29.03.04 - Ballnacht

Eldrige

Zombie-Survival Experte
Registriert
2. März 2004
Beiträge
5.858
Lurker öffnete die Augen und Bewußtsein überkam ihn, kroch wie kleine, verästelte Blitze durch seinen Körper und schüttelte ihn. Er umfasste seine Hände um das kurze Zucken zu unterdrücken und lag dann schließlich nach wenigen Sekunden ruhig da, die Augen weit aufgerissen, während sein Blick sich in die Decke bohrt.
Die Gerrüche des Zimmer drangen auf ihn ein. Die mit Kot beschmierten Wände, das saure Aroma von lange vertrocknetem Erbrochenem und die vergammelten Lebensmittel Reste bildeten ein widerwärtiges, olfaktorisches Kaleidoskop das sich um ihn drehte.
Lurker erhob sich und ging ein paar nachdenkliche Schritte auf und ab.
Schon in der vergangenen Nacht hatte er vorgehabt sich nach einer Zuflucht umzuschauen. Heute war zwar die Ballnacht, aber er würde die Zeit dazu nutzen sich nach einem geeigneterem Plätzchen umzuschauen.
Er hatte nicht vor noch eine weitere Nacht in diesem Fixerloch zu verbringen.
Zwar war er bei der Wahl seiner Aufenthaltsorte sicher nicht wählerich, aber zwischen einem Kanal und dieser Zivilisations Müllkippe gab es dennoch einen deutlichen, durchaus entnervenden, Unterschied.
In einem Kanal zu hausen mochte für die meisten Wesen widerlich sein, doch in dieser Vorhölle für gescheiterte Existenzen zu hocken war wesentlich schlimmer, es war entwürdigend.
Lurker ging zu seiner sorgfältig zusammengelegten Kleidung und nahm sein Ankleide Ritual auf. während er mit nach innen gekehrtem Blick und mit fließenden, langsamen Bewegungen die exakten Gesten ausführte die ihm so in Fleisch und Blut übergegangen waren, dachte er darüber nach ob sein Unwillen sich hier aufzuhalten nicht auch zum Teil daher rührte das er die Adresse von Dumont erhalten hatte und das dieser somit wußte wo er sich aufhielt. Er beschloß das es eher die Selbstverständlichkeit und die Geste des Toreadors an sich, mit dieser ihn hierher geschickt hatte, waren, als seine antipathie für den Anderen.
Der Schönling war sicher der Meinung das dies hier nicht nur standesgemäß für einen seines Blutes war, er dachte wohlmöglich sogar das es ihm hier gefallen mußte.
Lurker schnaubte verächtlich und seine Gedanken kehrten wieder zurück aus der meditativen Leere in die er beim anziehen stets versank.
Er durchmaß den Raum und stieg die verschmutzte Treppe in die verschmutzte Straße hoch. In der Unrat übersähten Seitenstraße blieb er einen Moment stehen. Er hatte sich die letzten beiden Tage stets überirdisch bewegt um die abseitigen Pfade der Stadt, ebenso wie die Hauptadern durch welche die Einwohner Finstertals sich bewegten kennenzulernen.
Er hatte schon einen recht guten Überblick und verstand wie die Stadt aufgebaut war.
Der Kern der Stadt war aus sehr alten Anlagen erwachsen und ein ähnliches Muster hatte sich auch auf die Randgebiete der Stadt ausgeweitet. Vieles glich alten Begebenheiten. Alleine die Art und Weise in der das Rathaus und die Kirche im Verhältnis zueinander standen wirkte wie aus alten Mittelalterlichen Bauten übernommen, nur das jetzt alles viel größer war.
Er begann sich in den Hinterhöfen und Gassen bereits ein wenig heimisch zu fühlen. Es war an der Zeit das er dorthin ging wo seine wahre Domäne war. ein Ort an dem er ungesehen und viel schneller und direkter durch die Stadt kommen konnte als dies selbst durch die Schleichwege der Stadt möglich war.
Er ging zu einem Kanal Deckel hinüber und schob diesen mit einigen langsamen hin und her rucken zur Seite. Gerade soweit das er hindurch schlüpfen konnte.
Dann zog er den Deckel wieder auf sein Portal in die Unterwelt und machte sich auf den Weg zum Friedhof.
Er eillte durch die dampfenden, kühl feuchten Gedärme der Stadt und fühlte sich sicher und gut.
Der Weg kam ihm merkwürdig vertraut vor, obwohl er bisher niemals einen Fuß darauf gesetzt hatte. Es war als wäre er hier in vielen früheren Leben bereits hindurch gewandelt.
Vieles an diesen Kanal Anlagen ähnelte eher versackten Katakomben, wie sie unter mittelalterlichen Wehranlagen und auf Unterirdischen Wegen wie in einem Kloster vorkamen. Er hatte das Gefühl das diese Anlagen von Freunden, wenn nicht von Brüdern gebaut worden waren, die verstanden hatten wie man sich hier anschließend bewegen wollte.
Alle Wege kamen ihm instinktiv einleuchtend und richtig angelegt vor.
Irgendjemand hatte beim Bau der Eingeweide von Finstertal vor langer Zeit exzellente Arbeit geleistet und seit dem war scheinbar sehr viel davon so geblieben. Lurker schlich sehr schnell durch das einsame dunkel, blieb aber gelgentlich stehen wenn er auch Ratten stieß und hockte sich zu den Tierchen in die Dunkelheit. Dort blieb er einige Minuten sitzen und stimmte sich auf diesen Ort und auf die kleinen, schlauen Tierchen ein. Schließlich spürte er das instinktive Band das diese kleinen Freunde untereinander verband und ließ sich in die Wärme der Gemeinschaft welche diese bildeten fallen. Er war ein Teil der Herde, sie schlüpften an ihm vorbei und krabbelten ohne Angst über ihn. tapsten auf seinen Buckel und keiner von ihnen hatte ihm gegenüber irgendwelche vorbehalte. Er sang mit ihnen gemeinsam das gleiche stumme Lied, welches ihre Art schon seit Äonen sang und in dem Gefühl der Gemeinschaft lag Trost und Liebe.
Schweren Herzens trennte er sich von der Gemeinschaft und machte sich wieder auf den Weg. Solche Momente hinterließen in ihm stets ein dumpfes, melancholisches Gefühl der Leere. Als er sich von den Tieren entfernte sandte er einen Schwall echter Zuneigung zu ihnen und hinterließ ihnen den Weg den er hierher genommen hatte. Vielleicht würden sie später alle Fressen wollen. Dort oben in der Unrat überwucherten Gasse würden die Tiere sicher alle satt werden.
Schließlich erreichte er sein Ziel und krabbelte am Friedhof von Finstertal wieder an die Nachtluft hinaus. Kaum war er an die Oberfläche zurückgekehrt, verbarg er sich in der Dunkelheit vor den Blicken möglicher anderer und wurde nur ein weiterer Schatten unter den unzähligen schwarzen Schatten der Nacht. Dann eillte er über die Straße und setzte über die Mauer die den Toten Acker umgab. Er blieb wie eine Riesenspinne auf der Mauer hocken und pendelte auf seinen seltsam gekrümmten Gliedmaßen hin und her, während er die kalte Schwärze des Friedhofes sondierte. Er lauschte auf einen kleinen Kauz der übermütig in der Nacht kehlte. Als er nichts und niemand aufälligen entdecken konnte sprang er hinab und landete sanft in einem Gebüsch. Er sog tief die Luft ein, die nach feuchter alter Erde roch. Dasselbe Aroma das jeden seiner Schritte begleitete. Er gehörte wahrlich hierher.
Lurker wanderte leise und lauernd über den nächtlichen Friedhof. Ein wenig war ihm nach tanzen zumute, er balancierte übermütig über eine Reihe von Grabsteinen und huschte von Gebüsch zu Gebüsch.
Er war auf der Suche nach einem Zugang hinab in die Unterwelt unter dem Friedhof. Er hoffte das dieser, genau wie viele Teile der Stadt, auf alten mittelalterlichen Anlagen ruhte. Wenn dies hier vor vielen Jahrhunderten bereits der Friedhof gewesen war, dann mochte es irgendwo noch eine alte Familiengruft geben von der keiner mehr wußte. Vielleicht fand er sogar irgendwo die alten Gewölbe einer kleinen Kapelle oder einer ehemaligen Kirche. Friedhöfe wurden oftmals hinter Kirchen angelegt. Wenn er beispielsweise auf den Zugang zu einem altem Verbindungstunnel von einer alten Kapelle zu einem altertümlichen Leichenkeller, oder zu mittelalterlichen Kriegsgräbern finden würde, dann hätte er nicht nur eine ideale Zuflucht, sondern auch eine die seinem Klichee sehr entsprach.
Er lachte innerlich bei dem Gedanken. Der alte Blutsauger der des Nachts über den Friedhof schlich. Köstlich, einfach zu köstlich. Er schlich durch die entlegenen, finsteren Ecken des Geländes und suchte nach einem Unterschlupf.
 
Ein altes gusseisernes Gitter zieht deine Aufmerksamkeit auf sich. Es ist definitv alt und ist von Laub und Unrat bedeckt. Darunter scheint sich eine Art Brunnenschacht zu befinden. Das Gitter selbst ist fest im alten Gemäuer des Schachts verankert.
 
Lurker bleibt einen Moment auf dem alltem Gitter in der Hocke und zieht schnüffelnd die Luft ein, als versuche er zu riechen ob sich dort ein geeigneter Ort für ihn verbirgt.
Er strich nachdenklich über den Teil der Mauer in welches das Gitter versenkt worden ist.
Ein Gitter ohne Schloss oder eingelassener Türe deutete daraufhin das niemals jemand beabsichtigt hatte diesen Schacht zu passieren. Er wurde beinahe aufgeregt als er loshuschte um sich nach einem Geräte Schuppen Werkzeug zu holen. Nach dem rostigen Zustand des Gitters war es schon eine Weile dort und vielleicht war der Stein bröckelig und alt genug das er ihn mit einer Spitzhacke oder einer Axt aufschlagen konnte. Er überlegte ob er ihm laufe seiner Wanderung nicht bereits an einem Holzverschlag vorbeigekommen war in dem sich solches Werkzeug finden ließ.
Hammer und Meissel währen sicherlich Ideal, aber eine Spitzhacke oder eine schwere Axt würden es vielleicht ebenso tun. Wenn er eine finden könnte würde er damit zu dem Gitter zurückkehren das ihm den Abstieg in die Unterwelt des Friedhofes verwehrte.
 
Eine Schauefel, Ein Spaten und eine Harke ist im Moment alles, was du auftreiben kannst. Allem Anschein nach wird das Gitter eine höhere Belastung aushalten, als das Mauerwerk. Aber es wird sicher nicht einfach werden dort einen Zugang zu schaffen.
 
Mit dem Spaten und der Schaufel macht sich Lurker wieder auf dem Weg zum alten Brunnenschacht. Er brummte zufrieden als er dort ankam und legte dann seinen Mantel und das Jackett ab. Und legte seine Kleidung zu einem ordentlichem zweitem Bündel zusammen das er zu seinem Kostüm hinzu legte. Dann stand er in seiner groben, grauen Woll Tunika die er als Leibchen trug in der kalten Nachtluft und späte und lauschte einige Minuten ausgiebig in den Friedhof hinaus. Zur Sicherheit ging er nocheinmal kurz einen Kreis in einigem Abstand um den Brunnen ab. Es würde vielleicht etwas laut werden und auf einem dunklem Friedhof konnte sogar ein leises Geräusch unnatürlich laut werden.
Gleichzeitig überprüfte er bei diesem rundgang wie gepflegt die Gräber, wie regelmäßig gestutzt die Büsche und wie sauber gemäht der Rasen war. Lag Laub auf den Wegen ? Wucherte wohlmöglich gar Unkraut auf den Gräbern selber ? Je unordentlicher und wilder dieser Teil des Friedhofes war, um so lieber wäre es ihm gewesen. Wenn er hier in einem sehr altem Teil des Friedhofes war dann würde das die Wahrscheinlichkeit das sich jemand hier her verirrte noch geringer werden.
Schließlich kehrte er zum Schacht zurück und begann damit am Mauerwerk, dort wo das Gitter verankert war, herumzukratzen. Der alte Stein war zwar sicher nicht das stabilste das man an Baumaterialien bekommen konnte, doch er hatte einen Vorteil den man in keinem Baumarkt kaufen konnte. Er hatte viel Zeit gehabt. Das alte Gitter war so stark gerostet das es eine Verbindung mit dem Stein eingegangen zu haben schien, Wind und Wetter hatten dafür gesorgt das sich die Mauer gesetzt hatte. Die Last der Zeit hatte den Stein zu einer dichten Masse werden lassen. Sein Kratzen nütze ihm rein gar nichts. Er stieg auf den Schacht und setzte den Spaten an. Dann trat er immer wieder zu und versuchte diesen in den Stein hineinzutreiben und so die rostige Stange im Inneren zu erreichen. Wenn es ihm gelang den Stein soweit zu brechen das er einen Spalt hatte den er aufhebeln konnte. Aber auch dabei verweigerte sich der Stein ihm. Er grunzte und schließlich packte er den Spaten am unteren Ende und hieb wild damit, wie mit einer Axt auf den Schacht ein.
Als seine Wut über sein Unvermögen schließlich verraucht war blieb er verhalten in der Dunkelheit stehen. Das war ja beinahe peinlich wie er sich hier aufführte. Er schlich in einen dunklen Schatten und hockte dort lauernd ob sein Wutanfall und der Lärm eventuell jemanden angelockt hatten. Als er einige Minuten hatte verstreichen lassen machte er sich auf allen vieren auf den Weg. Er kroch durch die Büsche in der Nähe bis er einen stabilen großen Ziegelstein fand. Damit bewaffnet krabbelte er wieder auf das Gitter und setzte den Spaten erneut an. Dann schlug er fes mit dem Stein auf das Ende des Spatens. Er brauchte ein paar Versuche, aber schließlich fand er einen hämmernden Rythmus in dem er auf den Spaten einschlug, wieder und wieder ließ er den Stein auf den Spaten Schafft krachen. Er stellte sich zwischendurch vor das der Schafft Dumonts Kopf war, das gab ihm eine boshafte Motivation. Er kicherte bösartig und hämerte gleichmäßig auf seinen eigentümlichen Meissel ein.
 
Die Friedhofanlagen sind zwar gepflegt. In diesem hinteren Bereich scheint jedoch nur das Nötigste getan zu werden um die Würde der Toten zu gewährleisten. Ausschlissliche alte Gräber mit lang Verstorbenen reihen sich hier aneinander. Es hat den Anschein, dass hier weniger die Angehörigen, denn eher die Friedhofsgärtnerei nötigen Arbeiten vollbringt.

Lurker schlägt langsam Furchen in den Stein und kann von Zeit zu Zeit kleine Brocken heraushebeln. Bisweilen rutscht ein Steinchen herab und hinterlässt nach kurzer Zeit ein schmatzendes Geräusch, typisch für Schlamm und Matsch. Doch würde seine Arbeit wohl noch einige Nächte in Anspruch nehmen, bis er das Gitter entfernen kann.
 
Lurker hämmert und summt zufrieden vor sich hin als er die ersten Bröckchen aus dem Stein fliegen sieht fühlt er sich wie ein König. Er hatte gesiegt, triumphiert.
Wie ein hyperaktiver Specht bearbeitete den Schacht. Als er nach einer guten Stunde die erste Strebe des Gitters entfernt hat hockt er sich auf das Gitter. Hätte er eine Zigarette gehabt hätte er diese nun genüßlich geraucht. Stolz besah er sich die erste von vielen freigelegten Gitterverankerungen. Ein paar geduldige Nächte und besseres Werkzeug und er hatte eine Zuflucht wie sie sich Bram Stoker ausgedacht haben könnte.
Er hockte auf dem Schacht und träumte davon wie er in der frühen Nacht aus diesem Schacht gekrabbelt kommen würde, seinen Mantel um die Schultern raffte und dann erhaben über den Friedhof stolzierte, auf dem Weg zu einer Jungfrau mit honigsüßer, milchweißer Haut, die unter seinem Biß aufplatze und seinen Mund mit rotem, herrlichem Blut vollspritzte. Er saß mit entgleistem Blick auf dem Schacht und starrte verzückt ins Leere.
Schließlich sprang er immer noch in der Hocke von seinem Schacht und deckte das Gitter wieder mit Laub, Moos und Dreck zu. Er schnappte sich seine Kleiderbündel und huschte wieder zu dem kleinem Holzschuppen davon. Dort verstaute er den Spaten und die Schaufel. Er besah sich einen Augenblick besorgt das Spatenblatt das er ruiniert hatte. Obwohl er damit eine Strebe hatte freilegen können war der Spaten einfach ungeeignet um Stein zu brechen. Das Blatt war nun schartig und der Rand war gebrochen. Das Blatt war zerkratzt und der Griff auf den er mit dem Stein eigeschlagen hatte war ebenfalls abgebrochen, zum Ende hin hatte er den Stein auf den Schaft geschlagen. Er steckte den Griff provisorisch wieder auf den Schaft und verstaute den Spaten in einer Ecke in der man diesen schwer finden konnte.
Sollten die Gärtner und Landschaftsbildner sich ruhig fragen wer den Spaten ruiniert hatte.
Lurker huschte als Teil der nächtlichen Schwärze über den Friedhof, Schatten zogen sich in die Länge um ihn zu verbergen während er hindurchlief. Lichter flackerten in dem kurzem Augenblick in dem er sie passierte, so das man sich fragen würde ob man dort gerade eine Bewegung gesehen hatte. Aber nein. Wahrscheinlich nur Einbildung. Die Sinne spieltem einem gerne Streiche wenn man des Nachts alleine unterwegs war, besonders wenn man durch einen Wald, einen Park, oder am besten über einen Friedhof lief.
So erreichte er die Friedhofs Mauer und sprang diese hinauf. Er schaute kurz nach rechts und links ob sich in der kleinen dunklen von Bäumen gesäumten Straße jemand blicken ließ. Dann sprang er hinab und rannte auf allen Vieren zu einem Kanaldeckel. Er würde ein gutes Stück vor der Villa des Prinzen wieder aus den Knälen hervorkommen müssen da er nur eine Adresse hatte und den Weg dorthin Unterirdisch nicht kannte. Er grinste schelmisch, Schilder würde es dort unten kaum geben.
Dann plumste er in den Kanal und eillte durch die Unterwelt in Richtung der Villa. In der Vorfreude auf seine neue Zuflucht vergaß er in der tröstendenden Stille und Finsterniß der Abwässerkanäle sogar seine Nervosität vor dem bevorstehendem Ball.
 
Zurück
Oben Unten