Rezension Der Mann aus Bronze (Tomb Raider #3)

Nepharite

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James Alan Garner - Tomb Raider Band 3: Der Mann aus Bronze


[User-Rezi] von Nepharite


Als Laras langjähriger Freund Reuben Baptiste sie bittet, ihm bei der Abwicklung eines Auftrags behilflich zu sein, ahnt sie noch nicht, mit welch gefährlichen Kräften er sich angelegt hat.

In Warschau entkommen die beiden mit knapper Not einem Bombenanschlag und einer Bande von Söldnern, wobei Reuben schwer verletzt wird. Mit letzter Kraft erreichen sie das Domizil des Auftraggebers, das tief in der polnischen Provinz gelegene Kloster St. Bernward. Seit Jahrhunderten steuert von hier aus der geheimnisvolle Bronze-Orden die Geschicke der Menschen, indem er im Namen von Recht und Ordnung verbrecherische Menschen straft und im Zweifel auch liquidiert. Der Führer des Ordens ist eine ganz aus Bronze bestehendes Wesen mit gewaltigen geistigen Kräften. Vor Äonen wurde es von einem Widersacher in viele Teile zerschlagen, doch im Laufe der Zeit gelang es seinen Anhängern, die Fragmente aufzuspüren und zusammen zu fügen; nun fehlen nur noch die drei Teile eines Beins; diese zu beschaffen, diente Reubens Recherche.

Kaum hat Lara erfahren, dass hinter dem Massaker in Warschau ihr alter Feind, Lancaster Urdmann, steckt, greifen dessen Männer das Kloster an und töten Reuben. Die Schatzjägerin schwört, Urdmann zu vernichten, und macht sich, obwohl sie starke Zweifel an Bronzes Motiven hegt, auf die Suche, nach dem Bein. Ihr Weg führt sie zunächst nach Sibirien, in die Tunguska, von dort in die Sargassosee und schließlich nach Australien, in die Dschungel der Kap-York-Halbinsel. Doch immer ist Urdmann ihr einen Schritt voraus, sodass schnell klar wird, dass ein anderer die Fäden ziehen muss. Und dieser Jemand ist Bronzes uralte Nemesis, Silver.

Nachdem man die beiden ersten Bände der Tomb-Raider-Serie, "Das Amulett der Macht" und "Der vergessene Kult", guten Gewissens als "belletristischen Durchfall" bezeichnen kann und das Cover dieses dritten Romans ebenfalls Besorgnis erregend deutlich in Richtung Trash weist, stellte ich mich gedanklich auf einen weiteren Verriss ein. Doch manchmal täuscht -gemäß einer alten Single-Weisheit- der krude äußere Schein über die inneren Werte hinweg und so bleibt eine harsche Kritik bis auf weiteres ungeschrieben.

Natürlich ist nicht alles eitel Sonnenschein: Logiklöcher so groß, wie der Pazifik tief ist, langatmige, -in ihrer Massierung- etwas ermüdende Action und eine fragwürdig lässige Rechtfertigung von Mord durch Crofts "Auge um Auge"-Handlungsmaxime zeugen davon, dass als Zielgruppe nicht unbedingt die Bildungselite angepeilt wird. Dennoch bietet der Roman auch gemäßigt anspruchsvollen Lesern ausreichend Lesevergnügen.

Zwei Sachen sind besonders auffällig. Zum einen bekennt sich der Autor von Anfang an unmissverständlich dazu, dass er die "Tomb Raider"-Romane dem Fantasy-Genre zurechnet. Laras Welt wird bevölkert von Monstern und Vampiren. Magier, Schamanen und Götter lenken als mehr oder weniger reale Entitäten die Geschicke der Menschen. Das Metaphysische drängt nicht mit brachialer Gewalt in die mundane Welt, sondern ist immer allgegenwärtig. Dadurch erscheint die Story im Vergleich zu den Vorgänger-Bänden in sich stimmiger und weniger abstrus.
Das eigentliche Mystery-Element innerhalb dieses Kontextes besteht lediglich darin, dass Gardner den Leser über die wahre Natur Bronzes und Silvers im Unklaren lässt. Die Frage, ob es sich um magische Wesen, ähnlich dem Golem der jüdischen Mythologie, um Außerirdische oder um Androiden aus einer weit entfernten Zukunft der Erde handelt, bleibt unbeantwortet.

Die zweite Auffälligkeit betrifft die Erzählperspektive. Anders als Resnick und Knight lässt Gardner Lara Croft als Ich-Erzählerin agieren, wobei er sich hin und wieder auktorialer Elemente bedient. Durch diesen geschickten Kniff gelingt es ihm, eine humorvolle, ironische und sarkastische Geschichte zu erzählen, ohne sich von seiner Hauptfigur zu distanzieren oder sie nicht ernst zu nehmen. Der Autor macht sich nicht lustig über Lara und ihre zum Teil bizarren Abenteuer, sondern lässt Lara selbst ihre bissigen Worte finden. Ihre Glaubwürdigkeit, ihre Authentizität unterstreicht Gardner indem er sie -quasi als vertrauensbildende Maßnahme- mehrmals den Leser direkt ansprechen lässt und sich darüber hinaus eines lakonischen, coolen, ehrlich anmutenden Tons bedient.

Eine weitere Stärke des Romans ist die gelungene Verbindung von Realität und Fiktion. Gelungen insofern, als das Zurückführen bestimmter natürlicher Phänomene (Tunguska-Explosion, Bermuda-Dreieck), Personen (Giacomo Casanova, Marquis de Sade) und Mythen (Osiris, Seth) auf die Existenz Bronzes und Silvers so haarsträubend ist, dass man es einfach mögen muss.

Fazit: Ein solider Abenteuerroman, der seine stärksten Momente zum einen in den (selbst)ironischen und zuweilen zynischen Kommentierungen Laras und zum anderen in der originellen Verknüpfung von Fiktion und Realität hat.Den Artikel im Blog lesen
 
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