Titel: Degenesis Rebirth Edition
Art: Rollenspiel, Post-apokalyptisch
Regeln: Katharsys (W6 Erfolgbasiert)
Sprache: Deutsch
Verlag: SixMoreVodka
Publikationsjahr: 2014
Autor: Christian Günther
Illustrationen: Makro Djurdjevic
Umfang: 704 Seiten
Bindung: 2 Hardcover im Schuber
Preis: 99,95€
Rezensent: Bastian Olpp
Mit der Rebirth Edition von Degenesis veröffentlichte SixMoreVodka im Oktober die zweite Edition, des 2004 erstmals erschienen post-apokalyptischen Rollenspiels Degenesis. Nachdem es in den letzten Jahren vermehrt ruhig um das Spiel wurde, liegt nun eine in wesentlichen Teilen überarbeitete Version des Rollenspiels vor, für die SixMoreVodka eigens einen stimmigen und spannenden Trailer (!) gedreht hat. Was sich genau verändert hat und was sich hinter den schlichten weißen Buchdeckeln der beiden Hardcover versteckt, die derzeit in den Läden und im Internet angeboten werden, wird sich im Folgenden zeigen.
Primal Punk und Katharsys
SixMoreVodka teilt das Grundregelwerk in zwei gleichberechtigte Bücher auf. Dabei deckt das erste,
Primal Punk, den Hintergrund der Welt, ihre Geschichte und Entstehung ab, sowie die Kulturen und Bevölkerungsgruppen, die in ihr leben.
Katharsys, das zweite Buch beschäftigt sich mit dem, was der Rollenspieler als Crunch bezeichnet. Hier folgen also die Regelmechaniken, die Charaktererschaffung, die Gegenspieler und tieferen Mechanismen. Eine derartige Trennung des Stoffes findet sich in jedem anderen Grundregelwerk eines Rollenspiels auch, dass man hier aber gleich zwei Bücher zu je 350 Seiten zur Verfügung stellt, spricht von den Ambitionen hinter dem Projekt der Rebirth Edition.
Primal Punk – Die Apokalypse
Teil 1 des Grundregelwerkes wirft einen Blick auf die Geschichte der Apokalypse, ihrer Folgen für den Planeten und seine Bewohner. Die menschliche Zivilisation (aus Betrachtung Menschen in Degenesis als Urvolk bezeichnet) erreicht bis zum Jahr 2073 einen transhumanistischen Stand, der jäh durch den Einschlag mehrerer Meteoriten in Europa ein Ende findet. Die Einschläge sind so heftig, dass alles Fortstreben des Menschen auf die Stunde null zurückgesetzt wird. Zwar überleben die Menschen in dem nun zerstörten Europa und Afrika weiter, sind aber nicht mehr die alleinigen Herren der Schöpfung. Die Meteoriten trugen eine außerirdische Pilzart, den sogenannten Primer, mit sich, der massive Eingriff in die Fauna und auch den Genpool von Mensch und Tier hatte. Während sich die Menschheit wieder aufrichtet um aus der Zerstörung eine neue Zivilisation zu erbauen, mutiert in den Sporenfeldern um die Kratereinschläge der Homo Degenesis, dessen gefährlichste Art die sogenannten Psychonauten sind.
Degenesis Rebirth spielt im Jahr 2595, Homo Sapiens und Homo Degenesis hatten ausreichend Zeit um sich zu entwickeln. Der neue Gegenspieler des Menschen ist ihm klar überlegen. Der Primer erweckt übernatürliche Fähigkeiten in ihm, denen der Mensch als Einzelner und unbewaffnet, nicht gewachsen sein kann. Dazu kommt eine fortwährende Ausbreitung der Pilzsaat über Europa und Afrika, so dass Lebensraum ein umstrittenes Gut wird. Während in Europa hauptsächlich der Mensch vom Primer betroffen ist, hat sich die afrikanische Flora unter dessen Einfluss lebensbedrohlich entwickelt und wächst als Psychovorengürtel vom Äquator aus nach Norden, in die bewohnten Gebiete der Neolibyer.
Christian Günther fokussiert in seiner postapokalyptischen Vision den Kampf des Menschen, zu einen mit sich selbst, nämlich im Aufbau einer neuen Zivilisationsordnung, zum anderen mit seiner Umwelt, die feindlicher nicht sein könnte. Auf der zerstörten Erde gelten jetzt auch außerirdische Gesetze, die ihre Bewohner weder verstehen noch adäquat eindämmen können. Der Kampf ums Überleben der eigenen Gruppe, sei es die Familie, der Kult oder die Menschheit an sich, prägt Degenesis. Es kommt dem Spiel dabei zu Gute, dass der Metaplot seit der ersten Edition um 10 Jahre vorangetrieben wurde. Die Welt nach der Apokalypse wirkt nun zugänglicher und viele Parteien untereinander kompatibler.
Primal Punk – 7 Kulturkreise
Als Konfliktparteien stellt Günther zum einen sieben Kulturkreise auf und zum anderen dreizehn Kulte. Überblieben aus den Ruinen unserer heutigen Welt sind
Africa (der nordafrikanische Raum),
Borca (der deutschsprachige Raum),
Hybrispania (Spanien und Portugal),
Pollen (Polen),
Purgare (Italien),
Balkhan (der Balkanraum) und
Franka (Frankreich) als tragende Kulturkreise. Jedem ist ein interner Konflikt gegeben, bei dem sich menschliches und psychonautisches Handeln gegenüber stehen, was eine Vielzahl an Ideen für spannende Geschichten erlaubt und schon beim Lesen die Fantasie weckt. Es gelingt dabei verschiedensten Ansatzpunkte für Kampagnen zu wecken. Sowohl der politische Thriller, ein Horrorszenario, Mystery oder ein Glaubenskrieg sind denkbar und bei weitem nicht alle Möglichkeiten.
Interessant für den Metaplot ist hierbei vor Allem, dass sich neue Machtzentren gebildet haben. Dem zersplitterten Europa steht dabei ein vereinigtes Afrika gegenüber, dass, durch den Klimawandel begünstigt, über Ressourcen, Geld und Macht verfügt. Waren die Africaner in der Vergangenheit von Degenesis noch generische Bösewichte, mit imperialem Streben nach Europa, hat sich dies mit der Rebirth Edition gewandelt. Zunehmend erscheinen nun auch politische Bündnisse, so dünn und vorläufig sie auch sein mögen, im Interesse der Africaner zu liegen. Damit eröffnen sich für eine Spielgruppe neue Gebiete und Kulte.
Die Beschreibungen der Kulturkreise zählen mit zu den spannendsten Abschnitten in Primal Punk. Der prosaische Schreibstil von Christian Günther ist dabei für ein Rollenspiel überraschend und bedarf einer gewissen Gewöhnungszeit. Man ist es aus anderen Büchern einfach gewohnt, dass die Informationen konkreter sind. Man erkennt aber schnell wie viel Günthers Beschreibungen und anekdotenhafte Abrisse zur Atmosphäre beitragen. Das Gefühl der Immersion entsteht schon beim Lesen und weckt Lust auf mehr.
Primal Punk – 13 Kulte
Was für die Kulturkreise gilt, findet sich bei den Kulten ebenso wieder. Auch hier sind die Beschreibungen detailverliebt und überzeugen mit atmosphärischer Dichte. Des Weiteren sind die Kulte im Umgang untereinander offener geworden, was nun gemischte Spielgruppen ermöglicht und Degenesis als Spielwelt zugänglicher macht.
Bei den Kulten handelt es sich dabei um:
Die
Spitalier, die als Ärzte und Krieger mit geheimem Wissen um Medizin den Primer bekämpfen und erforschen.
Die
Chronisten, die als Sammler der elektronischen Daten des Urvolkes, versuchen das ehemalige Datennetz wieder zu errichten, deren Stärke sich aber auch aus ihrer Position als Herausgeber einer Währung speist.
Die
Hellvetiker, die die Alpenübergänge aus Bunkerfestungen heraus kontrollieren. Noch immer allen anderen technisch überlegen und einstmals abgeschottet, müssen sie sich nun auch langsam der Welt öffnen.
Die
Richter, die als Gesetzesträger Kultur in die Welt bringen und damit keineswegs überall gerne gesehen sind.
Unter den
Sipplingen fassen sich nahezu alle kleineren Kulturgruppen zusammen, die nicht einem Kult zugehören. Oftmals als Wilde in der Ödnis außerhalb der großen Machtzentren ums Überleben der eigenen Familie kämpfend, durziehen Europa oder Afrika.
Die
Schrotter suchen in den Ruinen des Urvolks nach Verwertbarem und entdecken so auch Geheimnisse. Sie sammeln, verkaufen und durchsuchen beide Kontinente nach solchen Schätzen.
Die
Neolibyer sind die Herren Africas. Sie sind die Händler, die Herrscher, die Eroberer. Sie haben den Spieß umgedreht und versklaven die Reste Europas. Aber auch sie sind auf die Hilfe der Europäer angewiesen.
Daneben stellen die
Geissler den kriegerischen Arm Africas dar. Sie sind Stammeskrieger, die die alten Traditionen ihrer Ahnen in ein neues Zeitalter bringen. Sie kämpfen und sterben für Africa.
Die
Anubier sind mystische Priester in der Tradition des altägyptischen Pantheons. Sie bewahren Geheimnisse, stellen Tinkturen und Öle mit seltsamen Kräften her und scheinen vom Einfluss der Psychovoren frei.
Die
Jehammedaner ehren nur die Prophezeiung Jehammeds höher als ihre Familie und ihre Bestimmung darin. Der Schutz ihrer Familie und ihres Glaubens verlangt vollen Einsatz.
Die
Apokalyptiker sind der Schwarzmarkt, das Bordell, das Glückspiel und der Drogenhandel. Sie bilden ein Netzwerk des Begehrens auf beiden Kontinenten.
Die
Wiedertäufer sind Krieger im Namen Gottes. Sie sehen ihre Bestimmung in der Heilung des Landes, der Zerstörung des Primers und allen anderen Übels.
Die mysteriösen
Bleicher haben den Großteil der Apokalypse in Bunkern verbracht und stellen sich nun einer Welt, die sie so nicht verstehen. Sie folgen einer Prophezeiung des Urvolkes, deren Ausgang sie selbst nicht abschätzen können.
Es findet sich also ein Sammelsurium an Möglichkeiten zur Darstellung verschiedenster Charakter. Von schräg bis traditionalistisch, von mysteriös bis gesetzesfanatisch, alles hat seinen Platz und ist stringent in die Welt eingefügt. Was in der Welt von Degenesis ohnehin schon bizarr und befremdlich erscheint, findet sich in den Kulten wieder, relativiert sich dabei aber auch. Christian Günther zeichnet eine interessante, abwechslungsreiche und durch und durch konfliktbeladene Welt, in der ebensolche Menschen versuchen ihr Überleben zu sichern. Diese Menschen bewegen sich dabei ständig in einer moralischen Grauzone. Gut und Böse erscheinen in Degenesis ohnehin fragwürdige Konzepte zu sein. Das muss man nicht mögen, es ist aber ein Weg abseits ausgetretener Rollenspielpfade, vor Allem auf dem deutschen Markt.
Primal Punk – Fazit
Insgesamt ist der Eindruck zu Primal Punk hervorragend. Atmosphärisch dicht, detailverliebt, erzählerisch und eindringlich wird hier eine Spielwelt beschrieben, die aus der Masse heraussticht. Was bei einer Beschreibung des Buches nicht untergehen darf sind das phänomenale Layout und die zeichnerische Gestaltung. Dass Marko Djurdjevic für Marvel gezeichnet hat, sein Handwerk also bestens versteht, zeigt das Buch auf nahezu jeder Seite. Die Charakterzeichnungen sind mit das Beste was man auf dem Rollenspielmarkt finden kann – mehr muss man dazu nicht sagen. Sie transportieren die Thematiken von Christian Günthers Texten über das Auge direkt weiter in die Vorstellungskraft. Dort wo keine Zeichnungen zu finden sind, ist das Layout derart vielseitig, abwechslungsreich und thematisch passend, dass die Atmosphäre stets lebendig gehalten wird. SixMoreVodka hat eine Referenz für den deutschen Rollenspielmarkt geschaffen, zumindest wenn es um die Opulenz der Ausgestaltung geht.
Einzig ein paar mehr Landschaftsbilder hätte man sich wünschen können. Dies hätte sicherlich zur Auflockerung des Buches beigetragen und Teile der Textpassagen besser mit der Gestaltung verknüpft. Das ist bei dem Dargebotenen allerdings Kritik auf hohem Niveau.
Katharsys – Regeln und Kampf
Teil 2 des Grundregelwerkes beleuchtet die Regeln, Charaktererschaffung, Kampf und Feinde. Des Weiteren finden sich hier noch Informationen für den Spielleiter und ein Abenteuer.
Vorweg muss erwähnt werden, dass Regeln Geschmacksfrage sind. Einer der großen Kritikpunkte der ersten Edition von Degenesis war das damalige Würfelsystem. Für die Rebirth Edition wurde es nun komplett neu designt. Als Kernmechanik funktioniert dabei ein W6-Erfolgssammelsystem. Ein Attribut wird mit einer Fertigkeit kombiniert, gewürfelte Erfolge (4-6) gezählt und mit einer Schwierigkeit abgeglichen. Damit gehen die Designer einen Weg, der soweit aus anderen Systemen bekannt und erprobt ist. Einzig die Wertung einer gewürfelten 6 als Trigger erscheint hier neu. Der Trigger entscheidet dann über das Maß des Erfolges, bzw. den Style. Im Kampf kommt Triggern dabei eine besondere Bedeutung zu, da sie z.B. Waffenschaden erhöhen.
Vor dem Hintergrund exotischer Würfelsysteme der letzten Jahre, wie sie in einer Vielzahl von Rollenspielen derzeit modern sind, wirkt Katharsys zuerst ein wenig konservativ. In genauerer Betrachtung ist der Schritt den Degenesis dabei geht, aber kein Fehler – Katharsys ist erfrischend einfach.
Es ist den Designer gelungen mit Katharsys ein schnelles System vorzulegen, dass mit Vergleichs-, Unterstützungs- und Containerwürfen (das Erreichen einer festen Erfolgszahl in einem festgelegten Zeitraum) alles abdeckt, was ein modernes Rollenspiel braucht. Die Zuordnung der Attribute, Fertigkeiten und Submechanismen wirkt dabei überzeugend. Bei der Gestaltung der Regelbeschreibungen stich positiv hervor, dass die einzelnen Passagen abschließend mit kleinen Merksätzen oder Faustregeln zusammengefasst werden. Das vereinfacht die Suche auf den Seiten und erlaubt schnellen Zugriff auf die fraglichen Regeln.
Der Kampf in Degenesis ist schnell und tödlich. Dabei folgt das Design dem einfachen Aufbau der Grundregeln. Eine Angriffsfertigkeit wird gegen einen modifizierbaren Verteidigungswert gewürfelt. Waffen machen einen festen Schaden (über Trigger aus der Fertigkeitsprobe steigerbar), von dem der feste Wert einer Panzerung abgezogen wird. Was übrig bleibt wird als Schaden gewertet und davon halten die Charaktere nicht allzu viel aus – nach zwei bis drei Treffern geht so mancher leblos zu Boden.
Bewegung, Sicht, Distanz, Verwundung, Initiative, Handhabbarkeit der Waffe, usw. – es gibt viele Modifikatoren, die das Kampfgeschehen in Rollenspielen beeinflussen. In Katharsys kommen die meisten davon vor und sind sinnvoll implementiert. Es fehlt allerdings an detaillierten Manövern für Fern- und Nahkampf. Interessant ist bei Degenesis die Verwendung von Egopunkten um die Initiative vor einer Kampfrunde zu erhöhen, da die Egopunkte im Verlauf des Kampfs wiederum so etwas wie die Ausdauer des Charakters repräsentieren.
Die Designer von Katharsys bauen, auf den Grundregeln fußend, ein Kampfsystem auf in dem die Simulation abstrakt gehalten wird und nicht den Detailgrad anderer Spiele erreicht. Das kann man als Kritikpunkt sehen, es lässt aber auch einen großen Freiraum für im erzählerischen Spektrum des Kampfes. Spieler die einen höheren Grad an Simulation suchen, werden hier jedoch enttäuscht.
Katharsys – Charaktererschaffung
Bei der Charaktererschaffung kombiniert man einen Kulturkreis mit einem Kult, sofern dieser in dort ansässig ist. Zu diesen beiden Faktoren gesellt sich nun noch eines von 22 Konzepten und damit ein übergeordneter Wesenszug des Charakters, mit dem Vor- und Nachteile verbunden sind. Leider ist die Beschreibung der Konzepte etwas zu kurz geraten. In machen Texten finden sich nur positive oder nur negative Aspekte. Eine größere Balance wäre hier wünschenswert gewesen. Nichtsdestotrotz ist das System gangbar und umfangreich genug, um verschiedene und vor Allem spannende Charakterideen umzusetzen.
Ist die Wahl auf Kultur, Kult und Konzept einmal getroffen, wird der Charakter nun mit Werten ausgekleidet. Dabei bringt Degenesis eine spannende Neuerung mit. Der Spieler versucht dabei den Anforderungen der Ränge des Kultes gerecht zu werden und seinen Hintergrund im Kult zu stärken. Mit den Rängen sind Privilegien, Ansehen und Ausrüstung verbunden und daher Ziele, die Charakter erreichen möchten. Hier ergibt sich ein großes Potenzial für Plot-hooks, bereits vor dem ersten Spielabend. Das ist gut gelungen, hätte nur explizierter erwähnt und beschrieben werden können. Ein Charakter muss sich in der Folge noch zwischen einen emotionalen (Primal) und einem vernunftgetriebenen (Fokus) Handeln entscheiden, was einen zusätzlichen Aspekt der Handlungsausgestaltung bietet. Die Entscheidung ist dann für die Errechnung der Egopunkte verantwortlich.
Wer sich in der Spielwelt auskennt, dem dürfte eine Charaktererstellung schnell von der Hand gehen. Wer sich erst in die fremden Kulturen und Kulte einlesen muss, der wird entsprechend länger brauchen. Letzterem sei aber der hervorragende Charaktergenerator auf der Degenesis-Homepage empfohlen. Ein Service der durchaus in der Verlagswelt Schule machen darf.
Zusammenfassend hat Christian Günther die Charaktererstellung zügig und zielgerichtet beschrieben. Gestaltungsmöglichkeiten für runde Charaktere sind ausreichend vorhanden, wenn auch stellenweise etwas zu bündig dargestellt. Der Aufstieg in den Baumstrukturen den Kultränge ist dergestalt aber neu und gut umgesetzt – dafür ein großes Lob.
Katharsys – Ausrüstung, Feinde, Spielleiter
Die Ausrüstungsliste in Katharsys ist umfangreich. Von Kleingegenständen bis haushohen Drangpanzern, von Dolchen bis Flammenwerfern, von kultspezifischen Gegenständen bis allseits verfügbaren Alltagsdingen ist alles vorhanden und hat seinen Preis. Lobenswert fällt dabei auf, dass die Waffen, Fahrzeuge und diversen Anzüge der Kulte modifizierbar sind und entsprechende Regeln vorliegen. Das passt in eine Welt, die auf und aus den Trümmern einer anderen lebt. Nicht weniger überzeugend sind die zahllosen Darstellungen der Waffen und Gegenstände, die hier mittels Computergrafik detailreich auf fast jeder Seite zu finden sind.
Ebenso passend ist das Kapitel zu Burn, einer Droge die aus den Pilzknospen des Primers gewonnen wird. Die fortschreitende Versporung durch Burn kann bei einem Charakter zwar zur körperlichen und seelischen Zerrüttung führen, die positiven Effekte der Droge sind aber nicht zu übersehen. Je nach Art der Droge steigert sie Attribute und Fertigkeiten, was im Kampf ohnehin, aber in sozialen Interaktionen von enormem Vorteil sein kann. Die großflächige Abhängigkeit der Menschen in Europa erklärt sich somit logisch, auch wenn der Konsum dauerhaft in den Ruin treibt.
Mit Feinden spart Katharsys nicht. Das entsprechende Kapitel ist umfangreich, stellt aber auch eine Vielzahl an Sipplingen mit vor, die den Spielern als Hintergrund und Inspiration zur Verfügung stehen können. Hier findet der Spielleiter in der Folge viele Hintergründe zu den verschiedenen Gegnern der Menschheit, bis hin zu den Marodeuren, die im neuen Metaplot stärker eingebunden werden sollen. Und wie schon in Primal Punk trumpfen Günther und Djurdjevic hier groß auf. Die Kombination der Texte und Bilder erzeugt eine dichte und glaubwürdige Atmosphäre. Das Kapitel zu den Feinden zählt zu den Highlights im zweiten Teil des Grundregelwerkes.
Auch Degenesis verzichtet richtigerweise nicht auf ein Kapitel für den Spielleiter. In Anbetracht der Tatsache, dass über das Wesen und die Art des Spielleitens eigenständige Bücher geschrieben werden, fallen solche Abschnitte in der Regel knapp aus. Christian Günther legt dabei ein umfassendes Kapitel vor, in dem sich die allermeisten Dinge, die man erwartet, wiederfinden. Von der Motivation der NSCs, bis zu deren glaubwürdiger Darstellung und den Aufbau von Kampagnen und Abenteuern ist alles vorhanden und ausreichend gut beschrieben. Als Neuling wird man sich mit solchen Kapiteln immer schwer tun, als erfahrener Spielleiter kann man hier auf einige gute Ideen zurückgreifen. Lediglich die Beschreibungen der Spielertypen wirken nicht gelungen. Hier liegt aber eine generelle Abneigung gegen solche Einteilungen bei mir vor. Andere werden daraus sicher ihren Nutzen ziehen können.
Katharsys schließt mit einem Einführungsabenteuer über dessen Inhalt hier nichts gesagt werden soll. Es liest sich jedenfalls spannend und bietet die Möglichkeit als Ausgangspunkt für verschiedene Folgeabenteuer zur Verfügung zu stehen. Erwähnen sollte man hierbei noch, dass die Karten sich über das Degenesis-Forum in guter Auflösung herunterladen lassen.
Katharsys – Fazit
Seine Aufgabe, die Darstellung der Regeln und Erweiterung des Hintergrundes, erfüllt das zweite Buch ausreichend und gut. Die Regelmechanismen sind schlank und gehen schnell von der Hand. Hier und da hätte man die Mechaniken um ein paar Optionen erweitern können, aber dies tut dem Spiel keinen Abbruch. Die Charaktererschaffung ist bündig und rund und verknüpft dabei schlüssig Besonderheiten der Spielwelt mit ihren Darstellern. Der hohe Standard des Layouts und der Beschreibungen wird durchweg beibehalten. Vor allem das Kapitel zu den Feinden sticht dabei hervor.
Degenesis Rebirth Edition – Fazit
Ist Degenesis die neue Referenz auf dem deutschen Rollenspielmarkt? Ja und nein. Ja, es gibt derzeit kein vergleichbar schön und ausladend gestaltetes Regelwerk eines deutschen Verlages auf dem Markt. Hier steht Degenesis einsam an der Spitze. Letztlich bewegt es sich aber mit dem angebotenen Setting weit ab vom Rollenspiel-Mainstream. Die Art der Konflikte und ihre Präsentation wenden sich eher an erwachsenere Spieler. Persönlich bewerte ich das als Vorteil des Spiels, es bietet sich damit aber nicht jedem an.
Wer die beschriebene Post-Apokalypse und die Welt von Degenesis noch nicht kennt, aber spannend findet, dem muss ein Kauf des Grundregelwerkes einfach ans Herz gelegt werden. Zu selten werden Spiele dieser Qualität veröffentlicht. Wer die erste Edition schon besitzt, findet hier genug Mehrwert um bedenkenlos zuzugreifen. Die beiden Bücher, wie auch die Spielwelt, bauen Bekanntes aus und liefern vor Allem ein spielbares Regelsystem, das der ersten Edition fehlte.
Das in dem Spiel viel Herzblut steckt wird durch die Bücher selbst, durch den eingangs erwähnten Trailer und die Aussagen der Macher im Internet, deutlich. Das Ergebnis von zwei Jahren Redesign und Arbeit ist mehr als nur beeindruckend und bereichert den Pen&Paper-Markt. Degenesis hat seit jeher auch eine große LARP-Gemeinde, die durch die zahllosen Personenzeichnungen und Waffendarstellungen eine enorme Inspirationsquelle in den beiden Büchern finden wird.
Was die Zukunft für das Spiel bereithält, hängt vom Verlag und dessen Plänen ab. Ansatzpunkte für weitere Veröffentlichungen sind in großer Zahl gegeben. Seien es nun Erweiterungen des Settings bezüglich der Kulturkreise und Kulte, oder erweiternde Regeln. Degenesis sollte sich gezielt ausbauen lassen. Das wird spannend zu beobachten sein, denn laut Christian Günthers Aussage von der diesjährigen Spiel, sind Erweiterungen bereits in Planung. Dazu zählt eine Graphic Novel, was auch vollkommen Sinn macht, wenn man Marko Djurdjevic an seiner Seite hat. Mit Black Atlantic ist bereits etwas in den Startlöchern über dessen Inhalt noch nichts weiter bekannt ist. Es bleibt zu hoffen, dass es SixMoreVodka in Zukunft gelingen wird, dem hohen Niveau des Regelwerkes mit weiteren Veröffentlichungen zu folgen. Den deutschen und bald auch englischen, französischen und spanischen Rollenspielern kann das nicht schaden.
Von meiner Seite aus, eine ganz klare Kaufempfehlung.
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