[13.05.2008] Ältestenrat...

Schmidt

dreischneidiger Splitter
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Der Spieler hatte seine Karten und Figuren verteilt, sah, das es gut war und legte sich zur Ruhe. Das hieß allerdings nicht, das Schmidt das auch tat. Tat er nämlich nicht, denn der Spieler machte nur Platz für einen weiteren Bruder im Geiste, Platz für den Sammler.
Und der Sammler freute sich. Einen wirklich hübschen Splitter hatte man da aufgetan. Der Sammler mochte diese bunten Glitzersachen, hatte sie schon immer gern gesammelt. Aber es gab sicherlich noch wichtigeres vorher zu tun.
Auf jeden Fall erstmal im Heft lesen, das war immer gut. Diesmal auch. Es gab nicht viel, was dem Sänger verborgen blieb, zumindest nichts von Bedeutung. Um so mehr wunderte es ihn, das der Sänger extra aufgeschrieben hatte, Gulli dreihundertvier: nichts.
Was sollte das denn ? Seit wann interessiert uns nichts ? Aber die zweite Frage war ja schon beantwortet, nämlich seit jetzt.
Schmidt's stellte sich diesen Gulli im Geiste vor, bis er vor ihm stand. Ebenfalls im Geiste, aber das war für den uralten Malkavianer inzwischen völlig egal. Er spürte aber was der Sänger gemeint hatte, als er nichts ins Heft schrieb. Ein normaler Kainit hätte sicherlich einfach den Kopf abgewendet und geglaubt, das da wirklich nichts war, aber Schmidt war nicht normal und der Sammler in ihm verflucht neugierig. Er kannte die Tricks, mit denen Ahnen ihre Werte schützten.
Das geschah nicht umsonst. Da war etwas Wertvolles und vielleicht war es sammelnswert.
Statt also wegzugehen, machte es der Malkavianer genau umgekehrt. Er schaffte es, dem Nichts zu folgen, bis zu einem Ort, an dem das Gefühl am stärksten war.
Und da sah er einen eigenartigen Menschen, der in einem Loch gehalten wurde. Den starrte er erstmal fasziniert an. Ja, das war selten, richtig selten.
Fast hätte er sich in die Aura dieses Kerls verguckt, wie ein Toreador, aber Schmidt merkte es. Er war nicht allein. Sicher, es herrschte nach wie vor das Gefühl vor, das es hier nichts gab, doch gleichzeitig war er sich sicher, das er nicht allein war.
Es war schon lange her, das er jemanden getroffen hatte, der sich vor seinem Auspex verbergen konnte. Das war sicher kein Wald-, Feld- und Wiesenahn.
War die Stadt groß genug für die beiden Alten ?
Schmidt war sich sicher, das der andere, wer auch immer das sein mochte, ihn auch nicht sehen konnte, aber schließlich wollte er sich nicht in Gebärdensprache unterhalten.
"Sehr interessant," sagte Schmidtz schließlich in das Nichts, in dem er den Anderen vermutete. "Hab sowas selbst nur einmal gesehen. Ist das verkäuflich ?"
Es war ziemlich klar, das mit das Ziege gemeint war.
 
Evangelistos' Kopf fuhr ruckartig hoch. Allein das war ein bemerkenswerter Umstand. Denn wenn man zu den gefährlichsten Raubtieren der Welt gehörte und unter diesen auch noch eine ausgenommen hohe Stellung einnahm, dann hielten sich die Schrecken in Grenzen, die einem begegnen konnte.

Seit dem Evangelistos in Finstertal war spürte er ja wieder das 'Leben' in seinen alten Knochen. Es war Großes, was hier vor sich ging und daher war Evangelistos durchaus auf Unbekanntes gefasst. Aber hier unten in Zieges Gefängnis, tief unter der Stadt und hinter hermetisch abgerigelten Stahltüren und in volle Verdunklung gehüllt, um den Gefangegen in Ruhe studiere zu können, war Evangelistos nicht darauf gefasst gewesen von einem Dritten angesprochen zu werden.

Zumal es nicht einmal Sprache war, über die hier mit ihm kommuniziert wurde. Seine eigene Verdunklung um ihn herum schien zu pulsieren und einen Resonanzraum zu bilden, der ihm, dem Meister dieser Disziplin Informationen übergab. Diese Art der Kommunikation war nirgends dokumentiert, was im Einzugsbereich der Nosferatu lag und viel blied diesen eigentlich nicht verborgen.
Aber doch kannte Evangelistos diese Art der Kommunikation, denn er hatte sie bereits ein Mal in seinem Unleben erlebt, wenn auch vor hunderten von Jahren. Als Evangelistos dies realisierte, musste er einige Sekunden darauf verwenden das Tier in seiner Brust niederzukämpfen.

Der Schmied.

Die beiden Worte Evangelistos' hingen wie ein Glockenschlag in seinem Schädel.

Ihr Zusammentreffen damals war nicht im geringsten negativ besetzt gewesen. Aber bei einem solchen Wesen musste das jetzt nicht Rückschlüsse auf heute zulassen. Zumal die Denkweise bei Ahnen dieses Clans für andere eh kaum noch nachzuvollziehen war.
Die Aufzeichnungen der Nosferatu über den Schmied waren gar nicht so rar, aber auch nicht besonders stichhaltig. Über die gut tausendjährige Existenz von Evangelistos ging seine 'Lebens'spanne jedenfalls einige Jahrhunderte hinaus.

Und doch war der Schmied ein Kainit, dessen Lager und Rag sich eher selbst hinzuzählte, als zu den Kindern der Nacht, die diese Stadt bevölkerten und beherrschten.

Evangelistos konzentrierte sich und antwortete auf die gleiche Weise über die Resonanz seiner Verdunkelung. Die 'Worte' fielen ihm schwer: "Du weißt alles ist käuflich. Wir sollten reden."

Damit überließ Evangelistos wieder dem Schmied das Feld. Er brauchte diese Sekunden, um seine Gedanken neu auszurichten.
 
Der Sammler in Schmidt schnurrte vor Vergnügen. Eine Verhandlung, eine RICHTIGE Verhandlung. Nicht so ein erbärmliches Gespräch, bei dem er zu 99,9 % schon vorher wußte, was sein Gegenüber sagen wollte.
Nein, eine echte Verhandlung, mit jemandem, den er nichteinmal sehen konnte. Da war das Verhandlungsobjekt schon eine reine Nebensache und die Tatsache, das Schmidt eigentlich nichtmal wirklich an diesem komischen Menschen interessiert war. Der kleine Olli war interessiert. Immerhin spielte er schon eine Weile mit der anderen Hälfte dieses Kunstwerks herum.
Obwohl...
Es konnte durchaus sein, das noch mehr Teile dazu gehörten, als nur Mensch und Bild.
"Reden. Reden ist immer gut," ließ Schmidt's Geist die Dunkelheit singen.
"Was möchtest du denn dafür haben ? Altrömische Kunst, wenn ich mich recht entsinne, aber etwas unvollständig. Mir kommen da die tausend Tode des Publius Vergilius Maro in den Sinn."
Jaa, vielleicht war das schon eine Weile her, aber wer wenn nicht ein Alter sollte sich daran erinnern ? Vierzig oder fünfzig Jahre nach dem Tod des Nazareners ? Solange mußte es ungefähr her sein und damals starben nicht nur Menschen, weil sie sich langsam für die neue Modereligion, das Christentum, stark machten. Kainiten genauso.
Dieser Publius war damals so ein Kainit gewesen und hatte dafür 1000 Nächte lang sterben dürfen. Das hatte seinerzeit ziemliches Aufsehen erregt, doch heute erinnerte sich wohl kaum noch jemand daran. Jede Nacht wurde er zum Vergnügen der nächtlichen Herrscher Roms in Stücke gehackt, zerrissen, gefressen, verbrannt oder was den Leuten sonst noch einfiel.
Jaja, lang war es her. Aber Schmidt wollte sich selbst lila anmalen, wenn Publius Aura, der dieses Individuums, nicht verdammt ähnlich gewesen wäre.
 
'Was möchtest du denn dafür haben?' war eine viel zu zielgerichtete Frage für Evangelistos. Egal, was er antworten würde, es wäre die falsche Antwort.

"Sagen wir wir stehen hier vor Prometheus. Bist du dann Herakles, Zeus oder der Ethon?"

Evangelistos selbst wäre sich seiner Rolle noch nicht sicher. Im übertragenen Sinne behagte ihm durchaus die Position Ethons. Wobei eben dieser auch ein unrühmliches Ende fand. Die Antwort des Schmieds würde hier vielleicht Klarheit geben.
Andererseits wenn Evangelistos an des Schmieds Stelle bei dieser Frage stände, würde er schon aus Gründen des 'Spiels' mit 'Herakles' antworten. Die Frage war aber überhaupt, ob er antworten würde beziehungsweise wie.
Auf ein einfaches Frage-Antwort-Spiel würde sich Evangelistos jedenfalls nicht einlassen. Er musste mehr wissen - wobei 'wissen' wieder irgenwie das falsche Wort war. So ziemlich das einzige Wissen, was sich ein Nosferatu seines Alters noch aneignen konnte, was das, was auf der Schwelle von Gegenwart zur Zukunft ständig neu entstand. In der Gegenwart eines so äonenalten Kainiten aber, öffnete sich Evangelistos Geist eher für das 'Begreifen' als für das 'Wissen'.
 
"Hihihi..., also manchmal," antwortete Schmidt, den das Amüsement an den untoten Eiern gepackt hatte, "da tauschte ich glatt zwei Herakliden gegen einen Gummiadler, aber nie gegen einen Zeus."
Als ob es eine andere Antwort geben konnte. Wer nach dem Blitz griff, tanzte nach dessen Melodie.
"Doch eigentlich sehe ich mich als den Lärm, den niemand hört und der sich fragt, ob er überhaupt laut war. Danke der Nachfrage. Und selbst ?"
Was für ein Dummerchen er doch gewesen war. Hatte vor lauter Unrat die Kloake nicht gesehen. HIER konnte eigentlich nur ein Nosferatu noch eine Notwendigkeit für solch vielschichtige Dunkelheit sehen.
Schmidt's Geist schwamm in dieser Finsternis, sah, hörte, fühlte, roch und schmeckte sie. Nichts. Eine fast schon angenehme geistig Leere. Trotzdem kam ihm diese Dunkelheit bekannt vor.
Irgendwie.
Dieses Nichts war so... perfekt. Hatte nichts mit der öligen Schwärze der Lasombra zu tun. In dieser zeitlosen Dunkelheit lag eine Beständigkeit und Kontinuität, die Schmidt klarmachte, wieso das Universum am liebsten schwarz trug.
Man wollte sich direkt wieder zur Ruhe begeben, wenn, ja wenn es nicht an der Zeit gewesen wäre zu funkeln und zu glitzern. So waren die Beine des Alters. Wenn sie standen, wollten sie sitzen. Wenn sie saßen, wollten sie liegen. Und wenn sie lagen, dann wollten sie spazieren gehen.
Die simple Logik der Unzufriedenheit.
Und darum half Schmidt etwas nach. Schließlich hatte er noch ein zweites Gesicht, mit dem er sich dieses Nichts ansehen konnte. Wie hatte Michael Douglas doch in Wallstreet gesagt ?
Die Gier funktioniert !
Und wenn es eine Gier gab, die beim Sammler funktionierte, dann war das die Neugier. Viele, viele, viiiiiele Erinnerungen hatte er im Laufe der Zeit gesammelt. Ein unglaublicher Hort an Informationen. An Wissen und Unwissen. Viel zuviel für ein einzelnes Gehirn. Es dauerte ein Weilchen, sie zu durchforsten.
Moment ! Da war doch was gewesen. Oder ?
JA !
........
 
'Zwei Herakles oder einen Ethon' wenn Evangelistos den Alten richtig verstand. Würde er also Zieglowsky die Freiheit schenken wollen? So einfach war der Sachverhalt wohl nicht zu klären...
'Und der Lärm, den diemand hört und man sich fragt, ob er überhaupt da war'. Wollte der Schmied im Hintergrund bleiben? Vielleicht sogar Evangelistos benutzen?

Der Alte sprach wie erwartet in Rätseln.

Unwillkürlich gingen Evangelistos Gedanken auf die Reise in die Vergangenheit, als er den Schmied das erste Mal getroffen hatten. Es war zur Zeit der beginnenden Anarchenbewegung gewesen. Evangelistos hielt sich damals in Prag auf, um seiner Wut auf die Kirche, mit der er wenig zuvor sehr unliebsam zusammengestoßen war, freien Lauf zu lassen. Das Ereignis, das er damals anstieß sollte später als 'Erster Prager Fenstersturz' in die Geschichte eingehen und dafür sorgen, dass sich die reformatorische und katolische Kirche einige Jahre lang gegenseitig zerfleischten.
Leider hatte es nicht zu einer wirklich endgültigen Lösung gereicht.

Damals waren die Nächte noch wirklich dunkel gewesen und für einen Clan, der sich weitestgehend im Verborgenen hielt sehr zuträglich. Trotzdem hatte ihm damals wie aus dem Nichts der Schmied gegenüber gestanden. Er hatte einfach dagestanden und ihn gemustert. Lange genug dass Evangelistos die Macht seines Gegenübers spüren konnte und ihm das Treffen zunehmend unangenehm wurde. Was unter anderem daran lag, dass die Macht des Alten an der Kraft seines eigenen Blutes zerrte. Vermutlich versuchte er damals schon über die Verdunkelung mit ihm zu kommunizieren.

Erst Wochen später hatte der Schmied zu ihm gesprochen. Evangelistos hatte sofort nach dem Treffen seine Helfer ausgeschickt und Erkundigungen eingeholt, hatte aber noch keine gesicherten Erkenntnise über den Schmied erhalten.
Evangelistos war verdunkelt in den Gewölben der Teynkirche unterwegs gewesen und der Schmied hatte ihn wie heute durch seine Verdunklung kontaktiert und - wie er sich trotz der stockenden Konversation sicher war - vor dem Einzug einer Gesandtschaft der Kurie gewarnt. Die Kirchenobrigkeit hätte aufgrund der mitgeführten sakralen Gegenstände aus dem Vatikan selbst, leicht zu einer Bedrohung für Evangelistos werden können.

Inwiefern dieses Treffen tatsächlich als rein positiv zu bewerten war, oder er zur Spielfigur des Alten geworden war, blieb abzuwarten oder vielleicht für immer im Dunkeln.

Offensichtlich reichte Evangelistos Macht nicht aus, sich vor dem Schmied vollkommen zu verbergen. Insofern war das Machtgefälle zwischen den beiden stark zu spüren. Und doch weigerte sich der Grieche zu akzeptieren, dass er hier zum Bittsteller avancieren sollte.
Er war wegen Ziege nach Finstertal gereist und würde ihn nicht kampflos aufgeben. Und so antwortete er entschlossen: "Der Gefangene unterliegt der Obhut meines Clans. Eine Verwendung außerhalb des Wohles des Clans der Verborgenen ist ausgeschlossen."
 
Der Sammler stand in einer endlosen Galerie und betrachtete seine Sammlung. Bilder, Töne, abstrakte Formen, Namen, Daten, Gerüche, jeden nur erdenklichen Mumpitz und noch einiges mehr. Es war der schiere Zwang der Notwendigkeit gewesen, einen Teil seiner geistigen Bibliothek auszulagern. So ein Gehirn war leider nicht für eine Laufzeit von mehreren Jahrtausenden ausgelegt und manch eines war schon mit der Verarbeitung weniger Jahrhunderte überlastet.
Aber Schmidt war klug. Was für eine Verschwendung war es doch, die kostbare Leere junger Geister ungenutzt zu vergeuden. So hatte der Alte sich das Netzwerk des Wahnsinns zu Nutze gemacht, um einen Hort für all das zu schaffen, was er glaubte, vor dem Vergessen schützen zu müssen.
Und es war ganz anders, als man sich eine Bibliothek vorstellte. Vielleicht konnte man sie als das Gegenteil einer Tremere-Bibliothek betrachen. Bei den Zauberern war es leicht etwas zu suchen, weil alles hübsch ordentlich aufgereiht herumstand und auf den ersten Blick ganz unglaublich übersichtlich wirkte. Aber es war nicht leicht etwas zu finden, weil sich unter dieser Ordnung das gewollte Chaos befand. Alles voller Fallen, Barrieren, Zeitfenstern, Geistern und jeder Menge Hokus Pokus.
Bei Schmidt war es andersrum. Es war leicht etwas zu finden, so wie im Internet von heute. Die Kunst war hier das Suchen, damit man auch das Richtige fand.
Da war es gut, wenn man einen Link bekam und die Verbindung zu seiner eigenen Erinnerung stellte schließlich der Nosferatu selbst her. Viele begriffen das nie wirklich, aber die Kunst der Verdunklung war in erster Linie eine geistige Disziplin, von der die meisten aber nur wußten, das sie den Körper bis zur Unsichtbarkeit verändern konnte. Doch war sie viel eher dem Auspex verwandt, als der Künste der Lasombra, der Tzimisce oder der Gestaltwandelei der Tiere.
Verdunklung war, ich denke, also bin ich weg. Eine Ausbildung der Einbildung. Blutgefiltert, verstand sich.
Aber deshalb war es so günstig, das Evangelistos, jetzt wußte auch Schmidt endlich, woher ihm diese Dunkelheit bekannt vorkam, in der selben Richtung dachte. So rein war das vom Nosferatu erdachte Nichts, das für den Malkavianer schon die kleinsten geistigen Ausdünstungen zu schmecken waren. Und dieser Geschmack war es letztlich, der ihn zu seinen eigenen Erinnerungen führte.
Zum Beispiel zu diesem Gemälde. Anfang 15. Jahrhundert. Ein Mob hat das Rathaus umringt und es müssen auch schon welche drin sein, denn es dringt Lärm aus den geöffneten Fenstern. Dann folgen dem Lärm Körper. Einer, zwei, drei... bis hin zur Zehn. Das lebendige Gemälde ging aber noch weiter, weiter runter. Unter dem Rathaus nämlich, da lag der Nosferatu und badete in Rache, wie Siegfried im Drachenblut.
Das war sehr nützlich gewesen, wie sich Schmidt erinnerte. Ohne diese ganze Aufregung, die dieser Evangelistos verursacht hatte, hätte der Vatikan es nie für nötig gehalten, einige ihrer heiligen Klunkern aus ihrem Keller zu holen und eine dieser Klunkern hatte der Sammler damals dringend benötigt.
Ja, der wütende Nosferatu hatte ihm damals einen Gefallen getan. Vielleicht nicht mit Absicht, aber mit Erfolg. So zeigte das nächste Bild eine geistliche Streitmacht, die blutig gegen den Mob vorgeht und sich selbst, wie er der Kanalratte zur Flucht verhilft. Zu dieser Zeit hatten die beiden Kainiten noch keine Möglichkeit gehabt, eine gemeinsame Schnittstelle der Dunkelheit zu bilden. Irgendwann hatte Schmidt das auch kapiert und sich zu gewöhnlicher Lautkommunikation herabgelassen.
Da war es schon eng gewesen.
In diesem Licht betrachtet merkte der Sammler auf einmal, das er eigentlich nicht wirklich ein Interesse an diesem, er konzentrierte sich kurz auf den Menschen, ahhh Zieglowsky, also das er an diesem Zieglowsky im Grunde überhaupt kein Interesse hatte. Der kleine Olli hatte eines. Das hatte er vielleicht für einen Augenblick vertauscht.
Dann machte Evangelistos seine kategorische Aussage, die sich so kompromisslos anhörte, das sich Schmidt direkt zu einem fragend gesäuseltem,
"Aaaber ?" hinreißen ließ.
 
'Aaaber'. Der Schmied gab sich mit Evangelistos Statement also nicht zufrieden. Das war zu befürchten gewesen. Insbesondere da Evangelistos anfang etwas überstürzt geantwortet hatte, dass grundsätzlich alles käuflich sei.

Jetzt galt es seine Aussagen ins rechte Licht zu rücken.

"Für gemeinsame Bestrebungen hier in Finstertal bin ich durchaus zu haben." Der Nosferatuahn hatte zwar deutlichen Respekt vor einer Begegnung mit dem Alten. Alleine schon, weil er wusste, dass der 'Durst des Methusalem' kein Hirngespinst und Horroszenario von jungen Kainiten war. Die wahrlich alten Vampire wussten ihren Blutdurst teils nicht mehr unter Kontrolle zu halten. Blut schmeckte für sie dünn wie Wasser und sie lechzten nach dem nachhaltigen Geschmack echter Vitae.

Andererseits hatte man nicht oft die Chance mit einem Methusalem zu kommunizieren. Auch nur die kleinste Chance der Denkweise des Schmieds folgen zu können oder gar seine Pläne erahnen zu können, könnte ein unschätzbares Wissen bedeuten, von dem man womöglich jahrzente-, wenn nicht jahrhundertelang zehren konnte.
Kurzum: Diese Chance war nahezu jedes Risiko wert.

Es gab nicht mehr viele aktive Vampire in Evangelistos Alter. Vom Kaliber des Schmieds selbstverständlich noch viel weniger. Trotzdem wagte Evangelistos auch ein gewisses Interesse vom Schmied an ihm selbst voraussetzen zu können. "Ich würde dich gerne treffen" ergänzte eh daher. "Veni cum pace."

Out of Character
Oder was immer "Ich komme in Frieden" auf Latein heißt.
 
Das saß.
Gemeinsame Bestrebungen ? Wußte die Hässlichkeit etwa, was ER suchte ? Ein Zittern ging durch Schmidt und dem Sammler wurde bang. ER hatte sich geregt. Keiner wollte das. Der Sänger sang IHM etwas vor, der Spieler unterhielt IHN und der Sammler legte IHM die seltensten Stücke zu Füßen, aber niemand wollte wirklich, das ER erwachte.
Schmidt hatte sich gut an seine allgegenwärtige Paranoia gewöhnt und manchmal nahm er sie schon garnicht mehr wahr, wenn es jedoch um SEINE Ziele ging...
Schmidt besah sich den Zieglowsky. Nein, er hatte ihn nicht verwenden wollen, nur sammeln. Aus dafke. Außerdem wäre so ein Zieglowsky die perfekte Dauerwurst für den Kainiten mit langem Schlaf. Man tat seinen Zieglowsky in den Schrank, legte sich hundert Jährchen hin und hatte gleich etwas, womit man seinen Durst löschen konnte. Vielleicht mochte man auch einen Tzimisce zur Verzweiflung bringen, aber sonst...
Und von keinem von allem würde der Zieglowsky sterben. Außerdem gefiel ihm der Name. Zieglowsky. Zieglowsky, Zieglowsky. Hübsch. Eigentlich sollte jeder seinen Zieglowsky haben und Schmidt gönnte Evangelistos den seinen. Der Nosferatu ging vielleicht noch seltener unter Leute als er selbst, obwohl er länger wach war.
"Nein, lieber nicht," kam es von Schmidt in einem Anfall von Offenheit, "ich weiß nicht, ob ER es könnte. Aber vielleicht, kann ich diesmal dir einen Gefallen tun..."
Aber einen Kleinen, der IHN nicht aufweckte und den Nosferatu anderweitig beschäftigt hielt.
 
'Diesmal dir einen Gefallen tun'? Das hieß, dass Evangelistos zuvor schon für ihn tätig gewesen war. Unbewusst. War er also benutzt worden oder hatten sich ihre Ziele nur gedeckt? Und wann war das gewesen?

Und treffen wollte er sich nicht. Aus Angst? Gefiel er sich als stiller Beaboachter einfach besser? Evangelistos gefiel das weniger. Er hatte keine Lust paranoid zu werden, weil der mächtige Schmied ihm jederzeit bei seinen Tätigkeiten zusehen konnte. Vielleicht war so etwas aber sowieso Tatsache. Und damit um so interessanter wie man in diese Liga aufsteigen könnte.

Und dann sagte er noch 'Ich weiß nicht ob ER es könnte'. ER? Wer war das? Der Schmied selbst oder ein ständiger Begleiter? Hieß das, dass der Schmied sich gar nicht mehr unter fremden Vampiren aufhalten konnte? Oder galt das nur für das Treffen auf sehr machtige Vampire?
Evangelistos kam eine Idee. Wenn 'ER' das Tier - das animalische kainitische Sein - des Schmieds war, dann hatte er vielleicht tatsächlich Angst. Angst seine uralte Existenz selbst aufs Spiel zu setzen.
Aber das wäre vermessen und überheblich.

Vielleicht stand das 'ER' auch für andere Kainiten seines Kalibers, die auf den Plan gerufen werden könnten, wenn der Schmied mit ihm gemeinsame Sache machen würde und dieses Machtpotenzial die kainitische Gesellschaft und das ruhende Blut der in Starre liegenden Ahnen in Wallung bringen würde.

Gehenna? Ging es darum?

Wichtig war aber auch, dass er einen Gefallen zu tun anbot. Egal was zuvor gewesen war, war das ein so unerwartetes Geschenk, das Evangelistos nicht ausschlagen konnte. Irgendetwas in Evangelisto sschrie 'Falle'. Aber dazu war das Angebot zu plump. Das wäre als hätte Evangelistos nach seiner unsäglichen Vorstellung hier in der Stadt die Obrigkeit zu einem Spaziergang im Stahlwerk eingeladen.

Der Grieche sagte überzeugt "Gerne!"

Dann befielen ihn die ersten Zweifel.
Sollte er einen Wunsch äußern? Wusste der Alte eh, womit er sich momentan beschäftigte?
Konnte er sich die Preisgabe des Standortes des Bildnisses wünschen, zu dem Zieglowsky eine Bindung hatte? Konnte er Unterstützung gegen die Tremere wünschen?Unterstützung gegen die Regierung der Stadt?
Das war alles wiederum so plump. Eigentlich passend zu dem Angebot des Methusalem. Aber dadurch auch anmaßend. Wenn der Vorstandschef zu seinem Parkwächter plump war, dann hatte das irgendwie mehr Berechtigung als andersrum.

Er würde es bei den 'Gerne' belassen und seinem Beobachter überlassen, wie er diesen Wunsch erfüllen mochte. Ehrliche Freude ob des Angebots mochte sich noch nicht einstellen. Der kritische Teil Evangelistos blieb wachsam.
 
Der Nosferatu sagte 'Gerne'. Und das wars. Also nahm Schmidt alles gesagte, dann alles nicht gesagte, machte bunte Bälle daraus, jonglierte damit, wog es dabei gegeneinander ab und beschloß, sich auf das nicht gesagte zu konzentrieren, weil das reichhaltiger war. Aus diesem Ungesagten knetete er einen Teig, den er ganz dünn drückte, bis man die Realität dadurch sehen konnte. Doch durch den Filter des Ungesagten sah Schmidt dort Dinge, die andere nicht sahen.
Jaja, das war oft so. Die Leute hatten sich so daran gewöhnt, mit ihren Worten den Zweck eben jener zu verschleiern und zu verdrehen, das es häufig viel wichtiger war, was sie nicht sagten. Eigentlich war das Ungesagte sogar der Hauptbestandteil der ganzen Kommunikation. Das Gesagte war, ähnlich Materie und Energie, die eine Geringfügigkeit im Vergleich zu dunkler Materie und dunkler Energie, welche die enorme Menge an Ungesagtem repräsentierte.
Und Evangelistos hatte sehr viel nicht gesagt.
Schmidt fiel nur eine Art ein, wie er der armen Hässlichkeit einen Gefallen tun konnte. Er sang ihm etwas vor.
"Gut, dann geb ich dir einen Rat. Du kannst so weitermachen, aber bedenke folgendes."
Dann begannen die Gefühle des Alten an Evangelistos' Dunkelheit zu zupfen und zu pochen, bis ein Lied daraus wurde.



Als das Lied vorbei war, konnte man nichts mehr vom alten Malkavianer hören. Man konnte nichts sehen, hören, schmecken oder fühlen. Das Nichts, das der alte Nosferatu erschaffen hatte, war wieder so ruhig und leer wie vorher. Vielleicht war die Stille auch ein klein wenig lauter, aber das konnte Einbildung sein.
Schmidt war weg, hatte Evangelistos etwas vorgesungen, das einen Gefallen genannt, dann einen Abgang gemacht wie er gekommen war und Zieglowsky hatte nichts mitbekommen.
 
Out of Character
Hab hier keinen Ton, muss ich mir später anhören. Fahre aber gleich zum jährlichen Pfingst-Rollenspielen, wird also erst nächste Woche was.
 
Out of Character
Sorry


Evangelistos war sich nicht sicher. Wie konnte er auch?

Er würde sich darüber noch einige Gedanken machen. Bis jetzt hielt er es für eine Art Gehenna-Chaostheorie. Das konnte wiederum vielerlei bedeuten. Da es als Rat formuliert war, schien es zu bedeuten, dass man die Auswirkungen seiner Taten nicht immer vorausahnen konnte. Insofern wäre es eine Ermahnung zu mehr Umsicht.

Danach war Leere in und um den Griechen herum. Der Alte schien weg zu sein. Wann würde er wiederkommen? Würde er das überhaupt?
 
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