Chroniken der Zeitenwenden [Talaganuindale]

Freako

Der Kriegerpoet
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4. April 2004
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Freakos Lebensgeschichte
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Ein Pferd sprengte durch dunklen Wald, schwarz wie die Nacht, ein edles Tier. Darauf ein Reiter, in die blausilberne Farbe der aratar edhil gekleidet.

Doch die aratar edhil gab es nicht mehr. Ebensowenig wie die restlichen Fürstentümer. Die Völker, die Bewohner New Hope's waren versprengt, nach den großen Wirren und Kriegen gegen Ende des dritten Zeitalters in alle Himmelsrichtungen verteilt und geflohen.

Der Himmel war dunkel, fast schwarz, von dräuenden Wolken erfüllt. Es regnete fast ohne Unterlaß, seit nun mehreren Monaten, und der Boden war so aufgeweicht, dass man manchmal knöcheltief darin versank. Bäume, Sträucher verfaulten, viele Tiere waren ertrunken, und die die es nicht waren, würden bald auf andere Weise umkommen, aus Mangel an Licht.

Der einsame Elf sprengte über die dunkle Ebene, bis er die Ruine eines Turmes erreichte. Dieser Turm war uralt. Er war von den ersten Hochelfen im ersten Zeitalter erbaut worden, und hatte all diese Zeit überstanden, wenn sie auch ihre Spuren an ihm hinterlassen hatte.

Der Reiter hielt vor dem Torbogen des Turmes und nahm sein Pferd an die Zügel. Er stieß die Tür auf, führte das Pferd hinein und ließ es in eine Ecke des Raumes laufen, während er die Tür wieder schloß. Das Geräusch des Regens wurde gedämpft, doch nicht ganz ausgeschlossen. Leises Tropfen drang an das Ohr des Elfen. Er schlug die Kapuze seines Mantels zurück.

Darunter kam ein müdes Gesicht zum Vorschein. Die überschulterlangen, hellblonden Haare klebten in nassen Strähnen zusammen, und unter den tiefblauen, leuchtenden Augen des Edhiliers waren dunkle Ringe zu erkennen.

Trotz seines Zustandes hätte der eine oder andere wohl erkannt, um wen es sich handelte. Der Kriegerpoet Freako war viel umhergereist, auch vor seinen Zeiten als Herrscher, die im zweiten Zeitalter begannen. Doch niemand war hier, der ihn erkennen konnte.

Mit etwas zittrigen Händen nahm Freako ein kleines Bündel aus seiner Reisetasche und öffnete es. Darin kamen einige große Stücke bereits etwas aufgeweichtes elfisches Wegbrot zum Vorschein. Er gab seinem Pferd ein Stück davon zu fressen. Für einige Zeit würde das das Einzige sein, was er und sein Tier als Nahrung verwenden konnten. Schließlich setzte er sich dann an die große, runde Tafel aus schwarzem Holz, die in der Mitte des Turmraumes stand. Sein alter Platz, dachte er. Gleichzeitig erschien ihm dieser Gedanke absurd- war er doch erst ein einziges Mal hiergewesen, bei der Wiedergründung der aratar edhil im dritten Zeitalter. Doch ihm kam dieser Ort beinahe so vertraut vor wie die mächtigen Hallen Valarions, der sagenumwobenen, versteckten Festung der Hochelfen in den Wäldern von Celebrim.

Freako brach ein Stück des Wegbrots ab und steckte den Rest wieder in die Reisetasche, die er vorsichtig auf den Tisch legte. Während er kaute schloß er die Augen, und sofort begannen wieder Bilder in seinem Kopf zu entstehen. Die plündernden Horden Mordors, die so viel Krieg in New Hope verbreitet hatten, die Heerscharen, die mit und gegen sie zogen. Er erinnerte sich an seine eigenen Feldzüge gegen Ende des dritten Alters. Der mächtige Fürst Tom-b-stone hatte seine Ländereien zusammen mit Mordor angegriffen, und aussichtslos war die Lage gewesen. In einem Gewaltmarsch war Freako mit seinem Hauptheer aus dem Osten zurückgekehrt, um zu retten, was noch zu retten war, doch ohne die Hilfe der Zwerge, die er zuvor gegen Mordor unterstützt hatte, hätte er nicht so lange durchgehalten. Die letzten Tage hatte der Kriegerpoet damit verbracht, auf den Zinnen seiner Hauptstadt Aki darauf zu warten, dass die Orks und Dunkelelfen erschienen, um den letzten Kampf auszufechten. Doch dies war nicht eingetreten. Freako glaubte nicht an Dinge wie das Schicksal oder höhere Mächte. Doch die Zeitenwende war rechtzeitig eingetreten, um seine Leute vor dem Tod auf dem Schlachtfeld zu bewahren. Gerne hätte Freako mit Tom-b-stone, dem größten aller Fürsten, gekämpft, doch er wusste auch, wie viele Leben dieser Kampf gefordert hätte. Möglicherweise auch sein eigenes.

Doch jetzt war alles vorbei. Die Städte waren durch den ständigen Regen und die Dunkelheit zerstört worden, und die Bevölkerung hatte sie verlassen, um auf ihre Weise, jede Familie für sich, zu versuchen, zu überleben. Die Orkscharen und die Heere der Dunkelelfen hatten sich bei der Verdunkelung des Himmels von Panik erfüllt in alle Himmelsrichtungen zerstreut. Denn sie glaubten daran, dass die Verdunkelung des Himmels mit einer Sonnenfinsternis zusammenhänge, die durch die Wolken noch zusätzlich vertieft wurde. Man sagte sich, die Dunkelheit sei tödlich, und in gewisser Weise stimmte das auch. Die gesamte Vegetation ging zu Grunde, denn ohne Licht konnte kein Leben existieren. So mussten oft viele verhungern.

Es gab noch andere Theorien über die Zeitenwenden; manche sagten, die Dunkelheit bringe fürchterliche Kreaturen mit sich, die sich in den Städten einnisteten und dort ihre Schreckensherrschaft verbreiteten. Auch vom alles verschlingenden 'Nichts', dass sich zum Ende der Zeiten über die Welt legte wie ein schwarzer Schleier und alles verschluckte. Freako hatte in einigen von Orks verfassten Büchern sogar von einem Feuerregen gelesen, der die ganze Welt zerstörte, wenn die Alter wechselten. Vermutlich waren damit die Ausbrüche der bis dahin inaktiven Vulkane gemeint, die aus irgendeinem Grund überall im Land wieder erwachten und manche Gegenden in rotes Licht und Feuer tauchten.

Auf diese Weise, dachte sich Freako, konnte man erkennen, dass jedes Volk versuchte, die Zeitenwenden anders zu verarbeiten und zu erklären. Unzählige Theorien und Geschichten, einige realistischer, die anderen weniger glaubhaft gab es darüber, und Freako kannte sie alle, denn sein Lebensinhalt war es stets gewesen, die Geschichte dieses Landes und seiner Bewohner zu erleben und festzuhalten, sie niederzuschreiben für die Nachwelt. Seine Manuskripte lagerten in den Bibliotheken Valarions, und es mussten bereits hunderte, wenn nicht tausende Bände sein, von denen viele jedoch nur wahrlich geschichtsinteressierten Bewohnern New Hope's geläufig waren.

Doch die Wahrheit war, man konnte die Zeitenwenden nicht erklären. Man konnte beobachten, subjektiv beurteilen, was geschah, doch niemand wusste, wieso es passierte, immer nach einer gewissen Zeit. Was aber Tatsache war, war dass auch die Zeit der Dunkelheit nicht ewig andauerte. Stets hatte es, nach vielen hundert Jahren, einen Neuanfang gegeben. Das Treffen alter Freunde und Feinde, die Neuerrichtung mächtiger Festungen und Städte. Stets war die Blüte der Zivilisation wieder zu voller Pracht herangewachsen, in unwahrscheinlich kurzer Zeit. Doch stets war auch vieles verlorengegangen in der Dunkelheit, und selbst die Elfen, unsterblich seit Anbeginn der Zeiten, besaßen lediglich ihr Wissen als einziges Gut. Die Feste Valarion war das einzige Bollwerk, in das alle Hochelfen zurückkehrten, wenn sie es vermochten. Nicht immer kamen alle zurück. Doch manchmal tauchten auch neue auf. Hier waren alle sicher und konnten den Wechsel der Zeiten überdauern. Auf magische Weise war die Versorgung der Elfen gesichert.

Freako vermutete, dass jedes Volk irgendwo auf der Welt einen solchen Zufluchtsort hatte, oder mehrere. Doch bisher war er noch in keiner Chronik auf Hinweise, die darauf deuteten, gestoßen. Sie waren wahrscheinlich ebenso gut versteckt und durch Zauber geschützt wie Valarion. Vielleicht würde eines Tages die Zeit gekommen sein, in der er eine dieser Festen erblicken würde, doch er bezweifelte es. Jedes Volk würde das Geheimnis um diese Orte strengstens hüten, denn wenn sie fielen, würde es keine Rettung mehr geben, wenn die Zeiten das nächste Mal wechselten.

Freako hing eine Weile seinen Gedanken nach. Er hatte jegliches Zeitgefühl verloren, denn es gab in dieser Dunkelheit keinen Unterschied mehr zwischen Nacht und Tag. Doch er wusste, dass er nicht lange warten durfte. Es gab nichts, was ihm gefährlich werden konnte- außer dem Hunger, sobald seine Vorräte aufgebraucht waren. Der Weg bis zu den Wäldern von Celebrim war weit, und das Gelände schwer.

Dennoch beschloß er, sich noch eine Weile auszuruhen. Im Prinzip war es egal, was er tat oder wie schnell, denn Zeit hatte während der Wende keinerlei Bedeutung.

So saß Freako einsam im Turm und lauschte dem Regen. Er wusste nicht, nein niemand wusste, wie lang die Dunkelheit diesmal andauern würde. Doch er würde geduldig warten, bis es wieder an der Zeit war, Valarion zu verlassen und die Früchte der neuen Hoffnung zu ernten.
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Copyright by Freako
 
Re: Chroniken der Zeitenwenden

Mannomann, du schreibst ja ohne Ende. Gute Geschichte...
 
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