Rezension Arcana Cthulhiana [B!-Rezi]

Skyrock

t. Sgeyerog :DDDDD
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Arcana Cthulhiana


Cthulhu Quellenband


Nachdem ich schon mit "Dementophobia" das Cthulhu-Süpplemang zum Wahnsinn goutiert habe, hat mir das Reziteamverteilungslotto ein weiteres Cthulhuquellenbuch zu einem zentralen Teil des Spiels beschert - dieses Mal "Arcana Cthulhiana", das Quellenbuch zur Magie. Nachdem mich "Dementophobia" eher enttäuscht hat, werden wir sehen ob das in diesem Bereich ein serienmäßiger Umstand ist, oder ob es auch Süpplemangs zu den wichtigen Teilen des Spiels gibt, die begeistern.

Aufmachung und Physisches
Wieder halte ich ein sauberes Hardcover in der Hand, nur dass die Bindung dieses Mal tipp topp gehalten hat.
Die Aufmachung ist auch hier typisch für Pegasus-Cthulhu, ebenso wie die Illustrationen, die größtenteils aus alten Fotos bestehen.

Nachdem somit der Schein geklärt wäre, fühlen wir dem Sein auf den Zahn und gehen den Inhalt Kapitel für Kapitel durch.

Cthulhoide Magie im Spiel
Hierbei handelt es sich um ein lockeres Essay zum Einstieg, das sich damit befasst welche Rolle cthulhoide Magie im Universum und im Spiel spielt, wie man damit umgeht und wie man sie ausschmückt. Man merkt hier eine deutliche Erzählonkelfärbung, wie sie Cthulhu oft vorgeworfen sind; lediglich die Ideenliste zu Nebeneffekten von cthulhoiden Zaubern hat spielstilübergreifend Nährwert.

Magie und Schamanismus in der Geschichte der Völker
Über satte 36 Seiten wird hier über magische Traditionen quer durch die Geschichte und über den Globus gesprochen, von chinesischen Ideen zu Chi und Konfuzius über Afrika bis hin zu antiken europäischen Völkern. Dieses findet als Ingame-Briefwechsel zwischen Wissenschaftlern statt.
Dieses Kapitel ist inhaltlich sicher brauchbar für den, der Magie kulturell auskleiden will oder normale Magie und cthulhoide Magie in eine Kampagne mischen will, aber leider in der Form als Lern- und Referenzwerk kaum brauchbar. Die Themen haben keine Überschrift, die einzelnen Themen sind auch nicht per Inhaltsverzeichnis oder Index schnell auffindbar, und sie verteilen sich kreuz und quer. (China nimmt etwa eine ganze Reihe Briefe ein, zwischen die sich andere quetschen, so dass das Thema China letztlich weit, weit über das Kapitel verstückelt ist.)
Hinzu kommt noch der eher blumige, mit irrelevanten Informationen und Ankedoten aufgeblasene Stil der Ingame-Texte, was der Signal-to-Noise-Ratio nicht gerade hilft.

Es ist nicht so dass ich generell keine Ingame-Infotexte mag, aber wenn, dann müssen sie auch auf den Punkt kommen und dennoch locker geschrieben sein, wie es etwa die bei Shadowrun vormachen. Und auch bei Shadowrun sind die Themen untergliedert und über das Inhaltsverzeichnis aufzufinden - wer hier Spielwert dem Schmökerwert opfert, der bekommt keine Pluspunkte von mir.
Jammerschade, denn der Inhalt ist in der Tat hilfreich.

Die Kabbala oder die Sprache der Götter / Von mittelalterlichen Alchemisten und deren Magie / Voodoo
Auch das sind Infotexte zu Magieformen, wobei diese am Stück abgehandelt werden. Nur ersterer Text ist ein Ingame-Text, aber anders als die oben kritisierten kommt er auf den Punkt und verfällt nicht ins informationsarme Geschwafel.
"Voodoo" fasst dabei - neben dem Hintergrundüberblick - die existierenden Voodoozauber an einer Stelle zusammen, während "Kabbala" ein IMHO sehr schwammiges und verunglücktes Freiformsystem für kabbalistische Zauber präsentiert. Der Alchemistentext verzichtet komplett auf neue Regelelemente.

Magische Orte oder Splitter der Hölle
Dieses Kapitel befasst sich mit Orten, die häufig mit Magie in Verbindung gebracht werden, wie Höhlen, Wälder und Berge. Hier wird darauf eingegangen welche Themen mit diesen Orten mitschwingen; hier werden besonders bekannte Orte wie der Brocken oder die Externsteine betrachtet, und auch gibt es jeweils einen kleinen Flufftext.
Hier bleibe ich etwas ratlos zurück, baue ich doch nicht Rituale auf kahlen, windumtosten Berggipfeln ein, weil ich Erhebung über irdische Belange und Abgeschiedenheit symbolisieren will, sondern weil kahle, windumtoste Berggipfel ein cooler Ort sind. Mit Fluff fange ich gar nicht erst an - bleiben also nur die bekannten Vertreter dieser Orte, denen ich einen gewissen Spielnutzen zubillige.
Insgesamt dennoch ein eher schwaches Kapitel.

Magische Paraphernalia
Hier geht es um magisches Zubehör wie Kelche und Ritualschwerter, die Bedeutung einiger Symbole, Kräuter, Edelsteine und dergleichen, und abschließend ein paar Gedanken zur Einbindung von Paraphernalia ins Magiesystem.
Nicht überwältigend, aber doch recht nützlich.

Ein Grimoire des Mythos
Das Herzstück des Buches mit seinen satten 134 Seiten bietet alle Zauber, wobei sich die Auflistung größtenteils mit dem SL-Handbuch überschneidet.
Was neu ist, ist die Aufbereitung: Zum einen sind alle Zauber zum schnelleren Auffinden kategorisiert, und gibt es zu jeder Kategorie Listen - definitiv ein Zeitsparer angesichts der langen und unsortierten Menge an Zaubern, die CoC bietet.
Auch sind die Zauberbeschreibungen neu und übersichtlicher aufbereitet: Statt alles in einen Fließtext zu packen, werden neben einer Kurzzusammenfassung der Wirkung Kategorie, kulturelle Zuordnung, Anzahl der Zaubernden, Kosten, Art (Ritual oder Zauber), Zauberdauer, Zauberort, Wirkungsdauer und Reichweite gesondert aufgeführt vor der vollen Zauberbeschreibung. Das einzige was ich vermisse sind Rettungswürfe und Kraftproben, aber auch so ist das ein definitiver Zeitsparer in der Vorbereitung und Verwendung im Spiel.
Das einzige was ich zu bekritteln habe sind die beigepackten Flufftexte, die größtenteils 50%+ des Eintrags einnehmen - diese nützen nicht viel und behindern eher beim schnellen Erfassen, hier hätte man also rücksichtslos Fett ablassen müssen.

Wenn es ein Kaufargument für dieses Buch gibt, dann dieses Kapitel, und das nicht nur wegen dem relativen Umfang, sondern auch wegen dem tatsächlichen Spielnutzen.

Cthulhoide Magie selbstgemacht
Hier findet sich eine Anleitung zum Bau von Cthulhu-Zaubern. Man sollte hier keinen ausgefeilten Baukasten erwarten, den man einfach nach dem Motto Malen nach Zahlen abarbeitet - lediglich eine Schritt-für-Schritt-Anleitung mit warmen Worten, Hinweisen und Ratschlägen. Dieses Kapitel schlägt ein wenig sehr die Erzählonkelbahn ein, ist aber dennoch insgesamt nützlich, gerade für unerfahrenere Spielleiter die noch etwas Hilfe bei Konstruktion und Modifikation von Zaubern brauchen.
Besonders gefällt mir, dass hier wieder der SL dazu aufgerufen und ihm dabei geholfen wird, selbst Material zu erschaffen und so potentiell eigene Abenteuer zu verbessern - sehr lobenswert, neigt das deutsche Cthulhu doch sonst eher dazu den SL mit Fertigabenteuern und -häppchen zu versorgen, anstatt ihm dabei zu helfen sein eigenes Ding aus dem Spiel zu machen.

Cthulhoide Magie - die Antithese zum Sein der Welt
Hier findet sich ein kleineres Essay, das sich mit der Rolle von Magie im cthulhoiden Universum und ihrem Verhältnis dazu befasst, wie nicht-cthulhoide Magie wie Voodoo oder Kabbala ins Spiel passen kann, inwiefern Magie als Teil des Mythos oder als Werkzeug zu betrachten ist, und wie allgemeingültig die Ausprägung bestimmter Zauber ist (etwa "Erschaffe Rattenwesen" auf Planeten ohne Ratten, oder "Beschwöre/Binde Byakhee" durch Wesen, die keine Flöten und Pfeifen nutzen können).
Tendenziell eher den Erzählonkeln und Dekonstruktivisten zuzurechnen, tritt dieses Essay dennoch niemandem wirklich auf die Füße, lehrt aber auch nicht viel. Ein paar Gedanken zur Allgemeingültigkeit der Zauberausprägungen könnten spielstilübergreifend hilfreich sein, aber alles in allem sehe ich hier nicht viel, was ich daraus für mein Spiel mitnehmen kann.

Es geschah am Potsdamer Platz / Ein Zwiegespräch über cthulhoide Magie
Zwei lange Flufftexte, einer als Beispiel einer Zauberanwendung für große Ergebnisse fürs Spiel, das andere ein Zwiegespräch über Magie, cthulhoide Magie, Abgrenzung von Magie und Religion und so weiter.
Beides hat wie so viele Flufftexte eine niedrige Signal-to-Noise-Ratio; wahrscheinlich wäre es besser gewesen letzteren Text in ein Essay einzuarbeiten, ersteren zu den Spieltips am Anfang zu stecken.

Fazit
Es fällt mir hier schwer, eine Warnung oder eine klare Empfehlung auszusprechen.
Mit dem Grimoire hat das Buch definitiv ein sehr nützliches Kapitel zu bieten, das spielstilunabhängig viel Zeit und Arbeit spart.
Gleichzeitig ist der Rest des Buches aber eher durchwachsen, und neben der Anleitung zum Zauberbau größtenteils eher inspirierender Natur als handfeste Hilfe, und das beim doch recht stolzen Preis von 30€.

Mein Fazit muss wie folgt aussehen: Wer das Geld hat und sich schon immer mit der langen und schwer zugänglichen Spruchliste in Cthulhu rumgeärgert hat, der kann beherzt zugreifen und den Rest als Bonus nehmen, der ihm vielleicht was bringt, oder auch nicht.
Wer hingegen bei seinen Rollenspieleinkäufen jeden Euro zweimal umdreht sollte hingegen zumindest mal im Laden reinblättern, um sich selbst ein Bild zu machen, und abwägen wie viel Vorbereitungszeit er mit dem aufbereiteten Grimoire sparen kann und ob das in Relation zum Preis steht.
In jedem Fall ist das Preis-/Leistungsverhältnis eher unterdurchschnittlich.Den Artikel im Blog lesen
 
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