Der angedeutete Handkuss wurde von Lena mit einem erfreuten Zucken der rechten Augenbraue quittiert.
"Es freut mich zu hören, dass mit Ihrer Heimstadt alles zum Besten steht. Freie Städte haben es immer etwas schwerer als jene, die sich noch immer an die Camarilla gebunden fühlen... Aber damit erzähle ich Ihnen sicherlich nichts Neues."
Lena setzte sich auf einen der freien Stühle und bat ihren Gast mit einer freundlichen Geste sich zu ihr zu setzen.
Ein Blick auf Tamara Dantz folgte, der diese dazu brachte den Raum zu verlassen. Natürlich nicht ohne sich mit einem freundlichen Kopfnicken von Korutürk zu verabschieden.
"Selbtverständlich dürfen Sie mir Komplimente machen! Welche Frau hört derlei Dinge nicht gerne? Unterstehen Sie sich also, damit aufzuhören!"
Anscheinend hatte Korutürk die richtigen Knöpfe gedrückt, denn Lena lachte fröhlich und geriet dann ein wenig ins Schwärmen. Mit einem veträumten Ausdruck in den Augen erzählte sie von der Vergangenheit.
"Botticelli war ein wundervoller Künstler. Leider lebte er lange Jahre vor meiner Zeit, mein verstorbener Gatte hat ihn noch gekannt. Ich selbst habe einst nur Salvatore Dali kennenlernen dürfen. Ein wundervoller Mann! Ich habe 1928 an seiner Seite einen Film gedreht. *
Un chien andalou* hieß er, oder auf deutsch *
Ein andalusicher Hund*. Man nennt den Film heute ein Meisterwerk des Surrealismus und genau das war er auch. Ich weiß nicht ob Sie den
Film kennen, aber es war meine erste Rolle in der spanischen Heimat. Vorher drehte ich mit Fritz Lang und hatte sogar eine Nebenrolle in seinem Film
Metropolis. Im
Andalusischen Hund war ich allerdings nur als Filmdouble eingesetzt, in dem ich die damalige Hauptdarstellerin Simone Mareuil bei einer Nacktszene ersetzt habe. Wenn Sie wissen wollen, um welch besondere Nacktszene es sich dabei handelt, werden Sie sich den Film wohl ansehen müssen. Allerdings darf ich voller Stolz anfügen, dass Salvatore Dali derart von meinem Körper beeindruckt war, dass er 1959 mir zum Angedenk und aus der Erinnerung heraus das Bild *
Jeune Vierge* malte. Wenn Sie denn Film sehen, sich das Gemälde anschauen und beides auf sich wirken lassen, werden Sie verstehen was ich meine, Herr Korutürk."
Ein aufrichtiges, beinahe seliges Lächeln hatte sich auf das Gesicht der Toreador gelegt, als sie von den guten alten Zeiten berichtete.
"Auch Herr Luis Buñuel, der Regisseur des Films, war damals zutiefst von mir beeindruckt. In den folgenden Zeiten habe ich noch einige Filme an seiner Seite gedreht. Dieses Mal allerdings überwiegend in der Hauptrolle. *
Das Goldene Zeitalter* dürfte wohl der bekannteste unter ihnen sein. Das war 1930 und wieder spielte ich an der Seite von Salvatore. In dem Jahr drehte ich noch
*Soyons gai* und einige andere Werke. Ich arbeitete damals unter dem Namen
Lya Lys, vielleicht haben Sie schon von mir gehört? Ich wäre Ihnen nicht böse, wenn dem nicht so gewesen sein sollte, es ist sehr lange her. Nur wenig später verließ ich ohnehin das Filmgeschäft, um 1931 tatkräftig beim Aufbau der zweiten spanischen Republik mitzuwirken. Ich übergab mein Pseudonym an eine Frau namens
Natalia Margoulies und beendete meine Karriere. Damals war ich bereits der Ghul Oliver Buchets, wenig später brach in Spanien der Bürgerkrieg aus und ich erhob meine Waffen gegen Franco und seine Schergen..."
Ein fröhliches Lachen erklang, als sich Lena darüber bewusst wurde dass sie sich hatte hinreißen lassen.
"Verzeihen Sie, Herr Korutürk! Ich bin ein wenig ins Schwärmen geraten aber so ist das wohl, wenn man mit einem Toreador spricht und das Thema Kunst ins Spiel bringt."