Rezension Die verschollene Symphonie

Nepharite

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James A. Owen - Die verschollene Symphonie - Mythenwelt 4


[User-Rezi] von Nepharite


Zu vorderst möchte ich mich dafür entschuldigen, dass sich die Inhaltsangabe des Romans auf das Allernötigste beschränken muss. Zu unterhaltsam und zahlreich sind die Wendungen der Geschichte, als dass ich es wagte, den Leser dieses Vergnügens durch unangemessenes Plappern an falscher Stelle zu berauben.

Das, was sich in den mittelalterlichen Gemäuern der EIDOLON-Stiftung abspielt, lässt die Psychologin Marisa Kapelson an der Realität zweifeln: Drei Professoren, von Geistern atlantischer Magier besessen. Ein weiterer, welcher sich für Hagen von Tronje hält. Ein geheimnisvoller Herr Schwan im Nordturm der Burg. Corvin Maddox, der behauptet, zweitausend Jahre alt zu sein. Henrietta, das untötbare Huhn, das immer wieder auftaucht, mal kopflos, mal blau, einzeln oder hundertfach. Ein Wintereinbruch, der die Klinik von der Außenwelt abschneidet. Blutige Ritualmorde.
Wie gut, dass ihre "Patienten" und ein "Gast" zur Stelle sind, um sie zu überzeugen, dass Zeit und Raum komplexer sind, als sie es zu träumen wagte, und "Zufälle" nicht immer zufällig geschehen.

Erneut stellt James A. Owen seinen Sinn für skurrilen, bizarren und staubtrockenen Humor unter Beweis. Sein unprätentiöser, gefälliger Stil tragen maßgeblich dazu bei, dass Situationskomik und Wortwitz jedem Leser innerhalb kürzester Zeit wenn schon kein Kichern oder lautes Prusten, dann wenigstens ein fröhliches Grinsen entlocken.

Es ist jedoch nicht nur der Humor, welcher diesen Roman lesenswert macht. Owens Interpretation des Schaffens und der Werke bedeutender deutschsprachiger Komponisten, Philosophen und Wissenschaftler -von Bruckner über Leibniz und Schrödinger bis hin zu Wagner-, die Verknüpfung historischer Fakten mit und in einer haarsträubenden Geschichte sind in ihrer geistreichen und anregenden Art Unterhaltung auf -für das Genre ungewohnt- hohem Niveau. Bedauerlicherweise fordern jedoch gerade diese Passagen dem Leser einiges an Geduld ab, denn hier liegt der Schwerpunkt des Autors eher auf dem Referieren der Vitae jener Koryphäen als auf einem spürbaren Vorantreiben der Handlung. Dennoch enden diese Ausflüge in die Geschichte "deutscher" Wissenschaft und Kunst regelmäßig in für den Leser in höchstem Maße überraschenden Wendungen.
An anderer Stelle -gleichsam inspirierend, jedoch weniger trocken- lässt Owen seinen Protagonisten Juda über Zeit und Raum oder orientalischen Mystizismus fabulieren. Diese geschieht dann so enthusiastisch, dass der Leser gerne über den einen oder anderen Fehler in dessen Argumentation hinweg sieht.

Im Vergleich zu den drei ersten Bänden bleiben die Protagonisten diesmal relativ blass und man spürt, dass es dem Autor primär darum geht, die angesammelten, zahlreichen losen Ende wenigstens zum Teil zu verbinden und Struktur in ein Chaos zu bringen, das man als Leser bisher nicht einmal wahrgenommen hat bzw. ihm keine große Bedeutung zumaß. So ergeben sich im Laufe der Handlung die absonderlichsten Verknüpfungen von Ereignissen und Personen, und vieles erscheint in einem ganz neuen Licht.

Fazit: Ein Buch voller skurriler Einfälle, ein Sammelsurium von Kuriositäten und irrwitziger Gedanken, deren Darstellung dem Leser allerdings zeitweise etwas Geduld abverlangt. Sehr Empfehlenswert! (... wie auch die drei ersten Bände dieser Reihe)Den Artikel im Blog lesen
 
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