„Keine Sorge, so wie sie aussehen, käme ich nicht auf die Idee. Ich gehöre auch nicht zu denen, die zeitweise etwas zu Essen vertragen.“
Der kleine Pascha bekam nach und nach Nussstücke in den Schnabel gelegt, damit er sich an seiner Beute gütlich tun konnte.
„Man muss wirklich nicht immer mit der Dampframme vorgehen, Alexander. Wasser höhlt Stein wesentlich effektiver aus und viel... unbemerkter.
Was dein Angebot angeht, darauf werde ich bei Gelegenheit zurück kommen, wenn ich darf. Heute habe ich keine Frage. Lächeln... die letzten zwei, die es mir bei bringen wollten, sind tot.“
Dann wandte sie sich wieder Kain zu, der inzwischen schon ein wenig gefüttert wurde. „Dein Herr ist leider genau so wenig aufmerksam wie der Primogen. Ich möchte ihm das ja nicht so direkt sagen, aber vielleicht könntest du das ja für mich übernehmen? Wollen wir einmal aufstehen und ihm eine Kleinigkeit zeigen?“
Anna bot dem Raben ihre Schulter an, die dieser auch tatsächlich annahm. Völlig glücklich wirkte er nicht, weil er jetzt erst mal keine Nüsse mehr bekam.
„Wenn ich etwas sage, Alexander, dann hat das meistens einen Grund und ist selten einfach nur so daher gesagt.“
Anna stand mit dem geklauten Raben auf der Schulter auf und ging zu ihrem Schrank. „Ich habe nicht viel dabei, weil es für die Zugfahrt zu viel gewesen wäre und ich nicht so viel im Gildenhaus haben wollte.“
Anna öffnete den Schrank und der Rabe konnte sehen, dass darin alles genau so gepflegt und ordentlich war wie in Annas Zimmer. Als erstes holte sie eine Art lederner Tasche aus dem Schrank, allerdings glich sie doch mehr einer Rolle. Danach kamen noch zwei weitere, die sie ebenso wie die Rolle zuvor auf ihr Bett legt. Ihr Körper und die Schranktüren verbargen noch, was sie dort genau hin legte – jedenfalls für Alex. "Was meinst du, hmmmh? Soll ich ihm das wirklich zeigen?" Letzendlich war es gleich. So wie es aussah, würde er sie ohnehin auch in den Sachen sehen. Also konnte er jetzt auch schon mal einen kleinen Vorgeschmack bekommen.
Sie beugte sich herunter, um noch etwas heraus zu nehmen, was offensichtlich auf dem Boden stand. Gemeiner Weise liess sie die Schranktüren noch offen und nutzte auch sich selbst noch als Abschirmung, während sie die Sachen zu ihrer Zufriedenheit auf dem Bett und neben dem Bett drapierte. Die Rolle wurde aufgemacht. Kain musste schon ein wenig balancieren um das Gleichgewicht zu halten. Anna achtete ihrerseits darauf, sich nicht zu plötzlich zu bewegen, damit er immer noch ausgleichen konnte.
Als sie die Schranktüren dann endlich schloss, stand sie immer noch genau vor dem, was sie vor ihrem Bett auf den Boden gestellt hatte.
„Ich bin es wirklich nicht gewohnt, mich zu wiederholen.“ Anna ging wieder zu ihrem Stuhl. Der Blick auf das Bett war nun vollkommen frei. Sie setzte sich und schnappte sich wieder das Nusstütchen, um den Raben auf ihrer Schulter zu füttern.
Vor dem Bett stand etwas, das wohl als erstes ins Auge fiel. Es war ein Paar gut gepflegte, schwarze Lederstiefel. Die Absätze mochten gut zehn Zentimeter betragen und liefen recht spitz zu. Ansonsten waren sie sehr schlicht gehalten... genau so, wie die schwarze, ebenfalls lederne Hose, die auf dem Bett lag. Wenn Anna sie trug, musste sie wohl fast wie eine zweite Haut sitzen genau so wie die schwarze Lederjacke mit hohem Kragen. Ringe waren an dieser Kleidung nicht zu sehen. Alles war schnörkellos und schlicht. Sollte sich Alexander die Sachen näher ansehen, konnte er feststellen, dass Anna in diesem Bereich wert auf Qualität legte.
Auch die Rolle offenbarte ihren Inhalt. Sechs mal lag behandeltes Hanfseil darin, weich und anschmiegsam, professionell aufgeschlagen. Die Dicke der einzelnen Pakete liess auf etwas unterschiedliche Längen schliessen. Ein paar metallene Ringe, eine schwarze, zweiteilige Klatsche so wie ein Griff mit auswechselbaren Peitschaufsätzen befanden sich ebenfalls noch in dieser kleinen, aber feinen Rolle.
Anna fütterte weiter brav den großen Raben.