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Unterm Strich ist RPG ein Spiel und wenn jemand mir erzählen würde, dass er genug von einem Typen hat, mit dem er ansonsten gerne ein Bier getrunken hat, weil dieser bei Mensch Ärgere Dich Nicht geschummelt oder bei Arkham Horror gegen den Rest der Spieler gespielt habe, dann würde ich mich doch erstmal wundern. Aber bei RPG erscheint mir das eher normal und anerkannt und ich verstehe nicht warum.
Ein Punkt ist vor allem, daß sich niemand wirklich mit dem komischen farbigen Spielfigürchen beim Mensch-ärgere-dich-nicht identifziert und jedem bewußt ist, daß es bei dem Spiel einen Gewinner und (mehrere/einen) Verlierer gibt. Solche und ähnliche Spiele sind dem Grunde nach als kompetative Spiele zwischen Spieler und Spielleiter (also demjenigen, der die Opposition führt) konzipiert und das wird auch weitesgehend akzeptiert.
Viele/Einige Spieler neigen jedoch dazu ein bißchen zu viel Herzblut in ihren Charakter zu stecken, so daß jedweder Angriff auf diesen Charakter als Angriff auf die eigene Person verstanden wird (das Mary-Sue-Phänomen unterstützt dies nur noch). Auch wenn P&P-Rollenspiel ein kooperatives Spiel ist, so ist es doch so, daß zwischen den Spielercharakteren nicht immer Friede-Freude-Eierkuchen herrschen muß - verschlagene Schurken, die zwar loyal sind, aber dennoch immer nach dem eigenen Vorteil (in Maßen) streben, auch wenn es auf Kosten der Gruppe (oder einzelner Charaktere) geht.
Ich meine hier keinen todbringenden Verrat, sondern eher ein bißchen "schummeln" bei dem Erlös der Beute ("Freunde, solche Ware kauft nicht jeder. Ich mußte ein paar ein Hände schmieren und das kostet. Und der Bastard war ein zäher Verhandlungspartner. Naja, wie dem auch sei. Hier hat jeder seinen Anteil. Ich gönne mir jedenfalls erst einmal eine Spezialmassage."). Ich habe einmal auf einem Treffen am Nachbartisch mitbekommen, wie die Situation (fast) eskalierte, weil ein Spieler für wichtige Informationen ein paar freizügige Fotos eines weiblichen Charakters in Aussicht gestellt hat.
In meinen Augen liegt dies (auch) in einem (für mich) gewöhnungsbedürftigen Anspruchsverhalten dieser Spieler - sie wollen die volle und alleinige Hoheit über ihren Charakter. Versteht mich nicht falsch. Ich bin ein glühender Verfechter von player empowerment, aber damit ist nicht gemeint, daß niemand Einfluß auf den Charakter (in welcher Form auch immer) ausüben darf. Damit ist nicht gemeint, daß ich dem Spieler vorschreibe, wie sich sein Charakter zu verhalten hat, aber Handlungen rufen auch immer Reaktionen hervor. Meint der Charakter der falschen Partei ans Bein pissen zu müssen, dann kann das Konsequenzen haben und die können auch sehr negativ sein. Oder ist der (oben skizzierte) Schurke ein begnadeter Lügner, dann glaubt man ihm seine Geschichte und muß sich halt damit abfinden, daß der Charakter ein paar nette Stunden auf Kosten der Gruppe verbringt.
Sicherlich gibt es auch Menschen, die sich angegriffen fühlen, wenn man ihnen beim Mau-Mau die "7" reindrückt (zwei Karten ziehen), aber die sind doch eher selten. Steht bei einem Kampf jedoch der leichtgerüstete Krieger alleine in einer Schar von Gegnern, sollte sich der Spieler nicht wundern, wenn sein Charakter die Hauptzielscheibe der feindlichen Angriffe wird oder wenn er einem "made man" vor dessen Gefolgsleuten droht, daß dieser ihm nicht sehr wohlgesonnen sein wird.
Ein Charakter sollte (von eigen Ausnahmen abgesehen) nicht austauschbar sein (nach dem Charaktertod, einfach neuer Name und weiter geht's), aber die Identifkation darf auch nicht so intensiv werden, daß der Spieler nicht mehr zwischen Spiel und "Realität" unterscheiden kann.
Und da muß ich leider feststellen, daß es doch genügend Spieler gibt, die mit dieser Trennung ein erhebliches Problem zu haben scheinen, sonst würde es nicht (regelmäßig) solche Diskussionen geben und ich hätte einige Erfahrungen nicht gemacht, bzw. erlebt.