Elfengleich schrieb:
Ich bin kenn mich mit Rollenspiele abgesehen von DSA nicht aus, und frage mich des öfteren, ob es ein Fantasy-Rollenspiel gibt, dass folgende eher "weibliche Anforderungen" erfüllen kann:
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- "natur und -kulturbezogen"
- "mittelalterlich angehaucht"
- mehr Magie (neben der üblichen Kampfmagie, mehr Fähigkeiten wie Hellung)
- weniger Kampfszenen, mehr Mysterien
- Kämpfe, in denen magiebegabte Helden mehr zum Zug kommen
- Alltagsnähe ( in Bezug auf das Leben der Helden, z.B. Handwerk,
z w.menschl. Konflikte)
- offene, weniger komplexe Regeln und Gestaltungsmöglichkeiten
Bei diesem Anforderungskatalog fallen mir gleich mehrere Kandidaten ein:
Everway
Ein kartenbasiertes, sehr mystisch angehauchtes Spiel vor vielen verschiedenen, aber stets fantasy/mittelalterlich orientierten Hintergründen. Die vielen Settings sind sogenannte Sphären, die man bereisen kann. Die Spielercharaktere sind allesamt Sphärenwanderer, die über Portale zwischen den Sphären und innerhalb der Sphären zwischen den Reichen darin wandeln können. Der Spielfokus ist auf sehr freies Gestalten ausgelegt. Praktisch jeder Charakter kann etwas Magisches an sich haben. Das kann ein ererbtes Familientalent sein, oder er ist ein "echter" Magier, der sich alles angelernt hat, oder er stammt aus einer magiereichen Sphäre, wo jeder magisch durchdrungen ist, oder.... Es handelt sich dabei um ein Erzählspiel, nicht um ein Simulationsorientiertes Rollenspiel. Das Interagieren zwischen den Charakteren und mit den zauberhaften Sphären, die man bereisen kann, machen dort einen wesentlichen Teil des Spielspaßes aus. Konflikte werden auf unterschiedlichsten Ebenen ausgetragen. So kann man z.B. mit magischer Dichtkunst (aus der Affinität der Charakters zum Element Luft) eine Horde Räuber, die waffenschwingend den Charakter schädigen wollen, in Verzweiflung reden, oder man dichtet dem feuerballschleudernden Magier seine Affinität zur Ewigen Flamme hinweg. Man kann bei Everway SEHR ungewöhnliche Problemlösungen erleben, da es sehr freie Ausgestaltung der sehr breit angelegten Fähigkeiten der Charaktere ermöglicht. Das Spielsystem bedient sich 36 Schicksalskarten, die nur grob verwandt zum Tarot sind (und aus denen augenscheinlich eine ganze Menge für die Engel-Arkana-Karten "herausinspiriert" wurden
).
HeroQuest
Da der Name HeroQuest leider bereits mit einem Brettspiel vorbelegt ist, muß man immer noch erläutern, wie die Vorgeschichte davon aussieht. HeroQuest spielt auf der "jungen" Welt Glorantha. Diese Welt ist anders als die meisten anderen Fantasy-Welten deshalb eine junge Welt, da das Zeitalter, in dem dort vornehmlich gespielt wird, die Zeit der Heldenkriege (Hero Wars - der vorherige Titel dieses Rollenspiels), nur ca. 1600 Jahre nach der Erschaffung der Zeit(!) liegt. Die Götter und Geister sind nah. Sehr nah! Und die Runen, die manifesten universellen Prinzipien des Kosmos, sind Adepten der Magie direkt zugänglich, bzw. den Anhänger der diversen Kulte über ihre Gottheiten, die jeweils über eine gewisse Anzahl Runen gebieten (daher der Titel des Vorgängersystems RuneQuest). HeroQuesten sind die Reisen, die Helden (nein, nicht DSA-"Helden", sondern HELDEN, Leute im Format von Gilgamesch, Herkules, oder auch Moorcocks Ewiger Held in seinen diversen Inkarnationen) in die Geister-, Götter- oder Runen-Sphären unternehmen, um die zeitlosen Mythen ihrer Kultur körperlich nachzuerleben, was ihnen mehr persönliche Macht verschafft, aber - wichtiger noch - was insbesondere die gesamte Schar der Gläubigen, der Bevölkerung, ganzer Nationen beeinflussen kann. Ein Held, der auf einer Queste, bei der es um das Befreien eines Regengottes geht, der von einem Drachen verschlungen wurde, versagen sollte, bringt ein oder mehrere Jahre Dürre über das Land seines Volkes - da sterben dann wirklich viele Personen, die sich auf ihn als HELDEN verlassen hatten und ihn mit ihrem Vertrauen gestärkt und überhaupt befähigt hatten in der Götterwelt eine Queste zu unternehmen.
Glorantha als Welt hat einen SEHR starken Kulturbezug. So stark, daß man als Spieler schon ein wenig Einlesezeit investieren sollte, um in die Kulturen dort einzutauchen. Es lohnt sich! Diese Welt, die seit 40 Jahren kontinuierlich weiterentwickelt und im Rollenspiel seit 1978 bespielt wird, ist m.E. die kulturell interessanteste Fantasy-Spielwelt, die es gibt.
Die Spielercharaktere auf Glorantha handeln immer in ihrem Kulturbezug. Sie haben ihre kulturellen Wahrnehmungsfilter, mit denen sie ihre Nachbarn wahrnehmen, sie haben innerhalb ihrer Kultur ein Beziehungsgeflecht und eine wichtige Rollen in der Gesellschaft. Alle ihre Handlungen haben Konsequenzen - sowohl in der direkt greifbaren Welt, als auch spirituell. Wer sich die kulturellen Stärken zueigen macht, der wird auch für die Götter und Geister sichtbarer. Er wird innerhalb seiner Kultur zu einem "Beweger", er kann mit seinen Gleichgesinnten eigene Gemeinschaften bilden, die auch in der Geisterwelt einen "Gruppengeist" besitzen, der alle Mitglieder einer solchen Heldenbande beschützt, warnt, heilt, etc. Je mehr Anhänger solche Gemeinschaften haben, desto mächtiger können sie werden.
Wenn aber eine Gemeinschaft, eine Nation ihre Hoffnungen und ihren Glauben auf wenige Helden konzentriert, so werden diese immens gestärkt. Sie müssen dafür natürlich auch den Auflagen der Gemeinschaft vorbildlich nachkommen. Ein Held kann in solchen Fällen zwei Wege gehen, bzw. diese z.T. auch kombinieren. Zum einen: er kann einen Helden von vor der Zeit personifizieren. Das ist eine Art Archetyp, ein Avatar eines höheren Prinzips wie z.B. Der Starke Mann, Die Herrin der Vögel, Der Einfühlsame Vermittler, Der Unbarmherzige Richter usw. Ein solcher Held identifiziert sich mehr und mehr mit diesem Ideal und wird selbst zu einem weltlichen, bzw. nicht mehr ganz so weltlichen Abbild des Ideals. - Zum anderen: er kann sich der Lehren seiner Kultur annehmen und sie nutzen, um nicht ein statisches Ideal zu repräsentieren, sondern etwas Neues zu schaffen. Dazu ändert er bei seinen HeroQuesten den Verlauf der überlieferten Mythen bewußt ab! Wenn er dann wieder zurückkehrt, dann war die Welt schon immer so, wie er sie nun geändert hat. Wenn er z.B. als Anhänger einer Sturmgottheit einem Feuer- und Lichtgott die Macht des Feuers gestohlen oder sonst irgendwie abgerungen hat, so werden alle betroffenen Sturm-Kulte auf der Welt nach solch einer (nicht leichten, wohlgemerkt) HeroQueste nun Feuermagie besitzen - und jeder, der nicht selbst mit auf dieser Queste war, wird sich auch nicht erinnern können, daß es jemals anders war.
Bevor man jedoch zu solchen Höhen aufsteigt, kann man auch in relativ "normalen" Machtgefügen spielen (witzigerweise ist die Einteilung von Unknown Armies in Street Level, Global Level und Cosmic Level EXAKT die Einstufung, in der man HeroQuest spielt - wie es auch sonst viele Parallelen zwischen UA und HQ gibt).
Das Spielsystem benutzt genau einen W20 und hat ein völlig frei definierbares Fertigkeitssystem, welches über Schlüsselworte arbeitet (so ähnlich wie die Klischees in Risus). Meine Empfehlung für Fantasy mit stark mystischem Einschlag, immer noch tendenziell mehr erzählorientiert, aber doch mit einem zufriedenstellend definierten Regelsystem.
Ars Magica
(wurde glaube ich schon erwähnt)
Mehr Regelsystem, mehr Simulation, aber ein wirklich tolles Magiesystem, welches aber gegenüber HeroQuest eher den "verkopften" Magier anspricht und weniger den Priester oder Schamanen.
Das erstmal als meine Favoriten. Bis auf den letzten Punkt mit dem offenen Regelsystem könnte man aber alle Deine Anforderungen durch die Art zu spielen mit den meisten Fantasy-Systemen erfüllen. Meine obigen Vorschläge kamen daher aus meinen Erfahrungen, wie man in den obigen Welten/Systemen ZUMEIST spielt. Man kann natürlich auch in HeroQuest nur Metzelorgien abhalten - das würde zwar das Besondere des Settings nicht im Geringsten ausnutzen, aber wem es Spaß macht, bitte. Genausogut kann man in DSA kulturbezogen intensiv-eingebettetes Rollenspiel ohne Kampfdominanz spielen, man muß es nur tun, will heißen: der Spielleiter UND die Spieler müssen sich auf einen Kultur richtig einlassen und nicht den Standard-Fantasy-Trott durchziehen. Macht ein wenig Arbeit und VIEL Spaß.
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Nachtrag (was mir beim Mittagessen dazu noch eingefallen ist):
Die Chroniken der Engel
Spielt zwar in einer 600 Jahre entfernten Zukunft, jedoch in einem Europa, welches im Wesentlichen auf eine Technologiestufe des Mittelalters zurückgefallen ist. Die "Magie" ist dort z.T. alte, aber nicht mehr so recht verstandene und noch weniger reproduzierbare Technik, aber auch mystisch begründet im Falle der Mächte der Engel. Gerade bei den Engelsmächten sind die klassischen "Kampfzauber" eigentlich garnicht zu finden, sondern oft sehr "zivile" Mächte, die mit Überlegung eingesetzt werden wollen. Auch hier ist ein starker Kulturbezug vorhanden, in den man aber als frisch auf Erden eingetroffener Engel im Spiel von selbst hineinfindet (wenn man hingegen mit Menschen als Charakteren spielt, sollte man sich in so manches zur Geographie, Politik und Bräuchen einlesen, da man sonst einen kulturellen faux pas nach dem anderen begeht). Auch hier wird wie in Everway mit Karten - den Engel-Arkana-Karten - als Zufallsgenerator gespielt und wie Everway ist Engel ein Erzählspiel (ketzerischerweise nehme ich Engel eigentlich nur als eine kräftig ausgearbeitete Everway-Sphäre mit etwas an die Sphäre angepaßten Schicksalskarten wahr - meine Vermutung: die "Engelmacher" kannten Everway SEHR gut
).
Und was das "Frauen-RPG" anbetrifft, so findet sich bei Engel (und bei Everway) ein höherer Frauenanteil ein, als z.B. bei HeroQuest (vielleicht, weil es vielen Frauen etwas gibt, das andere Welten/Systeme nicht haben - es wäre mal interessant dazu die Meinung von ein paar Frauen zu hören).
Ich glaube, was Du suchst kann man auch in DSA finden, aber eben nur, wenn die Spielleitung und die anderen Spieler ihren Stil in der Richtung Deiner Anforderungen haben. Eventuell brauchst Du Dich nur nach anderen DSA-Gruppen umzuhören und mal zu schauen, wie die so spielen. Andererseits erweitert jedes neue Rollenspiel ein wenig den eigenen spielerischen Horizont (naja, zumindest jedes unterschiedliche Rollenspiel - nicht jeder d20-Klon
).
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