[12.05.2008] - Promnight

Eldrige

Zombie-Survival Experte
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Unter der sternenbestickten Kuppel der Nacht lag die Villa von Oliver Buchett so majestätisch da wie immer. Sicher, sie hatte einen Kratzer abbekommen als vor einigen Nächten ein erfolgreicher Einbruch einen ersten Makel in die Unantastbarkeit dieses Sinnbildes geschlagen hatte, aber auf lange Sicht würde das wohl eher ein markanter Schmiss in ihrer Geschichte werden und keine entstellende Narbe. Zuletzt noch hatte sie sogar ihrem jetzigem Besucher ein wenig Tost gespendet, als sie sich trotzig gegen den seuchengrünen Himmel, der von der Rückkehr des Koldunen Zacharii in ihre Welt dräunte, gestemmt hatte wie eine Trutzburg.

So wie bei jedem seiner Besuche hier, hatte Lurker sich ungesehen durch die sorgsam gepflegte Gartenanlage geschlichen und stand nun auf einer kleinen Terrasse des Gebäudes, das von punktgenau gesetzten Strahlern in ein sanftes, warmes Glühen getaucht wurde. Es hatte zuletzt bemerkt, dass die Lady Noir nicht darauf angewiesen zu sein schien, dass er vorsichtig vor die Fensterscheiben klopfte. Also stand er einfach nur an einer kunstvollen, wie Perlen schimmernden Säule und wartete, dass sich irgendwo ein Einlass für ihn öffnen sollte. Er wollte die Seneschall, unter diesem Titel führte der Verborgene die Frau von Oliver Buchett tatsächlich noch in seinem geistigem Katalog der Stadtbewohner, noch vor dem Ball über einige Dinge informieren.
 
Luker musste nicht sehr lange warten. Einige Minuten vergingen, da öffnete sich die Terassentür im hinteren Teil des Villa. Noir trat einen Schritt heraus und nahm ein, zwei tiefe Atemzüge. Die Luft war frisch klar und sauber. Auch wenn sie nicht mehr atmen musste, sollte man nicht vergessen das diese überaus mächtige Frau erst vor wenigen Tagen gestorben war.

"Guten Abend Lurker, komm doch bitte herein!"

Sie schenkte der Dunkelheit ein Lächeln, denn obwohl Noir wusste dass sie Besuch bekommen hatte, so wusste sie doch nicht wo genau er sich in dieser Sekunde aufhielt.

Wenig später trat sie wieder ins Innere und machte es sich auf ihrem Sofa bequem.
 
Es war angenehm alleine zu sein mit der Dunkelheit. Seine Finger glitten über die Säule an der er lehnte, einfach nur weil es für wenige Augenblicke nichts zu tun gab. Erstaunt stellte er fest, dass die Oberfläche nicht glatt war, wie ihr Glanz vermuten ließ, sondern eine feine, geäderte Struktur hatte. Die langgliedrigen Finger von der Farbe gebleichter Knochen folgten den Linien, die nur gerade erhaben genug waren um sie zu spüren. Erstaunt stellte er fest, dass es kein regelmäßiges Muster zu sein schien. Er konnte zumindest keines ertasten. Der Nosferatu besah sich die zahlreichen Säulen. Er konnte sich kein Werkzeug vorstellen, das fein genug war um solche Linien herauszuarbeiten. War am Ende wirklich jede dieser Säulen eine Handarbeit? Wie alt mochte dieses Gebäude wohl sein? Eigentlich sah es recht modern aus.

Der Nosferatu wurde schnell von seinen Grübeleien abgelenkt, als die Gastgeberin zu ihm hinaus trat. Kurz betrachtete er das Funkeln des Lichtes in ihren Haaren, dann löste er sich aus dem Schatten und folgte der Lady Noir ins Innere. Er wartete bis sie saß und grüßte sie dann mit einem Diener, der allerdings linkisch wirkte. Es war mit Lurkers Körperbau und Habitus kaum möglich eine elegant wirkende Verbeugung hinzulegen. Zumindest nach weiter verbreiteter Ästhetik. Die Absicht hinter der Geste musste reichen, wo die Ausführung hinter hinkte.

Guten Abend Mylady.

Man hätte meinen können der Verborgene hätte sich für diesen Besuch in Schale geschmissen, denn anstelle der schmutzigen, schäbigen Kleidung und des abgewetzten Ledermantels, steckte Lurker in einem dunklem Anzug, über den er einen dunkelgrauen Wollmantel trug. Kurioserweise mit einer Kapuze daran. Es war nicht recht zu erkennen woraus genau sich die Kleidung zusammensetze und wie der Nosferatu es vollbracht hatte gewöhnliche Kleidung an seinen Körperbau anzupassen. Wer ihn allerdings schon länger kannte, hätte bemerken können, dass dies nicht die gewöhnliche Kleidung war, die er zu derartigen Anlässen trug. Hut und Schal, sowie der in Doppelreihen geknöpfte Anzug, waren dem jetzigem Aufzug gewichen. Ob das nun etwas aussagen sollte, oder überhaupt eine Bedeutung hatte, war bei einem Wesen wie dem Verborgenem allerdings kaum zu sagen.
Offensichtlich hatte er sich schon für den Eröffnungsball der neuen Führerschaft angezogen.

Wie ist es dir ergangen? Ist alles in Ordnung?

Es kostete ihn nur eine kurze Überwindung auf das vertraulichere 'Du' zu wechseln, dass die Seneschall eingeschlagen hatte. Wenn sie es sich so wünschte, würde er kein großes Aufheben darum machen, indem er diese Anredeform vorschlug, oder überhaupt ein Wort darüber verlor. Sie war die Dame, sie wählte.
Was ihn ungleich später überraschte, war die Milde und Umsicht, die sich in seine kaputtes, krächzendes Leiern schlich, als er fort fuhr.

Brauchst du etwas?

Wann war denn aus einem günstigem Verbündetem und einer Zweckgemeinschaft plötzlich Fürsorge geworden? So als gehörte sie zu einem Personenkreis der ihm näher stand?

Weil sie nicht auf diese verdammte Feier eingeladen ist, als einzige Untote dieser Stadt. Sogar Kanalratten und Caitiff werden da sein. Und für sie muss das etwas furchtbares sein.

Kaum arbeitete der Verstand des Verborgenen wieder normal, waren auch alle Verknüpfungen und Register wieder in Funktion und taten rasend ihren Dienst, so dass er selber analysieren konnte, was eben noch eine wage Ahnung war. Erschrocken verstummte er und sah auf Magdalena Buchett. Hatte sie bemerkt, was er annahm?
 
Lurker lag mit seiner Vermutung gar nicht so falsch. Die Stadt hatte der Toreador den Rücken zugekehrt. Alle hatten sich von ihr abgewandt, man hatte sie des Seneshallpostens enthoben, sie als Primogen abgesetzt und ihr sogar den Status als Ahn aberkannt. Sie stand unter Hausarrest und kurz vor einer Verhandlung, die im schlimmsten Fall sogar mit ihrer Vernichtung enden konnte. Und das alles geschah ihr, die sie über Jahrzehnte das Cafe de Trois betreut hatte, die sich mit aller Kraft und aller Überzeugung für die Stadt und ihre untoten Bewohner eingesetzte hatte. Sie war eine Ghul gewesen zu dieser Zeit. Die erste Ghul, die große Liebe des Prinzen von Finstertal.

Dann war sie gestorben, wiedererweckt worden und alles war schief gegangen.

Wie auch immer, die Zahl der Personen der Noir noch wirklich vertrauen konnte war gering. Sicher, Helena hielt zu ihr und selbst die Regentin hatte ihren Anstandsbesuch abgeleistet. Aber nur Lurker war es gewesen, der sie besucht und zu ihr gehalten hatte, als alle anderen in ihr nicht mehr gesehen hatten als ein besessenes Monster.

Sie sah zu dem Nosferatu hinüber. Dankbarkeit lag in ihren Augen.

„Derzeit nicht! Ich kann nicht sagen, dass ich zufrieden oder glücklich wäre, aber ich komme zurecht. Man hat mir gesagt, dass es eine Verhandlung bezüglich meiner Verfehlungen geben wird. Natürlich nur um meinen Leumund reinzuwaschen. So sagen sie….“

Ein gequältes Lächeln huschte über ihre Lippen.

„Aber deswegen bist du nicht hier, oder? Nicht nur zumindest! Was kann ich für dich tun.“

Sie hob die Brauen, als sie verstand.

„Oder halt nein, ich bin dumm! Du bist hier, weil es Neuigkeiten gibt? Richtig? Etwas das du mit mir besprechen musst, was ich wissen sollte… aber auch etwas über das du meine Meinung erfahren möchtest. Nicht wahr?“
 
Für manchen wäre es vielleicht eine wichtige Frage gewesen, ob sie Lurker, oder Dinge wie Lurker, nicht gerade deswegen angezogen hatte weil sie plötzlich ein Monster für die anderen Monstren geworden war. Sicher, Bestien waren sie alle. Lauernde, räuberische Kreaturen. Aber nicht viele umwehte dabei noch jener besondere, verdorbene Hauch. Was war man, wenn die anderen Monster einen fürchteten?
Vielleicht war es aber auch egal. Immerhin gehörte man plötzlich irgendwo hin. Ein seltsamer Trost, aber oftmals mehr als viele Andere hatten.

Als die Seneschall von ihrer Verhandlung sprach winkte der Nosferatu einfach nur verächtlich ab. Nicht weil es absurd war, dass man sie bezüglich der Zielsetzung einer solchen Farce anlog, sondern weil er die ganze Verhandlung an sich lächerlich fand. Niemand derjenigen die sich als Richter aufspielen wollten war hier gewesen und hatte mit geholfen. Keiner hatte gekämpft, so wie sie es getan hatten. Schon zum zweiten Mal. Und zum zweitem Mal kamen die Archonten erst hinterher zu ihnen um dann im Anschluss Befragungen durchzuführen und allen zu erzählen wie sehr sie doch um das Wohl aller besorgt wären.
So musste sich ein Soldat fühlen, der in einem Schützengraben bis zu den Knien in einer Mischung aus Blut, Pisse und Scheiße, sowohl von sich selber, als auch seiner Kameraden gelegen hatte, auf den Geschossen wurde und der den Rest seines Lebens versuchte die Gesichter der Unschuldigen, die in einem Feuergefecht gestorben waren, an dem er sich beteiligen musste um am Leben zu bleiben, mit billigem Schnaps wegzuspülen, und dem man dann, wenn er seinen Dienst geleistet hatte, Daheim plötzlich erklärte er passe jetzt nicht mehr in die Gesellschaft und überhaupt würde man das mit dem Krieg jetzt völlig anders sehen.
Wenn man nahe genug dran war, sah Krieg immer gleich aus. Soviel hatte der Nosferatu in dieser Stadt gesehen.

Sollten sie sie anklagen. Manche hatten einfach ein tiefes Bedürfnis danach sich strampelnd und kreischend lächerlich zu machen. Er hatte ihr bereits angeboten sie hier heraus zu bringen, wohin auch immer sie wollte. Sie hatte sich dazu entschieden hier zu bleiben und den hohen Herren die eigenen Unzulänglichkeiten auf dem Silbertablett zu präsentieren. Stray hätte sicher dasselbe getan. Was für eine absurde Ähnlichkeit.

Verflucht sei euer Stolz. Und gelobt. Er macht euch beide wunderschön.

Aber tatsächlich war er nicht nur hier um sie am Ballabend ein wenig aufzumuntern, sondern weil er sie Informieren wollte, was sich getan hatte, seit jenem Abend an dem sie Zacharii endgültig vernichtet hatten. Mal wieder.
Sie erntete also eines jener alptraumhaften Lächeln aus viel zu vielen, schartigen Zähnen, die sich plötzlich im Dunkel der Kapuze auftaten, als sie erkannte, dass es Neuigkeiten gab.

So ist es. Wir haben Zieglowski. Er befindet sich nicht länger in der Hand der Hexer, sondern ist jetzt Eigentum der Nosferatu und wir haben nicht vor ihn gut gelaunt durch die Straßen spazieren oder uns von ihm auslachen zu lassen. Er ist versteckt und bleibt es, bis wir wissen wie wir mit ihm verfahren werden.

Der Verborgene endete gut gelaunt, erkannte dann allerdings, dass er zwar hier her gekommen war um seine Verbündete zu Informieren, aber tatsächlich auch hören wollte, was sie zu sagen hatte. Sie kannte Zieglowski schließlich schon ziemlich lange.
 
"Wusste ich es doch!"

Sie schenkte sich selbst ein trimuphierendes Lächeln.

"Als Caitlin McKinney vor meiner Tür stand dachte ich erst die Tremere hätten ihn und wollten nun erfahren was sie mit ihm anfangen sollen. Aber sie schien nichts dergleichen wissen zu wollen. Auch sonst tauchten keine Fragen auf und wen sonst sollte man aufsuchen um mehr über das Geheimnis hinter Ziege zu erfragen als mich? Vielleicht noch Frau Schmidt, aber auch die gilt gemeinhin als verschollen. Wie auch immer, es freut mich das dieser Widerling bei euch gelandet ist! Lass mich dir etwas dazu sagen! Bedenkt das dieser Kerl nur der Effekt eines unbeschreiblichen Wunders ist, nicht das Wunder selbst oder sein Ursprung! Ziege ist der Schatten an der Wand den eine Glühbirne wirft. Er hat nicht das geringste mit dem von ihr erzeugten Licht zu tun, er nutzt es nur für seine Zwecke! Das mag ihn bedrohlich erscheinen lassen, wenn außerhalb des Lichts nichts als Schwärze ist, doch hat er auch mit dieser nichts zu tun. Und genau das ist es, was ihr verstehen müsst! Ziege ist ein Schmarotzer mit ausgeprägtem Ego. Nutzt ihn um die Glühbirne zu finden und dann bei Kain und allem was dir heilig sein mag: Zerstört dieses verfluchte Ding!"

Es kam nur ausgesprochen selten vor, das Noir die Gesichtszüge entgleisten, aber als sie den letzten Satz sprach fiel es ihr sichtlich schwer ihn nicht herauszuschreien.
Das Gemälde hatte nur Unglück über diese Stadt, ihren Mann und auch sie selbst gebracht.

"Verzeih das Gleichnis, Lurker! Aber ich kann es nicht anders beschreiben...."
 
Das Lächeln der eleganten Frau war selbst für den Nosferatu ansteckend. Allerdings verschwand es aus seinem Gesicht, als er ihren weiteren Ausführung lauschte und machte Verblüffung Platz. Hatte die Frau des Rosenprinzen ihn gerade angehalten das Bild zu zerstören? Sicher, es war mindestens Enio Paretos bevorzugte Methode um den Luden ein für alle Male in seine Schranken zu verweisen. Selbst wenn Zieglowski nicht der letzte, bekannte Sklave des Tzimiscen wäre, würde der Spaghetti es ganz sicher vernichten, einfach damit er dem Blutsklaven nachhaltiger die Faust in sein dreistes Grinsen schmettern konnte. Ein Impuls der durchaus verständlich war, wenn man dem Menschen länger als zwei Minuten am Stück zu hörte. Anscheinend hatte er sogar die Noir ordentlich geärgert.

Ich glaube es muss schon ein wenig mehr an ihm dran sein. Er wirkt auf mich immer sehr bemüht seinen Anschein zu wahren. Sicher ist er ein grober, ungehobelter Mistkerl, aber mir macht er nicht weiß, dass er so dumm ist, wie seine Fassade einen glauben lassen will. Irgendetwas muss außerdem auch an ihm dran sein. Etwas das sein Blut betrifft. Die Hexer hätten ihn ganz sicher nicht durch die Stadt laufen und den großen Macker spielen lassen müssen, nur um das Bild zu studieren. Wenn er so unwichtig gewesen wäre, hätten sie ihn einfach weg gesperrt.

Warum war nur in letzter Zeit jeder so erpicht darauf ihm zu erklären wie unwichtig dieser Mensch war, den jetzt doch alle jagten und der all diese Jahre seine zentrale Rolle spielen durfte? Vermutlich reichte allein die Tatsache dass es so war aus, um Lurkers Misstrauen zu schärfen. Sein Instinkt sagte ihm etwas anderes und am Ende aller Dinge war es eben jenes Bauchgefühl gewesen, dass ihn seit Jahren durch diese mörderische Stadt lavierte, wo andere in den Schlund der Hölle gerissen worden waren. Er wäre dämlich, wenn er sich jetzt nicht darauf verlassen würde.

Der größte Trick des Teufels ist es, dass er alle Welt glauben ließ es gäbe ihn gar nicht.

Sarah Schmidt ist nicht länger untergetaucht. Sie sollte mittlerweile wieder auf dem Schrottplatz angekommen sein.

Ja, auch für ihr Verschwinden war also der Nosferatu verantwortlich und anscheinend hatte er auch noch Zugriff auf diese Ressource. Fleiße, kleine Ratte. Sicher konnte man sich elegantere Verbündete wünschen. Welche mit denen man auch hausieren und angeben konnte. Aber unter Monstern galten wohl andere Parameter.

Aber natürlich gelten unsere Anstrengungen nun dem Bild. Wenn es etwas gibt von dem du glaubst, dass es uns helfen kann, immer her damit. Wir operieren im Augenblick ohnehin an der Stadtführung vorbei.

Wie du es immer am liebsten getan hast, nicht wahr? Du böser, kleiner Rebell.

Der Unterschied war nun aber, dass er nicht mehr zur Prinzentreue gezwungen war. Dadurch dass er Ziege einkassiert hatte und dessen Geheimnis nun eine wichtige Clansangelegenheit war, galten die alten Parolen nicht mehr, die für ihn ausgegeben worden waren, seit man Lurker wieder in die Stadt geschickt hatte und diese 'dumme, kleine, Sabbat Angelegenheit' aus der Welt geräumt hatte. Man hatte ihm deutlich zu verstehen gegeben wo man ihn und Clan Nosferatu in Finstertal hatte sehen wollen damals. Ein Teil von ihm aber war mehr als nur ein wenig glücklich, dass diese Sache nun obsolet war.
 
"Ja liegt denn Zieges Bedeutung nicht auf der Hand? Sicher ist sein Blut etwas ganz besonders kostbares! Nur deswegen wurde er erwählt! Nun lebt er ewig und niemand weiß warum! Niemand, verstehst du Lurker? Niemand.... außer ihm selbst! Ziege war dabei als das Bild erschaffen wurde und es heißt, er wäre neben Zacharii der Einzige der weiß wie das Gemälde funktioniert! Leider wird Folter nicht funktionieren! Das haben schon ganz andere, mit ganz anderen Mitteln und mit wesentlich mehr Zeitaufwand probiert! Deshalb lässt man ihn laufen, weil dies als einzige Möglichkeit scheint ihn irgendwann zum Reden zu bringen. So zumindest dachte Oliver! Allerdings auch erst, nachdem Johardo und er Ziege über ein ganzes Jahrzehnt aufs grausamste gefoltert und maträtiert hatten. Damals fürchtete ich, dass die beiden ihr letztes bisschen Menschlichkeit verlieren und Ziege am Ende als Sieger hervorgeht. Stell es dir vor Lurker! Ein Gefangener, ein Opfer das durch seine Sturheit allein seinen Folterknecht in den Wahnsinn treibt! Daher seine Immunität gegen all unsere Kräfte! Ziege mag ein widerlicher Mistkerl sein, aber sein Geist wurde über die Jahrhunderte gestählt! Auch du wirst ihn nicht zum reden bringen und egal was du ihm anzutun gedenkst, es ist nichts im vergleich zu dem was man ihm schon angetan hat!"

Sie sah dem Nosferatu in die Augen.
Oder besser dorthin wo sie seine Augen vermutete.

"Vielleicht ist er ja genau deswegen so ein Arsch?"

Ein schmales Lächeln folgte den Worten...
 
Der Nosferatu hob ein wenig den Blick, so dass sein Gegenüber zwei fahle Flecken in der Schwärze der Kapuze wahrnehmen konnte. Schwer zu sagen, ob die immer da waren, oder ob Lurker den Kopf in eine bestimmte Richtung drehen musste, damit sie auffielen. Genauso gut mochte es aber auch irgendein Trick der Verborgenen sein, wieviel man von ihm zu sehen bekam. Zumindest schien die Dunkelheit unter der Kapuze nicht immer unbedingt dem gewöhnlichem Spiel von Licht und Schatten unterworfen zu sein. Oder es war alles viel banaler und das Kleidungsstück war einfach tief genug geschnitten und die Kanalratte spielte einfach nur ein wenig mit dem Ruf seines Clans. Als er antwortete, transportierte seine heiser krächzende Stimme milde Belustigung und kompensierte die fehlende Mimik.

Ja, vermutlich. Aber ich glaube kaum das er vorher ein wahrer Sonnenschein war.

Ein Tzimisce, ganz besonders einer von Zachariis krankhafter bösartigkeit, nahm sicher keinen gutherzigen Samariter mit dauer Animateur Laune in seine Dienste. Der Gedanke an Buchett und Johardo und erst recht an die Dinge die sie dem Menschen in all den Jahren angetan hatten, wischte das leise Amüsement das sich eingestellt hatte dann aber gründlich weg und hinterließ die Erinnerung an ein inneres Frösteln, dass einem Lebendem sicherlich eine Gänsehaut über den Körper hätte laufen lassen. Gleichzeitig eröffnete dieses Gespräch mit der Lady Noir aber auch einen völlig anderen Blickwinkel auf Zieglowski. Plötzlich kam ihm eine Idee, wie man mit dem Blutsklaven umgehen sollte. Sicher, Buchett und Johardo hatten Jahrelang an ihm herumexperimentiert, und plötzlich glaubte der kleine Nosferatu schlauer zu sein als diese beiden mächtigen Ahnen? In seinem Innerstem hielt er sich zumindest für gewitzter und Bauernschläue siegte in der echten Welt nunmal häufig über echte Intelligenz, aber gerade ging es ihm noch nicht einmal darum. Tatsächlich lag seine Idee in der Frage selber.

Hielt er sich für schlauer als der Rosenprinz? Oder als den Hexenprofessor? Nein, absolut nicht. Aber er musste es auch gar nicht sein, weil er gar nicht die Antwort war. Sein Geistesblitz war nach Außen hin nur durch ein selbstbestätigendes Nicken sichtbar. Tatsächlich, das Gespräch hatte ihm geholfen, obwohl er gar nicht mit der Absicht hier her gekommen war um Hilfe zu bitten. Oft war ein Gedankenanstoß wertvoller als eine lehrreiche Lektion. Möglich das die Seneschall bemerkte, dass sich gerade etwas in dem Nosferatu in Gang gesetzt hatte. Nun wollte Lurker auch etwas für sie tun. Allerdings musste er dazu seinen ganzen Mut zusammen nehmen und er war sich noch nicht einmal sicher, ob sich Magdalena Buchett nicht eher verhöhnt, verspottet und beleidigt fühlen würde, aber er wäre ein jämmerlicher, ekeliger Feigling, wenn er es nicht versuchen würde.

Ich fürchte die Zeit holt mich ein, ich habe noch Verpflichtungen.

Er deutete mit einer knappen 'man-sieht-ja-was-passiert-ist' Geste an sich herunter. Dann nahm er mentalen Anlauf um mit einem großem Satz über die Mauer aus Hemmnissen und Furcht hinwegzusetzen. Entweder machte er ihr damit zumindest eine kleine Freude, oder sie würde ihn angeekelt hinaus bitten, oder sich gleich vor Lachen krümmen. Wäre er lebendig gewesen, hätte er jetzt sicherlich schwer Schlucken müssen bei dem Versuch vor dem Sprechen diesen riesigen Brocken herunter zu bekommen, der seine Kehle verstopfte. Seine Stimme vibrierte nur ganz fein mit einem Timbre aus Angst und Scham, als er weiter sprach.

Aber ich habe mir gedacht...vielleicht...also...möglicherweise...darf ich dich um den ersten Tanz des heutigen Abends bitten?
 
Noirs Blick wurde traurig, so traurig wie nur eine Toreador schauen konnte, wenn über Feste und Tanz gesprochen wurde und sie das einzige Kainskind in der ganzen Stadt war, das nicht eingeladen war. Lurker hatte bestimmt nicht absichtlich in der Wunde gerührt und vermutlich hatte es ihn eine ganze Menge Kraft gekostet, die Frage zu stellen.

Sie schüttelte den Kopf, langsam verhalten.

"Oh, mein lieber Lurker", sagte sie dann. "Ich würde es mit Vergnügen tun, doch leider bin ich nicht eingeladen. Jeder, wirklich jeder hat eine Einladung bekommen, nur ich nicht. Vermutlich werden alle froh sein, dass ich nicht da sein werde."

Sie schluckte.
 
Echte Erleichterung füllte die Brust des Verborgenen mit einer wohligen Hitze. Weder wurde er angeekelt vor die Türe gewiesen, noch schien es als wollte sich die Seneschall in Spott ergehen. Wahrscheinlich war die Formulierung dass es ein Vergnügen wäre mehr als nur ein wenig übertrieben und nur eine Floskel, spätestens wenn man bedachte, dass er ein absolut durchschnittlicher Tänzer war und sein Körper mehr als nur ungeeignet war diese Tatsache zu kompensieren, aber es war ein Ja. Lurker wandte sich in die Himmelsrichtung der Kunstakademie in welcher der Ball stattfinden sollte und machte eine wegwerfend, verächtliche Handbewegung über seine Schulter.

Aber doch nicht da...wo es sowieso alle nur für den Schein und das Gesellschaftliche Ansehen tun..Ich meinte....hier. Wo es wirklich zählt.

Damit griff er unter seinen Mantel und brachte einen tragbaren Kassettenrecorder zum Vorschein. Kein großes, oder gut klingendes Modell, eher so etwas wie man in einem Kinderzimmer vermuten würde. Sein Finger drückte die Taste zum Abspielen hinunter und eine tanzbare Version eines modernen, aber wehmütigen Liedes erfüllte den Raum. Ob der Titel mit Absicht gewählt war, oder es ein Zufall war das er zu dem passte, was der Nosferatu gesagt hatte?
Zumindest hatte er sich an Lena Buchets Auftritt bei der Eröffnung des 'Black Hammer' erinnert und daraus geschlossen, dass sie moderner Musik gegenüber aufgeschlossen war.
Es war peinlich, es war ein wenig schäbig, so wie man Geste von einem Nosferatu wahrscheinlich erwarten würde als Toreador. Man hätte es vermutlich mit einem 'er-war-stets-sehr-bemüht' bezeichnen können.

Aber auf ihre eigene Art konnte sie so tatsächlich den ersten Tanz und vermutlich auch Lurkers einzigen Tanz des heutigen Abend haben. Aber zählte das etwas, wenn es überhaupt niemand wusste?
Oder war es ganz anders und es zählte überhaut nur deshalb?

Schüchtern, ein wenig zitternd sogar, bot die Kanalratte der wunderschönen Frau des Prinzen seine Hand an.
 
Noir lächelte schmal, dann glitt ihr Blick schüchtern nach unten.
Langsam, jedoch ohne jedes Zögern, trat sie auf Lurker zu. Vorsichtig, als handele es sich dabei um etwas zerbrechliches, ergriff sie die Hand des Nosferatu. Selbstverständlich spielte Magdalena eine Rolle, aber sie war eine Toreador und tat dies an vierundzwanzig Stunden des Tages. Es ging bei dieser Maskerade nicht darum, Lurker etwas vorzugaukeln, es ging einzig und allein um Perfektion. Lurker hatte nicht nur um einen Tanz gebeten, er bat die gefallene Seneshall um einen besonderen Moment und eben diesen gedachte sie ihm zu schenken.

"Auch das wo ist nicht von Bedeutung! Alles was zählt ist mit wem man diesen Moment verbringt."

Wie automatisch begann die Toreador zu tanzen. Sie beherrschte jeden Schritt in Perfektion. Jede Bewegung, das harmonische Zusammenspiel von Fuß, Bein, Hüfte, Becken. Sie würde Lurker die Führung überlassen und sich seinen Schritten anpassen, aber sie hatte Mittel und Wege um dem Nosferatu das Gefühl zu geben ein guter Tänzer zu sein und diese würde sie einsetzen. Magdalena gab sich den Klängen hin. Eigentlich hätte sie von Lurker abgestoßen sein müssen, aber sie trug die Erinnerungen einer Lassombra in sich. Sie hatte das ultimative Grauen gesehen. Der allumfassenden Schwärze des absoluten Nichts, die Dunkler war, als es irgendein irdisches Ding je hätte sein können. Diese Schwärze allein war der Beweis das es Dinge gab, die den Glauben an eine göttliche Entität zu einem faden Scherz verkommen ließen. Es gab nur das Nichts, denn die einzig wahre Unendlichkeit, verbarg sich darin... dahinter... Die Antwort darauf konnte nur geben, wer sie einst geschaut hatte. Wer einst seine Seele mit dieser vernichtenden Erfahrung gefüllt hatte, der war durch die perfinden Schrecken der Menschheit nicht mehr zugänglich.

Außerdem war Lurker ein wahrer Freund und das war ein seltenes Gut in Nächten wie diesen.

"Zieglowski muss sterben! Die Tremere werden niemals aufgeben, nie aufhören nach ihm zu suchen. Lässt du ihn leben, werden sie jeden Stein in dieser Stadt umdrehen und wenn nötig auch vor deiner Vernichtung nicht zurückschrecken. Ich will dich nicht erschrecken, aber es ist wichtig. Und nicht nur die Hexer werden dich jagen, auch mein Mann wird es tun. Sofern er noch lebt, und ich bin sicher dass es so ist, dann wird er die Macht zurückerlangen und danach in alte Gewohnheiten verfallen. Auch er wird Ziege haben wollen und Lurker, vergiss bitte nie das er die Mittel hat dich zu zwingen. Er wird in deinen Geist eindringen und deinen Widerstand brechen wie einen dünnen Ast."

Sie stockte kurz.

"Ich liebe Oliver, weißt du? Einst war er der liebevollste Mann den man sich nur denken kann. Auch als Kainit. Dann hat ihn der Gedanke absoluter Unsterblichkeit in den Wahnsinn getrieben. Nur wenn Ziege tot ist, kann er wieder der werden, der er einst war..."

Sie lächelte aufrichtig.

"Nicht! Keine Antwort. Ich habe gesagt was ich musste, nun da du es weißt ist jedes weitere Wort unnötig. Ich will dich nicht manipulieren, bitte glaub mir das. Es wäre nur so schön, wenn dieses Leben das wir führen ein wenig besser werden könnte. Und nun, lass uns diesen Tanz genießen."
 
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