Erlebnis- vs. Erinnerungswert

Skar

Dr. Spiele
#StandWithUkraine
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Wie ihr wisst, kann ich einfach nicht die Finger von theoretischen Überlegungen lassen.

Viele Diskussionen enden an dem Punkt: Spiele müssen Spaß machen. Das wars. Ein Spiel muss also Spaß machen, dann ist es gut.

Für mich ist das zu schwammig. Ich fragte mich daher: Was muss ein Spiel für mich leisten, damit es gut ist? Bei mir erstreckt sich das nach bisherigen Überlegungen (auf Basis von Gesellschaftsspielen) auf hauptsächlich zwei Faktoren:
  • Wettbewerb: Der Wettbewerbsgedanke wird gut transportiert und gerecht umgesetzt.
  • Trueness/es muss sich richtig anfühlen: Das Spiel fühlt sich echt an. Es funktioniert nach kurzer Zeit (wenn ich die Grundregeln kenne) selbsterklärend und intuitiv. Da sich die Regeln logisch anfühlen und ableiten lassen. Das Spielmaterial unterstützt und veranschaulicht dabei.
In der Retrospektive bleibt bei beiden Faktoren ein unterschiedlicher Wert für mich zurück. Der Wettbewerb als punktueller Erinnerungswert. Und die Trueness als Zeitraum mit Erlebniswert.

Die beiden Begriffe grenzen nicht unbedingt scharf ab, aber bessere habe ich noch nicht. :) Insbesondere können die Faktoren Wettbewerb und Trueness auch durchaus überlappend auftreten.

Würdet ihr so weit unterschreiben?
Seht ihr weitere Faktoren? / Was muss ein Spiel leisten, um für euch gut zu sein?
 
AW: Erlebnis- vs. Erinnerungswert

Hm, so wie ich deinen Erlebniswert verstehe, nicht ganz.

Ich hab es so gelesen, dass sich das Zeitraumempfinden fast ausschließlich darauf stützen, wie das System regeltechnisch gespielt wird.
Was ich meine, ist etwas durchaus zwischenmenschliches. So ne Art Vertrauen, dass der Gegenüber dafür sorgen wird, dass man selbst <Spass> hat.
Wenn über Runden erzählt wird, dann wird entweder das toll Erlebte berichtet (sowohl vom Erlebniswert als auch vom Erinnerungswert) - oder wie Scheiße 1 bis n-1 Mitspieler, inklusive SL übrigens, waren.

Ich selbst achte mittlerweile (auch bei Kons) darauf, dass mindestens ein Mitspieler dabei ist, bei dem ich weiß, dass ich mich mit dem/derjenigen wohl fühle.

ich weiß nicht.. kommt rüber, was ich meinen könnte?

NACHTRAG:
Ich weiß, dass "ein Spiel" sowas nie wird leisten können. Aber das ist doch gar nicht der Sinn von Rollenspielen. Sinn ist, dass eine gruppe menschen das mit Aktionen füllt.
Ich spiele beispielsweise auch Herr der Ringe und es macht tierischen Spass - obwohl ich gar nix mit den Büchern anfangen kann (steinigt mich).
 
AW: Erlebnis- vs. Erinnerungswert

Mich interessieren hier aber nicht die Menschen, sondern die Spiele. Wenn die Spiele machen, dass der Spielabend besser wird, dann ist das gut. Wenn die Menschen das an dem Spielabend ganz unabhängig vom Spiel eh leisten, dann interessiert mich das hier nicht. :)
 
AW: Erlebnis- vs. Erinnerungswert

Ich gehe einmal davon aus, dass mit "Spiel" Rollenspiel gemeint ist.
(Edit: Gerade gelesen, dass dem nicht so ist - falsches Unterforum?)

Hier würde ich noch ganz wesentlich die Immersion hinzufügen. Rollenspiel ist für mich irgendwo zwischen Strategiespiel, Improvisationstheater, Geschichten erzählen, Geschichten anhören und Träumen. Träumen in Form eines luziden Traumes, den der Träumer mitgestalten kann.

Mir ist klar, dass man Rollenspiel auch auf der Ebene "jeder hat eine Spielfigur, schlüpft in deren Rolle und versucht das Spiel zu gewinnen" oder auch als "Jeder versucht wie ein Schauspieler möglichst gut das Verhalten eines Waldelfen, Vampirs, Detektivs, etc. zu spielen" - für mich persönlich ist der größte Reiz aber das möglichst immersive Hineinschlüpfen und Hineinfühlen in meinen Charakter, so dass ich mit ihm lache und weine.

Das Medium dass diese verschiedenen Aspekte nach dem RPG noch mMn noch am zweitbesten ermöglicht sind Computerspiele:
Man sieht einen packenden Film - jedoch nicht allein passiv sondern als Beteiligter. Der Wettbewerb (also die Herausforderung das Spiel zu gewinnen) kann hierbei Hauptmotivation des Spielers sein. Oder, wie bei mir, primär ein Teil einer packenden Handlung, sowie Immersionshilfe:
Ich will das Spiel gewinnen. Der Charakter will Ziel XY erreichen. Wir stehen also auf der selben Seite. Wir haben ein gemeinsames Ziel. Das hilft beim Hineinversetzen.

Für mich fehlt also in der Auflistung der Aspekt des Hineinversinkens - dass ich emotional mitgerissen werde.
Warum ich gegen den Sabbat kämpfe?

Weil das die Gegner sind und ich das Spiel gewinnen will? Nein.
Weil es die plausible Reaktion eines "guten" Camarilla-Vampirs auf die befeindete Sekte ist? Nein.

Ich will es, weil ich die Welt vor diesen Bestien schützen will.
Oder weil ich Rache für den Tod meiner Freunde will.
Oder...

Je nachdem was für einen SC ich eben gerade spiele. Und manchmal eben auch "Warum sollte ich die töten wollen, die haben mir nichts getan. Weil das die Bösen sind? Wer sagt das? Das Regelwerk? REGELWERK? Was für ein Regelwerk? Hast du Malkavianerblut getrunken?"
 
AW: Erlebnis- vs. Erinnerungswert

Ich persönlich finde Immersionsmöglichekiten immer toll.
Aber ist das denn nicht auch etwas, was das "Spiel an sich" eigentlich nicht bieten kann? Das wird ebenfalls eher durch die Spieler und besonders den Spielleiter gemacht.
Ein System an sich braucht ja keinen Spielhintergrund. Spielhintergrund geben aber die Settings. Oder ist ein reines Spielsystem alla Savage Worlds nur dann gut, wenn man sich ein passendes Umfeld schafft wie in DSA oder der o/n-WoD? Oder ist die oWoD plötzlcih nicht mehr "true", weil man sie nicht nach Settingkanon spielt, sondern gruppentaugliche Abänderungen gemacht hat?

Aber ist dann ein Setting nicht wichtiger als das System, mit dem es gespielt wird? Ist es wichtig, ob ich MERS, The One Ring oder CODA für mein Mittelerderollenspiel verwende, damit der Spielspass stimmt? Oder kann ich nur in Aventurien spielen, wenn ich DSA 1-4 Regeln verwende, damit es jedem Spass macht?
 
AW: Erlebnis- vs. Erinnerungswert

Ich persönlich finde Immersionsmöglichekiten immer toll.
Aber ist das denn nicht auch etwas, was das "Spiel an sich" eigentlich nicht bieten kann? Das wird ebenfalls eher durch die Spieler und besonders den Spielleiter gemacht.

Nicht nur. Das System ist IMHO schon entscheident, wie sich das Spiel anfühlt, wie sehr es mir ermöglicht, in das Setting einzutauchen. Ein schlechtes System "hakt", es meldet sich immer wieder lautstark und liefert Ergebnisse, die nicht so recht zu dem Erlebnis passen, daß man sich vorgestellt hat. Es gilt immer noch: System matters.

Wer das nicht glauben will soll eine Mythos-Geschichte mit CoC spielen, und dann mit einem Action-Rollenspiel wie Feng Shui oder Wushu. Es fühlt sich komplett anders an.

Aber ist dann ein Setting nicht wichtiger als das System, mit dem es gespielt wird? Ist es wichtig, ob ich MERS, The One Ring oder CODA für mein Mittelerderollenspiel verwende, damit der Spielspass stimmt? Oder kann ich nur in Aventurien spielen, wenn ich DSA 1-4 Regeln verwende, damit es jedem Spass macht?

Aus meiner Sicht ist das System mindestens genauso wichtig wie das Setting. Mindestens genau so wichtig, wenn nicht wichtiger. MERS oder The One Ring werden garantiert in jeder Gruppe ein anderes Spielgefühl liefern, und nicht nur, weil man bei The One Ring nicht über die unsichtbare Schildkröte stolpern kann.

Immer vorausgesetzt, die Gruppe benutzt das System auch und nicht das System Handwedeln vom SL[SUP]TM[/SUP].
 
AW: Erlebnis- vs. Erinnerungswert

Ich persönlich finde Immersionsmöglichekiten immer toll.
Aber ist das denn nicht auch etwas, was das "Spiel an sich" eigentlich nicht bieten kann? Das wird ebenfalls eher durch die Spieler und besonders den Spielleiter gemacht
Es gibt kein P&P ohne Spielleiter.

Das eine komplett von dem anderen zu trennen wird dem RPG nicht gerecht.
 
AW: Erlebnis- vs. Erinnerungswert

Hm ... du meinst mit Spiel jetzt aber Rollenspiel oder?
Dann würd ich sagen: Damits Spaß macht brauchts keine true'en oder konsistenten (beides im Sinne von selbsterklärend oder intuitiv) oder wettbewerbsorientierten Regeln. In dem Fall hätte ein Spiel wie Shadowrun niemals Spaß gemacht.
Ich find den Fluff erstmal viel wichtiger. Was kann die Welt? Was kann ich spielen? Warum soll ich das spielen? Kann ich außerhalb der Kernlogik agieren? Gäbe es überhaupt einen Grund das zu tun? Welche Grundlage ist gegeben (z.B. Sandbox vs. reine Auftragsstruktur)? Wie mächtig ist man? ... und erst ab da fangen dann die mehr oder weniger wichtigen Regelfragen an: Wie intuitiv ist das ganze? Gibts Regellücken an allen Ecken und Enden? Ist es gebalanced? Inwieweit kommt mir das Regelsystem bezüglich meiner Charakter- und Weltumsetzungsfantasien entgegen?
Es ist aber n Unterschied ob Witchcraft oder WoD, ob Shadowrun oder Cyberpunk oder SLA Industries, ob DSA oder D&D ... die Hintergründe sind es in erster Linie, die die Leute faszinieren. Regeln sind IMO erstmal nur Beiwerk ... klar, sollten die vorhanden sein (man will ja nicht alles allein machen), aber die kann man zur Not auch brechen. Sich mal eben n ganzes Setting aus den Fingern saugen und allen zugänglich machen ist da schon weit schwieriger.
 
AW: Erlebnis- vs. Erinnerungswert

(In Richtung Spielertypen wil ich dabei gar nicht denken.)

Zur Basis der Überlegungen:

Skar schrieb:
Bei mir erstreckt sich das nach bisherigen Überlegungen (auf Basis von Gesellschaftsspielen) auf hauptsächlich zwei Faktoren

Die Überlegung entstand auf der SPIEL, wo man sich ja einige Spiele anschaut und diese halt ein Gefühl hinterlassen. Im Gespräch mit Georgios und Leronoth kristallisierte sich Faktor 2 heraus. Für mich kam dann noch Faktor 1 (Wettbewerb) hinzu.

Kennzeichnend fand ich den zeitraum- bzw. zeitpunktbezogenen Wert in der Retrospektive.

Ist nur die Frage, ob das schon erschöpfend ist.
 
AW: Erlebnis- vs. Erinnerungswert

Was meinst du eigentlich genau mit "Wettbewerb"?

Die Frage, ob System oder Setting wichtiger ist, ist wohl rundenabhängig. Ich kann mit Systemfehlern leben, solange sie das Spiel an sich nicht hemmen (z.B. find ich es bescheuert, dass in Scion der Dodge DV dem Parry DV immer überlegen ist laut Regeln, aber ok). Aber ich kenne auch Spielleiter, die sind dazu übergegangen, sowas wie Basic Role Playing oder Savage Worlds oder ähnliche generische Grund-Systeme inklusiver eigenen Regeln für ihr Setting zu nehmen, weil sie das perfekte System zu ihrem Setting wollten, da alles andere für sie unstimmig war.

Ich finde es übrigens ziemlich hemmend, wenn ein Setting so stark ausformuliert ist, dass nur wenig Platz bleibt, um eigenes zu erschaffen. Als Spieler finde ich es immersionshemmend, wenn der Spielleiter erst in zehn Büchern nachschlagen muss, ob es auf meine inplay-Frage eine Antwort im Kanon gibt - und umgekehrt finde ich es als Spielleiter ätzend, wenn von einem eingelesenen Spieler kommt, dass irgendetwas so nicht sein kann, weil es in "obskuren Quellenbuch Nummer 23 auf Seite 73, rechte Spalte, ziemlich Mitte" genau beschrieben steht, wie das sein muss. Jedes Setting sollte seine Spieler und Spielleiter anregen, selbst erschaffen zu wollen innerhalb des Settings. Hmm... kann man das "Raum für Kreativität" nennen? oder doch besser "Anregung zur Eigeninitiative"?

Zum System: Jedes Rollenspiel sollte mit dem Grundbuch, bzw. dem Spielleiter- + Spielerhandbuch, spielbar sein. Egal, wie viele Quellenbände es gibt, es darf nicht vorausgesetzt sein, dass man alle braucht, um ein Grundspiel auf die Beine zu stellen. Und die weiteren Quellenbände sollten die Grundregeln nur erweitern, und nicht vollkommen außer Kraft setzen oder gar invertieren. Ich würde das "Kontinuität" nennen.
 
AW: Erlebnis- vs. Erinnerungswert

Es ist aber n Unterschied ob Witchcraft oder WoD, ob Shadowrun oder Cyberpunk oder SLA Industries, ob DSA oder D&D ... die Hintergründe sind es in erster Linie, die die Leute faszinieren. Regeln sind IMO erstmal nur Beiwerk ... klar, sollten die vorhanden sein (man will ja nicht alles allein machen), aber die kann man zur Not auch brechen. Sich mal eben n ganzes Setting aus den Fingern saugen und allen zugänglich machen ist da schon weit schwieriger.

Nein, würde ich so nicht sehen.

Aber :Es hängt erstmal davon ab, wie wichtig einem Regeln sind. Und da gibt es eben die Fraktion, die sagt: "Für mich steht und fällt das Spiel mit den Regeln, das Setting ist nicht so wichtig." Genau das würde ich so unterschreiben. Es gibt so unglaublich viele coole Settings, aber gut funktionierende Regeln? Regeln, die genau das machen, was meine Gruppe und ich erwarten, ohne daß ich massiv mit Hausregeln eingreifen muß? Oder ohne daß ich ständig Regeln brechen muß, weil das verdammte System Müll als Ergebnis liefert? Dünn gesät...

Ein interessantes Setting kann man sich selbst bauen, und wenn man ein System hat, das sowas zuläßt, im Prinzip sogar parallel zu der Charaktererschaffung. (Haben wir mit OVA mal so gemacht, ein Zombie-Endzeit-Western-Setting. Hat gut funktioniert, das Spiel war spaßig.) Aber gute Regeln? Jeder hier kann ein Regelkwerk runterkloppen, da bin ich mir ganz sicher, und es ist dann in vielen Fällen auch halbwegs spielbar. Aber gut? Wirklich gut? Nunja....

Und auf der anderen Seite: ein gutes, interessantes Setting? Klar, gibt es wie Sand am Meer. Können viele. Denn es ist viel, viel einfacher zu basteln als ein wirklich gutes Regelwerk.
 
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