AW: [29.04.2008]Angetreten!
Für einen Moment führte die Brujah ihre gefalteten Hände an die Lippen. Wie sollte sie beginnen? Aber schließlich räusperte sie sich. Nicht, dass das wirklich nötig gewesen wäre, es war einfach nur so ein Gefühl gewesen, als ob es helfen könnte. Sie wählte ihre darauf folgenden Worte vorsichtig und versuchte so präzise wie möglich zu antworten.
Prinz Buchet, es ist keineswegs meine Art zu zetern oder ähnliches. Ich bin auch nicht wehleidig oder besonders empfindlich. Aber ich würde euch auch nicht mit einer Lapalie aufhalten wollen, wenn ich nicht fürchten würde, dass es Konsequenzen nach sich ziehen könnte.
Sie hob die Hände mit den Handflächen in Buchets Richtung, eine Geste der Beschwichtigung vielleicht? Als sie weitersprach, legte sie die Hände jedoch mit den Handflächen nach unten auf ihren Schenkeln ab und sah den Prinzen an. Eine offene, aufrechte Haltung einer stolzen jungen Frau, die sich zwar gleich rechtfertigten würde, aber eigentlich keinen Fehler bei sich selbst sah.
Es geht um den gestrigen Abend. Mein Clansbruder Max Reser und ich sollten Herrn Pareto bei einer Sache behilflich sein, die allerdings durch unseren Erstgeborenen abgesagt wurde. Da wir uns allerdings bereits in der Stadt getroffen hatten und uns Beiden die angekündigte Demonstration nicht verborgen geblieben war, haben wir beschlossen uns diese Aktion näher anzusehen. Sicher habt ihr davon gehört. Wir waren jedenfalls neugierig, weshalb wohl Sterbliche zu so einer Aktion aufrufen würden und wollten uns unter ihnen ein wenig umhören um mehr zu erfahren. Immerhin sind wir Beide erst in den letzten Nächten hier angekommen und konnten uns noch kein rechtes Bild der Stadt machen.
Wieder faltete sie ihre Hände. Sie wurde etwas sicherer, als sie sprach.
Es war schwer vorwärts zu kommen, denn es waren hunderte Sterbliche dort versammelt. Wir haben uns mit einigen Leuten unterhalten, während sich der gesamte Prozess aber bereits in Bewegung setzte. Die Ansprachen, die gehalten wurden, waren aufheizend, stachelten das Volk an, was uns Beide jedoch nur neugieriger machte. Wir dachten uns, dass eventuell einer der Unseren dahinter stecken könnte und da die Aktion recht groß angelegt war, suchten wir nach dem tieferen Sinn.
Wieder hob sie beschwichtigend die Hände, bevor sie sie wieder gefaltet in ihren Schoß legte. Sie würde gleich zum Punkt ihrer Aussage kommen und war etwas Unsicher, wie der Monarch darauf reagieren würde, was sie ihm hier präsentierte - und wie sie es tat.
Wie ihr ohne Zweifel auch wisst, zog diese merkwürdige Prozession auch zu dieser abgebrannten Ruine einer Nervenheilanstalt im Süden der Stadt, die, wie wir leider erst im Nachhinein erfahren durften, ein Sperrgebiet ist, das nicht von Unsereins betreten werden darf. Die Stimmung der Masse war zu dem Zeitpunkt bereits sehr aufgeheizt und begann umzuschlagen. Erste Schlägereien und Ausschreitungen fanden statt und wir befanden uns am hinteren Ende des Marsches, wo ich nach einer besseren, sicheren Möglichkeit suchen wollte, das Geschehen aus der Ferne zu beobachten.
Meine eigentlichen Bedenken an der gesamten Situation beziehen sich nun aber darauf, dass ich dort von einem Kainskind angegriffen wurde. Der Angreifer hat meinen Arm vor den Augen duzender Sterblicher dahinwelken lassen, als wäre er seit hunderten von Jahren abgestorben. Ich habe mich bemüht, dies zu verstecken, aber ob es mir wirklich geglückt ist, weiß ich leider nicht. Dasselbe versuchte er danach mit dem Rest meines Körpers. Der unerwartete Angriff trieb mich in die Arme meines Tiers. Dass dieses bei den Brujah näher an der Oberfläche schlummert, als bei anderen Clans, ist aber keineswegs ein Geheimnis. Ich konnte es gerade noch lange genug im Zaum halten, bis ich genug Entfernung zwischen mich und diese Sterblichen gebracht hatte. Hätte ich nicht die Flucht angetreten, wäre ich möglicherweise in eine zerstörerische Raserei verfallen, die sicher einen noch größeren Bruch der Maskerade nach sich gezogen hätte, als es durch diesen übernatürlichen Angriff ohnehin schon der Fall war. Sicher, es mag von vornherein ein Fehler gewesen sein, sich unter soviele Sterbliche zu begeben, aber das ist nicht das erste Mal, das ich das getan habe. Dennoch habe ich für meinen Teil meine Lektion daraus gelernt.
Hannah lies dies einige Sekunden wirken, bevor sie fortfuhr. Aus ihrer Rechtfertigung für ihr 'Vergehen' - das sie, aus ihrer Sicht vollkommen berechtigt, als Lapalie darstellte - wurde an dieser Stelle eine Anklage und sie saß damit direkt an der höchsten Gerichtsbarkeit der Stadt. Würde der Prinz es so verstehen, wie sie sich erhoffte?
Exzellenz, es erfolgte keinerlei Provokation, die den Angriff gerechtfertigt hätte. Auch keine Warnung, die dem Angriff vorangegangen wäre. Ich hätte verstanden, wenn uns besagter Angreifer zu verstehen gegeben hätte, dass es als Geissel dieser Stadt seine Aufgabe ist, Leute von dort fernzuhalten und wir uns entfernen müssten. Stattdessen erfolgte ein verheerender Angriff. Den Namen meines Angreifers konnte ich erst Stunden später durch Herrn Reser erfahren, und erst danach war selbstverständlich aber auch seine Position hier in der Stadt klar.
Eine der Fragen, die mir nun leider unweigerlich in den Sinn kamen, als ihr mir eben diese Neuigkeit offenbart habt, mein Prinz, ist die, ob ich in einer Stadt, in der ich fürchten muß offen vor den Augen Sterblicher in dieser Art angegriffen oder gar vernichtet zu werden, einem möglichen Anwärter auf den Kuss unsere Traditionen lehren kann? Sind die Traditionen nicht die wichtigste Stütze unserer Gesellschaft, die für alle gleich wichtig sein müssten? Und müssen wir - Erzeuger und Kind - darum fürchten, angegriffen zu werden, wenn wir einer Kundgebung Sterblicher beiwohnen? Zugegeben, diese letzte Kundgebung mag nicht so harmlos verlaufen sein, aber ich habe die Auswirkungen dank der anschließenden Raserei nicht so sehr mitbekommen und auch meine Nachforschungen wurden durch den Angriff jä unterbrochen, wodurch ich auf dieser Demonstration bedauerlicherweise keine Ergebnise erzielen konnte.
Damit war Hannah fertig - vorerst - und neigte wieder leicht demütig ihr Haupt. Während sie in ihrer Rede kaum Zeit gelassen hatte sie zu unterbrechen, lies sie es nun in Ruhe auf den Prinzen einwirken und gab ihm Zeit seine eigenen Worte zu finden. Die Brujah lies die Hände nun ruhig auf den Armlehnen ihres Sessels liegen und wartete auf die Antwort des Monarchen. Hatte sie zu dick aufgetragen? Wie auch immer, gleich würde sie wissen, ob der Tag so beschissen weitergehen würde, wie der Letzte aufgehört hatte.