Earin Shaad
Woge des Wahnsinns
- Registriert
- 8. September 2006
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- 309
Die Macht der Klinge
Winter, Winter in den Aranabergen. Eine harte, öde und kalte Zeit.
Winter. Wenn die Herzen der Menschen gefrieren, wenn man sich zusammenkauert am Feuerschein, wenn man Geschichten erzählt. Geschichten von Helden, Geschichten von Abenteuern, Geschichten von Dämonen. Viele Lieder kennen die Menschen von Westfall, am Fuße der Berge, versteckt in einem Tal mit heißen Quellen. Sie berührte der Winter nicht so sehr wie den Rest des Landes, doch auch sie litten unter der Kälte und den langen Nächten.
Wenn der Schnee kommt, der kalte Wind pfeift und alles bis auf die heißen Quellen gefriert ist auch für sie die Zeit gekommen sich in ihre Häuser zurückzuziehen.
Dann erinnern auch sie sich der Sagen und Lieder, von Abenteuern, Helden, Drachen und Dämonen. Sie sind weise, die Menschen von Westfall, doch auch sie haben eine Weisheit vergessen, eine manchmal sehr wichtige Weisheit. Jede Geschichte enthält ganz tief im Inneren ein Körnchen Wahrheit. Manchmal auch mehr als ein Körnchen, sehr viel mehr...
Urbane stemmte sich gegen den Wind, der an seinem fellbesetzten Umhang riss und zerrte.
Er hielt seinen Hut fest und versuchte gleichzeitig mit der anderen Hand den Umhang daran zu hindern, aufzuklaffen und so dem kalten Sturmwind Einzug zu gewähren, ihn an Urbanes noch warmen Körper heranzulassen.
Der Alte Urbane, so nannten sie ihn. Dabei war er noch gar nicht so alt, der alte Wanderer.
Noch keine fünfzig Sommer hatte er gesehen. Aber harte Arbeit und ein mühsames Leben hatten ihre Spuren in seinem wettergegerbten, zerfurchten Gesicht hinterlassen.
Doch Urbane war immer noch kräftig. Einer der wenigen war er, die es im Winter wagten, die schlüpfrige, vereiste Bergstrasse hinunter nach Westfall zu begehen. Schon viel jüngere Männer als er waren von dieser Reise nicht zurückgekehrt und ihre steifen Leichen hatte man dann im nächsten Frühling gefunden, wenn Asomi, der Wintergeist, dem Ansturm der Sonne hatte weichen müssen.
Eine Unachtsamkeit ließ Urbanes Fuß den Halt verlieren, plötzlich war er auf einer Eisplatte.
Erschrocken versuchte er, abzustoppen, doch es war zu spät. Seine Füße rutschten ab, voll schlug er auf den Boden. Dann begann er abzurutschen. Urbanes Hände krallten sich in das Eis, er versuchte seinen Sturz zu verlangsamen, doch es war vergeblich
Immer schneller begann er den Weg hinabzuschlittern. Sein Gesicht schlug auf das Eis, einmal, zweimal, sein Hut wurde ihm vom Kopf gerissen und der heulende Sturmwind trug ihn mit sich davon, Urbane pfeifend auslachend und beschimpfend.
Plötzlich landete Urbane in einer Schneewehe, sein Fall kam zu einem abrupten Ende.
Prustend und zitternd tauchte der Alte aus dem Schnee heraus, möglichst schnell auf den Weg springend. Fluchend klopfte er sich den Schnee vom Umhang und versuchte ihn wieder fester um die Schulter zu ziehen, denn ihm war eiskalt. Und doch hatte er Glück gehabt, er wusste das. Er hatte keine Ahnung gehabt das das Ende des Weges schon so nahe war, das er schon fast im Tal war. Hier unten war es wärmer, wenn auch nicht viel und der Sturmwind war nicht so beißend kalt wie in den Bergen. Urbane lachte auf. Er hatte es wieder geschafft!
Jedes Jahr ging er diese Strecke, er zog es vor den Winter in Westfall zu verbringen, die Kälte in Amerun tat seinen Knochen nicht mehr gut. Die warmen Quellen hingegen waren der perfekte Ort, den Winter zu verbringen und auf des Frühlings Einzug zu warten.
Oben in Amerun hatten sie ihn ausgelacht, diese Jungspunde im „Gehörnten Bären“, dem besten Gasthaus weit und breit, abgesehen natürlich vom „Eispalast“ unten bei den Quellen.
Verflucht seien sie alle, sie hatten gelacht als er gesagt hatte, er würde ins Tal hinuntersteigen.
Einen alten Narren hatten sie ihn genannt, der in den Tod lief.
Und hier war er! Unten im Tal angekommen und auf dem Weg zum Eispalast, zu einem warmen Feuer und einem warmen Mittagessen.
Andererseits, vielleicht war es auch schon das Abendessen, wer konnte im Winter schon so genau die Tageszeit bestimmen. Zu Mittag war es nicht viel heller als in der Nacht, der Schnee verschluckte jeden Sonnenstrahl. Urbane fehlte nichts, außer ein wenig Blut und auf seinem Gesicht waren einige frische Kratzer. Sei es drum! Er hatte schon schlimmeres überlebt in seinen sechsundvierzig Wintern, weit schlimmeres!
Und außerdem gab sein Sturz wieder eine amüsante Geschichte für die öden Winterabende die nun folgen würden. Man erzählte sich immer Geschichten, vor allem solche, die einen zum Lachen brachten. Nur spät am Abend, wenn die jüngeren längst schliefen, eingehüllt in wärmende Felle und Decken, hörte man die schaurigen Geschichten, die über Dämonen und Drachen. Giang-Shis Reiter der Finsternis und die gefürchteten Eistrolle, die Schattendrachen und die Schneeschlangen. Gestalten aus Märchen und Liedern!
Urbane fuhr herum. Er lauschte. Und da, einen Moment lang schien ihm als würde er das Näherkommende Dröhnen von Hufen auf der Straße hören. Er hörte genauer hin, und hörte nichts. Nur das Heulen des Windes. Keine Dämonenreiter, nichts.
Urbane schalt sich selbst. Man sollte auf solchen Straßen nicht über diese Geschichten denken, vor allem dann, wenn man alleine unterwegs war. Denn dann konnte die Fantasie eines Mannes anfangen verrückt zu spielen und er selbst erwies sich dann als sein gefährlichster Gegner. Schon viele waren Täuschungen und Einbildungen erlegen, waren in den Schnee gestürmt, fliehend vor einer Erscheinung. Die meisten waren umgekommen, hatten sich im Schnee verirrt, nur wenige überlebten eine Winternacht im freien.
Urbane hatte nicht die geringste Lust auf solch ein Erlebnis. Beherrsche dich! Ermahnte er sich. Denk an ein warmes Bad und ein warmes Zimmer! Nicht an irgendwelche Geistergestalten.
Hinter Urbane ertönte ein Schnauben, wie das eines Pferdes. Urbane stand da wie versteinert.
Erneut eine Einbildung? Langsam drehte er sich um. Sein Blick wanderte über die Straße hinter ihm. Nichts. Nur der Schneesturm.
Erleichtert aufseufzend wandte er sich wieder Richtung Westfall. Und unterdrückte mühsam einen Aufschrei.
Vor ihm war eine Gestalt aus dem Sturm aufgetaucht, ein Reiter auf einem schwarzen Pferd, in schwarzer Rüstung. Wie ein Gespenst war er aus dem Schneesturm erschienen, herbeigezaubert von irgendeiner finsteren Macht. Urbanes Blick wanderte wie von selbst über die Erscheinung, als würden seine Augen von etwas angezogen, gerufen.
Das Pferd war gewaltig, über sechs Hand hoch und schwarz wie Ebenholz. Sein Augen, in seinen Augen brannte Feuer! Das Feuer der Hölle!
Urbane versuchte zu schreien, doch er konnte nicht, sein Körper gehorchte ihm nicht mehr.
Sein Blick wanderte zum Reiter. Die Gestalt trug eine schwarzgoldene, verzierte Rüstung gestaltet wie die der Samurai vergangener Zeitalter, aus dem Krieg der Legenden.
Ein dunkler Helm mit weißem Federbusch saß auf dem Kopf des Ritters und eine dämonische Maske bedeckte sein Gesicht. Doch nein, erkannte Urbane blinzelnd. Das war keine Maske! Es war sein Gesicht! Seine Augen...seine Augen...
Der Alte bekam nur flüchtig mit wie um ihn herum weitere Reiter auftauchten, ein Ring aus Gestalten auf schwarzen Pferden. Ein Geräusch ertönte, der auf Erden einzigartige Klang, der das Ziehen des Katanas aus der Scheide begleitete. Urbane sah die dunkle Klinge, sah eine Schneewolke auf ihr Landen und verdampfen, nur ein dünner Rauchschleier blieb von ihr.
Die Klinge hob sich, und sauste blitzschnell herab. Urbane versuchte auszuweichen, doch es war schon zu spät, viel zu spät. Er fühlte einen stechenden Schmerz in seiner Brust und sah an sich herab. Verblüfft sah er die Klinge aus seinem Unterleib ragend, ein Riss klaffte in seiner Brust. Er fiel in den Schnee und fühlte nichts mehr.
Die schattenartigen Reiter wendeten ihre Pferde und eilten geräuschlos die Straße hinab, Richtung Westfall.
-Copyright by Aleksandar Petrovic, Earin Shaad
Winter, Winter in den Aranabergen. Eine harte, öde und kalte Zeit.
Winter. Wenn die Herzen der Menschen gefrieren, wenn man sich zusammenkauert am Feuerschein, wenn man Geschichten erzählt. Geschichten von Helden, Geschichten von Abenteuern, Geschichten von Dämonen. Viele Lieder kennen die Menschen von Westfall, am Fuße der Berge, versteckt in einem Tal mit heißen Quellen. Sie berührte der Winter nicht so sehr wie den Rest des Landes, doch auch sie litten unter der Kälte und den langen Nächten.
Wenn der Schnee kommt, der kalte Wind pfeift und alles bis auf die heißen Quellen gefriert ist auch für sie die Zeit gekommen sich in ihre Häuser zurückzuziehen.
Dann erinnern auch sie sich der Sagen und Lieder, von Abenteuern, Helden, Drachen und Dämonen. Sie sind weise, die Menschen von Westfall, doch auch sie haben eine Weisheit vergessen, eine manchmal sehr wichtige Weisheit. Jede Geschichte enthält ganz tief im Inneren ein Körnchen Wahrheit. Manchmal auch mehr als ein Körnchen, sehr viel mehr...
Urbane stemmte sich gegen den Wind, der an seinem fellbesetzten Umhang riss und zerrte.
Er hielt seinen Hut fest und versuchte gleichzeitig mit der anderen Hand den Umhang daran zu hindern, aufzuklaffen und so dem kalten Sturmwind Einzug zu gewähren, ihn an Urbanes noch warmen Körper heranzulassen.
Der Alte Urbane, so nannten sie ihn. Dabei war er noch gar nicht so alt, der alte Wanderer.
Noch keine fünfzig Sommer hatte er gesehen. Aber harte Arbeit und ein mühsames Leben hatten ihre Spuren in seinem wettergegerbten, zerfurchten Gesicht hinterlassen.
Doch Urbane war immer noch kräftig. Einer der wenigen war er, die es im Winter wagten, die schlüpfrige, vereiste Bergstrasse hinunter nach Westfall zu begehen. Schon viel jüngere Männer als er waren von dieser Reise nicht zurückgekehrt und ihre steifen Leichen hatte man dann im nächsten Frühling gefunden, wenn Asomi, der Wintergeist, dem Ansturm der Sonne hatte weichen müssen.
Eine Unachtsamkeit ließ Urbanes Fuß den Halt verlieren, plötzlich war er auf einer Eisplatte.
Erschrocken versuchte er, abzustoppen, doch es war zu spät. Seine Füße rutschten ab, voll schlug er auf den Boden. Dann begann er abzurutschen. Urbanes Hände krallten sich in das Eis, er versuchte seinen Sturz zu verlangsamen, doch es war vergeblich
Immer schneller begann er den Weg hinabzuschlittern. Sein Gesicht schlug auf das Eis, einmal, zweimal, sein Hut wurde ihm vom Kopf gerissen und der heulende Sturmwind trug ihn mit sich davon, Urbane pfeifend auslachend und beschimpfend.
Plötzlich landete Urbane in einer Schneewehe, sein Fall kam zu einem abrupten Ende.
Prustend und zitternd tauchte der Alte aus dem Schnee heraus, möglichst schnell auf den Weg springend. Fluchend klopfte er sich den Schnee vom Umhang und versuchte ihn wieder fester um die Schulter zu ziehen, denn ihm war eiskalt. Und doch hatte er Glück gehabt, er wusste das. Er hatte keine Ahnung gehabt das das Ende des Weges schon so nahe war, das er schon fast im Tal war. Hier unten war es wärmer, wenn auch nicht viel und der Sturmwind war nicht so beißend kalt wie in den Bergen. Urbane lachte auf. Er hatte es wieder geschafft!
Jedes Jahr ging er diese Strecke, er zog es vor den Winter in Westfall zu verbringen, die Kälte in Amerun tat seinen Knochen nicht mehr gut. Die warmen Quellen hingegen waren der perfekte Ort, den Winter zu verbringen und auf des Frühlings Einzug zu warten.
Oben in Amerun hatten sie ihn ausgelacht, diese Jungspunde im „Gehörnten Bären“, dem besten Gasthaus weit und breit, abgesehen natürlich vom „Eispalast“ unten bei den Quellen.
Verflucht seien sie alle, sie hatten gelacht als er gesagt hatte, er würde ins Tal hinuntersteigen.
Einen alten Narren hatten sie ihn genannt, der in den Tod lief.
Und hier war er! Unten im Tal angekommen und auf dem Weg zum Eispalast, zu einem warmen Feuer und einem warmen Mittagessen.
Andererseits, vielleicht war es auch schon das Abendessen, wer konnte im Winter schon so genau die Tageszeit bestimmen. Zu Mittag war es nicht viel heller als in der Nacht, der Schnee verschluckte jeden Sonnenstrahl. Urbane fehlte nichts, außer ein wenig Blut und auf seinem Gesicht waren einige frische Kratzer. Sei es drum! Er hatte schon schlimmeres überlebt in seinen sechsundvierzig Wintern, weit schlimmeres!
Und außerdem gab sein Sturz wieder eine amüsante Geschichte für die öden Winterabende die nun folgen würden. Man erzählte sich immer Geschichten, vor allem solche, die einen zum Lachen brachten. Nur spät am Abend, wenn die jüngeren längst schliefen, eingehüllt in wärmende Felle und Decken, hörte man die schaurigen Geschichten, die über Dämonen und Drachen. Giang-Shis Reiter der Finsternis und die gefürchteten Eistrolle, die Schattendrachen und die Schneeschlangen. Gestalten aus Märchen und Liedern!
Urbane fuhr herum. Er lauschte. Und da, einen Moment lang schien ihm als würde er das Näherkommende Dröhnen von Hufen auf der Straße hören. Er hörte genauer hin, und hörte nichts. Nur das Heulen des Windes. Keine Dämonenreiter, nichts.
Urbane schalt sich selbst. Man sollte auf solchen Straßen nicht über diese Geschichten denken, vor allem dann, wenn man alleine unterwegs war. Denn dann konnte die Fantasie eines Mannes anfangen verrückt zu spielen und er selbst erwies sich dann als sein gefährlichster Gegner. Schon viele waren Täuschungen und Einbildungen erlegen, waren in den Schnee gestürmt, fliehend vor einer Erscheinung. Die meisten waren umgekommen, hatten sich im Schnee verirrt, nur wenige überlebten eine Winternacht im freien.
Urbane hatte nicht die geringste Lust auf solch ein Erlebnis. Beherrsche dich! Ermahnte er sich. Denk an ein warmes Bad und ein warmes Zimmer! Nicht an irgendwelche Geistergestalten.
Hinter Urbane ertönte ein Schnauben, wie das eines Pferdes. Urbane stand da wie versteinert.
Erneut eine Einbildung? Langsam drehte er sich um. Sein Blick wanderte über die Straße hinter ihm. Nichts. Nur der Schneesturm.
Erleichtert aufseufzend wandte er sich wieder Richtung Westfall. Und unterdrückte mühsam einen Aufschrei.
Vor ihm war eine Gestalt aus dem Sturm aufgetaucht, ein Reiter auf einem schwarzen Pferd, in schwarzer Rüstung. Wie ein Gespenst war er aus dem Schneesturm erschienen, herbeigezaubert von irgendeiner finsteren Macht. Urbanes Blick wanderte wie von selbst über die Erscheinung, als würden seine Augen von etwas angezogen, gerufen.
Das Pferd war gewaltig, über sechs Hand hoch und schwarz wie Ebenholz. Sein Augen, in seinen Augen brannte Feuer! Das Feuer der Hölle!
Urbane versuchte zu schreien, doch er konnte nicht, sein Körper gehorchte ihm nicht mehr.
Sein Blick wanderte zum Reiter. Die Gestalt trug eine schwarzgoldene, verzierte Rüstung gestaltet wie die der Samurai vergangener Zeitalter, aus dem Krieg der Legenden.
Ein dunkler Helm mit weißem Federbusch saß auf dem Kopf des Ritters und eine dämonische Maske bedeckte sein Gesicht. Doch nein, erkannte Urbane blinzelnd. Das war keine Maske! Es war sein Gesicht! Seine Augen...seine Augen...
Der Alte bekam nur flüchtig mit wie um ihn herum weitere Reiter auftauchten, ein Ring aus Gestalten auf schwarzen Pferden. Ein Geräusch ertönte, der auf Erden einzigartige Klang, der das Ziehen des Katanas aus der Scheide begleitete. Urbane sah die dunkle Klinge, sah eine Schneewolke auf ihr Landen und verdampfen, nur ein dünner Rauchschleier blieb von ihr.
Die Klinge hob sich, und sauste blitzschnell herab. Urbane versuchte auszuweichen, doch es war schon zu spät, viel zu spät. Er fühlte einen stechenden Schmerz in seiner Brust und sah an sich herab. Verblüfft sah er die Klinge aus seinem Unterleib ragend, ein Riss klaffte in seiner Brust. Er fiel in den Schnee und fühlte nichts mehr.
Die schattenartigen Reiter wendeten ihre Pferde und eilten geräuschlos die Straße hinab, Richtung Westfall.
-Copyright by Aleksandar Petrovic, Earin Shaad