Schwierig in einem oder zwei Sätzen zu antworten ...
Besser als ein kurzes "... das Kennenlernen kostet zu viel Zeit - das lassen wir Mal weg. Ihr kennt Euch also schon und seid gerade unterwegs ..." gefällt mir die "Tavernen-Szene" in jedem Fall.
Wenn ich Deine Frage richtig verstanden haben, dann geht es neben der "Tavernen-Szene" im allgemeinen im speziellen vor allem um die folgenden Punkte "Kennenlernen" und "Treffen mit Auftraggebern / Informanten".
Um sie ein wenig besser ordnen zu können, habe ich meine Gedanken im Folgenden nach diesem Schema sortiert.
Allgemein
Wenn sie interessant gestaltet ist, kann mir die "Tavernen-Szene" noch immer sehr viel Spaß bereiten.
Speziell im Shadowrun Universum hing sie mir eigentlich noch nie zum Hals heraus.
Von Ed-Trolls Würstchenbude über steriler Fastfood-Ketten-Filiale und skurile Disco bis hin zum Sterne-Restaurant gibt es da einen sehr großen Spielraum die "Taverne" farbig zu gestalten.
Aber auch im Bereich Fantasy muss die "Taverne" nicht immer das Modell "Standard-Grau" sein.
Ich denke der wichtigster Tipp, den ich in Sachen interessant gestaltete "Tavernen-Szene" geben kann ist der, nicht den Versuch zu unternehmen eine möglichst "normale" Taverne zu gestalten.
Wie anders, als eben irgendwie "normal" sollten sich die Charaktere in einer "normalen" Taverne, verhalten?
Das bringt wenig nicht nur wenig Farbe ins Spiel, sondern gibt auch nur einen kleinen Rahmen vor, in dem sich das Verhalten aller Beteiligten bewegen kann.
Wie unterschiedlich die "normale" Taverne für Schmidt Schlipsträger und Gonzo Gangmitglied aussieht, wird sich erst zeigen, wenn es die beiden an die ranzige Frittenbude von nebenan oder das erste Haus am Platz verschlägt.
Je extremer die Zustände sind, umso leichter wird es den Spielern fallen, ihre Charaktere zu dem Ambiente zu positionieren und damit in ihre Rolle zu schlüpfen.
Zufallstabellen und eine nette Geschichte, mit der der Wirt über den Schild über dem Kamin oder ähnliches aufwarten kann, sind wichtig und verleihen der Szene lebendigkeit, sollten für meinen Geschmack aber nicht zum Zeitpunkt des Betretens der "Taverne" zufällig ausgewürfelt werden, sondern mit Bedacht auf Charaktere und Abenteuer abgestimmt werden und nicht in "letzter Minute" Mal eben am Spieltisch ausgewürfelt werden.
Zwei nette Anekdoten dazu:
Das "Handbuch des Reisenden" der DSA Kreaturen-Box enthielt eine Zufallstabelle für die Ausgestaltung kleiner Siedlungen und Dörfer. Die lästige Würfelei hatte ich natürlich dem Rechenknecht überlassen und meine Spieler mit dem Umstand irritiert, dass es beim Bäcker "auch gebrauchte Ware" zu kaufen gab.
Ein kurzes Zögern meinerseits bei der Beantwortung einer Frage an den Wirt, kommentierte ein besonders cleverer Spieler mit dem Hinweis "OK. Der ist nicht wichtig, dafür hat ... zu lange nachgedacht."
Klar, hin und wieder kommt man als SL nicht darum herum, eine Taverne spontan zu improvisieren.
Gerade, wenn sie Ausganspunkt eines Abenteuers oder wichtiger Wegpunkt in der Geschichte ist, sollte man sich m.E. aber die Zeit nehmen, sich bereits vorab den ein oder anderen Gedanken um ihre Gestaltung zu machen.
Nicht in jeder Taverne befasst sich der Wirt mit stereotypen Scheinbeschäftigungen wie dem Polieren von Theken, Gläsern und Was-Was-Weiß-Ich-Was-Alles.
Kennenlernen
Gerade beim Thema Kennenlernen bin ich in Sachen "Tavernen-Szene" hin- und hergerissen.
Ein großer Vorteil der Tavernen-Szene ist, dass Du als SL so gut wie nichts über die Charaktere wissen musst, um sie zusammen führen zu können.
Ginge es um das Kennenlernen allein, würde ich sie trotzdem als abgedroschen eher plump und wenig kreativ einstufen.
Über das reine Kennenlernen hinaus, erfüllt sie m.E. allerdings auch eine Reihe weiterer Aufgaben, die sie nahezu unersetzlich macht.
* die Charaktere über einen längeren Zeitraum an ein und demselben Ort binden
Besonders, wenn die zusammen zu führenden Charaktere aus verschiedenen Teilen des Landes, bzw. des Universums kommen, also hier nicht heimisch sind, bietet die "Taverne" einen Ort, an dem die Charaktere in entspannter Atmosphäre aufeinander treffen und bereits ohne direktes Gespräch miteinander einen Eindruck davon gewinnen können, wie sich die anderen Charaktere für gewöhnlich verhalten.
Zudem besteht kein Druck die Gruppe möglichst schnell, wie etwa bei einer kurzen Begegnung beim Krämer nebenan zusammen zu bringen.
* auf das Szenario einstimmen
Durch entsprechende Gestaltung der "Taverne" können die Spieler bereits auf das Abenteuer eingestimmt werden.
Wird es im Folgenden um Untote, Werwölfe, Vampire, etc. gehen, die in einem abgelegenen Landstrich ihr Unwesen treiben, so kann bereits vorab eine düster befremdliche und gedrückte Atmosphäre geschaffen werden.
Schweigsame Gäste, penetranter Modergeruch faulig schimmelnder verzogener Balken, kleine Fenster, wenig Licht, ein nicht gerade redseliger Wirt, etc.
Die lustige Gauklertruppe, und der beständig Schwerze treibende Wird der heiteren Verwechslungs-Komödie wären hier Fehl am Platz.
* die Lebensweise der Menschen vor Ort kennen lernen.
Gerade wenn die Charaktere Reisende sind, können sie hier mit lokalen Sitten und Gebräuchen vertraut gemacht werden und sich ein Bild davon machen, wie das Leben vor Ort von statten geht.
Sind die Leute, denen sie begegnen Fremden gegenüber gastfreundlich und aufgeschlossen oder verhalten sie sich eher zurückhaltend gegenüber den "Neuen" in der Stadt / auf dem Planeten?
Läd man sie gesellig auf einen Drink ein, oder beäugt man sie misstrauisch und hält sich lieber im Hintergrund?
* Auskunft über den Ort erhalten, an dem die Geschichte stattfindet.
Worüber unterhalten sich die Gäste?
Nicht nur die "Neuigkeiten", über die die Gäste plaudern, auch was sie als besonders wichtige Neuigkeit betrachten und wie sie ihnen gegenüber stehen, können den Spielern Hinweise auf die Gepflogenheiten vor Ort liefern.
Nach so viel Lob in Sachen "Tavernen-Szene" nun zu den Haken.
Auch wenn sie gerade in Sachen Kennenlernen ein echter Klassiker ist, sollte man als SL nicht vergessen, dass sie nicht für jeden Charakter-Typus in gleicher Weise geeignet ist.
Insbesondere für Druiden, Jäger, Elfen und andere Charaktere vom Modell "einsamer Wolf", die dichte Ansammlungen von Menschen von Natur aus eher meiden, stellt die "Tavernen-Szene" - gerade, wenn sie dem Kennenlernen dienen soll - eine gewaltige Einstiegshürde dar.
Sie ohne Angabe eines wichtigen Grundes "plopp" einfach dort auftauchen zu lassen, kann den Spieler bereits zu Beginn des Abenteuers in einen argen Erklärungsnotstand bringen und das Einfinden in die Rolle erheblich erschweren.
Gewitzten Spielern wird es sicher gelingen sich durch Beschreibung von Gestik, Mimik, etc. dennoch angemessen in eine Szene einzubringen, in der sie eigentlich vollkommen fehl am Platze sind.
Einen großen Gefallen tust Du aber selbst ihnen damit nicht.
Treffen mit Auftraggebern / Informanten
Für das Treffen mit einem Auftraggeber sehe ich weder einen großen Vorteil noch einen großen Nachteil der "Tavernen-Szene".
Wurden die Charaktere Zwecks Treffens in die "Taverne" geladen, so wird ihr Fokus voraussichtlich auf dem bevorstehenden Treffen liegen und die "Taverne" lediglich als austauschbare Kulisse wie Stadtpark, etc. dienen.
Anders hingegen sieht es aus, wenn das Treffen als "Zufallsbegegnung" geplant ist.
Sprich die Charaktere noch gar nicht wissen, dass sie bald mit einem potentiellen Auftraggeber in Kontakt treten werden.
In diesem Fall würde ich die Lage eher wie im Fall "Kennenlernen" zuvor einschätzen.
Insbesondere für die genannten Charaktere des Modells "einsamer Wolf" sollte man als SL die ein oder andere Szene parat haben, die sich fernab der "Taverne" bei Jäger, Elf und Druide, etc. ereignen, falls diese keine Lust haben Captain Crooks und Meister Zwerg auf ihrer Sauftour zu begleiten.
Im Idealfall ein Ereignis, dass bereits im Zusammenhang mit dem anstehenden Auftrag steht.
Das allerdings nur, wenn alle Beteiligten Spieler- und Charakterwissen auseinander halten können - Andernfalls würde ich ganz dringen die Finger davon lassen!
Als Spieler ist die "Zufallsbegegnung" Auftraggeber in der "Taverne" sicher keine Plage.
Als SL würde ich trotzdem versuchen sie wenn möglich zu vermeiden, da sie m.E. ein wenig überstrapaziert ist.
Sind die Charaktere in der Stadt / auf dem Planeten heimisch, so könnte sie der Auftraggeber vor Ort in ihrer Wohnung aufsuchen, ihnen einen Brief schreiben oder - falls es eine solche Erfindung gibt - sie per Kommunikator, Telefon, e-mail, etc. benachrichtigen und zu einem Treffen laden.
Bei Reisenden, die sich einen gewissen Ruf gemacht haben, hingegen ist es durchaus denkbar, dass der Auftraggeber die Charaktere zu sich einläd. Sei es persönlich oder durch einen seiner Angestellten, Diener, Sklaven oder Was-Auch-Immer.
Auch ein Aushang oder Bekanntmachung durch einen Ausrufer können Alternativen darstellen.
Fazit
"Tavernen-Szenen"? Ja, bitte!
Wenn sie mit Engagement und Motivation dargestellt und präsentiert werden immer gern.
Nur wenn sie in dem Gedanken "Die typische "Tavernen-Szene" kennt ja ohnehin schon jeder. Warum viel Mühe investieren?" unmotiviert in Szene gesetzt wird, kann sie wirklich zum Halse heraus hängen.
Soviel zu den Dingen, die mir spontan zum Thema "Tavernen-Szene" eingefallen sind.