird aufgefallen sein, daß das Umschlagbild von "Dr. Jekyll & Mr. Hyde" stammt. Und dies zeichnet das Bild der Zeit und der Begebenheiten, in die wir uns mittels dieses exzellenten Buches begeben können, ausgesprochen treffend. Das Künstlerische und das Wissenschaftliche, das Spirituelle und das Materielle, das Phantastische und das Gewöhnliche - all das ist zur gleichen Zeit am gleichen Ort und pocht mit geballter Faust an die Tür der Vorstellungskraft der Spielenden, um Einlaß in deren vertraute Kreise des Personnagen-Verkörperungsspiels zu gewinnen. Hier ist alles möglich.

Gaslight ist als Savage Worlds Lizenzprodukt erschienen. Der Verlag ist in Übersee angesiedelt, in Louisiana, um genau zu sein. Das läßt natürlich einiges an üblichen und oftmals beklagenswerten Ungenauigkeiten und Ungereimtheiten erwarten, die Produkte aus den Kolonien normalerweise so mit sich bringen. - Doch hier hat sich die Gruppe der Autoren redlich um Recherche und Solidität bemüht, wie es sonst nur wenige in diesem Zweige geschäftlicher Unternehmungen zu tun pflegen. - Mehr zu den Früchten dieser Arbeiten später.

Ein Wort noch vorab. Die den Text illustrierenden Bilder, Graphiken, Karten, et cetera sind allesamt WikiMedia Commons entlehnt. Dies ist bemerkenswert und daher möchte ich es nicht verschweigen.

Hierzulande ist man über die nationale Ausgabe des amerikanischen Grusel-Klassikers "Call of Cthulhu" ausgesprochen visuell opulente Bücher mit viel Augenschmaus gewohnt. Diese hochkalorige Nahrung für die Augen wird man bei Gaslight nicht erhalten. Es ist schlicht, wenn auch trefflich und mit gutem Gespür für den passenden Kontext illustriert. Und aufgrund der historischen Bilder und zeitgenössischen, phantastischen Darstellungen gewinnt der Text - der es an sich nicht einmal nötig hätte - noch mehr an Glaubwürdigkeit, ohne daß sich das Auge des Betrachters in den Mäandern der Seitengestalterkunst verliert und vom Text als sprichwörtlicher Bleiwüste gar den Abstand zu nehmen trachtet. - Hier ist es der Text, der das Auge und den Geist des Lesers zu fesseln vermag und den Bildern kommt ihre geziemende Rolle am Rande zu, ganz wie den Frauen auf dem alljährlichen Offiziersball in der Hauptstadt, nicht wahr?

Ein Gentleman, auch wenn er aus "den Staaten" kommt, hat es nicht nötig seine Quellen und seine Mitarbeiter zu verschweigen. Daher möchte ich das Augenmerk einmal auf die Angabe des zusätzlichen Materials lenken und dort auf Namen wie Herbert George Wells, Jules Verne, Arthur Conan Doyle, Mary Shelley, Bram Stoker, Henry Rider Haggart und andere hinweisen. - Ich kann es nur zu gut nachempfinden, wie einem diese Namen sofort Bilder, Sätze, Geschichten in Erinnerung rufen. Und diese Bilder, Sätze, Geschichten sind es, die auch in Gaslight eine - wörtlich - Rolle spielen werden.

Die persönlichen Widmungen der Autoren sind persönlich anrührend, und eröffnen einen Blick in die Seele der drei Schaffenden.

Danach wird mit dem Gedicht "Prospice" von Robert Browning aus dem Jahre 1861 die Ouvertüre für das eigentliche Werk eines Kampagnen-Settings geboten.

Das stimmungsvoll illustrierte Inhaltsverzeichnis läßt uns allein schon anhand der Überschriften der großen Abschnitte erahnen, was wir en detail noch kennenlernen werden.

Terror by Gaslight, so der erste Abschnitt, bringt uns die Welt, wie wir sie nicht kennen, dar, und gewährt uns einen Blick in wichtige Organisationen und Geheimgesellschaften dieser Welt. Der Mensch als Krone der Schöpfung ist ein soziales Wesen. So ist es im Verkörpern von Personnagen auch stets der Fall, daß man in geselliger Zusammenkunft sich dem Phantastischen im Spiele hingibt. Und ebenso geben sich die aufrechten Bewahrer der Werte, die verderbten Übeltäter, die notorischen Einmischer, die verborgenen Fädenzieher, und alle jene, die den widrigen Elementen das Handwerk legen wollen oder mehr über die Natur der geradezu unnatürlichen Phänomene zur Mehrung der Erkenntnis und zur Entwicklung wirksamer Gegenmaßnahmen erfahren wollen, in ihren jeweiligen Gemeinschaften gegenseitigen Halt und Unterstützung.

Colorful Characters, dies ist der zweite Abschnitt, welcher schon im Namen zeigt, daß es nicht um wirkmächtigste Siegfried-Figuren geht, sondern um Personnagen mit mehr Farbe, mehr Stil, mehr Verve, mehr Contenance in den abenteuerlichen, den gefährlichen Situationen, die sie zu bestehen haben. Es werden hier die üblichen und bewährten Verfahrensweisen von Savage Worlds zur Erschaffung solcher Personnagen verwendet. Die neben und insbesondere unter dem Menschen als dem verdienten Eroberer des Erdenballs auch als von Spielenden verkörperbar vorgesehenen weiteren Rassen wie Tiermenschen, Vampire, Werwölfe und Wildlinge werden ebenso dargelegt wie deren zugehörigen Vorteile und Nachteile, die ein Spielender erfährt, der solch einen exzentrischen Spielwunsch hat.

Worldly Goods, alles, was man kaufen kann. Dieses Kapitel beginnt mit einem im Savage-Worlds-Kontext als Novum zu betrachtenden Mechanismus: Es wird ein abstraktes Wohlstandsregelsystem eingeführt, das ohne das für viele Spielende ohnehin ungewohnte Aufrechnen von Münzbeträgen auskommt. Erst danach erfolgt ein Katalog der gängigen Kaufbarkeiten, samt Schilderungen ihrer Besonderheiten.

Rules of Order enthält das neu Geregelte (abseits des Wohlstandsregelsystems). Darunter fällt das ausgesprochen notwendige Regeln der Einflüsse des Standes eines Charakters auf dessen gesellschaftliches Auftreten gegenüber anderen, gleichgestellen, niederen, oder - eventuell - besseren Personen. Weiters ist hier die Darlegung der übernatürlichen Fähigkeiten zu finden, zu denen jede anfangs genannte Rasse in der einen oder anderen Form befähigt ist - keine ist dabei natürlich so vielseitig oder gar so mächtig wie die Menschen, nur um die von mir vorweggenommen vorgestellten gerunzelten Stirnen wieder zur Glätte zu bewegen.

The Sun Never Sets ist ein Ausspruch, den zurecht auch in dieser Welt ein jeder Herrscher einer Kolonialmacht tätigen kann. Hier wird über England und den Kontinent berichtet, über Nordamerika, über Süd- und Mittel-Amerika, über Afrika und über Asien. Die gesamte bekannte Welt wird hier in Kürze und im Hinblick auf Nutzbarkeit für das phantastische Spiel aufbereitet und vor den Spielenden ausgebreitet. Es folgt noch eine Zeitleiste, die von 1859 beginnend Ereignisse von Bedeutung für die Welt von Gaslight aufführt (diese Ereignisse können in unserer Historie durchaus geringere, andere, oder keine Bedeutung gehabt haben - ja manche könnten korrekterweise oder auch irrigerweise als reine Fiktion bezeichnet worden sein). Die Zeitleiste endet abrupt im Jahre 1901 mit einem die Welt, wie wir sie inzwischen besser kennen und vermutlich auch ein wenig liebgewonnen haben, ins Mark der Erde erschütternden Ereignis. Mir stockt die Schreibhand vor Zittern. Daher hier nur ein Bild der Dinge, die da kommen werden.

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Mein Tee ist getrunken und mich dürstet nun nach etwas Kräftigerem. Daher beschließe ich für den Moment meinen Bericht. Für den Moment. Mehr und in mehr Detail demnächst.



Zweiter Nachtrag zur ausführlicheren Eindrucksverschaffung über Gaslight:

Wie so oft nach einem ausgelassenen und die Geister erhebenden Abend voll des Spielvergnügens fühle ich mich angeregt genug, auch ohne entsprechend anregende Getränke ein wenig mehr über den Gegenstand meiner aktuellen Begeisterung zu berichten.

Zum Beginn sogleich klar und unmißverständlich der Hinweis: Der vorliegende Gaslight-Band ist "nur" ein Spielerhandbuch für das Gaslight Campaign Setting.

Das bedeutet, daß hier ein am phantastischen Spiel in der Welt von Gaslight alles Notwendige zur Erschaffung farbiger, eindrucksvoller, bemerkenswerter Personnagen an die Hand gegeben bekommt. Jedoch wird hier der Leiter des phantastischen Spiels nicht gesondert mit den ihm zustehend vor den gewöhnlichen Spielenden verborgen gehaltenen Tatsachen über die Welt von Gaslight versehen. Selbige Tatsachen, sowie weitergehendes Detail, welches einem Spielleiter zukommt, wird - wie im hier vorliegenden Buche angekündigt - zukünftigen Publikationen vorbehalten sein.

Man mag hier durchaus spekulieren, wieviele solcher Publikationen zu welchem Gegenstande genau wohl die Spielerschaffer herauszubringen die Absicht haben.

Manch einer schätzt ja die für Savage-Worlds-Produkte übliche Art eines in sich geschlossenen, in einem einzelnen Band veröffentlichten "runden" Produkts. Doch andere bevorzugen es, sich für ein Spiel zu engagieren, dessen Unterstützung, die es seitens des Verlags mittels Folgeprodukten erfährt, über längere Zeit währt, ja bei manchen Produkten gar niemals abzureißen scheint.

Die Zukunft, die auch uns in unserem rationalen Zeitalter so unwägbar wie eh und je erscheint, wird es zeigen, wie es sich bei Gaslight verhält.

Doch nun genug der Vorrede und ohne Umschweife hinein in den ersten Abschnitt des Werkes!

Terror by Gaslight - ein, zugegeben, etwas reißerischer Titel, wenn man sich den Inhalt dieses Abschnittes, welcher von sorgfältiger Recherche und liebevoller Aufbereitung geprägt ist, vor Augen führt.

Es geht im weitesten Sinne auch um "Terror", doch um viel, viel mehr. Dieser erste Abschnitt, bringt uns die Welt von Gaslight näher. Eine Welt, wie sie uns in vielen Facetten bekannt, ja geradezu vertraut vorkommen mag, und in anderen so neu und teils so verstörend fremdartig, daß wir uns fassen müssen, um diese Abweichungen vom als sicheres Wissen Vertrauten zu verarbeiten.

Nach einer kurzen Abgrenzung diese Werks, welches sich ja als "Victorian Fantasy" betitelt, gegenüber den gängigen, gemeinen Versatzstücken der Phantastik, welche heutzutage beinahe schon eine Allgegenwart verzeichnen, als da wären Elfen, Zwerge, Halblinge, geht es sogleich um gewisse Annahmen, welche die Schöpfer dieses Werkes trafen.

So wird angenommen, daß die Personnagen, welche durch Spielende verkörpert werden sollen, mit höchster Wahrscheinlichkeit in einer der nachfolgend vorgestellten Organisationen mitwirken werden. Insbesondere wird angenommen, daß die Spielenden sich nicht auf die Seite des Bösen und Schlechten, sondern die des Guten und Verständigen schlagen werden. - Dies ist natürlich keinerlei Verpflichtung und organisationsfreie Personnagen, die eventuell einem Holmes und Watson nach eifern mögen, welche sich nicht von staatlichen noch von privaten Organisationen jemals vereinnahmen ließen, sind absolut gängig und in jeder Hinsicht zustimmungsfähig.

Zu den Organisationen möchte ich später mehr sagen. Aber ich möchte hier ankündigen, daß ich mir stellenweise nicht einen Vergleich mit einem anderen Werk für Savage Worlds, "Rippers" genannt, versagen können werde. Dieser Vergleich bietet sich an, da beide Werke in derselben Zeit und - zwangsläufig - an denselben Orten angesiedelt sind: der ganzen Welt, wie wir sie nach Lektüre der jeweiligen Settingbeschreibung mit neuen Augen zu sehen vermögen.

Wo Rippers sich klar rund um einen immanent gefährlichen, die gesamte Welt bedrohenden Konflikt der Angehörigen von Rippers-Logen, verdeckt und in aller Diskretion operierenden "Monster-Jäger"-Clubs unterschiedlicher gesellschaftlicher Stützung und unterschiedlichen Einflusses, mit einer ebenso weltweit vertretenen, erstaunlicherweise hochgradig organisierten schurkischen Gegen-Organisation, der "Kabale" ausrichtet, ist Gaslight anders, weit weniger auf den Einen Großen Konflikt ausgerichtet, sondern auf das bunte Kaleidoskop aller nur erdenklicher, interessanter und beeindruckender Herausforderungen des Lebens in einer Viktorianischen Ära, die vielleicht "wahrer" ist, als unsere vieles als Fiktion abtuende Rückschau dies wahrhaben will.

In diesem Sinne wird auch im vorliegenden Werk sogleich die viktorianische Ära umrissen. Da die Schöpfer aus den Kolonien stammen, sind Bezüge, welche diese bedauernswert weit entfernt jeglicher anregender Gesellschaft und technologischen Fortschritts existierenden und sich mit den Wilden dort schlagenden "Pioniere" dort verstehen können, an vielen Stellen eingeflochten. Dies schmälert keinesfalls den Lesegenuß, wenn es auch bisweilen Selbstverständlichkeiten eines zivilisierten Lebens sind, welche dort augenscheinlich erst erklärt werden müssen. - Ich vermute, das Leben in den Kolonien drüben ist sehr - "abenteuerlich", wenn sie verstehen, was ich meine.

Die für das phantastische Spiel in der Welt von Gaslight anvisierte Zeit ist die von 1870 bis 1900. Diese Zeit wurde vermutlich deshalb mit besonderem Detail behandelt, weil hier eine Fülle an Umbrüchen technologischer, sozialer, politischer, und - nicht zu vergessen - geographischer Art angesiedelt ist, in die einzutauchen einen Spielenden in einen Wirbel an Dramatik, Entscheidungen, Herausforderungen, Heldentum, intellektueller Überlegenheit, Standfestigkeit, Unerschütterlichkeit und stilvoller Eleganz zu ziehen ermöglicht.

Nach kurzer Terminologieklärung wird dem Leser ein Abriß viktorianischer Themen geboten. - Ganz prominent sind hier die abenteuerlichen Geschichten, die an exotische Plätze führen, oder bei denen der Weg das Ziel ist (wie "In 80 Tagen um die Welt"). Auch das Entdecken "verlorener Welten", ob Hohlwelt, Täler im Dschungel, in der Antarktis, einsame Inseln mit Wilden, die einen riesenhaften Affengott verehren mögen - alles das sind gängige Themen, die auch in Gaslight von Bedeutung sind.

Weitere Themen sind die "Verwestlichung" von kolonisierten Landstrichen. Hier können energische Missionare oder Mitarbeiter des Außenamts zeigen, was sie diplomatisch und spirituell zu leisten vermögen. Und dies kann ihnen im Heimatland die herausragendsten politischen Karrieren eröffnen - oder ihre gesamte Familie in Schande stürzen. Es hängt allein von den Spiellenden ab, wie so etwas ausgehen mag.

Auf Imperialismus und Kolonialismus, beides bestimmende Themen, wird eingegangen. Die Folgen sind in abenteuerlichen Erlebnissen der Personnagen spielend zu erfahren.

Gesellschaft. Das ist das Kernthema, die Sonne, um die sich alles und alle drehen. - Klassisch gibt es zwei Klassen von Menschen. Die Adeligen und die Gemeinen. De facto jedoch gibt es durch die industrielle Revolution eine breiter werdende Schicht an wohlsituierten Personen, die nicht vom Blute sind, doch denen man nicht die Ungerechtigkeit antun möchte, sie als Gemeine zu bezeichnen. Diese werden hier als Mittelschicht, als eine dritte Klasse bezeichnet.

Wichtig: Die Klassen kümmern sich vornehmlich um ihre jeweils eigenen Dinge und es wird erwartet, daß sich auch die Personnagen der Spiellenden entsprechend verhalten. Das Handeln innerhalb der Erwartungen, das "comme il faut", kann nicht stark genug betont werden. - Ein Gentleman geht, er rennt nicht. Ein Gemeiner käme nie auf die Idee den Haupteingang des Anwesens eines Gentleman zu benutzen, sondern nimmt von selbst den Dienstboteneingang. Man handelt so, wie es anständig ist, nicht wie es vielleicht bequemer oder effizienter wäre.

Zwei Stützen der Gesellschaft werden näher beleuchtet: Höflichkeit und Skandal. - Da ich weiß zu welcher Leserschaft ich hier via dieser Worte spreche, kann ich mir das Elaborieren diese für uns alle so bedeutenden Schlüsselworte sparen. Für unsere Mitmenschen in den Kolonien ist im Gaslight-Buch die verständlich gehaltene Darlegung zu finden.

Dort findet sich dann auch ein auf die als "viktorianische Prüderie" bezogener Paragraph. Welche Auswirkungen der tatsächliche Umgang mit der vermeintlichen "Prüderie" hat, wird in für das phantastische Spiel nutzbarer Form angerissen.

Zum Thema Fortschritt muß ich auch nicht mehr viel sagen. Es wird hier die enorme Bedeutung der Errungenschaften der Wissenschaft und - fast noch mehr - der Ingenieurskunst dargelegt, aber auch nicht verschwiegen, wie es um dicht bevölkerte, und stetigen Qualmwolken dahinvegetierende Arbeiterviertel voller Elend und Krankheiten bestellt ist. - Nicht alles ist glanzvoll, was der Fortschritt mit sich brachte. Und anderes als bei Rippers stellen die weniger glanzvollen Entwicklungen ihre eigenen Herausforderungen an die Personnagen. Das ist anders als nur ein paar Monstern das Fell abzuziehen und sich eine Mütze draus zu machen.

Und wenn man schon bei Elend, Unterdrückung und Mitteln dagegen ist, dann landet man unweigerlich bei der Politik. Wichtige Entwicklungen wie Kommunismus und - wichtiger noch - Anarchismus als stete Bedrohung, als weltweit vertretene Form des Terrorismus, finden ihre Erwähnung - auch als möglicher Gegenstand eines Gaslight-Spielzirkels.
Über Religion und Magie wird geradezu in einem Atemzug gesprochen. Magie ist die rationale und daher anerkannte Form der Beschäftigung mit früher einmal aus Unverstand als mysteriöse, ja geradezu "schwarze" Künste bezeichneten, wissenschaftlichen Themen, die sich noch abseits der physikalischen Erklärbarkeit befinden. Es gibt jede nur erdenkliche Zahl an "okkulten Organisationen", die teils geheim, teils völlig offen Magie ausüben und lehren. Auch Universitäten unterrichten dieses Fach mit Erfolg.

Spiritismus, das Geistersehen, Seancen, das sind weitere übliche und zuverlässige Praktiken, wie auch die christlichen Wissenschaften, welche für Heilung durch den Glauben erstaunlichste Nachweise erbracht haben.

Mesmeristen, Gedankenleser, und ähnliche Talente sind ebenfalls bekannt und manche gar berühmte Zeitgenossen.

Das Übernatürliche ist nur "über"-natürlich, bis man die rationalen Erklärungen, die mit der Zeit gewiß nicht ausbleiben werden, für dergestalte Phänomene eruiert hat. Der Mensch ist dabei mehr und mehr über alles im Universum zu verstehen.

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Kommen wir nun zu den eingangs erwähnten Organisationen. - Ja, das ist eine Mehrzahl an grundverschiedenen Organisationen, manche weiß, manche schwarz, manche grau, und die meisten nur aus dem Kontext einer anderen Organisation überhaupt einzuordnen.

Üblicherweise, so die Annahme im vorliegenden Werk, sollten die Personnagen der Spiellenden Mitglieder einer solchen Organisation sein. Warum dies angenommen wird, kann man nur raten. Vermutlich, um allen Personnagen nicht zurückzuweisende Motivationen für die abenteuerlichen, phantastischen Erlebnisse zu geben, die sie wider die natürliche menschliche Sehnsucht nach häuslichem Komfort in widrigen Umständen zu machen überhaupt erst erschaffen wurden.

Meinem Gefühl nach braucht es solch eine Zugehörigkeit zu Organisationen nicht. Doch können diese Organisationen - im Guten wie im Schlechten - durchaus dem phantastischen Spiele dienen.

Nachfolgend kurz die vorgestellten Organisationen:

MI7 - Minister's Intelligence Department 7 kümmert sich um Fälle, die zu heikel, zu unglaublich, zu - seltsam für die anderen Departments sind. In weltweitem Einsatz arbeiten sie so heimlich, daß es nicht einmal bekannt ist, daß dieses Department überhaupt existiert.

Culto de Ostras Azules - Eine wüste Gruppierung, welche von einem vomTode "von den Engeln" zurück gebrachtem Gründer, der fürderhin den "Engeln" als "Kanal" in unsere Welt dienen sollte, zu seltsamer Blüte geführt wurde. Mit Mächten über Leichen, Friedhöfe und seltsamen Kräften ausgestattet, kulminierte dies Gruppe in der Geburt "Des Auserwählten". Danach verschwand sie im Dunkel der Geschichte.

Hermetic Order of the Golden Dawn - Kabbalismus, Tarot, Geomantie, Alchimie, stets auf der Suche nach dem Stein der Weisen. Aber nunmehr auf wissenschaftlich rationaler Basis. Und das bedeutet, sie werden erfolgreich sein mit ihrer Suche nach Wissen. Nur was sie damit tun werden, das ist die Frage.

The Invisible College - Diese Gruppe ist so unglaublich, daß alles, was ich dazu schreiben könnte, eben nicht geglaubt werden wird. Vermutlich auch diese Zeilen hier nicht. (Falls ich eine Personnage mit einer Organisationszugehörigkeit erschaffen sollte, dann wird sie dieser Organisation hier bestimmt nichts abgewinnen können, denn hier findet sich nichts von Belang.)

Knights of the Round Table - Dies ist die von Erben der alten Tafelrunde-Ritter wiedergegründete Tafelrunde. Mit allem, was so dazu gehört. Questen, Excalibur, der Heilige Gral, et cetera. - Falls dies unglaublich klingt, so möchte ich darauf hinweisen, daß diese Tafelrunde sich in Manhatten, in den nordamerikanischen Kolonien gegründet hat. Man denke sich den Rest.

Pinkerton Detective Agency - Dies ist der Weg in den Kolonien, für das, was in Europa solche Personen wie Sherlock Holmes tun. Die Pinkertons sind dabei in Verhalten, Auftreten, Mitteln, und Resultaten anders als die hier gewohnteren Detektive..

Red Headed League - Das sind allesamt Übeltäter. Teils den Anschein der Gentleman-Gauner erweckend, sind sie eine hochorganisierte, hartherzige Bande Verbrecher. (Siehe "Der Große Eisenbahnraub" mit Sean Connery für ähnliche Operationsmethoden.)

Scotland Yard - Diese Gesetzeshüter sind mit solchen Unannehmlichkeiten wie Jack, The Ripper, Sweeney Todd, und dergleichen konfrontiert worden. Eine Organisation nicht für die Zaghaften.

Van Helsing Institute - Gegründet nach tragischen Ereignissen rund um Vampir-Vorfälle hat sich dieses Institut für "seltsame" Phänomene etabliert. So sehr, daß es seinen Hauptsitz nach Königshütte ins südliche Schlesien verlagert hat, in eine Festung, die Ernst Frankenstein, dem jüngsten Bruder von Viktor von Frankenstein abgekauft wurde. Von dort aus sind die "notorischen" Einsatzgebiete leichter und schneller erreichbar.

Damit beschließt sich der erste Abschnitt von Gaslight.

Über den nächsten zu bunten, bemerkenswerten Personnagen werde ich bald hier berichten. - Wer nicht warten möchte, der kann und der sollte das exzellente Werk schon jetzt erwerben..




Dritter Nachtrag zur ausführlicheren Eindrucksverschaffung über Gaslight:

Ein paar Tage sind vergangen, in denen ich mich den dramatischen, ja geradezu haarsträubend mitreißenden Berichten über einen Offizier der Streitkräfte der Vereinigten Staaten von Amerika widmete, den es über ein katastrophales Ereignis weit, weit in die Zukunft geschleudert hatte, und der nun - ein Relikt einer lange vergangenen Zeit - in einer Welt voll Gewalt, Mutationen, Fremdwesen aus dem All und von jenseits der Zeit, und - das möchte ich hier nicht verschweigen - voller Frauen in unschicklich karger, bisweilen vollständig fehlender Bekleidung sich seinen Weg als aufrechter Offizier und Gentleman (soweit das einem Bürger der Kolonien möglich ist) zu finden anschickt. - Die aktuell in Mode gekommenen Sprachzylinder (eine Entwicklung, die ja H.G. Wells in seinem Werk über den erwachenden Schläfer vorweggenommen hat) bieten neben dem üblichen und gewohnten Format eines Druckwerks eine neue Möglichkeit diese Berichte zu genießen.

Die ersten Sprachzylinder über Matthew Drax und seine Erlebnisse in der Zukunft sind verfügbar und fesselten mich entsprechend, daß ich nicht so bald, wie ich es geplant hatte, über Gaslight weiter berichten konnte. - Dies möchte ich nun nachholen.

Ich schrieb schon in meinem Eingangsbeitrag, daß der Abschnitt Colorful Characters schon im Namen zeigt, daß es nicht um wirkmächtigste Siegfried-Figuren geht, sondern um Personnagen mit mehr Farbe, mehr Stil, mehr Verve, mehr Contenance.

Es beginnt mit dem klaren Hinweis darauf, daß Gaslight längst nicht nur in den erhabenen Kreisen der Oberschicht oder in den Korridoren der Gelehrsamkeit der Universitäten spielt, sondern auch in den düsteren, krankheitsgeplagten, heruntergekommenen Vierteln der bedauernswertesten Vertreter der Unterschicht. Um diese breite Palette möglicher Konzepte für spielenswerte Personnagen einem Spieler zu erschließen verwendet Gaslight wie bei Savage Worlds üblich die Einstiegshilfe der Archetypen - das sind typische Rollen innerhalb der (fiktiven) Gesellschaft der phantastischen Spielwelt. Diese helfen seine Personnage so auszurichten, daß sie plausibel in die erdachte Welt paßt und dort auch gleich passende Kenntnisse, Allgemeinwissen (sehr wichtig bei Savage Worlds!), und Beziehungen hat.

Hier ein paar der mir beim Durchsehen bemerkenswert erscheinenden Archetypen in natürlich völlig subjektiver Auswahl: Athleten wie Boxer, Ringer, Fechtlehrer, oder Cricket Spieler; Abenteuerer wie Großwildjäger, Erkundungsreisende; Bohemiens, die auch Sozialaktivisten, Anarchisten, Vagabunden, Künstler und dergleichen umfassen; Doktoren, welche neben üblichen Ärzten auch die neumodischen Psychiater umfassen; Hausangestellte wie Butler, Dienstmädchen, Kindermädchen, und dergleichen (für alle, die gerne solche Vorlagen wie Das Haus am Eaton Place oder Gosford Park als Inspiration für ihr Spiel verwenden mögen); Unterhaltungskünstler, wozu gar fürchterliche Bühnenmagier, Komödiendarsteller, oder auch Zirkusleute und Wahrsager gehören; Reiche Taugenichtse, die nichts Produktives tun (müssen), und somit ihre reichliche Zeit und ihren noch reichlicheren Wohlstand seltsamsten Aktivitäten widmen können; Arbeiter, die in Fabriken ihrer harten, ungesunden Arbeit nachgehen oder auf dem Bau oder bei sonstigen körperlichen Tätigkeiten im Einsatz sind (wer Die Faust im Nacken ein wenig zeitlich vorverlegen möchte, hätte hier sehr eindrucksvollen und anrührenden, zudem nicht an Aktion mangelnden Vorlagenstoff ). - Dies war, wie gesagt, nur eine Auswahl.

Die Archetypen sind ja bekanntlich der erste Schritt zur Erschaffung einer vielschichtigen Personnage nach dem Savage Worlds Regelsystem. - Im Weiteren wird die übliche Erschaffungsprozedur vorgestellt mit ein paar kleinen Anpassungen. So gibt es in Gaslight fünf spielbare "Rassen" - auf diese werde ich nachher noch näher eingehen, sowie bestimmte Vorzüge und Schwächen, die nur Vertreter dieser Rassen betreffen können.

Bei den Eigenschaften, die man einer Personnage gibt, fällt auf, daß normale Menschen neben den üblichen 15 Punkten zum Erwerb bestimmender Fertigkeiten noch eine freie Fertigkeit mit W6 beherrschen. Das ist anders als in den üblichen Erschaffungsregeln nach Grundregelwerk - warum, dazu komme ich nachher noch.

Ebenfalls einen Hinweis nötig macht der Punkt der Arkanen Hintergründe. Von diesen müssen nämlich nur Menschen einen als Vorzug wählen und dann zusätzlich noch Fertigkeits-Punkte in die zugehörige Arkane Fertigkeit investieren. Die Vertreter aller anderen Rassen haben zwar auch die Wahl einen Arkanen Hintergrund (bestimmter Art) zu erwerben, jedoch wird dieser stets über ein zugeordnetes Attribut eingesetzt, nicht über eine Arkane Fertigkeit.

Sehr auffällige Änderungen finden sich bei den abgeleiteten Eigenschaften bzw. bei den sekundären Eigenschaften. - Hier gibt es zwei neue: Wohlstand und Soziale Klasse.

Zur neuen Wohlstand-Eigenschaft werde ich im Rahmen des Abschnitts zur Ausrüstung mehr berichten. Vorab nur soviel: Es handelt sich hier um eine der Regelanpassungen in Gaslight, die einen spürbaren Effekt auf viele Bereiche der Erschaffung von Personnagen und der Praxis im phantastischen Spiel hat. - Wohlstand ist die Basis für ein abstraktes Wohlstandsregelsystem (wie manche es vielleicht aus anderen Werken wie D20 Modern, HeroWars/HeroQuest, und dergleichen kennen mögen). - Zu solchen abstrakten Systemen habe ich eine aus praktischer Erfahrung gebildete Meinung, mit der ich im Rahmen der näheren Darlegung dieses Regelsubsystems nicht hinterm Berg halten werde.

Die andere, neue Eigenschaft ist die Soziale Klasse. - Hier gibt es nur drei interessante: Oberschicht, Mittelschicht, Unterschicht. Die Auswirkungen dieser Eigenschaft sind im Groben vergleichbar mit Charisma, doch deutlich treffender (und nicht so "ungezielt" wirksam) umgesetzt. Dazu auch später mehr.

Die Eigenschaften Wohlstand und Soziale Klasse lassen sich - wie zu erwarten - durch Vorzüge und Schwächen beeinflussen.

Eine weitere Änderung ist noch bemerkenswert: Aufgrund der "Abschaffung" von konkreten Geldwerten im Rahmen des abstrakten Wohlstandsregelsystems ist nun nicht mehr so einfach mit dem Startkapital und dem für Nachteilspunkte zu erhaltenden Aufstockungen dieses Startkapitals zu arbeiten. Daher wird hier eine neue Regelung (auf Basis des neuen abstrakten Wohlstandsregelsystems) eingeführt, über die ich auch erst später, wenn ich mich dem Wohlstandsregelsystem in seiner Gänze widme, berichten werde.

Kommen wir im Detail zu den einzelnen Rassen.

Hier fällt auf, daß auch die Menschen als eigene Rasse modelliert sind, inklusive aller Angaben analog dem bei anderen Rassen vorgegebenen Schema. Dieses Schema beantwortet folgende Fragen:

Wie heißt diese Rasse?
Was für typische Persönlichkeitszüge haben Vertreter dieser Rasse?
Wie ist die Physis dieser Rasse beschaffen?
Welche Art sozialer Beziehungen mit Vertretern anderer Rassen sind typisch?
Was sind die Herkunftsregionen bzw. die Siedlungsschwerpunkte, wo man Vertreter dieser Rasse antreffen kann?
Welche Religion(en) haben üblicherweise Vertreter dieser Rasse?
Welche Sprache(n) sprechen sie?
Wie lauten typische Namen?
Was bringt Vertreter dieser Rasse dazu eine Abenteuerer-Karriere einzuschlagen und sich mit anderen Leuten, anderen Rassen Herausforderungen zu stellen?​

Alles wichtige Fragen finde ich.

Spielbare Rassen sind im vorliegenden Spielerführer für Gaslight die folgenden (nicht nach Alphabet sortiert):
Tiermenschen
Menschen
Wildlinge
Werwölfe
Vampire​


Zu den Tiermenschen:

Wer schon einmal den vorzüglichen Roman "Die Insel des Dr. Moreau" von H.G. Wells gelesen hat, der weiß, um was für eine Art Wesen es sich hier handelt. - Wer dieses Buch nicht gelesen haben sollte, der möge diese Lücke in seinen Kenntnissen der Phantastik umgehend schließen.

Tiermenschen wird stets "das Gesetz" verkündet. "Das Gesetz" gibt ihnen vor, wie sie sich zu benehmen haben. Es verbietet "animalische" Handlungen wie Wasser aus Pfützen schlürfen, in Knurren statt in menschlicher Sprache zu sprechen, und - vor allem anderen! - es verbietet von Blut zu kosten. Dies könnte nämlich die Ur-Bestie in den Tiermenschen wecken. Etwas, was man wirklich keiner gepflegten Gesellschaft zumuten sollte.

In Gaslight werden nur drei Varianten von Tiermenschen vorgestellt, die auch die am häufigsten in normaler menschlicher Gesellschaft anzutreffenden sind: Bärenmenschen, Hundemenschen, Katzenmenschen.
Tiermenschen sieht man trotz humanoiden Erscheinungsbildes immer sofort an, aus welchem Tier sie ihren Ursprung hatten. Das liegt an der tierischen Kopfform, an der starken Behaarung (bis - im Extremfalle - zu einem richtigen Pelz), und an ihrer seltsamen Haut- und Augen-Farbe.

Die meisten Menschen reagieren mit starken Vorurteilen auf Tiermenschen, ja sie gelten in manchen Landstrichen sogar weniger als Neger. Rassistisch motivierte Gewalt gegen Tiermenschen ist weit verbreitet. Tiermenschen selbst sind hingegen besonders empfindlich bei Untoten wie Vampiren, da das verrottende Fleisch der Untoten ihnen nicht nur des Geruchs wegen Unbehagen bereitet, sondern sie ja auch nach "Dem Gesetz" rohes Fleisch und die Gegenwart von Blut vermeiden sollten, um "Das Gesetz" nicht zu brechen.

Tiermenschen gibt es über den gesamten Erdball verteilt. Nur in den Vereinigten Staaten von Amerika haben die Tiermenschen Bürgerrechte erhalten. Woanders gelten sie als Eigentum, als Nutzvieh, nicht als Personen.

Tiermenschen haben interessanterweise zum einen die Religionen der Regionen, in denen sie aufwuchsen, angenommen, aber manche sind auch dabei einen Naturglauben als ihren eigenen kulturellen Ausdruck ihrer Spiritualität zu finden. Und andere verehren den verstorbenen Dr. Moreau als ihren Gott und Schöpfer.

Was bei Tiermenschen besonders den Antrieb zu Abenteuerhandlungen darstellt, ist der Drang ihren Wert unter Beweis zu stellen, auf daß sie sich selbst zu respektieren lernen und andere sie für ihre Taten respektieren mögen.

Alle Tiermenschen haben natürliche Waffen (Klauen, Zähne) als ihr tierisches Erbe (+1). Sie sind zudem durch Übernatürliche Ereignisse dergestalt leicht zu irritieren, daß sie alle -2 auf ihre Mumm-Würfe erhalten. (-2) Und - wie oben schon angeklungen - sie sind Außenseiter in eigentlich allen Gesellschaften des Erdballs. (-1) Macht einen Punktewerten von -2 (in Punktewerten nach den sehr empfehlenswerten Toolkits ausgedrückt).

Je nach Art des Tiermenschen-Ahnen (Bär, Hund, Katze) haben die Tiermenschen noch weitere, unterartspezifische Eigenschaften, die aus der Natur des "Ausgangsmaterials" herrühren. Diese laufen unterm Strich auf einen Punktewert +4 heraus.

Somit kommt ein Tiermensch auf +2 insgesamt, dem Äquivalent eines Freien Vorzugs (wie er nach Grundregeln für Menschen üblich ist).


Zu den Menschen:

Hier zeigt sich, wie sinnvoll die separate Aufführung der Menschen als Rasse ist. - Menschen sind in dieser phantastischen Spielwelt nämlich nicht nur "Menschen", sondern sie sind geprägt von einem steten Drang, einem inneren Antrieb, einem Streben nach Fortschritt, nach Glück, nach Reichtum, nach mehr.

Der Mensch als Rasse ist geprägt von seinem Drang seine Umwelt zu erobern und sich zu unterwerfen, damit er der Meister seiner Welt sein möge. - Und in dieser Hinsicht scheinen die Menschen auch in der Welt von Gaslight ja herausragenden Erfolg zu haben: Die Menschen sind in einer Position, in welcher sie über ihre eigenen, weniger kultivierten Mitmenschen und über alle anderen Rassen zu dominieren in der Lage sind. Sie fühlen sich überlegen und sind es zumeist auch. - Und wer anders ist, wer nicht das tut, was das gute Benehmen und der Anstand erfordern, der ist tatsächlich in den Augen dieser Menschen "weniger Mensch" als sie. So erklärt sich auch das Auftreten "Wilden" gegenüber.

Religion unter den Menschen ist auf dem absteigenden Ast. Sie scheint durch eine umfassende Wissenschaftsgläubigkeit ersetzt worden zu sein. Es gibt kaum etwas, von dem man nicht annimmt, daß man es durch vernünftiges Analysieren und intensives Studium nicht vestehen könne.

Das erklärt auch die allgemeine Akzeptanz von Magie als keiner geheimnisvollen "Schwarzen Kunst", sondern nur mehr ein komplexes Studienfeld darstellenden Wissenschaft. - In dieser Gesellschaft gibt es weniger und weniger Gläubige, die mit göttlicher Wundermacht gesegnet sind.

Menschen haben viele Vorteile in Gaslight. Ihnen sind die mächtigsten und vielseitigsten Arkanen Hintergründe offen, sie genießen überall auf der Welt gesellschaftliche Akzeptanz, und sie haben noch "Rassen-Vorteile" beim Erschaffen von Personnagen für das phantastische Spiel:
Menschen erhalten einen Freien Vorzug (+2) wie üblich bei Savage Worlds, und zusätzlich noch eine Freie Fertigkeit auf W6 (+1). Das bringt sie punktemäßig in den Vorteil, und das ist gewollt.

Menschen sind nun einmal die Krone der Schöpfung und die Herrscher, ja die Meister der Welt.


Zu den Vampiren:

Vampire kennt man aus den uninformierten, mäßig erfolgreich die Stimmung unserer literarischen Klassiker zu Vampiren einfangenden aktuellen Romanen sprachlich wenig versierter Autorinnen aus den Kolonien als Trübsal blasende, elegische, mit ihrem Gewissen ringende dauernswerte Kreaturen.

Nun mit dem Gewissen ringen Vampire auch in Gaslight, zumal sie ja - wie üblich - Blut saugen müssen. Und es gibt auch hier die Vampire, die sich dabei eher heimlich anstellen und wenig auffallen wollen, sowie diejeningen, denen das egal ist, und die ihre teils monströsen Fähigkeiten auszuschöpfen und zu genießen trachten (und denen dann die Vampir-Jäger auf die Spur kommen).

Vampire haben keinerlei "Generationenabhängigkeit" und keine "Verpflichtung ihrem Erschaffer-Vampir" gegenüber. Im Gegenteil: Oftmals ist der Erschaffer für einen neu entstandenen Vampir der erste, den der Neu-Vampir dafür endgültig töten wird, daß er ihn getötet und zum Vampir gemacht hat.

Vampire geben sich oft Mühe nicht aufzufallen (durch Schminke und Verhalten), damit man sie nicht als Monster abstempelt und zur Strecke bringt. Niemand mag jemanden, der andere Menschen aussaugt. Das tut man einfach nicht!

Vampire versuchen oft durch Verfolgen eines "höheren Ziels" aus dem nie endenden Zirkel des Hungers und Saugens ein wenig herauszukommen und so eine Chance auf Koexistenz in der menschlichen Gesellschaft zu bekommen.

Vampire können durch Blutsaugen Wunden und Erschöpfung heilen (+2), sie können im Dunklen besser sehen (+1), sie haben eine Art "begrenzter Unsterblichkeit", können nur bei einem kritischen Fehler ihres Konstitutions-Wurfs, den sie machen müssen, wenn sie Außer Gefecht gehen, sterben (+2), können dafür weder durch Magie noch Medizin geheilt werden (-1), und werden im Tageslicht in ihre jeweils aktuelle Form (Mensch oder Wolf oder Rattenschwarm, usw.) fixiert, bis die Sonne untergeht (-2) (während dieser Zeit können sie auch keinen der von ihnen erworbenen Vampir-Vorzüge wie Übermenschliche Stärke usw. einsetzen). - Macht für Vampire +2 an Punktewert.


Zu den Werwölfen:

Werwölfe sind verflucht. Es ist nicht angenehm und gesellschaftlich nicht akzeptiert, wenn man sich in eine reißende, wütende Bestie verwandelt. Werwölfe sind daher sehr auf der Hut vor dem Vollmond und davor, daß aufrechte Bürger nicht herausfinden mögen, daß sie Werwölfe sind.

Es gibt natürlich immer einige wenige, die der Öffentlichkeit ihre überlegenen Kräfte als Werwolf-Kreatur vorführen müssen. Diese sind es, die Gruppen wie "Die Jäger" auf sich aufmerksam machen - und auf andere, sich in der Gesellschaft integrieren wollende Werwölfe!

Werwölfe gelten als verflucht und von jeder Gottheit verlassen, und sind daher nicht gerade religiös.

Viele suchen aber normale Menschen als Verbündete, um Unterstützung in ihren bestialischen Zeiten zu haben, und dazwischen sich als wertvolle Mitglieder der Gesellschaft zu beweisen. - Die meisten Gesellschaften sehen jedoch die Bestie,die zur Strecke gebracht gehört.

Werwölfe haben einen guten Geruchssinn (+1), sind Einzelgänger (-1), können bei Nacht gut sehen (+1), können beim Außer Gefecht gehen nicht sterben, außer sie machen einen kritischen Fehler mit ihrem Konstitutionswurf oder der Schaden kam von einer Silberwaffe (+2), können sich freiwillig für eine Verwandlung in ihre Werwolf-Form entscheiden (+2) (diese Werwolf-Form ist ziemlich zäh und blutrünstig, und der Werwolf kann in der Werwolf-Form die spezifischen Rassen-Vorteile einsetzen, die er in seiner Menschen-Form nicht verwenden kann). Sie sind empfindlich gegen Silber-Waffen (-1), und sie unterliegen an drei Tagen im Monat einer unfreiwilligen Verwandlung in ihre Werwolf-Form mit zusätzlichen Eigenschaften gegenüber der freiwillig eingegangen Form - keine davon ist wirklich erstrebenswert für eine Person in sozialem Umfeld (-2). Macht an Punktewerten +2.


Zu den Wildlingen:

Wildlinge kennt jeder, der einmal von Peter Pan gelesen hat. Und wer das nicht getan hat, der sollte seine Kenntnisse der Phantastik hurtig erweitern! - Die Wildlinge sind etwas, was man - anders als Tiermenschen, Vampire, Werwölfe - in anderen phantastischen Spielwelten kaum einmal finden wird.

Es sind Kinder. Kinder, die von daheim fortgelaufen sind, und komplett zu altern aufgehört haben. Sie verabscheuen alles Geordnete, alles Reglementierte und verachten den gängigen Materialismus der normalen Menschen. Für sie sind Freundschaft, Zusammenarbeit und Loyalität sehr wichtig.

Sie sehen wie Kinder aus, egal wie alt sie wirklich sind, haben spitze Ohren und leben in Stämmen, fast wie die Wilden, aber meist in urbanen Gegenden.

Sie sind erbitterte Feinde der Rattlinge, auch wenn - wie ich leider angeben muß - in dem Spielerführer keine Angaben dazu gemacht werden, was denn genau ein Rattling sein soll. - Dies dürfte dann der Gaslight-Spielweltbeschreibung vorbehalten sein, die hoffentlich baldigst erscheinen wird.

Wildlinge kommen (bis auf Rattlinge) mit allen anderen Weltbewohnern sehr gut aus.

Da Wildlinge auf gute Geschichten viel Wert legen, und da sich deren Namen mit ihren Taten ständig ändern, sind Wildlinge leicht für Abenteuer zu gewinnen.

Sie vermeiden Besitzanhäufung (+2 für Wildlinge, die Arm als Nachteil nehmen mit -1/-2), sind gut im Ausweichen (+2), kennen sich in der Stadt sehr gut aus (+1), sind stets außerordentlich loyal (-1). Sie können nicht durch normale Gründe wie Alter oder Krankheiten sterben. Sie altern nicht und sind immun gegen alle Gifte und Krankheiten (+2) Rattlinge sind ihre Erzfeinde und sie lassen alles stehen und liegen, um Rattlingen hinterher zu spüren (-2). Macht +2 an Punktewerten.


Soviel zu den Rassen in Gaslight. - Aber der Abschnitt ist noch lange nicht zuende. Über die Vorzüge und Schwächen in dieser Welt für phantastisches Spiel gebe ich demnächst hier Bericht.




 
AW: Gaslight Victorian Fantasy (SW Edition)

Ich werde daher die Vorzüge des hier vorliegenden Mittels nutzen und diesen meinen ersten Beitrag mit mir verfügbarer Zeit um nähere Angaben zu den Inhalten von Gaslight Victorian Fantasy ergänzen. Daher ist es durchaus wahrscheinlich, daß ein späteres Lesen dieses meines Beitrages einen merklich erweiterten Inhalt aufweisen wird. - Ich entschuldige mich schon jetzt für die Inkonvenienz, welche derartige Mitteilung auf Raten für einen Leser mitbringen mag.

Serienromane in Tageszeitungen waren zur fraglichen Zeit modern. :)

Evtl. ist das genau das Setting, das ich gerade suche.

Edit: Gekauft! Jetzt bin ich mal gespannt.
 
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Dankeschön. habe ich mir auch mal gleich besorgt. Sherwood war ja richtig gut.
 
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Ich habs mir eben auch gekauft. Es macht einen sehr schönen Eindruck. Ich werde mich später in aller Ruhe der Lektüre dieser Schriften widmen, denn ein Blick auf meine Uhr verrät, dass meine Gemahlin gleich das Mittagessen einzunehmen wünscht.
 
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Danke, Zornhau, für die schöne Rezension.

Stefan
 
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Ich habe mir erlaubt den Eingangsbeitrag fortzuschreiben.
 
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Gefällt mir. Allein beim Lesen der Rezi fallen mir Abenteuer ein.
 
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Bisher gefällt mir das Ganze sehr gut.

Was schade ist, das die Tabelle auf S. 41, mit den Edges einige Fehler hat. Zumindest 2 habe ich mal überprüft aber beim Überfliegen mein ich einige seltsame Einträge gesehen zu haben, sodaß ich kurz dachte ein X steht für "kann nicht gewählt werden". Schade eigentlich, sowas muß nicht sein.
 
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Was schade ist, das die Tabelle auf S. 41, mit den Edges einige Fehler hat. Zumindest 2 habe ich mal überprüft aber beim Überfliegen mein ich einige seltsame Einträge gesehen zu haben, sodaß ich kurz dachte ein X steht für "kann nicht gewählt werden". Schade eigentlich, sowas muß nicht sein.
Die folgenden Abweichungen gibt es zwischen Tabelle auf Seite 41 und dem Text der Edges:

Monstrous Visage - in Tabelle fehlt ein X bei Vampiren (laut Text können die das auch erwerben).

Tradesman - in Tabelle ist hier ein X bei Vampiren und Werwölfen zuviel (laut Text können nur Menschen das erwerben).

World Traveller - in Tabelle ist hier kein X bei Wildlings (laut Text könnten das alle lernen (keine Einschränkungen nach Rasse), aber daß Wildlings das NICHT lernen können, macht aufgrund ihres urbanen Charakters eigentlich Sinn - in meinen Runden werde ich Wildlings nicht World Traveller erwerben lassen, somit den "Nicht-Eintrag" in der Tabelle so belassen.)

Weitere habe ich nicht gefunden. - Hast Du noch mehr Fehler entdeckt?

Ergänzung:
Powerful Claws - in Tabelle ist ein X bei Wildlingen und keines bei Tiermenschen aufgeführt (laut Text können aber Wildlinge diesen Vorzug NICHT erwerben, dafür aber Tiermenschen)


Nebenbei: Ich habe den Eingangsbeitrag um die Vorstellung der Spielercharakter-Rassen erweitert. (Mal schauen, wieviel ich noch schreiben kann, bevor der Beitrag die Maximallänge erreicht hat.)
 
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Ich habe die Tabelle wie gesagt noch nicht abgeglichen, dafür fehlt mir gerade die Zeit. Es war eher so ein Bauchgefühl beim Überfliegen das paar Eintrage nicht sinvoll erscheinen.

Direkt nachgesehen hatte ich bei "Powerful Claws" das bei den Wildlingen und Werwölfen markiert war. Bei den Beast Man aber nicht. Laut Beschreibung ist Beast Man und Werwölfe richtig.
 
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Klingt sehr interessant! Sherwood hat mir schon sehr viel Spaß bereitet.
Schade dass es keine gedruckte Ausgabe gibt...
 
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