[19.05.2008] Nasse Tatsachen

Drakun

Pflanze
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Die Sonne war noch nicht zu lange hinter dem Horizont verschwunden als sich die Wolkendecke auf die Stadt herabließ. Schwaden zogen um die Dächer und senkten sich langsam zu Boden als wolle ein feuch-wattiges Ungeheuer die Gebäude der Stadt verschlingen. Auch die Akademie war nicht verschon geblieben. Ein seltsam passender Deckmantel für das kommende.

Klack.

Irgendwo verborgen im Nebel fing eine Tür. Wer genau lauschte würde auch ein leises Brummen vernehmen, dass langsam näher kam. Lichter erschienen aus dem nichts. Ein Taxi, das wohl jemanden zu den Toren der bedeutendsten Einrichtung der Stadt gebracht hatte.

Klack. Klack.

Die Besucherin - und die Tatsache, dass es sich um eine Sie handelte - konnte man dank ihres Schuhwerkes noh relativ gut orten. Die Frau in dem dunklen Mantel lief zielstrebig zwischen die Gebäude. Zur selben Stelle, die sie schon am Vortag besucht hatte.

Klack. Klack. Klack.

Eigentlich hatte Marta nicht die Absicht gehabt, schon wieder an der Akademie vorstellig zu werden. Allerdings gab es jüngere Entwicklungen, die den Besuch notwendig machten.

Klack. Klack. Klack. Klack.

Vor ihr schälte sich die bekannte Treppe aus dem Nebel. Marta blieb kurz stehen und sah hinauf, wo man die Umrisse der Tür noch gerade erkennen konnte. Zu behaupten sie wäre nervös, war nicht ganz richtig. Sie hatte Angst. Doch davon war nichts zu sehen als sie anmutig die Stufen hinauf stieg.
 
Die Tür war verschlossen, aber sie würde sich wie in jeder anderen Nacht zuvor nach kurzem Klopfen auftun.
Als Marta eintrat schlug ihr angenehm temperierte Luft entgegen. Sie roch leicht nach Lavendel, angenehm und unaufdringlich. Schon im Vorraum des Büros fiel auf, dass sich ein paar Details geändert hatten. Nicht seitens der Einrichtung, sondern eher im Hinblick auf Ordnung und Sauberkeit. Alles war perfekt in Szene gesetzt und mit viel Hingaben gesäubert worden. Die Zimmer des Prinzen waren schon immer sauber gewesen, nun aber waren sie nicht nur rein sondern nahezu perfekt.

Das Büro selbst war gerade genug erhellt um sich gut orientieren zu können. Gemütlich nannten es die Sterblichen wohl. Auch hier hatte sich reich von der Innegestaltung her nicht geändert. Nur das eine ältere Dame hinter dem Schreibtisch saß. Sie hatte weißes Haar und ein freundliches Lächeln im Gesicht. Ihr Blick war warm, schien jedoch leicht verunsichert zu sein.

Anscheinend war Marta nicht die Einzige im Raum, der es etwas flau im Magen war.
 
Natürlich fiel Marta die Sauberkeit ins Auge, weniger im Vorraum, der in der vergangenen Nacht ja ein Opfer des Regens geworden war, doch um so mehr im eigentlichen Büro. Vor allem auch dank der unbekannten Dame wirkte das Zimmer wie ausgewechselt und erweckte bei ihr den Eindruck, zum allerersten Mal hier zu erscheinen. Keine Frau Raabe, kein Gabriel und auch kein Prinz. Natürlich konnte die Dame am Schreibtisch ebenfalls ein mächtiger Vampir sein, doch das war zu bezweifeln. Die Brünette schritt in den Raum, unter dem Mantel, welcher ein weiteres Mal an der Garderobe gelandet war trug sie - wie um zu demonstrieren, dass ihr Vorrat noch lange nicht erschöpft war - ein figurbetontes Kleid von eher konservativem Schnitt. Auf den ersten Blick mochte es schwarz erscheinen, doch bei näherer Betrachtung handelte es sich um ein äußerst dunkles Violett - wie der Nachthimmel einige Zeit nach Dämmerung. Elegant trat die junge Frau in den Raum, in freundliches und respektvolles Lächeln im Gesicht.

"Einen schönen guten Abend. Mein Name ist Marta Hagen. Ich hoffe sie entschuldigen die Störung - ich habe ein Anliegen, das den Ball am Donnerstag betrifft."

Ein kurzes Zögern. Als junges Mädchen hätte Marta jetzt bestimmt auf der Lippe gekaut und wäre von einem Fuß auf den anderen gestiegen. Doch seit dem hatte sich einiges getan und die junge Frau wirkte zu gleichen Teilen graziös und professionell. Auch wenn die Förmlichkeit durch die Wärme auf ihren Zügen etwas abgemildert wurde.

"Wenn es keine Umstände macht,... wäre ich dankbar für ein Gespräch mit Señora Cruiz oder einem der Hauptverantworlichen...."

Vielleicht war es vermessen, nach dem Prinzen zu fragen. Doch Marta wollte ihre Schwierigkeiten sicher nicht vor einer völlig Fremden ausbreiten. Eigentlich wollte sie nichts dergleichen tun, doch es blieb ihr eben keine andere Wahl.
 
Sekretärin der Prinz: Tamara Dantz:

"Guten Abend, Frau Hagen! Wie schön, Sie kennenzulernen. Mein Name ist Tamara Dantz, aber Sie dürfen mich gerne auch Silly nennen. Man ruft mich mit diesem Namen schon seit ich denken kann. Allerdings nicht wegen der Bedeutung, die eine Übersetzung vielleicht vermuten lassen mag, sondern aufgrund meiner Namensverwandschaft mit der bekannten ostdeutschen Sängerin, die ja eine Band eben diesen Namens gegründet hatte."

Die Dame lächete Martha an.

"Aber ich schweife ab und Sie wollen sicher nicht warten. Wenn Sie sich einen Augenblick gedulden möchten, trage ich Prinz Cruiz Ihr Anliegen vor."

Tamara wartete eine Reaktion ab und begab sich dann in den hinteren Teil des Bürotraktes. Wenige Augenblicke danach erschien sie wieder.

"Prinz Cruiz empfängt Sie jetzt, Frau Hagen. Entgegen Ihren Gewohnheiten möchten Sie bitte die Tür zu Ihrer Rechten nehmen. Das eigentliche Prinzenbüro befindet sich... derzeit in der Renovierung."
 
"Freut mich ebenfalls Frau Dantz. Silly ist mir bekannt - tatsächlich kam es mir gleich in den Sinn."

Tamara Danz war allerdings schon seit über einem Jahrzehnt verstorben. Erst vor kurzem hatte die Band in Anna Loos eine Nachfolgerin gefunden. Allerdings war es Marta wohler, die Frau nicht mit dem Namen 'Silly' zu versehen. Sie nickte ihr freundlich zu.

"Selbstverständlich. Es macht mir aber auch nichts aus zu warten, sollte ihre Exzellenz anderweitig beschäftigt sein."

Sie wollte sicherlich nicht drängeln. Das letzt was sie gebrauchen konnte, war noch negativ aufzufallen. Marta war sicherlich keine wichtige Person und wenn die Herrscherin nicht die Zeit hatte - würde sie wohl später nch einmal erscheinen müssen. Wichtig war bloß, dass sie ihr Anliegen loswerden konnte, bevor die Nacht des Balles heran war. Und dass du dich zeitnah meldest. Aber schon war die vermeintliche Ghulin wieder da. Das ging aber schnell...

"Danke sehr. Dann werde ich sie nicht warten lassen."

Eine Spur von Dankbarkeit zeigte sich in den braunen Augen. Wünsch mir Glück! Mit den Gewohnheiten war es nicht weit her. Als Clanlose hatte Marta kaum mehr als das Büro des Sekretärs zu Gesicht bekommen. Nun betrat sie zum ersten Mal einen Bereich, der ihr bisher verschlossen blieb. Jetzt nimm bloß nicht die falsche Tür. Glücklicherweise fiel die Beschreibung der Sekretärin recht präzise aus. Sie stand vor der genannten Tür. Kurz zögerte die Vampirin, schloss die Augen und atmete einmal tief durch, bevor sie die Hand zu Klopfen erhob.
 
"Herein!", erklang es einladend aus dem Inneren des zum Büro umfunktionierten Sitzungszimmers. Der Raum war abgedunkelt und gerade genug erhellt, dass man sich problemlos zurecht finden konnte.

Als Martha eintrat, fand sie die Prinz stehend vor. Sie schien verschiedene Unterlagen durchzusehen und sie nach irgendeinem System zu ordnen. Wirklich sicher erschien dies aber nicht, nur das der zentrale Tisch in der Mitte des Raumes fast gänzlich mit allerlei Papieren übersäht war, war kaum zu übersehen. Wie Lena bei der schlechten Beleuchtung überhaupt etwas lesen konnte, blieb dabei rätselhaft.

"Kommen Sie ruhig näher, Frau Hagen. Die Papiere sind weder geheim noch sonderlich interessant. Alles Korrespondenzen mit den Prinzen der anderen Städte. Die Damen und Herren sind mir natürlich durchweg bekannt, ebenso ihre offizielle Stellung zu uns und unserer Stadt. Allerdings ist mein Wissen zu ihnen recht oberflächlich, daher versuche ich grade aus dem Schriftverkehr meines Mannes, und dem der Archonten natürlich, etwas über Stimmungen... oder besser Befindlichkeiten... meiner Kollegen zu erfahren. Etwas eben, dass mir bisher noch unbekannt war."

Ein Lächeln folgte, mit dem man Stahlträger zum Schmelzen hätte bringen können.

"Aber ich schweife ab. Was ist ihr Anliegen?"
 
Marta trat in dem erstaunlich finsteren Raum. Im ersten Moment war sie nicht ganz sicher, ob sie die Dunkelheit als Bedrohung oder als eine Art von Schutz wahrnehmen wollte. Die Stunde der Wahrheit... Im Dämmerlicht des Raumes wirkte ihr Kleid nun komplett schwarz, schmiegte sich an den schlanken Leib, als wollte es ihr zusätzliche Deckung geben. Doch solche gab es nicht - der Prinz der Stadt stand direkt vor ihr. Die Clanlose neigte sich zu einem formvollendeten Knicks, dem Status entsprechend und noch eine Winzigkeit tiefer.

"Exzellenz!"

In dem Wort lag der nötige Respekt sowie eine unausgesprochene Entschuldigung. Marta verzichtete auf Floskeln. Die Herrscherin der Stadt wollte sicher keine Zeit dadurch verlieren, sich Entschuldigungen anzuhören, dass ihre Zeit vergeudet wurde. Stattdessen folge eine respektvolle Pause. Abschweifen schien im Trend zu liegen und Marta kam das gerade entgegen, blieb ihr doch noch etwas mehr Zeit vor dem Unausweichlichen. Nicht zu viel allerdings. Cruiz kam zum Punkt und Marta tat es ihr gleich.

"Ich bin hier auf Grund der Einladung für den Donnerstag. Natürlich ist mir klar, dass eine gewisse Verpflichtung besteht, dieser auch nachzukommen. Und genau hier liegt das Problem: Es ist mir nicht möglich an dem Ball auf der Yacht teilzunehmen."

Aus Stimme und Haltung ließ sich recht einfach herauslesen, dass die Absage nicht auf mangelndem Interesse - oder schlimmer: Respekt - erfolgte. Es gab wohl gute Gründe und davon war offensichtlich keiner, dass sie nichts zum Anziehen hatte.
 
Es war zu dunkel um es zu erkennen, aber Lena hob die rechte Augenbraue. Eine Eigenart, die sie unbewusst (?) von ihrem Mann übernommen hatte und der Ausdruck größten Erstaunens war. Die Prinz wies mit der Hand auf einen der freien Stühle. Dies war ein Besprechungszimmer, wenn es hier eines zu Genüge gab, dann Sitzgelegenheiten

"Nehmen Sie doch bitte Platz Frau Hagen. Und dann berichten Sie mir davon, warum Sie an meinem Ball nicht teilnehmen können? Sind Sie in Schwierigkeiten?"

Schwierigkeiten...
Bei dem Wort schossen Lena einige Bilder durch den Kopf. Der Moment als Marty Zieglowski zu ihr ins Büro kam. Zwei Pistolen in Händen und unverschämte Beleidigungen auf den Lippen. Als gut erzogene Toreador hatte die Prinz den genauen Wortlaut bereits wieder verdrängt. Nur eines war ihr von der unflätigen Ausdrucksweise des Luden noch in Erinnerung.

"...nehme ich dich hiermit als Geißel..."


Nie würde Lena seinen erstaunten Gesichtsausdruck vergessen, als die Dunkelheit selbst sich aus den Schatten schälte und nach seinen Waffen griff. Mit spielender Leichtigkeit war Ziege entwaffnet und nur wenige Augenblicke später brach sein Rückrat. Der Unverschämtheit seiner Worte hatte er es zu verdanken, dass sich die Prinz für einen Augenblick vergaß. Ein gutes dutzend tiefschwarzer Tentakeln fiel über den Eindringling her und zeriss ihn in unzählige Fetzen bluttriefenden Fleisches. Dem Duft seines köstlichen Blutes zu widerstehen fiel Lena dabei nicht schwer. Sie wusste, was der Genuß dieser besonderen Vitae mit einem Kainiten anrichten konnte und sie würde sich mit Gewissheit nicht dazu hinreißen lassen diesem Widerling die Füße zu küssen. Also verdrängte sie die Gier in ihrem Herzen, bedeckte sie mit Schatten und konzentrierte sich allein auf die Freuden ihrer dunklen Macht....

Lena erwachte aus ihren Gedanken und lächelte versonnen.

"Kann ich Ihnen irgendwie helfen?"
 
Auch wenn ihr die Augenbraue verborgen blieb, lag die Verwunderung doch deutlich in der Luft. Zögerlich doch nicht minder anmutig folgte Marta der Anordnung und setzte sich auf den ausgewiesenen Platz. Ihr Kleid breitete sich wie flüssiges Pech über den Stuhl. Entweder passte es sich von selbst dem Untergrund an oder der Schnitt war einfach genau richtig, jedenfalls blieb ein Richten unnötig. Die Beine blieben nebeneinander, der Rücken aufrecht. Alles in allem wirkte sie wie ein Schulmädchen im Büro der Direktorin, kurz davor eine Beiche abzugeben. Nur der betretene Blick zu Boden fehlte.

"Das bezweifle ich. Meine Schwierigkeiten sind eher... psychologischer Natur."

Also vermutlich nicht ganz von der Art, die der Prinz vermutet hatte. Und momentan auch noch nicht sehr aussagekräftig, wenn man nicht genau auf den vorherigen Wortlaut geachtet hatte. Und die Clanlose ließ sich Zeit mit iher Erklärung, doch nicht um die Ältere zappeln zu lassen, sondern eher um geeignete Worte zu finden.

"Es bereitet mir generell Schwierigkeiten, Gewässer zu überqueren. Eine Veranstaltung auf einem Boot zu besuchen... ist undenkbar. Es zu erzwingen würde wahrscheinlich weder mir, der Maskerade noch den anderen Anwesenden einen Gefallen tun."

Wie genau man etwas erzwingen könnte und was genau die Folgen wären, würde Marta lieber nicht herausfinden. Fakt war: Auf eigenen Willen würde sie nicht auf die Yacht gelangen. Nun konnte sie nur hoffen, dass ihr Gegenüber wenigstens etwas Verständnis zeigte. Und das Ganze nicht als Affront auffasste.
 
Einige Kaniten hatten wirklich seltsame Marotten. Allerdings hatte Lena bereits von solchen Unpässlichkeiten gehört. Ihr war bewusst, dass Martha hier tatsächlich von einem Problem betroffen war, dem sie nicht so ohne weiteres aus dem Weg gehen konnte.

Die Prinz setzte sich ebenfalls an den Tisch.

"Ich verstehe! Leider waren meine Anweisungen unmissverständlich! Jeder Kainit dieser Stadt hat auf dem Ball zu erscheinen, ausnahmslos. Die Wahl der Yacht habe ich von meinem Mann übernommen, der dort schon häufiger kleinere Feierlichkeiten veranstaltet hat. Für die Zukunft werde ich mir einen anderen Veranstaltungsort überlegen. Mir selbst sagt die Yacht nicht einmal zu. Ich brauche sie nicht und sie verschlingt Unsummen von Geld und Ressourcen. Für Wartung, Liegekosten, Personal, Versicherung..."

Lena lehnte sich in ihrem Stuhl zurück und verschränkte die Hände auf ihrem Schoss.

"Das alles hilft Ihnen natürlich nicht und ich würde Ihnen sogar verzeihen, wenn Sie sich nicht im mindesten für meine Probleme interessieren. Immerhin haben Sie selbst das größte nicht wahr? Sie müssen an einer Veranstaltung teilnehmen zu der Sie nicht erscheinen können. Abgesehen von der Bestrafung zu der ich gezwungen wäre, hätte das auch wohl Ihre gesellschaftliche Vernichtung und damit den Verlust jeglichen Status zur Folge..."

Ein breites Lächeln trat auf die Lippen der Monarchin.

"Keine Sorge, meine Liebe! Ich ziehe Sie nur ein wenig auf. Verzeihung, ich konnte nicht wiederstehen. Mein Vorschlag lautet, dass Sie sich möglichst umgehend in etwas bequemeres werfen und sich danach sofort beim Sheriff melden. Sie werden für die Dauer des Balls die Aufgaben einer Wache übernehmen. Sichern Sie das Hafengebiet, patroullieren Sie im näheren Umfeld... Herr BenLevi wird schon etwas passendes finden. Richten Sie ihm bitte aus, dass ich entsprechend verfügt habe und keine Widersprüche gelten lassen werden."

Ein erneutes Lächeln.

"Trotzdem, eine Schande! Sie sehen hinreißend aus in diesem Kleid..."
 
Die Clanlose lauschte den Worten der Anderen. Obwohl sich ihre Haltung eigentlich nicht veränderte und sie auch den Blick nicht abwandte schien es, als würde sie so langsam auf dem Stuhl zusammenschrumpfen. Natürlich war sie sich vorher schon bewusst gewesen, dass ein Nichterscheinen negative Konsequenzen nach sich ziehen würde - und ihre Sorgen waren keinesfalls ungerechtfertigt. Scheiße... Einmal ganz von einer möglichen Bestrafung abgesehen, lag unter Vampiren die gesellschaftliche Vernichtung nicht sehr weit von der tatsächlichen Vernichtung entfernt. Vor allem für Clanlose - offizielle Stadtpolitik hin oder her.... Moment, hat sie gerade... Marta fiel ein Stein vom Herzen, doch das ungute Gefühl wurde sie trotzdem nicht ganz los.

"Exzellenz, ich wäre nur ungern eine Behinderung..."

Ben Levi ist also jetzt Sheriff. Der Ventrue hatte es weit gebracht in der kurzen Zeit seiner Anwesenheit. Ein vorsichtiges und dennoch strahlendes Lächeln trat auf ihre Züge, die sich ein wenig aufhellten. Doch die junge Frau war noch weit davon entfernt, sich zu entspannen.

"Danke sehr!"

Ob sich der Dank auf das Kompliment oder die Möglichkeit der Gesichtswahrung bezog, konnte man nicht genau erkennen. Vermutlich ein bisschen von beidem.

"Ich werde mich umgehend bei Herr Ben Levi melden. Wenn ich mir die Frage erlauben darf: Was genau soll ich ihm erzählen?"

Ein wenig Hoffnung, dass ihre 'Unpässlichkeit' nicht zum Gemeinwissen der Domäne werden musste, durfte sie sich wohl machen. Doch es war offensichtlich, dass die Kleine sich den Anordnungen des Prinzen widerspruchslos beugen würde, wie auch immer sie aussahen.
 
Die Prinz reagierte mit einem steinerweichendem Lächeln.

"Das Sie bei Ihrem letzten Zusammentreffen mit mir irgendeinen geringen Fehler im Ablauf der Etikette gemacht haben, Sie müssen sich diesem nicht einmal wirklich bewusst sein, und ich Sie zur Strafe von der Veranstaltung ausgeschlossen habe? Wenn Ihnen das Recht ist. Mehr werde ich diesbezüglich nicht für Sie tun können, der Sheriff mag es nicht sonderlich, wenn ich unbegründet in seiner Personalpolitik herumfingere.
Sollte es Ihnen unangenehm sein, eine Verfehlung als Begründung anzuführen, schlage ich vor es mit der Wahrheit zu versuchen. Ich überlasse das ganz Ihnen. Wenn ich Ihnen jedoch einen Rat geben darf..."

Lena lehnte sich in ihrem Sessel zurück und sah Martha mit keckem Blick in die Augen.

"Würde ich die Schuld ganz auf mich schieben. Etwas überzogene Strenge könnte für meinem Ruf als neue Prinz dieser Stadt durchaus von Nutzen sein. Außerdem könnte es bei dem ein oder anderen die Erinnerung wach rufen, dass man sich in der Akademie, oder bei Hofe wie wir früher sagten, nach Kräften zu benehmen hat. Jedem wäre geholfen und selbst Ihr Leumund bekäme nur ein paar schnell verheilende Schrammen..."
 
Tut sie das nicht gerade? Ihm jemanden zu schicken und als Wache einteilen zu lassen, durfte man wohl getrost als 'herumfingern' bezeichnen. Auf der anderen Seite konnte sie Ben Levi so tatsächlich freier und möglicherweise flexibler einsetzen. Wenn er das überhaupt wollte - doch das würde sie wohl erst später erfahren.

"Wie sie wünschen. Ich werde sehen, was ich in dieser Richtung tun kann."

Die Clanlose wich dem Blick nicht aus, auch wenn die - zumindest in diesen Dingen - erfahrene Monarchin sicherlich die Anspannung in den braunen Augen erkennen konnte. Doch auch das kleine Lächeln, dass sie auf ihr Gesicht gezaubert hatte, erreichte diese. Marta würde sich selbstverständlich hüten, Cruiz in irgendwelcher Weise schlecht dastehen zu lassen. Aber die Wahrheit... nein, besser nicht. Manche Dinge waren einfach zu privat - was vor allem ein Ventrue wissen sollte.

"Ich werde dem Sheriff also melden, dass ich auf Grund einer Verfehlung zum Wachdienst eingeteilt wurde und dem Ball nicht beiwohnen darf."

Auch wenn es als Aussage formuliert war, klang ihre Stimme etwas fragend. Natürlich lag in den Worten nichts wirklich neues. Der eigentliche Sinn bestand darin, Probleme bei Rückfragen auszuschließen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ein Urteil zu sprechen, war eine notwendige Handlung und das herumfingern in anderer Kainiten Angelegenheiten eine dadurch nicht zu verhindernde Konsequenz. In der Welt der Untoten waren nie die Taten ausschlaggebend sondern stets deren Bewegründe.

"Nun gut! Frau Martha Hagen, aufgrund Ihrer Verfehlungen in Fragen der Etikette hier in den Räumlichkeiten der Akademie spreche ich folgende Strafe gegen Sie aus. Sie werden den anstehenden Ball nicht besuchen und sich für diesen Abend wenigstens fünf Meter von der Yacht meines Gatten entfernt halten. Stattdessen sollen Sie einen Dienst für unsere Gemeinschaft leisten, in dem Sie sich für den Schutz und die Sicherheit der Feiernden verwenden. Wenden Sie sich diesbezüglich umgehend bei Herrn BenLevi. Von einem Eintrag in Ihren Akten sehe ich ab. Ebenfalls soll die Buße nach Ableisten der Strafe vergeben und vergessen sein."

Das Lächeln der Prinz wurde schmaler.

"Trotz allem wünsche ich Ihnen einen schönen Abend, Frau Hagen! Sie dürfen sich entfernen..."
 
"Ich danke ihnen. Sowohl für ihre Zeit als auch für ihre Gnade. Ich werde sie nicht enttäuschen."

Damit war alles gesagt. So wie es aussah, kam Marta noch einmal mit einem blauen Auge davon. Solange nicht wieder irgendwelche Werwesen auftauchen... Das Schwarz des Kleides schien in die Höhe zu wachsen als sich die Clanlose erhob. Auch hier schien ein Richten unnötig; konnte es sein, dass sie das Stück entsprechend ausgewählt hatte, um nervöse Handbewegungen auszuschließen? Davon war zumindest nichts zu erkennen, als sich die Jüngere zu einem weiteren graziösen Knicks beugte - erneut eine Winzigkeit tiefer als nötig.

"Ihnen ebenfalls einen schönen Abend, Exzellenz."

Wie schon in der Vergangenen Nacht wandte die Clanlose dem Prinzen nicht den Rücken zu, als sie zur Tür schritt. Im Vergleich dunkler, waren Eleganz und Respekt doch unverändert. Schließlich drang Licht aus dem Gang in den Raum. Aus Schatten wurde wieder Dämmerung. Kurz darauf war Marta verschwunden.
 
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