AW: Ist Weiteres BoL-Material geplant?
Ein bisschen OT, aber wäre es wirklich so schwer, ein Projekt wie BoL es war, komplett selbst zu stemmen?
Jein. - Ein Projekt, wie das ORIGINAL-BoL auf RPGnow bzw. Lulu als PDF plus PoD-Option zu erstellen, das geht auch als "Ein-Mann-Job".
Jedoch: Ist solch eine Neuentwicklung eines Rollenspiels jemals WIRKLICH ein "Ein-Mann-Job"? - Falls ja, dann taugt es meist nichts.
Warum? - Weil eine Neuentwicklung getestet, geändert, durch viel FEEDBACK VERBESSERT werden muß. Das macht man nicht einfach allein im stillen Kämmerlein.
Siehe BoL. Die erste Fassung war im Rahmen eines 24-Stunden-Wettbewerbs entstanden und entsprechend krude und - obschon manch einem bekannt - mit entsprechend wenig Aufmerksamkeit bedacht. - Erst die deutlich überarbeitete, mittels des Feedbacks zur alten, kostenlosen Wettbewerbs-Fassung verbesserte Version hatte einen ersten Achtungserfolg als PDF-Fassung bei RPGnow und PoD-Fassung bei Lulu.
Als Lulu dann für den europäischen Markt sich selbst ins Knie geschossen hat, indem ein 12$-Buch nur für 90$ Porto (Kein Witz!) nach Europa zu bekommen war, sah es so aus, als wäre eine PoD-Fassung nicht mehr sinnvoll.
Zwischenzeitlich hatte es zur überarbeiteten (revised) BoL-Ausgabe MASSIG Feedback gegeben und es wurde eine französische Übersetzung angefertigt, die NEUE Illustrationen aufwies.
Die alten Illustrationen waren teils von Simon selbst erstellt und wirklich SCHEISSE. Darüber wurde ständig gemäkelt. - Aber er hatte mit den Franzosen einen Deal ausgemacht, daß er die französischen Illustrationen in einer neuen Fassung, der Legendary Edition, verwenden durfte.
Diese wurde dann als PDF-Fassung angeboten mit PoD-Option (wie gehabt). Nachdem die LE aber erfolgreich genug wurde, hatte Simon mit Cubicle 7 einen Vertrag geschlossen und konnte so seine LE auch als normale Druckfassung anbieten, was er sonst nicht gemacht hätte und was sonst (siehe das Sich-selbst-ins-Knie-Schießen von Lulu) praktisch unerschwinglich für die Kunden gewesen wäre.
Wenn ich da so die US-Kleinstverlage sehe, die wahrscheinlich alle auch nur aus einem Menschen mit zu viel kreativer Energie bestehen, der nach der Arbeit noch ein bisschen etwas malt und schreibt, ein PDF daraus macht und dann vielleicht noch das ganze auf lulu.com als Book-on-Demand anbietet, dann erscheint mir die Hürde jetzt nicht so groß.
Du unterschätzt da etwas den Aufwand. - Wenn jemand WIRKLICH VIEL ZEIT aufbringen kann, und wenn er selbst auch noch im Zeichnen und Layouten fit genug ist, aktuellen Mindestansprüchen zu genügen, dann kann er das vielleicht alleine hinbekommen.
Meist ist es aber so, daß die Leute, die fit im Texten sind, nicht unbedingt auch gleichzeitig noch begnadete Zeichner sind. - Daher ist es normalerweise so, daß man Zeichner braucht (sich also um Leute kümmern muß, die idealerweise kostenlos ihre Bilder zur Verfügung stellen - ansonsten muß man die Illustrationen halt bezahlen, also Geld reinstecken). Beim Layout ist das ähnlich. - Und das unterschlägt alle Lektorats- und Redaktionsarbeiten, die besser NICHT derjenige, der die Texte verfaßt hat, machen sollte (man ist verdammt schnell bei eigenen Texten "betriebsblind" und sieht einfach Fehler und Ungeschicktheiten im Ausdruck nicht mehr).
Wie ich schon sagte: Wenn jemand wirklich ALLES selbst gemacht hat, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, daß das Ergebnis nichts taugt!
Ein Problem könnte sein, auch den den Rollenspiel-Läden präsent zu sein.
Das war ja beim BoL-Fan-Übersetzungsteam eine wichtige Überlegung. Wir waren (und sind!) von BoL so begeistert, daß wir es einem möglichst großen Kreis an Interessenten bekannt machen wollten.
Da hilft es in der Vertriebsstruktur eines großen Verlages präsent zu sein. - Gleiche Überlegung war ja auch bei Simon mit seinem Deal mit Cubicle 7 vorhanden.
UNBEKANNT im letzten virtuellen Eck eines Online-Shops dahinvegetierend bekommt ein noch so gutes Rollenspielprodukt leider nicht die Aufmerksamkeit, die es bekäme, wenn es bei einem größeren Verlag unterkommt.
Siehe z.B. Stars without Number, das auf altem B/X-D&D basierende Science-Fiction-Rollenspiel von sine nomine, welches nun bei Mongoose erscheint. Den Entwicklern ist das sehr recht, da sie zwar bei RPGnow mit PoD-Soft- und Hardcover-Bänden Achtungserfolge erzielt haben, aber erst bei Mongoose SWN wirklich "in Zirkulation" kommen wird, wirklich in die Läden und Online-Shops gelangen wird.
Bei der BoL-Übersetzung kam noch hinzu, daß natürlich der Autor Simon Washbourne für die Übersetzung auch GELD sehen wollte. Was genau zwischen ihm und Ulisses vereinbart wurde, ob z.B. Folgeprodukte überhaupt im Vertrag einbezogen wurden, usw., das alles ist mir unbekannt.
Eine Fan-Übersetzung ins Spanische erfolgte OHNE seine Zustimmung (genauer: Ohne ihn zu fragen!) und davon war er - verständlicherweise - alles andere als begeistert.
Man kann nicht einfach alles nach Belieben übersetzen und es dann - egal ob kostenlos, zum Selbstkostenpreis oder kommerziell - anbieten!
Bei Übersetzungen hat man es daher IMMER mit Lizenzfragen zu tun. Und da geht es nicht nur um Textübersetzung, sondern auch um sonstige Änderungsmöglichkeiten (wie z.B. das Einarbeiten von Errata, oder die Übernahme von Illustrationen - gerade da hat der eigentliche Autor des Originals oftmals nicht das Recht diese weiterzugeben).
Das ist eine Projektleitungs- und Redaktionsaufgabe, die nicht ganz so streßfrei und spaßig ist, wie das Übersetzen selbst. - Anders ausgedrückt: Das muß jemand WOLLEN und machen KÖNNEN!
Ein Übersetzungsprojekt braucht eine gewisse Koordination, damit es nicht im Sande verläuft. - Sogar Mini-Projekte wie die SW-Fan-Übersetzungen benötigen immer wieder einen gewissen "Anschub", weil sie ansonsten versanden.
Ein Vertrag mit einem Verlag, eine harte Deadline, eine Projektleitung, die sich kümmert - das garantiert zwar nicht die Fertigstellung, macht sie aber WESENTLICH wahrscheinlicher.
Lulu sagt, 160 Seiten s/w A5 kosten 5,90€. Ordert man selbst davon 100 Stück, um sie vielleicht mit Hilfe eines Großhändlers an Läden zu verteilen, sinkt der Preis auf 4€. Die 400€ "Risiko"-Kapital sind jetzt durchaus möglich, finde ich (und schon bei 50 Büchern kostet es nur noch 4,43€). Um ein eBook (PDF oder EPUB) kümmern sie sich auch, wenn man will. Allerdings scheinen sie weder Kindle noch Apples iBook Store zu unterstützen und damit verliert man hier die beiden größten Märkte.
Ich kenne einige "Selbstentwickler", die ihren Keller voll eingeschweißter Druckwerke in den Hunderten liegen haben. - Oft überschätzen sich solche Enthusiasten für ihre eigenen (oftmals ihre ersten und einzigen!) Werke und lassen mehr drucken, als absetzbar ist.
Siehe die Ephoran-Geschichte, wo einerseits Selbstüberschätzung des Entwicklers vorlag, andererseits die Realität der Absetzbarkeit eine Größenordnung WENIGER Exemplare verkaufen ließ, als das der Entwickler erwartet hatte. Nach anderthalb Jahren endet die Buchpreisbindung und man kann dann versuchen den Keller wieder durch Billigangebote leer zu bekommen. Unterm Strich bleibt ein Minus, aber wenigstens ist der Keller wieder frei. (Näheres dazu im Tanelorn-Forum - such bitte selbst nach den entsprechenden Threads, ist schon eine Weile her.)
Ein "richtiger" Verlag bietet einfach den Vertriebskanal, der die SICHTBARKEIT eines Produktes deutlich hebt. Es steht im Verlagsprogramm an prominenterer Stelle, die Läden ordern es, die Kunden SEHEN es oft erstmals, wenn es im Laden rumsteht.
PoD auf Basis von PDFs ist hierzulande immer noch eine Micro-Nische eines Nischen-Marktes.
Zwar ist so gut wie JEDER Rollenspieler, den ich kenne, regelmäßig und länger im Internet unterwegs, aber die allermeisten treiben sich NICHT in Rollenspielforen oder bei PDF-Shops herum, wo das Internet doch mit Online-Spielen und Cyber-Porn viel Interessanteres zu bieten hat, als sich über Pen&Paper-Produkte zu informieren.
Aber, ganz naiv gefragt, was braucht es noch (neben Grafiken, Titelbild und der kreativen Leistung für eigenen Content oder eine Übersetzung)?
Man braucht ein TEAM und einen LANGEN ATEM.
Viele Projekte gehen ein.
Viele zurecht.
Sie sind nicht gut. Nicht interessant. Nur lahmer Aufguß ohne eigenen Charme.
Manche gehen LEIDER ein, weil die Entwickler keine Zeit mehr hatten, weil es an Engagement und an Feedback mangelte, oder weil andere Rollenspielprodukte etwas ähnliches, aber "in besser" oder einfach nur früher herausgebracht hatten.