Einfluss [12.05.2008] Gedanken formen.

TR Gomer

Kainit
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7. Oktober 2003
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Ein klingelndes Handy in der nicht allzugroßen Wohnung eines Polizisten, auf einem Farbeimer, nicht weit von einem Werkzeugkasten und einem Tisch der mit allem denkbaren belagert wurde. Dabei etwas das man am ehesten als Feierabendbier bezeichnen konnte.

„Wo hab ich das Teil jetzt schon wieder hingelegt.“

Fluchend suchte er und kam schritt für Schritt seinem Handy näher. Er achtete nicht auf die Nummer, die ihm ohnehin nichts gesagt hätte.

„Ja, Wengert.“

Er hatte die andere Stimme schon einmal gehört, gestern erst, auf der Toilette des Polizeireviers, aber er erinnerte sich schon seit dem Gespräch nicht mehr daran. Kratzig und lange einstudiert war die Stimme zu hören.

„Wären sie so freundlich mir zu sagen ob ich da Paul’s Kneipe am Wiesenfeld erwischt habe?“

Etwas arbeitete im Verstand des Mannes, er antwortete ohne auch nur zu ahnen warum.

„Ja…ähm also nein, da ham sie sich verwählt.“

In diesem Falle aber passte es bestens.

„Wären sie so freundlich sich kurz mit mir zu unterhalten. Nennen sie mir ihren vollen Namen zu nennen und zu sagen wo sie wohnen?“

Wäre es doch nur immer so einfach, mit diesem hier hatte er wohl ziemliches Glück gehabt.

„Julian Wengert, Finkenweg 13.“

Es war nicht direkt in der Nähe, aber vom öffentlichen Telefon das er benutzte aus mit dem Auto schnell zu erreichen.

„Wann hatten sie ihren letzten großen Streit mit einer Person die ihnen nahe steht oder stand?“

„Letzten Monat, am 16. April.“

Ein kurzer Blick auf den Notizblock, damit konnte er arbeiten.

„Erwarten sie noch Besuch, oder müssen sie nachher noch das Haus verlassen?“

„Nein.“

„In ein paar Minuten werden sie Besuch erhalten. Ein Mann, Markus Weber, wird sich mit ihnen über etwas unterhalten das sie nach diesem Streit getan haben, empfangen sie ihn freundlich und seien sie kooperativ, befolgen sie alle seine Anweisungen. Machen sie keine Ton oder Videoaufnahmen von dem Treffen, ebenso keine Übertragungen. Reden sie so lange mit niemandem und warten sie.“

Ein Klacken und die Leitung war tot. Kai hatte nicht so viel Zeit wie er gerne gehabt hätte, dafür gab es heute Nacht zu viel zu erledigen, aber für den Anfang würde es reichen.

Den Wagen parkte er ein paar Straßen weiter, er warf noch ein paar Blicke auf seine Notizen. Allein in der Woche nach dem 16. April gab es drei Brände in Finstertal die zwar gelöscht, aber nicht aufgeklärt wurden. Keine verletzten, nur Sachschaden. Bereits nach den ersten Schritten auf dem Weg vom Wagen zur Wohnung seiner Zielperson spürte er wieder warum er diese Schuhe nicht leiden konnte. Natürlich waren sie ein Bestandteil seiner Tarnung, die bearbeitete Sohle diente dazu ihn neben der Verdunkelung noch ein kleines Stück kleiner wirken zu lassen, aber es war nunmal sehr unbequem. Am Haus angekommen suchte er den Klingelknopf, das Licht einer Straßenlaterne reichte hierfür vollkommen aus. Ein kurzer Druck und ein Summen zeigte ihm das die Tür offen war. Dem Klingelschild nach zu urteilen musste er wahrscheinlich in den zweiten Stock.

Showtime

Wortlos öffnete der Polizist die Tür.

„Sind sie Weber?“

„Ja, der bin ich. Reden wir drinnen weiter.“

In der Stimme lag etwas erdrückendes, etwas das von der ersten Silbe an klarstellte das Julian ihr gehorchen musste.

„In der Küche ist es noch am ordentlichsten.“

„Gut, dann setzen wir uns dort gemütlich und unterhalten uns.“

Es gab keinen Widerstand, den hatte er auch nicht erwartet. Julian führte ihn durch ein kleines Wohnzimmer zur Küche, es war zu sehen das er gerade einen Teil seiner Zeit damit verbrachte zu renovieren. Die Wände waren frisch tapeziert, weiß auf der einen Seite, ein heller braunton auf der anderen. Wortlos saß Julian da und blickte zu dem Mann den er als Markus Weber kannte.

„Herr Wengert, erzählen sie mir doch in kurzen Worten von ihrem Streit im letzten Monat.“

Julian spürte eine seltsame schwere in sich, ein wenig der Trance nahe als er die Augen von Weber sah. Er konnte nicht widerstehen weiterzublicken und er musste einfach reden.

„Meine Freundin feierte ihren 23. Geburtstag. Sie hat mir gesagt das sie aus Finstertal wegziehen will, das es mit uns vorbei ist. Sie hat mir vorgeworfen das ich mich zu wenig um sie kümmere, aber sie hatte auch am Ende nicht mehr viel Zeit für mich. Ich habe ihr vorgeworfen das sie mich betrogen hat und jetzt abhauen wollte.“

Ein guter Ansatz, er sah im Gesicht des Mannes noch Schmerz und Wut, damit konnte er arbeiten.

„Haben sie in der Woche darauf nachts gearbeitet?“

„Nein, in der Woche hatte ich keine Nachtschicht.“

„Haben sie sich sich aus Frust darüber betrunken? Haben sie den folgenden Freitag Abend alleine verbracht?“

„Ja, ich bin sonst nicht mehr zur Ruhe gekommen. Am Freitag danach war ich mit Freunden unterwegs, die wollten mich aufmuntern.“

Eine Niete, aber das war noch nicht das Ende.

„Am Montagabend? Wie haben sie da gearbeitet?“

„Am Montag war ich alleine, ich hatte ein paar freie Tage, wir wollten einen Ausflug machen.“

„Waren sie am Abend und in der Nacht alleine?“

„Ja.“

„Haben sie noch Kontakt zu ihrer damaligen Freundin?“

„Nein, sie ist ein paar Tage später weggezogen, wir haben keinen Kontakt mehr.“

„Geschah in dieser Nacht irgendetwas besonderes für sie, oder etwas woran sie sich noch erinnern?“

„Nein. Ich hab ferngesehen, den ganzen Abend. Hab noch etwas getrunken. Da wär ein Film gelaufen den ich sehen wollte, bin aber davor eingepennt.“

Es passte, tatsächliche Erinnerungen verschmolzen nun mit neuen. Er holte sein Handy hervor und suchte nach einer Datei.

„Ihre Freundin hatte ihnen davor im Streit vorgeworfen keine Leidenschaft für sie für empfinden, kein Feuer das für sie brennt. Diese Worte gingen ihnen nicht mehr aus dem Kopf, auch wenn sie niemandem davon erzählt haben. Am Abend wurden es ihnen zu viel. Vorm Fernseher haben sie von Sender zu Sender geschalten bis sie am Vorabend bei einer Soap gelandet sind. Ein glückliches Paar war zu sehen, beide lachten und verabschiedeten sich von ihren Freunden zu seinem Ausflug, sie wollten ans Meer, an den Strand für ein paar romantische Tage. Sie haben den Fernseher abgestellt und aus purer Wut zum erstbesten gegriffen das sie im Kühlschrank gefunden haben. Sie erinnern sich nicht an das Etikett, nur noch daran das es eigentlich zu kalt zum trinken gewesen wäre, aber das war ihnen in dem Fall egal. Die Wut über dieses Miststück das sie betrogen hatte wurde immer größer.“

Er sah Bierflaschen, einige, aber keinen harten Alkohol, dazu eine alte Schachtel Zigaretten und ein billiges rotes Plastikfeuerzeug.

„Nach dem ersten Bier kam das zweite, dann das dritte und noch mehr. Mit jedem Bier fluchten sie über ihre Exfreundin, es ging ihnen wieder durch den Kopf was sie ihnen vorgeworfen hatte. Sie wollten raus gehen, ein paar Schritte um die Straße und dabei eine Zigarette rauchen, als die nach dem Feuerzeug griffen kam ihnen ein Gedanke. Sie wollten beweisen wie viel Feuer in ihnen steckte. Nachdem sie ihre Wohnung verlassen hatten wirkten die Straßen leer auf sie, verlassen, tot, feindlicher als sie es sonst schienen. Kein Mensch war zu sehen, aber sie waren auch betrunken, so verschwommen wie sie sich daran erinnern kann es auch sein das sie vieles übersehen haben. Aus einem der Häuser an denen sie vorbeigegangen sind drang mitten in der Nacht noch Musik, laute Musik. Es war alt, heruntergekommen, ein paar der Fensterscheiben im Erdgeschoss hatten Risse. Sie wollten rufen „sucht euch Arbeit, ihr Penner!“, es stand klar für sie das hier Arbeitslose hausten wie es sie hier viele gab. Erst jetzt erkannten sie wie weit sie schon am Rand von Finstertal angekommen waren, in dieser Straße lebte nur wer sich wirklich nichts anderes leisten konnte. Sie gingen weiter bis zur nächsten Straße. Sie erinnern sich nicht mehr an das Straßenschild, aber daran was sie hier unter einer erloschenen Straßenlaterne sahen. Sie gingen langsam näher darauf zu , sahen sich immer wieder um bis sie direkt vor einem alten VW Passat standen. Die rechte Vordertür hatte eine tiefe Beule, der Lack der Motorhaube schien im schwachen Licht heller als der rest des Wagens, wahrscheinlich ein Ersatzteil bei dem niemand sich für die falsche Farbe interessiert hatte. Und da wussten sie es, hier wollten sie beweisen was für ein Feuer in ihnen brannte. Sehen sie sich das hier an.“

Er hielt sein Handy so das Julian es sehen konnte, er betrachtete dabei ein Video von einem brennenden Auto. Bevor er etwas sagen konnte trafen sich die Blicke der Männer wieder und erneut formte sich das Gedächtnis von Julian neu.

„Sie haben einen schweren Stein genommen, das hintere Seitenfenster eingeworfen und mit ihrem Feuerzeug den Stoff der Rückbank in brand gesetzt. Sie haben sich auf dem Video selbst gesehen, wie sie mit dem brennenden Feuerzeug durch das Loch in der Scheibe gegriffen habe um die Rückbank anzuzünden. Erschrocken darüber was sie gerade getan haben sind sie ein paar Schritte zurückgesprungen und haben den Flamen zugesehen wie sie gewachsen sind. Danach haben sie sich panisch umgedreht und sind weggerannt, dabei konnten sie auf dem Video ihr Gesicht sehen. Sie sind gerannt so lange sie konnten, sie hatten keinen Sieg darin gesehen, nur Angst davor wozu sie getrieben waren. Sie sind gerannt bis sie an ihrer Wohnungstür angekommen sind, sie wissen nicht mehr wie sie daheim angekommen sind, die Erinnerung wurde erst wieder klar als sie sich auf der Toilette erbrochen haben. Das Video war von einer sehr guten Qualität, sie nehmen an das jemand mit einer gestohlenen Videokamera einen Glückstreffer gelandet hat, sie nur durch Zufall aufgenommen hatte. Zuerst haben sie mit der Angst gelebt, jemand könnte sie gesehen haben. Fürchteten sich davor was ihnen passieren konnte, das sie ihre Arbeit bei der Polizei verlieren würden, aber von Tag zu Tag nahm diese Angst ab. Ein brennendes altes Auto in Finstertal, das passierte mindestens einmal in der Woche und interessierte kaum jemanden mehr, die Täter wurden fast nie gefasst, warum also in dem Fall? Ganz vergessen konnten sie das Feuer aber nicht, ein moralisches Problem sahen sie aber irgendwann nicht mehr, es wurde ja niemand verletzt. Ihnen konnte eine Strafanzeige wegen Brandstiftung oder Sachbeschädigung drohen und die Kündigung, schlimm, aber sie wussten das es hätte schlimmer enden können. Was wäre gewesen wenn sie im Vollrausch ein bewohntes Haus angezündet hätten? Kurz dachten sie daran, den Gedanken haben sie aber immer wieder erfolgreich verdrängt, sie hatten ja bisher nur ein Auto angezündet. Sie werden nicht wollen das ich dieses Video veröffentliche und ihnen wird jedes Mittel dafür recht sein, neben ihrer Sorge um ihren Arbeitsplatz werden sie aber damit rechnen im schlimmsten Fall eine Arbeit bei einem Securityunternehmen zu finden.“

Damit war die Grundlage gelegt, für den nächsten Schritt musste er weiter recherchieren und dafür fehlte ihm gerade die Zeit. Er nahm ein bisschen der Macht aus seiner Stimme, gab ihm die Möglichkeit zu eigenem Handeln.

„Ich habe ihnen gerade ein Video gezeigt mit dem ich sie als Brandstifter überführen kann, ich habe noch Kopien davon, also versuchen sie nicht mir das Handy abzunehmen.“

„F*ck, das…was wollen sie von mir?“

Es dauerte ein paar Sekunden bis Julian sich halbwegs gefangen hatte, es traf ihn wie ein Schlag in den Magen.

„Ich versuch grad ein wenig in den Medien Fuß zu fassen, will mich als Autor versuchen und bei den Medien ein paar Freunde finden. Wie wärs wenn wir uns gegenseitig ein bisschen helfen? Ich versuch grad ein Buch zu schreiben, soll ein bisschen in Richtung von Stephen King gehen oder sowas in der Art. Wenn sie von irgendeinem Einsatz hören bei dem sie sich denken das er in die Richtung geht, irgendwas das klingt wie aus nem Horror Roman oder einer Fantasygeschichte, dann melden sie sich bei mir, ich will als erster von sowas erfahren.“

Er legte eine Karte auf den Tisch mit einer Nummer, der Nummer seiner Assistentin. Dabei wurde die Gewalt in seiner Stimme wieder erdrückend.

„Sie werden niemandem von diesem Gespräch und von mir Erzählen und dafür sorgen das niemand davon erfährt. Sie werden mich umgehend auf dieser Nummer benachrichtigen wenn sie etwas für mich haben, wenn ich sonst etwas habe das sie für mich erledigen könnten, werden sie mir helfen. Betrachten sie mich als einen Freund den sie nicht kennen. Tun sie mir gutes, werde ich etwas schlechtes von ihnen fernhalten. Rauchen sie doch erst noch eine Zigarette, den Weg nach draußen finde ich alleine.“

Damit liess er den Polizisten alleine hier mit seinen Gedanken zurück. Der nächste Termin wartete schon und er musste noch ein paar der Kleidungsgegenstände für Weber durch seine eigenen ersetzen. Für den Anfang hatte er den Polizisten sicher in der Tasche, manipulierte Gedanken mit klaren Mechanismen, dazu einfache Erpressung. Während der Mercedes ins rollen kam legte er die Maske ab die er im Geiste über sein Gesicht gelegt hatte. Die Mischung aus manipulierten Gedanken und realen Situationen hatte schon früher sehr gut funktioniert und würde auch weiter ihre Dienste erledigen. Beim nächsten Treffen würde er Julian mit der Erinnerung an eine Tat zurücklassen bei der Menschen zumindest verletzt wurden, das sollte ihm die uneingeschränkte Loyalität über die Grenzen der Beherrschung hinaus sichern.
 
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