Der Mythos in Fantasy-Settings

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Ich wollte eigentlich damit ausdrücken, daß aufgrund der Tatsache, daß man in HF-Settings epische Abenteuer bestreitet, das Verständnis für Bedrohungen eine ganz andere ist - zumindest in meinem Fall -, als es in LF-Settings der Fall ist.

Eben! Die Bedrohung ist direkt. Vielleicht versteckt sie sich anfangs, aber Übernatürliches (also Magie und co) ist für die Charaktere grundsätzlich berechenbar.

Was das Beispiel mit den Drachen angeht, was ich übrigens sehr gut finde, so gehen die Helden dann erstmal an die Sache ran, als wäre das kein Problem. Durch so etwas wie so einen Todesfall, den sie nicht einschätzen können, soll erstmal Verunsicherung erzeugt werden.
Es liegt dann am SL, diese Verunsicherung zu steigern, bis schließlich Grusel draus wird. Das kann man u.a. meiner Ansicht nach dadurch erreichen, daß die Charaktere sich fragen, ob sie wirklich mit dieser unbekannten Bedrohung fertig werden.

Da aber in HF-Settings sehr viel möglich ist - z.B. weiß ich als Spieler nicht so genau welche Kräfte gewisse Kreaturen haben und mein Charakter auch nicht - stellt sich genau dieser Effekt ein: mystische Hexen/Dämonen/was-weiß-ich-Kräfte.

Dieser Effekt stellt sich gerade bei HF-Settings, die sehr heldisch sind, so gut wie gar nicht ein, weil man fast immer einen Charakter in der Gruppe hat, der sich mit diesen Dingen so hervorragend auskennt (der Magier fehlt bei solchen Heldengruppen so gut wie nie).

Gehen wir mal von den Lovecraft-Romanen aus:
Diese spielen in einer Zeit, in der die Menschen an die Wissenschaft glaubten, aber nicht an das Übernatürliche. Somit sind auch seine Protagonisten fast ausschließlich rationale Personen mit einem reichhaltigen Schatz an Wissen.

Die Bedrohung entsteht für sie plötzlich nun, daß sie Situationen und Erlebnissen ausgesetzt werden, in denen sie mit ihrem Wissen nicht weiterkommen. Anfangs mag es ein paar Kleinigkeiten gerade noch so erklären, aber später wird es vollkommen nutzlos und der Widerspruch zwischen dem, was er weiß und dem, was er erlebt und die daraus gezogenen Erkenntnisse führen oftmals zum Wahnsinn.

Wie wäre es nun gewesen, wenn Lovecrafts Protagonisten an das Übernatürliche glauben würden?
 
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Ich würde es auf folgenden Punkt/Nenner bringen:

Es hängt u.a. von dem Wissen ab, welches die Charaktere besitzen. Sind sie der Meinung, sie würden alles wissen, dann erregt natürlich das Unbekannte eine gewisse Art von Furcht.
In einem HF-Setting ist aber - wie geschrieben - so viel möglich, daß die Charaktere nicht alles wissen, aber deswegen nicht gleich an etwas "Übernatürliches" im Sinne von "eigentlich nicht möglich in dieser Welt" glauben. Die vielfältigen Möglichkeiten sind nicht zwingend anfangs zu überschauen.
 
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Es hängt u.a. von dem Wissen ab, welches die Charaktere besitzen. Sind sie der Meinung, sie würden alles wissen, dann erregt natürlich das Unbekannte eine gewisse Art von Furcht.
In einem HF-Setting ist aber - wie geschrieben - so viel möglich, daß die Charaktere nicht alles wissen, aber deswegen nicht gleich an etwas "Übernatürliches" im Sinne von "eigentlich nicht möglich in dieser Welt" glauben. Die vielfältigen Möglichkeiten sind nicht zwingend anfangs zu überschauen.

Ja, das würde unsere unterschiedlichen Ansichten auf einen Nenner bringen.

Ich denke nämlich, daß gerade in einem HF-Setting, die Tiefen und Möglichkeiten des Übernatürlichen weitestgehend bekannt sind. Da wir uns eher über sehr heldige Gruppen unterhalten (in den FG einen Drachen zu erschlagen ist etwas für richtig hochstufige Charaktere), ist es gerade der Magier oder Priester (als das Gehirn der Gruppe.), der den lovecraftschen Protagonisten am nächsten kommt, mit seinem gewaltigen Schatz an arkanen Wissen. Und wenn dieses Wissen nicht greift... dann passiert das Gleiche wie bei Lovecraft.
Da die Gruppe sich auf das "Hirn" verläßt, wenn es um Hintergrundinformationen geht und das Einschätzen von Bedrohungen geht (insbesondere bei solch hochstufigen Gruppen) würde die, durch das Unwissen verursachte, Beunruhigung auf die anderen Gruppenmitglieder übertragen.
 
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Dummerweise ist es lediglich eine These. In der Praxis gilt, glaub ich, vor allem das, was Du beschrieben hast.

Na ja, mal schaun, wie es bei Castle Falkenstein läuft. Da will ich den Mythos ja mal einbaun.
 
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der mythos in fantasy-settings ?

ich sehe da zwei möglichkeirten, unabhängig von "high fantasy" und "low fantasy". wichtiger finde ich nämlich die unterscheidung zwischen "gespielte welt" und "noch nicht gespielte welt". was will ich mit diesem wirren satz sagen ? ganz einfach :

a) ich versuche den mythos in einer seit einiger zeit spielenden dsa-/d&d-/wasauchimmer-runde einzubinden. die charaktere und ihre spieler haben warscheinlich schon ahnung von der welt und kennen sich mit magie/geschichte/geographie usw. aus. da muss entweder die angst vor dem unbekannten oder das gefühl von etwas wirklich großem greifen...im idealfall beides. sprich : die chars treffen auf kuttenträger, die keine bekannte magie wirken, sondern eine art von zauberei, die für das menschliche (bzw. spielerrassische) bewusstsein nicht greifbar ist und schon bei zuschauern am verstand zerrt. und ihr ziel ist es nicht, irgendwelche läppschen dämonen zu beschwören, sondern sie versuchen wesenheiten anzurufen, die so mächtig und andersartig sind, das selbst die lokalen götter und dämonen allein durch ihre präsenz wahnsinnig werden würden !!! (drei ausrufezeichen)

b) ich serviere einer frischen runde eine gänzlich abgeänderte fantasywelt mit starken lovecraftschen einflüssen. das wäre dann aber eher cthulhu im jahr 800 mit kleinen dreingaben wie elfen, zwergen, "normaler" magie usw., sprich : die ganze welt ist eher dunkel und bedrohlich, ältere wesenheiten streifen durch die wälder und jene, die ihren klauen entkommen sind dem wahnsinn verfallen. wenn ich mich richtig erinnere sind im cthulhu d20 buch hinten drin einige anregungen dazu. leider habe ich das buch z.Z. verliehen.

alles in allem stelle ich mir beide varianten aber sehr unterhaltsam vor. :)
 
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And I'm sure I don't have to remind you what happened when the late Mr Hong chose to open his Three Jolly Luck Take-Away Fish Bar in Dagon Street during the lunar eclipse. Yes? You see, gentlemen, it would be nice to think that someone, somewhere in this city, is engaged in some simple enterprise that is not going to end up causing tentacled monsters and dread apparitions to stalk the streets eating people.

Terry Pratchett, The Truth

Die Idee Cthuclu (kein Typo) in ein Fantasy-Setting einzubinden, ist ja nun nicht ganz taufrisch. Wenn ich mich recht entsinne, waren die Mythos-Creaturen schon in den ersten AD&D-Monstercompendien Anfang der 80er praesent, bevor das mächtige Arkham House die Copyright-Keule schwang und TSR die Biester wieder verbannte. Was nicht heißt, daß keine 8 von 10 Fantasy-Welten ohne ältere Dämonengötter oder bösartige Wesenheiten auskäme, die von irren Hexenmeistern beschworen werden, um Tod und Verderben über die ohnehin schon geplagte Fantasy-Welt bringen. Aber genau da liegt der Punkt. Ob der GRoße ALte nun Tsathoggua oder O' ugll Wupp Wupp heißt, ist irrelevant. Die Fantasy-Welt per se schon geplagt mit allem möglichen Kroppzeug. Silver allen voran hat schon bemerkt, daß es im plot keinen Unterschied macht, ob ich Eliott das Schmunzelmonster kille, wenn ich das Dorf retten will, oder Usewusewappdich, das Ding aus einer anderen Welt, das den Planeten Mythor vor Aeonen besiedelt hat, mit dem Aelteren Zeichen banne und dem Zauberspruch aus dem verbotenen Buch Von Wesen mit zu vielen Konsonanten im Namen. Es ist wieder einmal eine Frage des Bezugsrahmens.

H.P. Lovecraft hat in seiner Xenophobie und seinem pathologischen Konservativismus eine in's Unendliche vergrößerte Bedrohung construirt, die über eine heile Welt hereinbricht, in der jede Art von Andersartigkeit und Abnormität als gefährlich und verstörend wahrgenommen wird. Das Nicht-Faßbare, die kosmische, narzißtische Kränkung, daß der Mensch nicht Mittelpunkt des Universums ist und daß unter der Oberfläche der heilen Welt etwas brodelt, das nicht kontrollierbar ist, ist der Kern des Mythos.

... und muß auch von nun an auf der Hut sein vor einer besonderen, geheimnisvollen Gefahr, die, wenn sie auch nie die ganze Rasse verschlingen wird, doch zumindest fürchterliche, ungeahnte Schrecken über einige ihrer wagemutigsten Mitglieder bringen könnte... im Lovecraftschen Sinne überspannte Sonderlinge, die ohnehin schwer zu kämpfen haben mit ihrer Realitätskontrolle. Die Besonderheit von Call of Cthulhu als Rollenspiel sind die Stabilitätsregeln - der Mythos mit seinen Creaturen ist zweifellos als plot in jede Welt übertragbar! Das Unheimliche functionirt aber glaubwürdig nur dort und bei denjenigen, die per se durch etwas Fremdes aus der Fassung gebracht werden können. Und das ist in einem Fantasy(!)-Setting längst nicht mehr der Fall. Da ist man vom Kleinsten und Gemeinsten bis hinauf zum Rollenspiel-Helden an Absonderlichkeiten gewöhnt, daß auch etwas, das aussieht wie ein wild gewordener frutti-di-mare-Teller, keine einzigartige und außergewöhnliche Bedrohung mehr darstellt. Ich kann als Erzähler niemandem glaubhaft vermitteln, Fangarme und Schleim treiben den Protagonisten eher in den Irrsinn als Drachenschuppen und ein Kalb mit zwei Köpfen. Dasselbe gilt für nicht-euclidische Winkel, etc. Die Fantasy-Welt und ihre (spielbaren) Bewohner sind bei weitem nicht so heil wie Providence, R.I., oder meinetwegen Gelsenkirchen.

Daß Angst, vor allem Angst vor Zerstörung der seelischen und körperlichen Unversehrtheit in jeder Welt anwendbar ist, steht außer Frage. Auf der Meta-Ebene von Erzähler und Spielern ist das natürlich etwas ganz anderes: Wenn ich als Erzähler meinen Protagonisten zu vermitteln versuche, Zwerge, Elben, Zwumbel und Menschen seien nicht die ursprünglichen Bewohner von Mythor, der Pantheon der Mytheaner mit Osmo, dem obersten Gott, sei Bockmist und in Wirklichkeit werde Mythor von der großen Rasse von Ungtyy' aah, beherrscht, einer Art Superschnecken, dann mögen die Spieler das auf intellectueller Ebene vielleicht acceptiren, aber der emotionale Transfer der Bedrohung findet nur sehr bedingt statt. Es ist etwas gefühlt anderes und erzählerisch Greifbareres, wenn die Bewohner von Bottrop verschwinden, als wenn die Bewohner von Muftel im Tal des Zuul ihre Jungfrauen den alten Göttern opfern.

Aber letztlich geht es darum, eine gute und spannende Geschichte zu erzählen, wie immer im Rollenspiel - und wenn sich Erzähler und Spieler soweit auf das Setting einlassen können das Muftel gefühlt und geglaubt deckungsgleich mit dem Bottrop dieser Tage ist, dann besteht kein Grund, warum die Geschichte nicht laufen sollte.
 
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Beim Überfliegen dieses Themas, insbesondere der Diskussion von Niedertracht und Ludovico, kam mir eine einfache Idee: Angenommen, es gibt dieses 'Hirn' in der Gruppe, den unglaublich mächtigen Magier/Priester - warum weiht man nicht einfach diesen Spieler in sein Vorhaben ein und lässt IHN zum gefährlichen, wahnsinnigen Kultisten werden, der mit Hilfe der Gruppe einen Großen Alten zur Zerstörung von [Setting hier einfügen] beschwören will? Und die Gegner (andere Magier, Priester, Armeen, Drachen) wollen dies eigentlich verhindern? Klingt für mich nach einer interessanten Geschichte - wenn auch sehr fragil auf dem Vorhanden- oder Nichtvorhandensein von Spielerwissen aufgebaut...
 
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Beim Überfliegen dieses Themas, insbesondere der Diskussion von Niedertracht und Ludovico, kam mir eine einfache Idee: Angenommen, es gibt dieses 'Hirn' in der Gruppe, den unglaublich mächtigen Magier/Priester - warum weiht man nicht einfach diesen Spieler in sein Vorhaben ein und lässt IHN zum gefährlichen, wahnsinnigen Kultisten werden, der mit Hilfe der Gruppe einen Großen Alten zur Zerstörung von [Setting hier einfügen] beschwören will? Und die Gegner (andere Magier, Priester, Armeen, Drachen) wollen dies eigentlich verhindern? Klingt für mich nach einer interessanten Geschichte - wenn auch sehr fragil auf dem Vorhanden- oder Nichtvorhandensein von Spielerwissen aufgebaut...

Tja, Sorcerer baut auf diesem Grundsatz auf. Eine nette Idee, die wohl nur einmal funktioniert. Aber WENN sie funktioniert: Was für eine Kampagne.

-Silver
 
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Aber letztlich geht es darum, eine gute und spannende Geschichte zu erzählen, wie immer im Rollenspiel - und wenn sich Erzähler und Spieler soweit auf das Setting einlassen können das Muftel gefühlt und geglaubt deckungsgleich mit dem Bottrop dieser Tage ist, dann besteht kein Grund, warum die Geschichte nicht laufen sollte.

Silvermane schrieb:
Eine nette Idee, die wohl nur einmal funktioniert. Aber WENN sie funktioniert: Was für eine Kampagne.

genau das ist ja mein punkt : wenn wenn man es schafft, den mythos in einer guten kampagne glaubwürdig einzubringen, kommt eine unglaublich gute geschichte heraus.

die eingangsfrage war ja, ob sich das eher in low- oder highfantasysettings verwirklichen ließe. und meine these ist, das da wenig unterschied besteht und es eher auf "einbringen in eine laufende runde" oder "neuer ansatz" ankommt.
 
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