Artesia - Adventures in the Known World

AW: Artesia - Adventures in the Known World

Klingt intressant, sieht gut aus, aber spielt es irgendwer? Wie macht sich das gute Stück am Spieltisch? Oder gibt es sonst noch etwas Neues oder Intressantes?

Sylandryl, nekormantisch aktiv
 
AW: Artesia - Adventures in the Known World

Wie macht sich das gute Stück am Spieltisch?

Grauenhaft. Das grundlegende System ist okay, der Hintergrund toll. Aber die Regeln für die Charakterverbesserung nach dem Tarotprinzip ist ein echter Spasskiller, weil du de facto 28(!) Tabellen im Kopf haben musst, wann wer wofür welche Punkte kriegt, mit denen er dann was genau steigern kann.

Ein buchhaltungstechnischer Alptraum, der mit einem etwas simpler gehaltenen (und dann zugegebenermassen weniger stimmungsvollen, aber erheblich spielbareren) Steigerungssystem hätte vermieden oder abgemildert werden können.
Aber so wie es ist, ist es de facto unspielbar.

Als Hintergrundsourcebook ist es dennoch toll, und die Illustrationen sind erste Sahne. Aber ich frage mich ernsthaft, ob dieser Steigerungsunfug jemals einem Praxistest unterzogen worden ist.

Desweiteren krankt das ganze noch ein wenig an der Tatsache, das das Setting nicht besonders einstiegsfreundlich ist. Entweder man liest sich durch den ganzen geschichtsbuchartigen Hintergrund durch, oder man kann nicht darin spielen. Dieses Problem haben zwar noch andere RPGs, aber hier ist es aufgrund des enormen Umfangs und der verhältnismässig geringen geographischen Größe des Settings besonders extrem.

-Silver, hat's wieder verkauft.
 
AW: Artesia - Adventures in the Known World

Ich hab's einmal auf dem Ratcon gespielt, war eigentlich recht nett... leider reichte die Zeit nicht, um alles herauszubekommen, was der SL sich ausgedacht hatte.
Steigerungen wurden am Ende der Session nach dem 'Pi mal Daumen'-Prinzip gemacht... wir schauten uns die 28 Tabellen an und überlegten uns, welche unserer Handlungen wieviele Punkte in welchem Bereich bringen könnte. Ist natürlich nicht optimal, aber dennoch interessant.
 
AW: Artesia - Adventures in the Known World

Desweiteren krankt das ganze noch ein wenig an der Tatsache, das das Setting nicht besonders einstiegsfreundlich ist. Entweder man liest sich durch den ganzen geschichtsbuchartigen Hintergrund durch, oder man kann nicht darin spielen. Dieses Problem haben zwar noch andere RPGs, aber hier ist es aufgrund des enormen Umfangs und der verhältnismässig geringen geographischen Größe des Settings besonders extrem.
Das ist - ungeachtet der Regelsystem-(insbesondere Erfahrungs-/Steigerungs-System-)Problematik - gleich das zweite KO-Kriterium bei diesem ansonsten wirklich wunderschönen Rollenspielprodukt.

Ich bin ja, sobald mir ein Spielhintergrund gefällt, aber das Regelsystem Zicken macht, schnell bei der Hand den Hintergrund mit einem anderen Regelsystem zu spielen (hier würde sich HeroQuest allein aufgrund der enormen Parallelen im "magischen" Hintergrund zu Glorantha und der Einfachheit des HeroQuest-Regelsystems anbieten).

Aber, ...

Der Artesia-Hintergrund ist SEHR, SEHR, SEHR umfangreich. Und er wird einem in sehr, sehr, sehr komprimierter Form mit reichlich umfangreichen, lehrbuchtrockenen Bleiwüsten-Passagen dargeboten. Man muß eine ganze Menge an "Vokabeln" (Namen, Bezeichnungen aus der Spielwelt, die nicht immer wirklich eingängig und in ihrer Bedeutung und ihren Implikationen gleich präsent sind) lernen.

Das Hintergrundmaterial ist dabei durchaus mehr als vollständig zum Spielen.

Man muß nur eine enorme Menge an Zeit mitbringen, die ich nicht (mehr) für das Erschließen eines Settings aufbringen kann und mag.

Ich glaube, daß, wenn jemand die Zeit in ein Erarbeiten des Hintergrunds investiert und eine Möglichkeit ersinnt Spielern diese Hintergrundtiefe auch in "mundgerechter" Form zu servieren, man in der Known World wirklich sehr, sehr, sehr interessante Abenteuer erleben kann, die den Artesia-Comic-Inhalten nicht nachstehen müssen.

Doch bis dahin bin ich mehr als nur alt und grau, sondern auch noch runzlig und zahnlos! :opa:
 
AW: Artesia - Adventures in the Known World

Beim Lesen hat mich Artesia begeistert. Sowohl die Comics, als auch das Regelwerk. Die Aquarelle sind phantastisch, das Regelwerk ist gut strukturiert und hat ein übersichtliches und trotzdem ansprechendes Layout. Es ist auch sehr gut geschrieben. Der Hintergrund begeistert durch den Reichtum seiner Geschichte und Götterwelt, insbesondere die vielen Details zur Geisterwelt und dem Leben nach dem Tod.

Das Lifepath-System zur Charaktererschaffung macht sehr viel Spaß, und auch das Arcana-System zur Charakterentwicklung finde ich persönlich ganz hervorragend. Mein Charakter z.B. hat durch die Lifepaths ein Guilt-Binding (er fühlt sich schuldig, weil er seine Mutter verraten hat). Dieses Binding bringt mir einige herbe Nachteile im Spiel, also schaue ich auf die Arcana-Paths, um zu sehen, wie ich es loswerde, und stelle fest: Der Pfad der Gerechtigkeit bzw. des Letzten Gerichts sind die einzigen, mit denen ich Guilt wegkaufen kann. Also werde ich versuchen, ein gerechter Mann zu sein. Was ja auch Sinn macht.

Richtig ist, dass das Spiel nicht einsteigerfreundlich ist. Optimaler Weise spielt man es mit einer Gruppe von hochmotivierten Geeks, die alle die Comics verschlungen und sich intensiv mit dem Regelwerk auseinander gesetzt haben. Alternativ mit einem arbeitswütigen SL, der die Spieler an die Hand nimmt und in alles einführt. Wir haben zum Glück beides. Trotzdem kann man nach der bisher einzigen Sitzung sagen: Wir brauchen wohl noch etwas, um in Fahrt zu kommen. Wir haben ganz schön blättern müssen, zumal alle Charaktere auch irgendwelche übersinnlichen Fähigkeiten besitzen (typisch Artesia). Also: Man muss auf jeden Fall erst mal viel investieren, ich denke jedoch, die Voraussetzungen sind da, dass es sich am Ende auszahlt.

Die Arcana-Paths kann natürlich kein Mensch alle im Kopf haben. Wir sind sie einmal am Ende der Sitzung durchgegangen und waren teilweise selbst überrascht, in welchen Arcana wir Punkte bekommen haben. Das wird wohl mit der Zeit flüssiger. Letztendlich muss man sich am Anfang 2-3 Arcana raussuchen, denen man folgen möchte, und den Rest so mitnehmen, wie er eben kommt. Zum Glück ist die innere Logik der Arcana recht stringent, sodass man auch ohne exakte Regelkenntnis durch charaktergerechtes Spiel die charaktergerechten Punkte bekommt.

Das Kampfsystem habe ich noch nicht in Aktion erlebt. Von der Papierform her finde ich es soliden Durchschnitt.
 
AW: Artesia - Adventures in the Known World

Nachtrag: Ich finde das Kampfsystem sehr cool. Es bildet die Gesetze der Artesia-Welt extrem stimmig ab:

* Treffer sind böse, ohne dicke Rüstung ist der Kampf nach dem ersten Treffer vorbei und der Charakter nach zwei Treffern tot.
* Wer eine dicke Rüstung tragen will, muss darin trainiert sein, sie zu tragen, sonst kann er es vergessen.
* Zustoßen ist gegen Rüstungen effektiver als Zuschlagen.
* Stoßgebete, Zauberformeln, Runen usw. machen einen ganz erheblichen Unterschied im Kampf aus.
* Die Chance, durch Glück gegen einen überlegenen Gegner zu gewinnen, ist vorhanden, aber sehr, sehr klein.

Überhaupt bilden die Regeln den Stil der Comics sehr gut ab. Opfer und Votivgaben an die Götter, rituelle Reinigungen, Gebete und Bestattungsriten bekommen eine Menge Augenmerk in unserer Spielrunde, und zwar nicht nur weil wir es cool finden, sondern auch weil es regeltechnische Auswirkungen zugunsten unserer Charaktere hat. Geister und Götter sind total präsent und für den Plot relevant. Und es geht blutig zu.

In der letzten Runde hatten wir eine Szene, wo es um ein Haar nicht geklappt hätte, die Blutungen eines Spielercharakters zu stoppen, dessen Bein unter einem Felsbrocken begraben worden war. Für einen Moment dachten wir echt, Scheiße, der stirbt uns hier weg und wir können nichts machen! Dann fiel aber einem Spieler ein, dass sein Charakter eine bestimmte Rune beherrscht, die dem Heiler einen Bonus gab, und so hat er es dann geschafft, und wir atmeten auf. Hammer! Das ist genau der Grit, den ich mag, und es passt auch sehr gut zu Artesia.

Mit den ganzen tausend Sachen, die wir mit Folk Lore, Cult Lore, Occult Lore, Alchimy usw. alle machen können, ist es noch immer etwas stockend, weil man doch viel nachschlagen muss. Aber ich denke, das wird von Sitzung zu Sitzung weniger werden, es war ja erst die vierte.
 
Zurück
Oben Unten