AW: [28.04.2008]The Brujah-Wrap-up...
Hannah lehnte sich zurück, während die Worte auf sie eindrangen. Und sie lächelte das Lächeln eines Jägers. Die Brujah nickte leicht, bevor sie wieder sprach.
Vor gut fünf bis sechshundert Jahren gab es eine Menge Kainskinder, die ganz ähnlich dachten, wie du jetzt. Es hat ihnen gereicht, Spielzeuge ihrer Alten zu sein, lediglich als Werkzeuge oder in schlimmsten Fällen Kanonenfutter gesehen zu werden. Ihre Wut - ihren Zorn - bündelten zuerst wenige, die sich dann gegen ihre Ältesten auflehnten. Es wurden mehr, die Neuigkeiten und der Wille zur Rebellion verbreitete sich im damaligen Europa wie ein Lauffeuer. Ahnen, Methusalems, selbst Vorsintflutliche sollen unter ihrem Zorn gefallen sein und gezittert haben.
Diese jungen Kainskinder nannte man damals Anarchen und sie waren es, die den Grundstein zur Anarchenrevolution bildeten. Der Krieg zwischen den Alten und den Jungen, zwischen Erzeuger und Kind währte über ein Jahrhundert. Hunderte - Junge, wie Alte - wurden vernichtet. Aber all das schien nur wenig zu bewirken, ausser einem immer blutigeren Krieg.
Irgendwann vor 1500 kam es dazu, dass die Alten triumphierten. Natürlich... älter... stärker... erfahrener...
Ein offener Konflikt - wenn auch anstrengend und mit schweren Opfern verbunden - konnten sie nur für sich entscheiden. Es kam zu der Unterzeichnung eines Vetrags, bei dem die Alten den Jungen vergeben wollten, die Jungen sich wieder eingliedern in die blutsaugende Gesellschaft der Nacht und dieser Krieg sollte damit enden.
Hannah hielt noch immer dasselbe Lächeln bei, wie zuvor, lies aber beiden einen Augenblick Zeit, sich zu fragen, wohin ihre seltsame Ansprache führen sollte. Sie hob ihre gesunde Hand um eventuelle Einwürfe gleich zu unterbrechen.
Dennoch gab es einige Kainskinder, die nicht damit zufrieden waren, sich zu beugen. Sie waren berauscht von ihrer Macht, der Zerstörung, die sie anrichten konnten und dem Blut, dass sie auf ihren Lippen noch immer schmecken konnten. Sie weigerten, sich den Vertrag zu unterzeichnen. Stattdessen vernichteten sie das nächstgelegene Dorf und jeden einzelnen Sterblichen darin als Zeichen dafür, dass sie nicht mehr so sein wollten, wie diejenigen, die sie zu beugen versuchten. Wisst ihr, wie man diese Arschlöcher heute nennt?
Wieder hielt die Brujah kurz inne, beugte sich ein wenig vor und ihre Stimme klang beinahe ein wenig verschwörerisch, bis sie allerdings zu dem letzten Satz kam. Da wandelte sich ihr Lächeln von einem Augenblick zum nächsten in eine abfällige Grimasse und sie spieh die Frage beinahe aus.
Sabbat! Scheiß-Bestien. Und mal im Ernst, der Pfad zwischen diesen kann ein ziemlich enger sein. Aber das soll keine Geschichtsstunde werden, keine Sorge. Auch kein Tadel oder so'n Scheiß - bloß nicht. Ich hol nur 'n bisschen weiter aus.
Hannah lehnte sich wieder zurück und ihre Gesichtsausdruck wurde wieder erheblich freundlicher, ihre Stimme schwang wieder in einen mitreissenden Tonfall um. Außerdem schmunzelte sie wieder.
Damals wurde diese wundervolle Institution gegründet, die man Camarilla nannte. Da haben sich alle bis auf die Sabbatfreaks also eingefunden und waren 'ne große Happy Family, right? Klar, wir wissen's alle besser. Du hast den Begriff eben schon gebraucht, Fabian, ich hab's auch eben schon verwendet, aber vorsicht, dass überdehnt man leicht.
Anarchen. Viele der heutigen Anarchen sind nach wie vor Fackelträger, zufrieden damit, 'n Gutshaus oder so'n Schloß oder so anzuzünden und sich dran zu erfreuen, wenn irgend ein verstaubter Ahn dabei gleich mit abbrennt. Scheiße, ein Großteil unseres Clans könnte man demnach Anarchen nennen. Aber was bringt das? Was bewegt das? Ohne eine Idee, ein Ideal? Ohne eine Vorstellung, was man ansonsten haben will bewegt das überhaupt nichts. Außer 'n wenig Asche. Wenn das alles wäre, was die Anarchenbewegung - um mal dein Wort auszuleihen, Fabian - ausmacht, dann würden die meisten Vampire das aus gutem Grund einfach ignorieren.
Aber wenn man eine Idee hat... oder gar eine Vision - und damit mein ich nicht diesen Malkavianermist - großartig! Dann kann man vielleicht tatsächlich etwas ändern und bewegen. Oder sogar etwas schaffen. Und das versuchen die Kainskinder, die sich heute Anarchen nennen. Manche von ihnen lehnen die Camarilla offen ab, andere existieren inmitten der Camarilla und versuchen von Innen heraus ihr Ding zu machen. Andere sind vielleicht eigentlich nur Typen, die ihre Ruhe haben wollen, andere wären vielleicht beim Sabbat besser aufgehoben. Aber was solls. Die meisten von ihnen wollen wirklich etwas bewegen und die meisten haben auch eine grobe Vorstellung, was. Eine Idee.
Du hast also auch eine Idee? Oder willst du die Ordnung der Stadt einfach nur brennen sehen?
Sicher dauerte es einen Augenblick, bis das Gesagte seinen Weg an die richtigen Stellen gefunden hatte und man registrierte, dass Hannah nun ruhig da saß und Fabian eine Frage gestellt hatte. Aber da saß sie, das Raubtierlächeln war wieder verschwunden und wieder war ehrliches Interesse in ihrem Gesichtsausdruck zu erkennen. Und ja, es interessierte sie wirklich. Würde Fabian damit fertig sein, wenn er sein Ziel hier in der Stadt erreicht hätte? Trieb ihn einfach nur Rache? Langeweile war es jedenfalls offenbar nicht, wie sie zufrieden feststellte. Hatte er wirklich höhere Ideale? Lag ihm auch etwas an den Anderen oder war es nur sein eigenes Schicksal, das ihn so antrieb?