Rezension Brandland/Traumsaat/Fegefeuer (Hiobs Botschaft-Trilogie)

Nepharite

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Severin Rast, Oliver Hoffmann - Hiobs Botschaft Trilogie: Brandland, Traumsaat, Fegefeuer


[User-Rezi] von Nepharite


Der Engel Calliel vom Orden der Ragueliten erhält den Auftrag, alleine, ohne seine Schar von fünf Mitstreitern, eine Botschaft vom Himmel zu Mont Salvage in das Kloster Cluny zu überbringen. Jedoch wird er auf seinem Weg von Geschöpfen der Traumsaat abgefangen und unterliegt ihnen trotz seiner Fähigkeiten im Kampf. Die Bäuerin Iréne aus dem kleinen Dorf Valencas findet den aufs schwerste verletzten Engel. Sie schleppt ihn in ihr Haus und pflegt ihn aufopferungsvoll. Nachdem Calliel fast genesen ist, muss er erkennen, dass seine Flügel nichts mehr als verbrannte Stummel sind und dass das Kloster Cluny längst unter dem Ansturm der Traumsaat gefallen ist. Deshalb und weil ihn immer wieder Träume heimsuchen, die mit seiner schmerzhaften und ungewollten Engelwerdung zusammenhängen, beschließt er, seinen himmlischen Namen abzulegen und sich fortan Hiob zu nennen. Als Beutereiter das Dorf überfallen und Irénes Sohn Dominic fordern, versucht er aus Dankbarkeit dessen Rekrutierung zu verhindern, scheitert aber erneut. Aus der Erkenntnis heraus, das Handeln der Kirche und das Abpressen dieser Art des Kirchenzehnts sei grundlegend falsch, beschließt Hiob, die Rotte zu verfolgen, um Dominic und die anderen Kinder zu befreien. Zeitgleich erhält Calliels/Hiobs ehemalige Engelschar, den Auftrag, einen Ketzer und Ekstatiker zu suchen, welcher die Menschen zur Rebellion gegen das Joch der angelitischen Kirche aufstachelt und mit der Traumsaat in Verbindung zu stehen scheint.

Die erste Frage, die sich stellt, bevor man das Buch aufschlägt: muss man sich mit dem Rollenspiel beschäftigt haben, um der Handlung folgen zu können? Nein, man muss nicht! Wahrscheinlich wird man sich zwar in der Welt der Engel und der Traumsaat schneller zurecht finden, wenn man die aktuellen Publikationen kennt, aber da das Buch dankenswerter- und notwendigerweise ein Glossar besitzt, in dem die wichtigsten Begriffe kurz -aber für das Verständnis hinreichend- erklärt sind, tut ein Verzicht darauf dem Lesevergnügen keinen Abbruch.

Die Handlung des Romanes ist atmosphärisch dicht und entwickelt sich rasant, ohne die tragenden Charaktere blass wirken zu lassen, obwohl viele Aspekte und Entwicklungen der komplexen Engel-Welt allein wegen des relativ geringen Umfanges dieses ersten Bandes der Hiob-Triologie nur kurz angerissen werden können und daher Spielraum für eigene Spekulationen und Interpretationen lassen; dieses ist meines Erachtens eher ein Pluspunkt des Romans, da die diffus düstere Atmosphäre des Nachapokalyptischen unterstützt wird.
Gekonnt vermeiden die Autoren eine reine Schwarzweißmalerei. Sowohl die Hauptperson Hiob als auch die wichtigsten Nebenpersonen werden in ihrer Zerrissenheit zwischen Loyalität gegenüber dem angelitischen -totaliristisch anmutendem- Regime und ihrem eigenen, ursprünglichen Gerechtigkeitsempfinden dargestellt. Dieses manifestiert sich anschaulich in Hiobs Widerstand gegen die Rekrutierungspraxis der Kirche und findet ihren Höhepunkt in seinen ketzerischen Überlegungen, ob nicht die Traumsaat den eigentlichen Anspruch auf die Erde hat. Die Würdenträger der angelitischen Kirche selbst scheinen zwar an ihren "gerechten" Auftrag -den Krieg gegen die Traumsaat- zu glauben, erweisen sich aber ebenso wie die Engel selbst als durchaus intrigant, auf ihren Vorteil bedacht und zu ?unmenschlichen? Grausamkeiten gegen "Ketzer" fähig. Bis auf Hiob sind die Engel nichts weiter als willfährige Ausführungsorgane, die aufkeimende Skrupel mit der Floskel "ich höre und gehorche" ersticken.

Vor dem Hintergrund dieser fast mittelalterlichen Welt tragen gezielt eingestreute Details wie Plastikstühle, Revolver oder Fotografien zur Irritation des Lesers, weil sie ihn in diesem bizarren Szenario auf faszinierende Weise mit der "Realität" konfrontieren.

Fazit: ein durch und durch empfehlenswerter Roman, mit interessanten Charakteren und spannender Handlung, der neugierig auf die folgenden Bände macht.

Mit Traumsaat liegt der zweite Band Hiob-Trilogie vor; seine Handlung schließt nahtlos an den ersten Teil "Brandland" an.

Während Ariels Schar die Order erhält, zusammen mit einer Vielzahl von Mitstreitern -Templern und Engeln- die Stadt Tours von Ketzern, Häretikern und den Dämonen der Traumsaat zu befreien und die verbliebenen Gläubigen in den Schoß der angelitischen Kirche zurückzuholen, setzt Calliel, alias Hiob, seine Suche nach dem verschollenen Buch der Ragueliten fort. In Begleitung von Anne, dem Komtur Eliphas und dessen Beutereitern führt ihn sein Weg zunächst nach Nürnberg in den Himmel der Gabrieliten, wo er auf schmerzliche Weise erfährt, dass nicht nur die Jünger Traumsaat verblendete Zeloten sind. Die zweite Station seiner Queste, von deren Erfolg das Überleben der Engel und Menschen abhängen könnte, ist die Stadt Prag, Bastion der Ramieliten. In der sicheren Erkenntnis, dass sich das Buch dort befindet, muss Hiob versuchen, das Vermächtnis seines Ordens vor den dämonischen Jägern der Traumsaat und dem ehrgeizig, korrupten Abt der Ramieliten zu erreichen, um es in die Sicherheit Roma Aeternas zu schaffen.

Die ersten Fragen, mit denen sich der Leser konfrontiert sieht: Was ist passiert? Wurde der Co-Autor des hervorragenden ersten Bandes, Oliver Hoffmann, ein Opfer der Traumsaat? Trieb ein Exorzismus der angelitischen Kirche Severin Rast seine im ersten Band bewiesene Erzählkunst aus? Denn: war Brandland atmosphärisch dicht, die Protagonisten glaubwürdig, die Spannungs- und Handlungsbögen eigenständig und fesselnd, so sucht man in Traumsaat vieles von dem zumindest in der ersten Hälfte des Buches vergebens.

Gleich zu Beginn dieses Romans brechen über den Leser eine solch immense Flut von unerklärten und unerklärlichen Namen und Begriffen herein, dass er darin regelrecht ersäuft; zumindest dann, wenn er des ersten Bandes nicht mehr gegenwärtig und/oder keine Engel-"Spieler" ist und/oder er nicht als Geistlicher dem Klerus angehört. Da paaren sich Ramieliten mit Ragueliten, Michaeliten oder Gabrieliten, Monachen mit Beginen und Komture mit ihren Rottenmeistern. Über allem schweben die krakeelenden Sarieliten, während Äbte und Kardinäle ihre Intrigen spinnen. 75 Prozent aller Protagonistennamen enden auf die Silbe -iel, wobei eigentlich nur noch Hallodriel sowie Dickiel und Doofiel fehlen (. ..und mich soll der Blitz treffen, falls ich übertreibe...). Ein Glossar, das Licht in dieses Begriffsdunkel bringen könnte, sucht der verstörte Leser leider vergeblich.

Neben dieser unerquicklichen "Fakten"-Ballung fordern mehrere parallel laufende Handlungsstränge dem Betrachter ein hohes Maß Konzentration auf die Geschehnisse und das Wesentliche ab, was sich um so schwieriger erweist, als der zentrale Handlungsstrang der ersten Hälfte des Buches -die Schlacht um die Stadt Tours einschließlich ihrer Vorbereitung- äußerst technokratisch (aus einem Handbuch: "Kriegstaktiken für Anfänger und Engel") und trocken erzählt wird und zu schlechter Letzt nicht einmal die Handlung erkennbar vorantreibt. In Anbetracht des mit 226 Seiten geringem Umfang dieses Bandes und den interessanteren Storylines, die der Autor hätte erzählen können (oder vielleicht auch nicht), ein böser Fauxpas.

Nun gut ...., man erfährt einiges über die Michaelitin Ariel und jene Konflikte, die ihre Schar zu zerreißen drohen ...., .. doch wen -gelinde gesprochen- interessiert´s ...?! Wenn wenigstens die Traumsaatgeschöpfe, mit denen sich die Streiter rumschlagen, originell, böse und dämonisch beschrieben würden..... Leider erwecken ihre Morphologie und ihr "Wirken" bei Horror-Ästheten und/oder Lovecraft-Fans nicht einmal ein müdes Gähnen.

Doch nun zu den erfreulicheren Dingen, die es -man mag es kaum glauben- auch zu erwähnen gibt: nach wie vor ist der Schreibstil von Severin Rast gefällig und in dem Moment, wo Calliel/Hiob zur handlungsbestimmenden Person wird, gewinnt der Roman an Fahrt. Action und Spannung treten zusehends als bestimmende Elemente in den Vordergrund, sodass schließlich der Cliffhanger, mit dem dieses Buch endet, durchaus konsequent erscheint.
Gelungen ist desweiteren -wie schon in "Brandland"- die Einbindung zeitgenössischer, technischer Begriffe -vom Euro über bis zu CD-Roms- in die dadurch ungleich bizarrer erscheinende Fantasy-Welt.

Ganz grundsätzlich kann man das gesamte Engel-Konzept zumindest von der belletristischen Seite her als ausbaufähig und insofern positiv betrachten. Das Setting bietet Raum für weitere fesselnde Stories, um so mehr als -absehbar- nicht sämtliche Handlungsstränge der Hiob-Trilogie im abschließenden Band befriedigend zu Ende geführt werden -es sei denn er umfasst 627 Seiten.

Fazit: Im Vergleich zum ersten Band "Brandland" stellt sich "Traumsaat" anfangs verworren und wenig fesselnd dar, gewinnt dann schließlich aber an Tempo. Obwohl beim Leser ein gewisses Da-hätte-man-mehr-draus-machen-Gefühl zurück bleibt, ist "Traumsaat" unterm Strich dennoch ein empfehlenswerter Roman.

Nachdem Ariels Schar den gefallen Engel Calliel/Hiob endlich dingfest machen konnte (siehe Band 1 und 2), wird dieser in einem langen, beschwerlichen und gefahrvollen Fußmarsch in die prunkvolle Hauptstadt der Angelitischen Kirche -Roma Aeterna- verbracht.
Dort müssen die Engel rasch feststellen, dass der lange Arm des Herrn der Fliegen weit reicht und sich Eitelkeit und Verderbtheit selbst in den obersten Rängen der Angelitischen Kirche ausbreiten. Eine Wahrheit, mit der sich ebenfalls Eliphas, Wittgenstein und Irene auseinandersetzen müssen, kaum dass sie -auch auf der Suche nach Calliel- die Heilige Stadt betreten haben.
Während Malloriel, der Ramielit der Schar, gepeinigt durch Alpträume zunehmend an seiner göttlichen Bestimmung zweifelt , harrt Calliel/Hiob in dumpfer Lethargie eingekerkert in den Katakomben des "Himmels" seines Prozesses wegen Ketzerei. Auch wenn der Ausgang schon festzustehen scheint, so hat selbst der gefallene Engel noch mächtige Fürsprecher innerhalb des Klerus und Freunde, die das sichere Todesurteil abzuwenden trachten.
Dennoch: so oder so - Hiobs Weg wird in Roma/Aeterna sein Ende finden

"Fegefeuer" ist sowohl inhaltlich, als auch stilistisch der Höhepunkt der Hiob-Trilogie. Das Geschehen in Roma/Aeterna wird von Hoffman trotz des durch und durch klerikalen Backgrounds und den damit einhergehenden zahlreichen fachspezifischen Termini gekonnt spannend, temporeich und -vor allem- gut lesbar inszeniert, womit er sich fundamental vom Autoren des zweiten Bandes unterscheidet.

Mehrere Handlungsstränge verwebt der Autor zu einem atmosphärisch dichten Roman, wobei man es bedauern mag, dass er nicht sämtliche lose Enden verknüpft, sondern zentrale Fragen unbeantwortet lässt. Man sollte, kritisiert man dieses Vorgehen, jedoch folgendes bedenken:
1) Hiobs Geschichte wird (unmissverständlich) beendet, Hiobs Botschaft ist überbracht.
2) Der Plot um das "Liber Raguelitorum" stellt einen zentralen Handlungsstrang im zu Grunde liegenden Rollenspiel dar, und insofern darf/kann der Roman diesem nicht vorgreifen, weil sonst ein großes Wehklagen und Zähneknirschen in der RPG-Gemeinde ausbräche.
3) Was die sonstigen offenen Fragen betrifft, sollten folgende Wort ausreichend Trost spenden:"... das ist eine andere Geschichte!"

Da eine große Anzahl Protagonisten die Handlung trägt, bleibt in Anbetracht des relativ geringen Umfangs des Buches nicht genug Raum, jedem die Aufmerksamkeit zu schenken, die er verdiente bzw. die ihm gerecht würde. Doch noch in den knappsten Skizzen sieht sich der Leser dank Hoffmanns Stil mit starken, eigenständigen Charakteren konfrontiert, so dass die dramatisch/tragische Entwicklung sowohl Ariels, als auch Malloriels allen Eliphas- und Wittgenstein-Fans Entschädigung genug dafür sein sollten, dass ihre Helden im Prinzip nur zu Statisten degradiert werden.

Auch die -nur auf den ersten Blick in diesem letzten Band etwas überhastet wirkende- Einführung des Geheimbundes der Cherubim, dessen Mitglieder die Masken der vier Evangelisten tragen, dient letztendlich dazu, dem Leser einerseits die klerikale Basis und die Einmaligkeit Roma/Aeternas auch emotional näher zu bringen, um andererseits gleichzeitig die im Verborgenen schwärende Verderbtheit und Korruption überdeutlich aufzuzeigen. Die einzige Schwäche im Plot mag daher lediglich die offenbare Unkenntnis des "unwissenden" Vermonte Brindisi in Bezug auf den schwarzgeflügelten Ashkanael sein, da diese alles andere als glaubwürdig sein kann.

Fazit: Ein würdiger Abschluss dieser im Ganzen gelungen Trilogie, mit der Feder & Schwert beweist, dass nicht nur im englischsprachigen Raum intelligente und gute Rollenspiel-Romane produziert werden (jaja, ich weiß, .... "Das Schwarze Auge",.... aber ich sprach von "intelligent" und "gut" ). Achja, bevor ich´s vergesse: auch Nicht-Engel-Spielern (zu denen ich mich zähle) werden diese drei Romane Lesevergnügen bereiten.

Titel: BRANDLAND
(Hiobs Botschaft Band 1)
Autoren: Severin Rast & Oliver Hoffmann
ISBN: 3-935282-22-2
Preis: ? 10,20
Seiten: 223
Verlag: Feder & Schwert, 2001

Titel: TRAUMSAAT
(Hiobs Botschaft Band 2)
Autor: Severin Rast
ISBN: 3-935282-20-6
Seiten: 231
Verlag: Feder & Schwert, 2002

Titel: FEGEFEUER
(Hiobs Botschaft Band 3)
Autoren: Oliver Hoffmann
ISBN: 3-935282-69-9
Preis: ? 10,20
Seiten: 224
Verlag: Feder & Schwert, 2003Den Artikel im Blog lesen
 
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