Das Tier in mir

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Lasombra
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Dies ist ein Auszug aus einer Vampirerunde Dark Ages.
Ein Charakter hat den Vorschlag gemacht eine Pirateninsel zu überfallen und alle Sklaven zu befreien *hust* Was große Hundeaugen so alles anstellen können.zwinkern
Die Insel hat ein Hochplateau mit einer Burg. ansonsten sind überall steile Felsen und nur an der Vorderseite kommt man von einem Fischerdorf hoch zur gut gesichterten Burg. Um die Insel herum ist ein kleiner Stein und Geröllpfad, der sehr schwer zu begehen ist. darunter ist nur Brandung und darüber ist die Steilwand hoch zur Burg.
So aber nun genug zur geographischen Einordnung.
Viel Spaß beim lesen]


1189 Auf einer Insel nahe Venedig, welche als Piratennest und als Sklavenumschlagplatz genutzt wird

Es herrschte gespannte Ruhe, ganz anders als ein paar Meter unterhalb von Anna, die sich mühelos und gewandt über die schwarzen, scharfkantigen, rutschigen und bemoosten Steine bewegte und hier und dort sogar von einem Bein auf das andere weiter sprang. Unter ihr prallte die schäumende Brandung in einem endlosen Trommelwirbel gegen den schwarzen massiven Fels der Küste. Abermals dankte Anna dem Augenlicht, dass die schwarze Masse aus undefinierbaren Schlieren zu klar erkennbaren Konturen werden ließ auf welchen ihre Hände und ihre Füße halt fanden, welches mit dem Geschenk, dass Wolfsherz ihr in den letzten Nächte vermacht hatte, einher ging.

Aufmerksam wanderten Annas Blicke die steile, hohe und schwarze Klippe hinauf auf der die Burg und der Bergfried sich mit ihren Fundamenten an den schroffen Fels der Klippen krallten, wie ein Adler auf den felsigen Untergrund, wenn er landete und wachend in die Ferne blickte.

Ein kalter Schauder überkam Anna, die nun auf einem Stein inne gehalten hatte und sich nun viel kleiner vorkam, im Angesicht dieser Höhe und Größe und dieses Wagnisses. Bis vor kurzem war sie noch eine einfache Falknerin gewesen, die es vor ein paar Wochen geschafft hatte freigesprochen zu werden, ihre eigenen Wege zu gehen, einen Familiennamen führen zu dürfen, war danach in den Nebel getreten und aus ihm wieder herausgetreten und nun stand sie hier, mit dem einzigen was sie besaß und am Leibe trug und hatte den Entschluss gefasst, zusammen mit ihren einzigen Freunden, Janes und Sophia diese Insel von der Sklaverei zu befreien.

Die Vergangenheit, wirkte in diesem Moment so unendlich Fern. Beinahe, wie ein Regen, der vorbeigegangen war und nun nur noch den Geruch, an allem was er berührt hatte, zurückließ und ein paar einzelne Wasserlachen, die bald in die lehmige Erde sickern würden und nichts als die Ahnung, dass es einst geregnet hatte zurückließen.

Anna schluckte schwer, um die aufkeimende Vergangenheit wieder hinunter in das inneres ihres Leibes zu pressen und sie dort verschlossen zu halten. Sie hatte nicht viel Zeit, die Insel war groß und die anderen verließen sich doch auf sie und außerdem war es jetzt nicht die beste Zeit an Zuhause und all die Annehmlichkeiten zu denken.

Abermals prallte die Brandung gegen den schwarzen Fels und ließ die Gischt schäumend einen feinen salzigen Nebel verstreuen, der sich auf Annas Lippen legte, über die sie eiligst leckte. Die junge Unsterbliche machte einen weiteren festen und sicheren Schritt vorwärts und blieb dabei so vorsichtig wie zuvor.

Gewand sprang Anna von Stein zu Stein und setzte ihren Weg, gleich einer Bergziege, die keinen anderen Untergrund gewöhnt war fort, als ihr Weg plötzlich und jäh unterbrochen wurde. Vor ihr lag ein klaffendes, scharfzähniges gähnendes schwarzes Maul. Wenn sie die Konturen nicht so gut hätte unterscheiden können, wäre sie sicherlich vor dieser Bestie des Berges erschrocken zurückgewichen, die sich so plötzlich vor ihr aufgebaut hatte. Doch da dies nicht der Fall war, war Anna lediglich überrascht und ließ ihren Blick gewohnheitsmäßig und alarmiert über den Stein und die Höhle vor ihr gleiten. Die Steine waren zu glatt, als das sie einfach so herunterklettern konnte. Der Spalt, in der sich die Brandung in die Höhle ergoss, war viel zu groß, als das sie ihn hätte überspringen können. Ruhig ging sie in die Hocke und federte immer wieder vom Fußballen auf die Zehenspitzen auf und ab.

Wie Wolfsherz es immer so schön sagte, spitzte sie ihre Ohren und hörte zu, doch außer der Brandung konnte sie nichts hören. Die Lage war vertrackt. Sie musste schon aus Liebe zu ihren Freunden herausfinden, ob diese Höhle eine Art Hintereingang zum Bergfried darstellte und wie gut er bewacht war, doch so kam sie hier nicht weiter. Annas schlanke Hand glitt zu ihrem verzierten Gürtel und dann zu ihrem Seil. Ihr Vater hatte immer gesagt, dass es immer nützlich ist, ein Seil dabei zu haben. Dieser weise Spruch sollte sich auch hoffentlich heute Nacht bewähren und so verließ Anna den Felsen, auf dem sie gerade eben noch gehockt hatte und machte sich daran einen geeigneten Haltepunkt zu suchen.

Anna hatte Erfahrung mit Seilen und so suchte sie alle geeigneten Stellen ab, nur um festzustellen, dass ihr Seil nirgendwo halt finden würde. Wütend darüber, dass sie so nicht weiterkommen würde, schmiss Anna das Seil zu Boden und verschränkte ihre Arme vor ihren Körper um kurz darauf fest auf den Stein unter hier aufzustampfen.
 
AW: Das Tier in mir

Tock...Tock...KLACK Die Geräusche verstummten sobald sie auf die Brandung trafen, die sie geradezu verschluckte. Doch Anna hörte sie nur allzu gut und spitzte alarmiert ihre Ohren, ehe ihr Blick ihren Körper herunter wanderte und an ihren Füßen erschrocken hängen blieben.

Aus ihren Stiefeln, ragten große klauenartige Füße hervor und die Krallen an ihren Enden gaben das so ungewohnte klackernde Geräusch von sich, als sie auf den Stein prallten und dann in den Stein einsanken. Das war doch nicht möglich! Anna sprang zurück und löste ihre Arme aus der verschränkten Haltung, nur um zu sehen, wie ihre Hände zu langen Klauenauswüchsen gewachsen waren. Sie hatte dies zwar schon zweimal gesehen, doch war es immer noch erschreckend dies an sich selbst zu sehen. Panik durfte sie jetzt erst gar nicht aufkommen lassen.

Für den Hirten war es normal und für Wolfsherz auch und außerdem hatte er ihr erklärt, dass dies auch bei ihr passieren würde und dass es eine weitere Gabe sei, versuchte sich die junge Gangrel selbst zu beruhigen, doch tief in ihrem Innersten schrie die Falknerin Anna, dass dies alles andere als normal für sie war und sie zum Tier wurde, jawohl zum Tier!

Was sollte sie tun? Wieso war es gerade jetzt gekommen?! Die Verzweiflung rang mit der Stärke und schlussendlich siegte Annas innere Stärke und der Satz von Francesco, dass man mit dieser Gabe auch steile Klippen mühelos bezwingen konnte, wenn man sie denn hatte. Anna hatte sie ganz offensichtlich und unschwer zu erkennen und da kam der jungen Gangrel der nächste Satz in den Sinn obwohl er dieses Mal von Wolfsherz war: Man konnte mit diesen Klauen sehr tiefe und schmerzhafte Wunden reißen, so wie Wolfsherz es bei diesem Ventura von Ochsfeld gemacht hatte.

Mit steigender Faszination besah sich Anna ihrer neuen Hände und Füße und trennte mühelos mit einem ihrer nun langen und scharfen Finger, das grobe Leder auf, um aus den Stiefeln schlüpfen zu können.

Vorsichtig steckte Anna das Leder und ihr Seil ein und hoffte dabei nichts zu beschädigen. Als dies erledigt war, schritt sie selbstbewusst auf den schwarzen Steilhang zu.

„Nun denn, so packen wir es an!“ versuchte sich Anna erneut zu ermutigen, denn ihr Mut schwand sogleich, als sie die Steilwand erneut hochblickte und dieses Gefühl, klein und unbedeutend zu sein, abermals in ihr hochstieg.

Vorsichtig legte Anna ihre rechte Klaue auf den Stein und vergrub sie darin. Sie spürte kaum den Wiederstand des Felsen, in den sie so mühelos eindrang. Es war fast wie wenn man seine Hände in Lehm vergrub, nur dass er nicht so fest wie massiver Fels war. Aber konnte sie sich mit ihrem Gewicht auch so halten?

Vorsichtig setzte Anna ihren linken Fuß erst auf den Fels um ihn auch darin zu vergaben und zog dann langsam ihren gesamten Körper hoch und ging dann mit ihren Oberkörper nach hinten. Anna konnte nicht nur ihr Körpergewicht halten, denn in dem Moment wo sie sich nach hinten lehnte, durchfuhr ein elektrisierender Schauer ihren Körper, denn noch nie hatte sie ihren Körper so weit nach hinten lehnen können. Sie sah ja nicht nur das Meer hinter sich, sondern auch die Steine unter sich.

Erfüllt von diesem überirdischen Gefühl, dass sie nun übermannte und nach mehr schrie, schlug sie ihre Klauen nochmals in den Fels und kletterte gewandt und kraftvoll die Steilwand hinauf. Das Gefühl hatte sie nun vollkommen übermannt. Es war wie ein Spiel. Alles schien nun möglich und erreichbar und es war egal wer oder was Anna war. Es war nebensächlich geworden, denn es gab nur sie und diese schwarze Wand, die sich ihr beugen musste. Als die junge Gangrel über den Einfluss der Höhle war, entdeckten ihre scharfen Augen, einen kleinen Stein, der nicht von der Brandung überspült wurde und gerade einmal einen Meter mal einen Meter maß.

Wie auf ein stummes Kommando, lösten Annas Klauen die unerbittliche Umklammerung mit dem Fels und die Gangrel ließ sich lächelnd, nicht nur in das tiefe tosende Meer, sondern auch in ihre Instinkte fallen. Anna drehte sich mühelos um die eigene Achse und merkte wie sich ihre Wirbelsäule bis aufs äußerste bog und es ihr noch nicht einmal Mühe bereitete. Dann landete sie Punktgenau, auf dem kleinen schwarzen Stein, der Anna gerade halten konnte.

Stolz über ihre Leistung drückte sie ihren Rücken durch und spähte in das gähnende Maul der Höhle und sah hinter einem kleinen Landesteg, zwei Wachen beim Kartenspiel. Sie hatten sie weder bemerkt, noch machten sie sich darüber Gedanken, dass jemand sie hier aufspüren könnte. Träge mischte der dickere ein paar Karten, während der kleinere von beiden, einen großen Krug ansetzte und Anna neben dem Salzgeruch des Meeres nun den süßlichen Geruch des Weines riechen konnte. Sie waren ja so leichte Beute!

Beinahe schon zu leicht, nun musste sie nur noch springen und sich an der Decke festkrallen um sich auf sie stürzen zu können und die beiden würden nichts dagegen unternehmen können.

Wahrscheinlich würden sie nicht einmal Alarm rufen können. Annas Körper spannte sich und ihre Füße, deren Fersen nun viel weiter oben zu sein schienen, machten sich bereit zum Sprung.
 
AW: Das Tier in mir

Doch plötzlich durchfuhr die junge Gangrel ein weiterer Schauer, als hätte man sie gerade ein eiskaltes Wasser geschmissen und aus der gewandten und furchtlosen Kreatur wurde wieder Anna, die nur noch erschrocken über sich selbst und ihre Gedanken, sich an den Fels klammerte. Der konnte doch nicht halten! Nie und Nimmer! Schrie die Falknerin in ihrem Innern und Annas noch gerade selbstverständliche Sicherheit und Mut floss dahin, wie Eis, dass in der Sonne zu schmelzen begann und unwiederbringbar verloren war. In Anna stieg die panische Angst eines Menschen auf, der sich alleine auf einem Felsen in der Brandung wieder fand und noch nicht einmal schwimmen konnte, Geschweigeden diese Kluft zur nächsten Seite überwinden konnte.

Sie war hilflos und wenn sie hier nicht wegkam, würde dies ihr Ende sein, denn hier auf diesem kleinen Felsen, würde sie sich nicht vor der Sonne verstecken können. Was für ein elendiges Ende! Anna wollte weinen und schluchzen, doch selbst dazu hatte sie zu viel Angst. Was war wenn die beiden Wachen sie hörten oder sahen? Was würde dann geschehen? Würden sie sie retten oder sie töten und Alarm schlagen?! Anna wusste nicht aus noch ein und das sie auf diesem Fels saß und sich bis auf die Angst noch dazu in Grund und Boden zu schämen begann, wie dumm sie war, sich in diese Situation zu bringen, machte die Situation auch nicht besser.

Was würde Wolfsherz sagen? Dem würde so etwas doch nie passieren. Der war viel zu stark und zu selbstsicher und klug und...und....Wolfsherz hatte gesagt, man solle seinem Tier vertrauen, versuchte sich Anna wieder zu beruhigen. Doch die Falknerin schrie unaufhörlich: Es hat dich doch in diese Situation gebracht! Genau hier, wo wir sterben werden, wenn du nicht um Hilfe schreist! Doch mit der inneren Stimme der Falknerin wurde eine neue Stimme geboren, die verführerischer und ruhiger Klang als Annas Inneres Ich war. Es war auch in ihr, doch es war anders. Sie hatte die Stimme schon einmal gehört, damals im Nebel, indem sie noch andere Stimmen vernommen hatte. Doch dieses Mal war nur die verführerische ruhige fast schnurrende Stimme da und Annas panische Ich. „Rrrrrrrr ich hab dich hierein gebracht und ich kann dich auch hier rausholen Rrrrrrrrrr. Ich bin stark und du kannst es auch werden. Du musst mir nur vertrauen und einen mächtigen Sprrrrrrrrung wagen!

Die Stimme war zuerst leise und schwoll dann zu einem bedrohlichen Grollen an, doch als die Stimme ansetzten vom Sprung zu reden, wusste Anna in dieser Sekunde, dass sie keine andere Wahl hatte, als der Stimme zu trauen und sich ihr blind zu ergeben. Sie hatte sie hier rein gebracht und wenn sie ihr jetzt nicht traute, würde sie hier in der aufgehenden Morgensonne elendig sterben.

Annas gesamter Körper spannte sich aufs äußerste an und ehe die Stimme zuende gesprochen hatte, machte Anna eine gewaltigen Satz. In Sekundenbruchteilen, kam die rettende Klippe näher doch dann passierte etwas seltsames. Anna verlor die Kontrolle und auf einmal spannte sich ihre Wirbelsäule und ihre Füße und Beine begannen sie selbst über ihrem Kopf zu überholen. Sie hatte viel zu viel Schwung. Sie flog weiter, die Klippe schon längst unter ihr, dann wieder Wasser, als Annas Sprung durch die Luft langsam an Kraft einbüßte und sie gegen die Felswand prallte, sich zuerst nicht halten konnte, dann abrutschte, sich fing und zum Schluss nach hinten über viel und nun kopfüber an der Wand baumelte, aber die Stimme hatte recht gehabt. Sogar sehr recht, denn die junge Gangrel wusste, dass dies gerade eben ein Sprung war, den kein Mensch je Zustande gebracht hätte.

Das Gefühl des Stolzes und das erneute elektrisierende Kribbeln des Abenteuers überfluteten erneut die junge Gangrel, die nun abermals nicht mehr wirklich Anna war, sondern etwas ganz anderes.

Die Wächter merkten nun das erste Mal auf und unterbrachen ihr Kartenspiel, sie schauten in das dunkles der Nacht hinein und setzten sich kurz darauf wieder um ihren Krug erneut zu heben. Es schien ihnen so, als wäre irgendwo ein Stein ins Wasser gefallen. Nichts Ernstes, denn wer sollte sie hier schon finden? Und so nahmen beide Männer einen erneuten Hieb.

Die junge Gangrel hatte sich indess berappelt und hing nun nicht mehr Kopfüber sondern hatte ihre Klauen fest in die Wand geklammert und ihre Beine einfach nachschwingen lassen, sodass sie die Welt nun nicht mehr auf dem Kopf sah und mit weiteren kräftigen und gewandten Bewegungen hatte die junge Gangrel sich schnell aus der Höhle geschlichen um nun mit ihren scharfen Augen, die Steilwand und den darüber trohnenden Bergfried zu mustern und das verlockende schwache und tanzende Licht im höchsten Fenster des Bergfriedes erspäht.
 
AW: Das Tier in mir

Ohne weiter darüber nachzudenken, dass sie gerade dabei war, eine fünfunddreißig Meter hohe Steilwand zu erklimmen, vor der sie noch gerade eben Angst gehabt hatte, versengte die junge Gangrel ihre Klauen abermals im Fels um sich ihren Weg hinauf auf die Spitze zu bahnen.

Nach kurzer Zeit, hörte die junge Gangrel das Knistern von Fackeln und Schritte im Innenhof und dann roch sie den starken Geruch von Efeu, der die Steinwände beinahe vollends bedeckte.

Nun war sie auf Höhe der Burg. Gewandt kletterte die junge Gangrel höher zum Fenster, in dem als einziges Licht brannte. Dann als sie beinahe hineinspähen konnte, hörte sie Stimmen im innern des Zimmers und die junge Gangrel stoppte abrupt in ihrer fließenden Bewegung um ihre Ohren zu spitzen. „Du kannst gehen. Ich will mich meinen Studien widmen und will nicht gestört werden.“ Gab eine kräftige tiefe Stimme eine Anweisung auf Spanisch, dass Anna durchaus sehr geläufig war. Die zweite Stimme bejahte die Aussage nur. Es war ein Diener und Anna hätte ihn schon an seiner zittrigen Stimme erkannt.

Dann schloss sich eine Tür und lediglich das Rascheln von Stoff war für die Gangrel noch zu hören, als direkt vor ihrer Nase ein Rohr aus dem Fenster geschoben wurde. Anna hatte nur einmal so eine Linse in der Hand gehabt, doch ihre war wesentlich kleiner gewesen und irgendwie schien dieses Erlebnis, genauso wie ihr Leben gerade in die Ferne gerückt zu sein und beinahe am Horizont zu verschwinden.

Doch dann hielt der Mann am anderen Ende des Rohres inne und Anna hörte wie er die kalte Nachtluft in seine Nase zog und Witterung aufnahm. Schnell bewegte sich Anna weiter nach oben um nun direkt über dem Fenster auf diesen äußerst komischen Mann zu lauern, der sie wohl gewittert hatte. Kurz darauf wurde das Rohr wieder hereingeholt und ein Kopf von dunklen gepflegten Haaren bedeckt, kam anstelle dessen zum Vorscheinen. Der Mann witterte wirklich. Anna hörte deutlich wie er „Fisch“ murmelte.

Die junge Gangrel war überrascht, war der Fischgeruch des Fasses indem sie den Tag verbracht hatte doch nicht so schlimm gewesen, als das es ein Mensch hätte riechen können. In diesem Moment wusste Anna, was das unter ihr war. Es war kein Mensch und gleichzeitig erinnerte sie sich an die Worte von Wolfsherz, der ihr gesagt hatte, dass er den Kopf des Oberhauptes haben wolle. Unterbewusst hob die junge Gangrel ihre Klaue in die Luft empor um im nächsten Augenblick einen tödlichen Streich zu führen.

Wolfsherz würde sich sicher darüber freuen und sie könnte ihn ja nur schwer verwunden und ihn dann zu Wolfsherz bringen. Dann würde er noch mit ihm spielen können und so ist es doch viel spannender, durchfluteten Anna die Gedanken und aus der Kreatur, die gerade zum Schlag ausgeholt hatte, wurde für einen kurzen Moment wieder Anna, die daran dachte, dass wenn sie jetzt, so günstig die Gelegenheit auch war, zuschlagen würde und sie ihn nicht überwältigen konnte, das Leben der vielen Männern auf den Schiffen, die für sie in den Kampf zogen, beendet sein würde, Geschweigeden die Leben von Janes und Sophia, die auf sie warteten. Alles würde für die Katz sein. Nur Anna wusste noch nicht, wie sehr sie mit diesem Spruch recht haben würde.

So ließ Anna ihre Hand sinken und im selben Augeblick verschwand der Kopf wieder im Fenster und das Rohr wurde abermals herausgeschoben. Der Mann hatte sie nicht wahrgenommen und ihre Chance war vertan. Ob dies nun gut oder schlecht war, würde sie erst am nächsten Abend erfahren, wenn sie, so Gott wollte, das Seegefecht überlebten.
 
AW: Das Tier in mir

Geschwind kletterte Anna, wieder die Klippe herunter und setzte ihren Weg fort, da es ja hier eh nichts mehr zu sehen gab.

Erst als Anna wieder bei diesem Fischerdorf angelangt war, wo ihr Schiff ankerte. wurde Anna bewusst, dass sie es irgendwie hinkriegen musste, dass die Krallen und das rote facettenreiche leuchten in ihren Augen verschwanden. So durfte sie keiner sehen. Anna sah in die dunkle See vor ihr und sie versuchte es wie sie es schon mehrmals geübt hatte, doch es klappte einfach nicht. Selbst der Segen der Augen blieb, welcher sich in diesen Momenten zu einen Fluch entwickelte, wenn man es so sehen wollte.

Die Klauen übereinander gelegt, sodass sie keinen Schaden anrichten konnte, hockte sie so vor dem Wasser und abermals kam ihr diese Situation bekannt vor, nur das sie vorhin auf einem Stein, inmitten der Brandung saß und nun saß sie am Rande eines Piratendorfes in dem man sie nicht so mit diesen Füßen, Händen und Augen sehen sollte.

Sie musste zum Schiff, denn ansonsten würde sie hier elendig sterben und das war noch viel elendiger, als auf einem Fels mitten in der Brandung zu sterben, nur weil sie sich nicht traute, so wie sie jetzt war, den Steg entlang zu gehen und unter Deck des Schiffes zu gehen. Sie hatte diese Nacht schon so viel gemeistert, also würde es ein leichtes sein zum Schiff zu gelangen.

Mit neuem Mut und der Hoffnung, dass sie das Problem beheben könnte, schlich Anna umhüllt von einen der venezianischen Mäntel zum Schiff. Lautlos bewegte sich die Gangrel und selbst das Halbblut der Kinder Haquims, dass das Schiff bewachte, hatte sie weder entdeckt noch bemerkte, als sie in einem günstigen und unbeobachteten Augenblick lautlos das Schiff erreichte und sich unter Deck begab, wo sie auf ihre Freunde warten würde um ihnen von der Höhle, dem Mann und ihrer neu entdeckten Gabe zu erzählen.

Irgendwie war sie trotzdem stolz und irgendwie wäre sie auch gerne so stolz wie Wolfsherz auf das was sie war und wie sie nun aussah. Anna musste zugeben, dass es schon ein unaussprechliches Gefühl war, dass sich nun in ihr breit gemacht hatte und sie vollkommen beherrschte und in diesem Augenblick hätte sie wohl am liebsten mit stolz gesagt, dass sie eine Gangrel war und alles so bleiben sollte wie es war, denn schließlich waren sie doch die Ersten und das war schon etwas worauf man stolz sein konnte und Janes und Sophia hätten sicherlich keine Steilwand erklimmen können. So etwas konnten nur Gangrel!

Doch dieses unaussprechliche Gefühl verschwand sogleich als Janes und Sophia in das innere des Schiffes kamen und Anna nur noch mit großen und angstgeweiteten Augen ansahen.

Ihr stolz schrumpfte zusammen und aus Anna wurde auch wieder Anna, als sie in Janes Gesicht blickte, der sich zuerst ungläubig und angsterfüllt ansah und sich dann doch dazu durchrang, sich ihr zu nähern und sie besorgt ,wie ein älterer Bruder, der er für Anna immer war und sein würde, zu Fragen, was vorgefallen war.

Anna war vollkommen desillusioniert. Gerade war sie noch stolz auf das alles gewesen und jetzt wo sie Janes sah, mit dem sie so viel durchgemacht hatte, hätte sie anfangen können zu weinen. Was war nur aus ihr geworden?

Unter Tränen erzählte Anna von all dem was passiert war und Janes und Sophia, die in derselben Nacht wie sie gezeugt worden waren, setzten sich neben ihre Anna.
Die Seele ihres Verbundes.
Jetzt mussten sie alle stark sein, denn das war nur der Anfang.

ENDE
 
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