Rezension Clansroman Giovanni

Nepharite

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Justin Achilli - Clansroman Giovanni


[User-Rezi] von Nepharite


Als ich den Roman aufschlug und den vorangestellten kleinen Absatz "Über den Autor" las, war ich auf das Schlimmste gefasst: Justin Achilli lebe demnach auf dem "Grunde einer Wodka-Flasche", und so bereitete ich mich gedanklich auf einen wirren und eher anstrengenden Roman vor. Schon nach wenigen Seiten musste ich meine Meinung revidieren, und nachdem ich das Buch durchgelesen habe, bin ich mir sicher: dieser Roman ist mit Abstand der beste aller erschienen dreizehn Clansromane zuzüglich der abschließenden Anthologie.

Die Handlung ist in wenigen Worten geschildert: Vampir und Mafiaschläger Chas Giovanni-Tello wird von seinem ebenso untoten wie brutalen Boss, dem New Yorker Paten Frankie Gee, beauftragt, den verschwundenen Benito Giovanni zu suchen. Gleichzeitig sendet Ambrogino, ein mächtiger Vertreter des europäischen Zweiges der Giovannis, Isabel Giovanni in die Neue Welt. Dort soll sie als Vermittlerin zwischen dem Bostoner Zweig des Clans und der Camarilla die Interessen der Giovannis innerhalb des akuten Konfliktes mit dem Sabbat dienen. In Las Vegas begegnen sich die beiden Gesandten und beschließen mehr oder wenig freiwillig aus Gründen der Effizienz ihre Kräfte zu bündeln. Während es die beiden Vampire von einem Ort zum anderen, von Las Vegas nach Boston, New York, Havanna und in die Sümpfe Louisianas verschlägt, erwächst dem Clan Giovanni eine neue tödliche Bedrohung: wegen eines verheerenden Krieges in der Geisterwelt verliert die Todesmagie der Giovannis rapide an Wirksamkeit, während gleichzeitig eine Blutlinie uralter, mächtiger Vampire auftaucht, welche sich ?Sendboten des Todes? nennen und die letzten Überlebenden des Clans der Kappadozianer zu sein scheinen, dem alten Clan, der einst von den Giovanni -fast- ausgelöscht wurde. Die wenigen Vampire, die überleben konnten, erlangten während ihres Exils in der Welt der Geister im Laufe der Jahrhunderte außergewöhnliche Macht und dürsten nun nach Vergeltung.

Es sind mehrere Aspekte, die diesen Roman so lesenswert machen: dieses ist der erste Band des Zyklusses, der den Titel "Clansroman" wirklich verdient. Der romanübergreifende Handlungsbogen um die Jagd nach dem Auge Hazimels tritt zugunsten einer atmosphärisch dichten Beschreibung giovannesker Absonderlichkeiten eher in den Hintergrund. Der Leser wird mit der "Tatsache" konfrontiert, dass es sich bei den Giovannis um einen Clan von Sodomisten, Päderasten, Inzestuösen, Leichenschändern, Lustmördern, Sklavenhaltern und Kidnappern handelt, die vor dem Ausüben jeder denkbaren Perversion nicht zurückschrecken und deren kapitalistischer Habitus und die Söldnermentalität mehr Mittel als Zweck sind.

Zweitens gelingt es Justin Achilli -auch dank des Übersetzers Jan-Peter Ewert- durch seine Erzählweise, Metaphorik und teilweise drastische jedoch nie ordinäre Sprache ein Gemälde kainitischer Tristesse im allgemeinen und eines pervers morbiden Hedonismus des Nekromanten-Clans im besonderen zu entwerfen; die Atmosphäre ist vom Beginn des Romans bis zu seinem bitteren Ende geprägt von Düsternis und Hoffnungslosigkeit bis in den endgültigen Tod. Die Begegnung der beiden Hauptprotagonisten beispielsweise mit dem sinisteren Mr. Prudhomme, einem Vampir, der Kinder tötet, deren Leichen aufbahrt, um die Geister der Kleinen mit nekromantischen Ritualen an die toten Körper zu binden, in einer verfallenen Schule in den Sümpfen Louisianas ist außerordentlich kraftvoll erzählt.

Drittens sind Isabel und mehr noch Chas außerordentlich facettenreiche Charaktere: Chas ist eindeutig der "menschlichere" der beiden Kainiten, weil er a) nach Vampirmaßstab jünger ist und b) nicht von der Dekadenz und dem perversen Gebaren -insbesondere den nekromantischen Ritualen- des europäischen Zweigs des Giovannis korrumpiert wurde. Ihm ist die Welt der Geister und Todesalben auch intellektuell nicht zugänglich. Die Gräueltaten, die er ohne zu zögern auf Befehl beging und immer noch begeht, und die "Unmenschlichkeit" seines Bosses lasten schwer auf ihm. Doch andererseits weiß er, dass, sollte er seinem Gewissen je nachgeben, es für ihn die Auslöschung bedeutete. Und so mordet er weiter und zerbricht letztendlich an diesem inneren Konflikt.

Isabel hingegen ist die Immanation des Giovannigeistes: gezeugt im Inzest, durch und durch kapitalistisch, skrupellos auf jeden Vorteil bedacht, in ihrer Verhandlungsführung mit den Camarilla- und Sabbat-Schergen brillant und dabei äußerst attraktiv und lasziv. Wenn sie am Ende des Buches eine blutige Träne ob der Hoffnungslosigkeit ihrer und ihres Clans Zukunft weint, so zweifelt der Leser keinen Moment, dass dieses lediglich der Ausdruck tiefsten Selbstmitleides ist.

Fazit: Selbst Neueinsteiger werden, wenn sie sich auf die "Welt der Dunkelheit" einlassen, an dem "Clansroman: Giovanni" ihre Freude haben, so dass dieses Buch uneingeschränkt empfohlen werden kann.

Titel: CLANSROMAN: GIOVANNI
(Clan Novel: Giovanni)
Autor: Justin Achilli
Ü: Jan-Peter Ewert
ISBN: 3-935282-28-1
Preis: ? 10,20
Seiten: 222
Verlag: Feder & SchwertDen Artikel im Blog lesen
 
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