AW: Aria - Canticle of the Monomyth
Aria ist weniger ein RPG mit einem feststehenden Hintergrund (auch wenn es deutlich in die Richtung Fantasy/Mittelalter geht). High Fantasy, Low Fantasy, Dark Fantasy, oder prä-Renaissance... geht alles. Das Aria-Buch enthält einige Vorschläge für Fantasy-Welten ("the Elves of Everdawn", eine eher magiearme Inselwelt mit Elfen und Menschen, wobei die Elfen die Rolle der Händler übernehmen; "the Dwarves of the Steamrift", ein riesiger Canyon mit heißen Quellen inmitten einer Wüste, bewohnt eben von Zwergen; und noch einige mehr), die sehr lebendig beschrieben sind und richtig Lust aufs Spielen machen.
Das Kampfsystem von Aria ist ziemlich realistisch und detailliert, aber deutlich einfacher als Rolemaster, wenn auch komplizierter als Gurps oder WoD.
Ansonsten ist Aria mehr ein Meta-System, bei dem sogar das Regelgerüst nur teilweise feststeht und in großen Teilen umgezimmert werden kann. Es sind z.B. eine Reihe Attribute vorgegeben, aber jeder Charakter braucht nur ein paar davon - nämlich, die in denen er über- oder unterdurchschnittliche Werte hat. Für das Magie-System gibt es praktisch unendlich viele Möglichkeiten; Aria sagt Dir nur, was für Regeln ein Magiesystem eigentlich braucht (Woher kommt die Magie? Ist die Quelle bewusst oder unbewusst, oder etwas dazwischen? Wie kommen Zaubernde an Magie?), die Ausarbeitung bleibt Dir überlassen. Dann gibt es auch noch ein ähnliches Gerüst für die Konstruktion von Ländern und Gesellschaften, das sehr nützlich ist und auch für andere RPGs benutzt werden kann.
Das Spiel selbst kann auf mehreren Ebenen ablaufen: Auf der Ebene eines Kampfs (in Kampfrunden), eines Abenteuers (soweit alles bekannt aus anderen RPGs), oder sogar auf der Ebene von Jahren, Jahrzehnten oder Jahrhunderten; in diesem Fall spielen die Spieler nicht Charaktere, sondern die Geschichte ganzer Gesellschaften. Wenn in der Gesellschaft etwas Besonderes passiert (Krieg, Revolution, technische Fortschritte, übernatürliche Bedrohung), schlüpfen die Spieler wieder in die Rollen von einzelnen Charakteren. Ein Canticle (einer Art Super-Über-Kampagne) kann dann z.B. so aussehen: Die Spieler fangen an als Krieger eines Stammes, der sich ein Land erobern muss (wird ausgespielt wie ein normales Abenteuer im RPG); nachdem das geklappt hat, entwickelt sich das Land friedlich weiter (Spiel läuft weiter auf der Ebene der Gesellschaften, es gibt Fortschritte und Veränderungen, Familien steigen auf oder ab), bis ein Angreifer auftaucht und das Land bedroht. Nun folgt der Auftritt einer neuen Gruppe von Charakteren, diesmal Mitglieder aus adligen Familien, die die Nachfahren der Chars aus dem ersten Abenteuer sind. Der Angriff wird zurückgeschlagen, die Geschichte wechselt zurück auf die Ebene der Gesellschaft, usw.
Leider hat das System zwei Nachteile: Es ist selbst für Leute mit Englisch als Muttersprache schwer zu lesen, und man muss sehr viel selber machen. Wenn Du dazu bereit bist, ist Aria natürlich das System Deiner Wahl.