Noch ergänzend zu Silvermanes Aufzählung, da ich in diesen Rollenspielen gerade (z.T. mehr als) eine Kampagne am Laufen habe:
Deadlands - für das Ausspielen von Nachteilen erhält man Fate-Chips (weiß bei eher unkritischem Effekt des Nachteils, rot bei schon unangenehmeren Auswirkungen und blau bei lebensbedrohlichen oder ähnlich heftigen Auswirkungen). Diese Chips sind enorm wichtig im Spiel, da sie einen fehlgeschlagenen Fertigkeitsanwendungen wiederholen lassen, einen Wunden vermeiden lassen, einen bestimmte übernatürliche Gaben aktivieren lassen uvam. Somit ist es für einen Spieler ungeschickt, wenn er zum einen kaum Nachteile hat, da er dann nur durch Erfolge im eigentlichen Handlungsablauf eines Szenarios wieder Chips bekommen wird, und zum anderen ist es ähnlich ungeschickt, wenn ein Spieler seinen Nachteile NICHT ausspielt. - Man erhält übrigens recht leicht neue Nachteile (Arm wird weggeschossen - Einarmiger Bandit, Auge beim Skalpiertwerden verloren - Schlechte Sicht, Mumm-Probe vermasselt - Schwere Phobie, zuviele Erfindungen konstruiert - Wahnsinn). Diese Nachteile können ALLE zu - für die gesamte Gruppe - unterhaltsamen Quellen von kreativem Rollenspiel und Fate-Chips werden. Wer aber seine Nachteile nicht ausspielen mag, der hat in den meisten Fällen halt kaum etwas davon, außer, daß es dem Ego des Spielers irgendetwas bringt. Der Spielleiter muß nicht oft auf die Effekte von Nachteilen drängen, sondern die Spieler lernen meist recht schnell, daß da Chips zu holen sind (von denen man NIE genug haben kann).
Savage Worlds - hier ist die Verwandtschaft zu Deadlands / The Great Railwars klar der Grund, warum auch hier Nachteil-Ausspielen mit Bennies (so etwas ähnliches, wie die Chips bei Deadlands) belohnt wird. Funktioniert bestens, da auch hier Bennies eine rare Resource sind. Das Nachteilausspielen wird eben durch eine positive Maßnahme des Spielsystems unterstützt und der Spieler somit nicht einfach "bestraft", weil er ja einen Nachteil hat. Ganz im Gegenteil - die Charaktere kommen viel weniger flach rüber, als ich es aus D&D, was ja mit den Feats nur ein Vorteilssystem kennt, gewohnt bin.
Angel-Rollenspiel (und wohl auch Buffy, the Vampire Slayer, aber ich bevorzuge eben Angel) - hier können Dramapunkte gewonnen werden, wenn Nachteile stimmig gespielt werden. Außer, daß man die Dramapunkte meist notiert statt etwas zum Anfassen wie die Poker-Chips bei Deadlands zu haben, ist das ziemlich ähnlich, wie man hier neue Punkte bekommt.
Engel - hier gibt es zwar keinen Belohnungsmechanismus an sich, aber meine Erfahrung ist die, daß bei Engel die Spieler die Nachteile ihrer Charaktere mehr auskosten und somit auch mehr ausspielen, als bei vielen anderen Rollenspielen. Das mag aber auch nur an der Gruppenkonstellation liegen - sicher bin ich mir da nicht. Das Arkana-System hat jedenfalls keine Mechanik, die das Nachteilauspielen unterstützt.
HeroWars/HeroQuest - ein Vorteil oder ein Nachteil an sich existiert hier nicht. Es ist einfach eine Eigenschaft, die - je nach Kontext - von Vorteil oder Nachteil sein kann. Z.B. Prahlerisch 17. Wenn es um Bescheidenheit in einer Diskussion oder bei einem Bittgesuch geht, so könnte man Prahlerisch als Nachteil werten und der Wert behindert - je nach Contest - die Verhandlungsführung. Wenn es aber darum geht die anderen Krieger eines verbündeten Clans zu beeindrucken, dann hilft es schon stets eine dicke Lippe zu riskieren - die anderen stellen ihr Licht ja auch nicht unter einen Scheffel. Nachteile können auch zum Verstärken (Augmentation) anderer Eigenschaften dienen: ein Kämpfer mit einem steifen Bein könnte eine Situation, wo Flucht angezeigt wäre, mit seinem Steifes Bein 19 so weiterführen, daß er, da er weiß, wie langsam er ist, zurückbleibt und bestärkt (Augentation eben) durch sein steifes Bein zurückbleibt und den anderen die Flucht ermöglicht, während er die Verfolger aufhält (und eventuell das Schicksal eines jeden Helden erleidet - aber man wird von ihm singen, und das ist schließlich auch etwas, was nicht jeder erreicht).
Positive Verstärkung, Belohnungen für das Ausspielen von Nachteilen, ohne den harten Zwang beständig in den Schwächen und den Unfähigkeiten des Charakters herumzuwühlen, das ist bei einem Rollenspiel der state-of-the-art m.E. inzwischen doch zu erwarten. Das ist auch einer der Gründe (aber längst nicht der einzige natürlich), warum manche Systeme so altbacken wirken (wie z.B. das BRP für CoC).