AW: Eine Welt - mehrere Regeln?
Ein Gedanke, der mir neulich kam - wäre es möglich, zu einem Setting mehrere Regelwerke anzubieten? Wie könnte das realisiert werden?
So etwas gibt es kommerziell und als Fan-Arbeit bereits zuhauf realisiert.
Ein Beispiel: Die Spielwelt Glorantha - sie kann mit RuneQuest(1)2, mit RuneQuest3, mit dem fanproduzierten RuneQuest4, mit dem etwas unglücklichen Mongoose-RuneQuest, mit dem ebenfalls unglücklichen HeroWars, oder mit dem aus HW hervorgegangenen HeroQuest bespielt werden. Eine fanproduzierte GURPS-Fassung gibt es auch, sowie eine Savage Worlds Conversion und eine King Arthur Pendragon Conversion. - Und das sind bestimmt noch nicht alle Regelsysteme, für die dieses Setting verfügbar ist.
Anderes Beispiel: Deadlands (genauer: Deadlands: The Weird West). Dies ist vom Pinnacle Verlag mit einem Regelwerk in 1. Auflage herausgebracht worden (DL Classic 1st Ed.). Dann kam eine z.T. kräftige Regelüberarbeitung mit entsprechenden Inkompatibilitäten als 2. Auflage heraus (DL Classic 2nd Ed.). Als die D20-Goldgräberstimmung anbrach und schon wieder abflaute, sprang Pinnacle auf den D20-"Nighttrain" (Deadlands-Kennern dürfte das was sagen), und brachte Deadlands D20 heraus (welches heftig flopte). Zur Zeit der 1. Auflage des Deadlands-Rollenspiels hatte Pinnacle noch ein Tabletop namens "The Great Railwars" herausgegeben, welches dasselbe Setting - nur eben auf Tabletop-Konflikte bezogen - "erspielen" lassen konnte. Aus den Tabletop-Regeln und den DL Classic Rollenspielregeln und einigen wenigen neuen Ideen "destillierte" Pinnacle sein neues generisches, pulp-orientiertes Regelsystem Savage Worlds. Da es LANGE Zeit dauerte, bis nach Verfügbarkeit des Savage Worlds Regelwerks eine Savage Worlds Deadlands-Ausgabe erscheinen würde, gab Pinnacle eine umfangreiche aber auch unverbindliche Preview-Fassung als "Savage Deadlands" heraus, mit der man mit ein klein wenig Handarbeit schon lange vor Erscheinen von Deadlands:Reloaded im Deadlands-Weird-West-Setting spielen konnte. Und letztlich kam dann mit Deadlands:Reloaded die OFFIZIELLE Savage Worlds Regeladaption für das Setting heraus.
Deadlands gibt es also direkt vom HERSTELLER in den Fassungen:
DL Classic 1st Ed.
DL Classic 2nd Ed.
DL D20
Savage Deadlands Preview
DL:Reloaded
Deadlands D20 habe ich als einzige davon NICHT über mehr als ein Jahr (mindestens) gespielt. - JEDE einzelne Deadlands-Ausgabe ist ANDERS und SPIELT SICH ANDERS. - Jede ist für jeweils ANDERE Arten an Geschichten besser bzw. schlechter geeignet. - Die in den Regeln festgeschriebenen "Machtverhältnisse" von Settingelementen (z.B. Huckster, Mad Scientists, usw.) sind tatsächlich IN JEDER VERSION ANDERS. In manchen nur gering, in anderen MASSIV anders.
Der Hintergrund dieser Idee ist, dass es unterschiedliche Spielertypen gibt. Regeln können ihrerseits verschiedene Formen von Spiel unterstützen und somit unterschiedliche Spielvorlieben befriedigen.
Die Berücksichtigung "unterschiedlicher Spielertypen" ist so ziemlich das LETZTE, was einen Verlag dazu bewegen würde sein Setting für mehr als ein Regelsystem anzubieten.
Hier sind Fragen wie Bugfixes gegenüber alten fehlerhaften (durch Gemaule der Spieler/KUNDEN! dem Verlag klargewordenen), oder unverständlichen Regeln noch der kundenfreundlichste Grund.
Öfter ist eher die Frage anzutreffen: Wieviele Supplements könnten wird denn noch zum alten Regelsystem losbekommen? - Nicht genug! Dann muß eben eine neue Regelauflage her, die mit der alten nicht kompatibel ist, so daß wir jedes einzelne Supplement NOCH EINMAL verkaufen können.
Engel kam mit einem "Nicht-System", den Arkana-Karten, die KEINE REGELN enthalten, sondern nur ein Spielzeug sind ohne irgendeine Verwendungsvorschrift, und einem damals auf alle Fälle noch brandheißen
D20-ÜBER-System(-to-rule-them-all) heraus. - Nicht etwa um "Spielstile" der Kunden zu adressieren, sondern um auf den D20-Zug aufspringen zu können, nachdem ja jeder Depp und sein Bruder D20-Produkte herausbrachte. Und das Arkana-System ist die Klon-Fassung der Everway-Karten, die es den "Regelsystem"-Autoren, die so viel lieber Romankünstler wären, besonders leicht macht ihren Fluff-Only-Text abzufassen, ohne sich Gedanken machen zu müssen, ob und wie sich die im harten Crunch niedergelegten Informationen auf die QUANTITATIVEN und natürlich auch qualitativen Verhältnisse des Fluff-Textes auswirken mögen.
Mal ein Beispiel aus Engel: Nach dem Fluff-Text sind Engel schon hart im Nehmen und im Geben. Auch die Signums-Engel, d.h. die Anfänger-Engel-Charaktere. - Nur in den D20-Regeln fangen diese mit geradezu JÄMMERLICH WENIGEN Hitpoints an, während selbst die Tritt-dauf-und-Matsch-Monster nach D20-Regelteil soviel austeilen, daß sie einen Signums-Engel einfach vom Himmel pusten. In der ersten Kampfrunde. - Mach' mal schnell einen neuen Charakter!
Hier ist das MACHTVERHÄLTNIS, ist die KOMPETENZ, wie sie aus dem Fluff-Text hervorgeht, im Arkana-System durch das freie "Gut, daß wir darüber geredet haben"-Vorgehen sehr einfach ins Spiel zu übernehmen. Ein Spieler, der WEISS (weil er den Fluff-Text gelesen hat), daß ein Engel sich von einem Maßwerksskarabäus nicht in die Mauser erschrecken lassen wird, der schildert also ganz frei einen Kampf gegen dieses Mini-Aufwärm-Monster unter Zurschaustellung der souveränen Macht seines Charakters. - Ein Engel D20 Spieler, der genau nachlesen kann, wieviele Hitpoints er hat, wie sein Angriffsbonus aussieht, der bekommt vom D20-Regelwerk seinen Charakter so auseinandergenommen, daß selbst die Federn nicht mehr für ein Kopfkissen ausreichen würden (verbrannt und so...).
Das Regelsystem, welches für ein Setting mitgeliefert wird, hat IMMER Auswirkungen darauf, wie die rein textuelle Settingschilderung im eigentlichen Spiel "ins Leben gerufen" werden kann.
Das Regelsystem ist der FILTER auf dem an sich beliebigen Flufftext. Dieser Filter weist den frei fabulierbaren Texten HARTE WERTE, Quantitäten und Qualitäten zu. Diese werden JEDESMAL, wenn das Regelsystem, d.h. die darin vorgegebenen Mechanismen, angewandt werden, verwendet. Daher haben sie STÄNDIG Einfluß darauf, wie die Spieler das Setting via ihrer Charaktere ERLEBEN können.
Unterschiedliche Regelsystem blenden bestimmte Dinge aus und heben andere in den Brennpunkt des Spielgeschehens. - Wenn ich harte, quantiativ wirksame Regeln für Beziehungen zwischen Charakteren und Organisationen habe, dann ist eine solche Beziehung nicht mehr so einfach "dahererzählbar", wenn sie harten, quantitativen EFFEKT für den Charakter haben soll.
Beispiel HeroQuest: Hier kann ein Charakter im Spiel neue Beziehungen eingehen, die aber nur temporär quantitativ festgehalten werden. Erst wenn der SPIELER sich bewußt dafür entscheidet diese Beziehung zu festigen, dann wird sie ein Teil des Charakters und ist nicht am Ende der jeweiligen Spielsitzung verloren. Solch ein Festigen einer Beziehung kostet Spielercharakter-Resourcen, die dann eben nicht zum Erlernen/Verbessern anderer Charaktereigenschaften wie Magie, Fertigkeiten, Reichtum etc. zur Verfügung stehen. - Somit wird durch diesen expliziten quantitativen Beziehungsmechanismus der Spieler vor die Wahl gestellt, wie wichtig ihm eine neue Beziehung gegenüber vielen anderen Charakterentwicklungsmöglichkeiten ist.
Dieselbe Beziehung (offengestanden: es war dasselbe Szenario aus alten RuneQuest 3 Zeiten) mit einem Regelsystem, welches sich über die sozialen Beziehungen eines Charakters ÜBERHAUPT NICHT ausläßt, sieht ganz anders aus. Hier kostet es den Spieler bzw. den Charakter überhaupt keinen Aufwand, keine spielrelevante Resource, einfach zur Charaktergeschichte zu notieren, daß er nun mit dem und dem NSC eine Beziehung hat. Diese Beziehung kann er dafür aber auch später nicht mehr VERLÄSSLICH ins Spiel bringen, sondern der Spielleiter (als der betroffene NSC) kann sich geradezu BELIEBIG verhalten, die Beziehung ignorieren oder gar qualitativ grundlos umkehren. Hier ist einzig das "Plausibilitätsgelübde" des Spielleiters eine Sicherung vor allzu spontanen Verhaltensänderungen.
Für den Spieler stellt sich in HeroQuest eine Beziehung als wichtige und WIRKSAME Eigenschaft des Charakters dar, auf deren Wirkung er sogar einen harten ANSPRUCH hat (wenn er die Beziehung regeltreu einbringen möchte, dann darf ihm das der Spielleiter nicht verwehren, ohne den Spieler zu bescheißen). - Bei RuneQuest hat er die Beziehung vielleicht auch notiert, hat aber KEINEN MECHANISMUS und KEINE WIRKUNG festgelegt. - In einem Regelsystem wie HeroQuest kann ein Charakter seine Beziehungen genauso verläßlich zur Wirkung bringen wie sein Schwert. In RuneQuest ist NUR das Schwert geregelt, die Beziehung nicht.
Diese unterschiedlichen Brennpunkte, die sich unterschiedliche Regelwerke aussuchen, erlauben es - quasi wie mit einem Mikroskop mit verschiedenen Linsen und unterschiedlichen Einstellmöglichkeiten - auf dasselbe Setting unter ANDEREN Blickwinkeln (Filtern) zu schauen.
Für eine hoch-politische Babylon 5 Runde habe ich eine Art B5-Arkana-Karten angefertigt und verwandt. Da konnten die Spieler (allesamt B5-Fans und mit dem Setting und dessen Konventionen aus der TV-Serie bestens vertraut) sehr stimmig losfabulieren und mit wenigen Sätzen riesige Raumschlachten erzählen. Das ist eine Stärke des Arkana-Karten-"Systems". Die größte Schwäche bei diesem Ansatz ist, daß es KEINE Verknüpfung des Settings (unter Beachtung der Plausibilität nach den jeweiligen Settingkonventionen) mit dem, was vom Spieler als FAKT erzählt wird, gibt bzw. keine Verknüpfung durch Regeln SICHERGESTELLT wird (die B5-Arkana-Karten sind ja nur "Serviervorschläge" für den Spieler, nichts Verbindliches!). Wenn also nicht ALLE Spieler das Setting verdammt gut kennen, enorm viel Rücksichten aufeinander nehmen und ALLESAMT stets "Plausibilitätskontrolleure" spielen, dann kann so etwas MÄCHTIG in die Hose gehen (bei Engel so schon erlebt - effektiv die Schlimmste Rollenspielrunde (tm)).
Für eine eher auf persönlicher Ebene angesiedelte, beziehungs-konflikt-intensive B5 Runde habe ich mit HeroQuest-Regeln gespielt. Dabei war es plötzlich viel detaillierter und - gefühlt - dramatischer (aufgrund der Unsicherheit, die durch die Würfel hineingekommen ist), was mit den Charakteren geschah. Es war prinzipiell auch hier möglich den "Großen Wurf" erzählerisch zu versuchen, doch mußte der durch einen Würfelwurf auch GESCHAFFT werden bzw. man mußte seinen Charakter ganz gezielt in diese Richtung entwickeln, daß er große Taten auch mit guter Chance vollbringen konnte. Dabei half es enorm, viel Resourcen in die (richtigen!) Beziehungen investiert zu haben. - Das war ein GANZ ANDERES Spiel, auch wenn es immer noch Babylon 5 war.
Eine auf einer anderen Raumstation, in einem Asteroidengürtel mit Prospektoren, angesiedelte Runde sollte deutlich bodenständiger verlaufen. Hier waren persönliche, emotionale, soziale Aspekte weniger im Vordergrund als eine stärkere Simulationkomponente (ich hatte mir Murder on Arcturus Station, das alte Traveller-Krimi-Szenario gegriffen, nachdem ich von C.J.Cherryh ihre Belter-Geschichten gelesen hatte, die ziemlch hard-sci-fi-artig Asteroid-Mining thematisierten - da hatte ich einfach Lust das mal im Rollenspiel zu erleben). Ich habe daher meine alte BRP-Sci-Fi-Regelentwicklung abgestaubt (die schon zu den ersten RQ2/RQ3-Zeiten entstand), sie auf B5 angepaßt und dann konnte es schon losgehen. - Das Szenario war hart. Es gab enorm tragische Momente, Eskalation politischer Unzufriedenheit zu offener Gewalt, Betrug, Emotionen und ein Die Hard 1 Finale, welches wirklich großes Kino war, eben WEIL die SCs KEINE HELDEN waren, sondern manchmal einfach nur Glück hatten, statt zu sterben. - Das war wiederum B5 mit aller Konsequenz, die man gerade in der 3. Staffel sehr gut mitbekommen konnte. Es war ausgesprochen unheroisch. Es gab zwar kompetente Charaktere, aber auch die brauchten beim ziemlich harten RQ3-Klon-Regelsystem schon ein überlegtes Vorgehen um heil aus der Sache herauszukommen. - GANZ ANDERES Spiel, und das mit DENSELBEN SPIELERN wie die HQ-Variante!
Und dann hatte ich Lust B5-GROPOS zu spielen. Zum einen während des Erde-Dilgar-Krieges und zum anderen (da eher "Weird Wars"-artig) im Erde-Minbari-Krieg. Dazu habe ich Savage Worlds als Regelsystem eingesetzt, damit die SCs ein klein wenig länger halten und ich jede Menge "schweres Gerät" auffahren konnte. - Das war ein rein militärisches Rollenspielen, welches die Versatzstücke aus dem B5-Setting wie GROPOS, Shadows, Dilgar, chemische und biologische Kriegsführung, Plasmawaffen, Psioniker, etc. verwendet hatte, aber (bis auf wenige Folgen, in denen GROPOS vorkamen - insbesondere natürlich die Folge "GROPOS") wenig mit den B5-Seriengeschichten zu tun hatte. - Es war auch B5, zumindest fühlte man sich von den politischen Kräften, den Vorurteilen, den Regionen, die man aus der Serie kannte, in vertrauter Umgebung. Andererseits spielte man hier einen der Soldaten, die in der Arkana-Karten- bzw. HQ-Fassung einfach so "verheizt" und "wegerzählt" wurden ("Unter größten Verlusten, ca. 75% der eingesetzten Bodentruppen, gelang es uns die von den Minbari eingenommene Stellung wieder zurückzuerobern." - Wenn man diese Erzählung AUSSPIELEN durfte, dann fühlte sich das ganz anders an, als nur die Erzählung und die darin geschilderten Fakten zur Kenntnis zu nehmen.) - Nochmals: ein GANZ ANDERES Spielen, ein ganz anderes Erleben desselben Settings.
Meine praktische Erfahrung, bar jeglichen Versuchs einer theoretischen Aufbereitung und ohne Betrachtung von Spielertypen etc., hat mir gezeigt, daß das Spielen mit unterschiedlichen Regeln in ein und demselben Setting z.T. völlig andere qualitative Aspekte des Spielens in den Vordergrund rückt.
Gerade dieses Wochenende konnte ich das wiederum bestätigt finden: nach vielen, vielen Monaten Deadlands:Reloaded haben wir jetzt mal - in etwas anderer Besetzung - Deadlands Classic (1st und 2nd Ed. gemischt mit ein paar Hausregeln - eben DL Classic halt!) gespielt. - Das ist SO ANDERS als DL:R!
DL:R kennt HELDEN. Es ist wesentlich pulpiger. Die Extras als Gegner fallen viel schneller um. - DLC kennt Helden. Die müssen mit vier Kugeln im Leib die Zähne zusammenbeißen und mit letzter Kraft noch den Abzug betätigen, um ihren Gegner niederzuballern, und wenn sie es schaffen, dann verlieren sie eventuell noch ihren Arm bei der Behandlung durch einen Knochenflicker. Die Gegner sind fast genauso zäh wie die Helden, nur lacht (oder besser: spottet) das Schicksal den Helden halt ab und an ins Gesicht (das sind die Fate-Chips, die die NSCs bei DLC nicht in demselben Maße haben, wie die SCs).
Ein und dasselbe Szenario mit DL:R und DLC gespielt kommt GANZ ANDERS rüber. - DL:R ist wie Wild Wild West. Knallig, bunt, auch mal voller Leichen und Blut. - DLC ist wie Italo-Western, mit dem Sand zwischen den Zähnen und sich mit einer Hand die Eingeweide im Leib haltend, tut man, was man für Das Richtige (tm) in diesem Moment hält.
DLC hat mehr Details, die regeltechnisch separat herausgearbeitet sind und bei Anwendung auch ABGEARBEITET werden müssen. Dieses Mehr an Details wirkt im Spiel wie Peckinpahs Slow-Motion-Shoot-Outs. Man sieht die Kugeln fliegen, man sieht, wie eine Gatling-Pistolen-Garbe einem Gegner die Eingeweide herausballert und sieht, wie er sich noch knapp ans Bewußtsein klammernd am Boden in seinem Blute krümmt. - Das ist IN DEN REGELN so detailliert abgebildet. - Bei DL:R könnte man so etwas frei beschreiben, wenn man mal wieder einen Extra mit einem Schuß Incapacitated geschossen hat, doch wird man das nicht bei jedem Extra so beschreiben wollen. Der Blickwinkel ist anders. DL:R ist hingegen für Massenkampfszenen wesentlich geeigneter als DLC. Man wird Szenen wie hundert Indianer umkreisen eine Wagenburg religiös-fanatischer Siedler nicht mit DLC ausspielen wollen. Das gibt auch die Vorlage (Western-Filme) nicht in der Detailtiefe her. Zeitlupen-Shoot-Outs bekommen nur WENIGE Charaktere. Massenschießereien wirken eher durch die schiere MENGE an Toten auf dem Schlachtfeld.
Ich kann nicht sagen, ob ich nun das eine Regelsystem für "besser" als das andere zum Spielen im Deadlands-Setting halte. - Sie sind ANDERS und ich spiele ANDERE Geschichten damit und ich spiele letztlich auf ANDERE Weise damit.
Wäre es nun möglich, ein Setting mit einem minimalistischen Regelkern zu erstellen, den man anschließend über semi-optionale Regeln so erweitert, dass mit Erweiterung A Spieltyp 1 unterstützt wird, Erweiterung B Spieltyp 2 usw.?
Das haben die üblichen Verdächtigen, d.h. die Hersteller von GENERISCHEN UNIVERSELLEN Rollenspielregelwerken ja schon seit Langem VERSUCHT. - Und sind ALLESAMT damit GESCHEITERT.
Generisch, d.h. für verschiedene Genre, Settings, usw. , bekommt man ja noch ein Regelwerk hin. - Aber UNVERSELL? - NIE.
Universell würde ja bedeuten genau das leisten zu können, was Du möchtest: Unterschiedlichste Spielertypen, genauer: ALLE Spielertypen!, gleichermaßen glücklich machen zu können.
Das geht aus vielen Gründen nicht.
Zum einen wird eine Runde eher öfter aus Personen mit UNTERSCHIEDLICHEN Erwartungen, Vorlieben, Verhaltensweisen bezüglich des Rollenspiels bestehen. Diese ALLE und ZUR GLEICHEN ZEIT glücklich zu machen geht nicht, weil sich manche Vorlieben (im Extrem natürlich immer vereinfachend gesehen) gegenseitig ausschließen. Und dann ist die TAGESFORM eines Spielers auch noch entscheidend.
Wenn ich heute mal ordentlich etwas zerstören will, dann kann man mir mit detektivischer Kleinarbeit und den Subtilitäten des diplomatischen Parketts gestohlen bleiben. Und das, obwohl ich gestern am Telefon noch davon geschwärmt habe, wie gerne ich doch mal wieder einen kniffligen Kriminalfall lösen würde. - Heute BRAUCHE ich eben ACTION.
Außerdem: Auch wenn man nicht ALLE Spieler GLEICHZEITIG glücklich machen kann, so kann man immerhin so spielen, daß NICHT ALLE gleichzeitig UNGLÜCKLICH sind.
Es mag ja sein, daß mir heute nach Action ist, aber die kann ich auch mit Ego-Shootern abreagieren. Wenn ich aber einen Spieltermin mit meinen Freunden ausgemacht habe, dann werde ich ihnen NICHT die Krimigeschichte versauen, indem ich anfange Informanten umzuballern, bloß weil ich eine miesen Tag hatte. Das sind ja meine Freunde und die respektiere ich und auf die kann ich auch beim Spielen Rücksicht nehmen. - Und auch auf den Spielleiter, der sich einen verzwickten Kriminalfall ausgedacht hat, und dessen Arbeit ich NICHT mit Füßen treten werden, bloß weil ich ein "anger management problem" habe.
So gesehen ist ein Regelwerk, welches nicht gerade die Mehrzahl Deiner Mitspieler abschreckt oder nervt, für eine Spielrunde mit UNTERSCHIEDLICHSTEN SPIELERTYPEN vollauf ausreichend.
Manche Regelwerke sind vom Autoren eher für einen bestimmten Typus gedacht gewesen. Aber der Autor hat keine Spielpolizei, die prüft, ob auch ja nur Spieler dieses Typus das Spiel spielen.
Überhaupt wird die Wichtigkeit von "Spieler-Typisierungen" überschätzt. - Wir betreiben hier keine psychologische Beratung. Und selbst da kennt man VIELE VERSCHIEDENE Typisierungsmöglichkeiten. Und NICHT EINE davon behauptet, daß irgendein MENSCH irgendeinem dieser Typen VOLLAUF angehört. Selbst da sind diese Typisierungen nur POLARITÄTEN, die man in manchen Menschen erkennen kann. Diese Typisierungen sollen dem Shrink ja nur eine Struktur geben, über die man sich mit anderen verständigen kann, wohlwissend, daß es nur eine MODELL ist, und NICHT die "Wahrheit (tm)".
Spielertypen werden mir viel zu oft als die "Wahrheit" verstanden, statt als die Modellvorstellung, die Polarität innerhalb eines an sich überhaupt nicht diskreten, sondern kontinuierlichen Spektrums an Spielvorlieben, Spielverhaltensweisen, Spielweisen.
Spielertypen sind nicht nutzlos, wenn man sich ihrer GRENZEN bewußt ist. - Einem Spieleautoren können Spielertypen eine "Zielrichtung" geben, die er mit seinem Regelwerk besonders adressieren möchte. Mehr taktische Optionen, mehr Resourcenmanagement, mehr harte Kalkulationen und Optimierungen in Regeln sind sicherlich für eine gewisse Menge an Rollenspielern attraktiver als Regeln, die die charakterliche Tiefe ausloten lassen sollen. Aber ein Rollenspielautor kann sich bei einem ganz konkreten Rollenspieler NIE SICHER sein, daß sein Rollenspiel diesem Spieler gefallen wird.
Menschen sind nicht so schmalspurig, wie das Modellvorstellungen, die ja nichts anderes sind als Menschenbilder aus bestimmten Blickwinkel, einen glauben machen.
"Die Karte ist nicht das Land". - Der Spielertyp ist nicht der Spieler.
Schon etwas ausgefeilter, also einen Regelkern, der dann auf verschiedene Arten erweitert wird. Diese Erweiterungen sollen also auf einem gemeinsamen Kern basieren, und nicht einfach völlig unterschiedliche Regeln für alles.
Du beschreibst GURPS. - Und dann schau Dir mal an, was GURPS aus solchen Settings wie Castle Falkenstein, Deadlands, Vampire usw. macht.
Da wird alles solange "geschmacksneutral" gekocht, bis es dieselbe Konsistenz hat. - Da schmeckt der Champagner aus Castle Falkenstein, der Whisky aus Deadlands und das Blut aus Vampire ABSOLUT IDENTISCH: nach Wasser. - Dafür hat alles aber ein und denselben "Kern".
Eine solche Art "Generika" ist zwar vom Entwurfsästhetischen her schön, aber spielt sich häßlich wie die Nacht.
Worauf du achten solltest, ist, dass die unterschiedlichen Regeln einen variierenden Spielstil oder zumindest eine variierende Core Story ermöglichen, und trotzdem alle zum Hintergrund passen.
Das mit der Core Story ist schon ein wichtiger Punkt. - Ein Setting gibt normalerweise ja mehr als nur EINE Kerngeschichte her, die man üblicherweise dort finden wird.
Man kann im B5-Setting total auf mystisch-religiöse Aspekte abheben, man kann Hochdiplomatie betreiben, man kann Raiders jagen gehen, man kann auf diversen Schlachtfeldern denkende und fühlende Wesen umbringen gehen, usw. - Das sind alles Geschichten, die in das B5-Setting PASSEN.
Für unterschiedlich detailliertes Ausspielen einer BESTIMMTEN Art von Geschichte kann es unterschiedliche Regelsysteme geben, die diese Art Geschichte leichter und befriedigender spielen lassen. - Aber wenn das Original-Regelwerk etwas taugt, dann könnte man - hier z.B. mit B5 D20 von Mongoose - auch ALLE diese Geschichten spielen.
Manche Regelwerke haben einen eingeschränkten Anwendungsbereich. - So bricht RuneQuest als %-Roll-Under-System bei enorm hohen Spielwerten (über 100%, in der Spielwelt Glorantha WEIT über 100%) einfach zusammen. Da hält die Regelmechanik nicht mit dem Fluff-Text-Powerlevel mit. Daher ist für dieses High-Power-Spiel in derselben Spielwelt auch HeroQuest geschrieben worden. Das skaliert nach oben hin fast beliebig - zum Preis der geringeren Details nach unten hin.
Wenn ein Setting SEHR unterschiedliche Geschichten (gerade vom Powerlevel der beteiligten Charaktere) zuläßt, so wird man Probleme bekommen diesen unterschiedlichen Detailebenen, auf denen sich die Charaktere bewegen, mit nur EINEM Kernmechanismus wirklich gerecht zu werden.
Mittelerde im Rollenspiel ist z.B. sehr problematisch, weil man von Unsterblichen (Gandalf und Co.) die coolsten Geschichten lesen kann, aber die meisten Mittelerderollenspiele einen SC sogar nicht einmal mit "Ich sterbe in Nordafrika."-Boromir mithalten lassen. - Die SCs werden "heruntergeregelt", so daß sie nichteinmal das Kompetenzniveau einer RANDFIGUR in der Setting-Vorlage erreichen. (Klar, das passiert auch bei anderen Rollenspielen, bei denen die SCs nur ZUSCHAUEN dürfen, wie Über-NSCs die eigentlichen Core-Stories dieses Settings auf coole Weise gestalten.)
Daher ist es m.E. wichtig, wenn man EIN Setting hernimmt und sich dafür Regeln überlegt, gleich von Anfang an die Entwurfsziele, die KERNGESCHICHTEN, die man mittels seiner Regeln überhaupt unterstützen will, festzuhalten.
"Ich möchte, daß die SCs einfache Barbarenkrieger, Bauern, Handwerker spielen, die sich in den Kriegswirren des besetzten Drachenpaß-Gebietes auf der Welt Glorantha ihr Leben gestalten wollen und dabei in die Auswirkungen der großen politischen, militärischen, magischen Ereignisse dieser Region verwickelt werden." ist eine andere Zielsetzung als "Ich möchte, daß die SCs als Kommandeure, Häuptlinge von Clans oder gar Stämmen, als Provinzgouverneure oder Hohe Priester der größten Gottheiten der jeweiligen Völker ganz aktiv den himmlichen Kampf um die spirituelle Vorherrschaft über die Völker in der Drachenpaß-Region auf die Erde bringen und dort ihre Feldzüge, religiösen Kampagnen, ihre Widerstandsbewegungen und ihre Großen Rituale durchführen, um für immer das Antlitz der Welt Glorantha zu prägen.". - Mit nur EINEM Regelkern diese beiden Kompetenzniveaus für SCs und diese grundverschiedenen Kerngeschichten abzudecken, dürfte sehr schwer fallen.