Ein schüchternes, aber ehrlich gerührtes Lächeln legte sich auf die vollen roten Lippen als Madelaine die lateinischen Worte vernahm. Heimat war dort, wo der Mond schien.
Dann jedoch sprach der Ältere weiter und die bleiche Brünette kam nicht umhin die weiße Stirn in Falten zu schlagen.
"Oh, es ist nicht die Finsternis, die mich schreckt", erwiderte sie. "Zumal das Dunkel doch nur all zu natürlich Bestandteil jener Existenzen sein muss. Mich schaudert viel mehr ihre offensichtliche und doch all zu unbemerkte Umfassenheit. Dosis facit venenum. Und ich bange um sie. Es ist wie überall, glauben wir. Entscheidungen fällt nicht die Vernunft sondern der Profit. Niemand mag einen Berg erklimmen, wenn er statt dessen angenehm hinab ins Tal laufen kann, vollkommen unabhängig davon, ob der Gang hinab Verderben mit sich bringen könnte. Alle Pläne sind zu kurz, die Sicht kläglich bemessen und eingegrenzt. Spiegel vollführen das Kunststück einen Raum doppelt so groß wirken zu lassen, als er es wirklich ist. Doch auch jenes Glas ist nichts als eine Wand und eines Tages wird man die Tatsache nicht mehr bloß übergehen, sondern tatsächlich zur Vollendung des Bildes unbewusst geleugnet haben. Dann laufen sie dagegen und zerschmettern ihre so sorgsam gestalteten Kulissen mit einem einzigen Schlag, bleiben blutend in den Scherben der errichteten Fassade liegen und..."
Leicht neigte das Mädchen ihr Haupt.
"Ach, diese Dinge sind nichts, was ich darlegen sollte..." Ein leises Seufzen entrang sich der Kehle der Bleichhäutigen.
"Meine Schwester begreift solcherlei weit besser als ich es tue."
Die Art, wie sie begleitend zur Artikulation ihre Hände hob untermauerten dabei ihre ehrliche Hilflosigkeit trefflich.
"Was...jene Personen anbelangt..." Nachdenklich zupfte die Malkavianerin mit den Zähnen an ihrer Unterlippe. Ihre Augen glitten suchend durch den Raum, während ihr Kopf jedoch bewegungslos in Position verharrte. Gab es eine Möglichkeit? Konnte sie vielleicht....
//Ich kann das nicht so recht erörtern und eigentlich weiß ich von diesen Dingen ja auch gar nichts zur Gänze... Das heißt, mitunter durchaus, allerdings bin ich nicht wie du...
Warum verzagst du, Schwester? Schwelgst du nicht im Sonette der erhebenden Präsenz?
Oh, nein, nein! So ist es ja gar nicht! Natürlich rührt es an mir, erfüllt, erhellt und beruhigt mich. Es ist wie allzeit - schlicht wundervoll! Jedoch....die Stadt, sie irritiert mich, verängstigt mich....und ich...ich mag nicht hier sein, obgleich ich weiß, dass ich muss. Tod. Tod und Blut, Fleisch, Asche, Gebein! Scherben überall und Schatten der Vergangenheit... aber an solche Orte gehören wir, nicht wahr?
Kein Galgen ist ausreichend für unsereins. Wir sind nicht einzig, noch weniger allein. Und eine Ausflucht ist dir nicht gestattet, nicht in deinem eigenen Fleische. Du weißt, was ich weiß, doch du scheust dich vor Rekapitulation. Armes, bedauernswertes Kind! Wo stündest du nur ohne meinen Beistand? Allerdings beklage ich mich nicht. Dein Versäumnis ist mein Gewinn und….//
"…nun, diesbezüglich werde ich wohl fortfahren", setzte Ligeia den stockenden, letztlich abgebrochenen Satz ihrer Schwester fort. Die stechend bohrenden Samaragde ihres Angesichts waren ruhend auf dem Anblick Ithamars wieder zum Stillstand gelangt, just in jenem Augenblick, als alles Beben aus ihnen gewichen war. So verblieb die Kainitin nun auch gänzlich ohne verräterisch irritierende Mimik und Gestik, sprach in kerzengeradem Sitz lediglich ruhig und nüchtern von dem, was zu erörtern sie gebeten wurde.
"Le Fay verweilte in Trinovantum zu Zeiten, als Lunas Schein noch immer getrübt schien. So kreuzten sich unsere Wege noch ehe ich aus dem Interlunium hinauszutreten vermochte und der Sieg triumphierte. Seit dem Niedergang des Millenniums war noch nicht all zu viel Zeit vergangen als ich die Schottin aus den Augen verlor. Mag es kurz vor, oder unmittelbar nach der Teilung des Stier-Reiches gewesen sein. Doch wie dem auch sei. Sie verfügt über bemerkenswert bedeutende, dilettantische Kenntnisse in den Materialien De Anima. Zur Meisterschaft wird sie darin jedoch niemals gelangen. Ein Makel des Blutes.
Aber das ist ein weites Feld. Weißt du, Bruder, um die Morgause?"
Es folgte lediglich eine kurze Pause um die gestellte Frage zu betonen ehe die Malkavianerin fortfuhr.
"Was den Tullius anbelangt, so trafen wir uns einst im Tempel des Imhotep als gleichgestellt und sprachen von allerlei indifferentem Nonsense. Er glaubt wohl, dem hohen Weg des Herolds zu folgen. Ich bezweifle allerdings, dass er um den doppelten Sinn dieses Pfades weiß, geschweige denn den notwendigen Zwiespalt zu ersehen vermag. Seine Hülle ist zweifache Firnis. Ventriloquistik liegt ihm nicht, doch was die Lippen formten, sprach er nicht allein. Er wird seinem Namen nicht gerecht, doch ist es nicht sein eigenes Verschulden. Ich frage mich, ob die Proskription bereits vorangeschritten ist, oder vielleicht in Anbetracht der Nichtigkeit ruht? Wie die Dinge nun auch liegen, so bleibt er letzten Endes nach seinem Ermessen frei des düsteren Males. Ein Elba scheint er sich wohl erkoren zu haben. Ich bitte hier jedoch um Verzeihung. Der Details gab es zu viele von weit zu wenig Gewicht um sie in Wort und Tat aufzuwerten. Allein bleibt es noch anzustoßen, dass sein Betragen einen deutlichen Schluss zulassen muss."
Manche Dinge bedürften keiner Ausführung um sich im Geiste eines Mondgeschwisters zu entfalten.
Freilich wollte Raven dem durchaus ehrbaren, erhabenen Zugeständnis ihres Ahnen nicht undankbar gegenüber erscheinen. Doch blieb ihr nichts als zu bemerken, dass es Dinge gab, die sich als nicht fassbar für sie erwiesen. Es war eigentümlich. Ganz so, als habe ein Faden, obgleich vor langer Zeit gewoben, es versäumt einen Abschluss zu finden. Welch armselige Handarbeit!
Doch wer wusste schon, wozu es taugte? Irrelevant.
Sie hatte getan, was von ihr gefordert wurde, nach bestem Wissen und Gewissen und in aller Deutlichkeit. Der Bote aus Plutos Sphären. Nichts weiter mehr.
"Ein Anliegen hätte ich jedoch vorzubringen… Sagt, ist es möglich in der Finsternis den Schein seiner geringen Zahl zum Trotz hoch zu halten? Vermögen wir das Gewicht zu erhöhen? Ich möchte mitnichten unanständig, gar taktlos erscheinen, doch wäre es wohl letztendlich in aller Sinne -sofern kein Schaden daraus erwachsen mag- den Mondschein zu stärken. Es sei denn natürlich, Wolkenbehang soll schützend gewährt bleiben."
Der Einfall war denkbar einfach. Zustimmung wie auch Ablehnung würden gleichermaßen über eine andere, unausgesprochene Frage entscheiden.