Wer lernen kann, ist klar im Vorteil

Georgios

Mad Man
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3. April 2007
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Den folgenden Text habe ich auch auf meinem Blog und auf Tanelorn gepostet.

Auf einem anderen Forum gab es eine Diskussion über Rollenspiele, deren Spaßpotential man sich erst mit etwas Übung und Aufwand erschließen kann. Wer das für Schwäche von solchen Rollenspielen hält, der sollte daran denken, dass es viele Spiele gibt, die erst mit etwas Übung wirklich aufblühen.

Tennis wird um ein vielfaches interessanter, wenn man in der Lage ist den Ball zielsicher auf eine bestimmte Seite des Feldes zu schlagen. Es reicht bei einem Spiel wie Schach nicht aus die Regeln zu kennen; man muss auch seinen strategischen Blick auf das Brett schulen. Wer sich nicht damit beschäftigt, wie man effizient seine Mittel nutzt, oder seine Handlungsoptionen am besten kombiniert, der wird bei D&D nur an der Oberfläche dessen kratzen, was das Spiel zu bieten hat.

Das ist bei den so genannten Story Games (zu denen ich Primetime Adventures, Dust Devils, Shab-al-Hiri Roach und viele andere zähle) nicht anders. Was man hier lernen bzw. üben muss, ist nützliche und spaßfördernde Beiträge zum Spiel zu leisten: Beiträge die sowohl den Anforderungen des Regelwerks entsprechen als auch den Qualitätmaßstäben der Gruppe.

Was man bei solchen Spielen manchmal üben muss, ist die Fähigkeit durch Erzählung oder Schauspiel die Dinge zum Spiel beizutragen, die durch das Regelwerk erfasst werden können und zusätzlich dazu das Spiel bereichern und eine Atmosphäre zur Folge haben, die die Spieler anspricht. Ersteres sollte sich ohne Probleme aus dem Regelwerk ablesen lassen. In einem Spiel wie WFRP drückt sich das durch eine Formulierung wie, "Wenn ein Charakter etwas tun will, dann...." aus. Manchmal muss man ein wenig probieren und experimentieren, bis man verstanden hat wie in einem neuen Spiel ge-rollenspielt wird. Letzteres wird bei herkömmlichen Spielen durch ein für alle verbindliches Setting umgangen und in einigen Gruppen voll und ganz in die Hände des SLs gelegt. Aber viele Rollenspiele, insbesondere die ohne klar gezeichnetes Setting oder enge Genrebindungen, überlassen es den Spielern selbst wo sie die Grenze ziehen zwischen einem Beitrag, der die Spielatmosphäre stärkt und einem, der sie stört.

Es gilt zu üben wie man einen solchen Standard entwickelt oder erkennt und wie man sich um dessen Einhaltung kümmert. Es geht um das Entwickeln einer spielgebundenen Sozialkompetenz.

Kann man überhaupt über "spielgebundene Sozialkompetenz" reden? (Man möge mir die klobige Begriffswahl verzeihen, aber es fiel mir nichts besseres ein.) Oder ist es etwas, dass manche Leute einfach können und andere niemals lernen werden? Muss man sie vorgeführt bekommen, um sie zu erkennen oder gar zu verstehen?

Meinungen? Fragen?
 
AW: Wer lernen kann, ist klar im Vorteil

Eine spielgebundene Sozialkompetenz gibt es m.E. nicht. Aber es gibt durchaus unterschiedliche Formen von Sozialkompetenz, und unterschiedliche Spiele mögen unterschiedliche Kompetenzen stärker fördern.
Die Form von Kompetenz, die man deinem Beitrag nach für Story Games benötigt, ist eine Rücksichtsnahme und Beachtung der Reaktion von Spielern. Das brauche ich bei diesen Spielen sehr stark, aber - ein Extrembeispiel - auch wenn ich Verhandlungen führe. Auch hier muss ich sozusagen ausloten und erkennen, was noch tragfähig ist und meine Beiträge zur Diskussion entsprechend aufbereiten.
 
AW: Wer lernen kann, ist klar im Vorteil

Kann man überhaupt über "spielgebundene Sozialkompetenz" reden? (Man möge mir die klobige Begriffswahl verzeihen, aber es fiel mir nichts besseres ein.) Oder ist es etwas, dass manche Leute einfach können und andere niemals lernen werden? Muss man sie vorgeführt bekommen, um sie zu erkennen oder gar zu verstehen?

Die Fähigkeit soziale Zusammenhänge zu erkennen und sich dadurch besser in Spiele einzubringen, kann man, genau wie alle anderen Fertigkeiten, erlernen und verbessern. Anleitung und Beispiele helfen dabei oft, sind aber nicht unbedingt notwendig.
 
AW: Wer lernen kann, ist klar im Vorteil

Die Form von Kompetenz, die man deinem Beitrag nach für Story Games benötigt, ist eine Rücksichtsnahme und Beachtung der Reaktion von Spielern.

Ja. Aber eben nicht nur das.

Es geht mir vor allem um eine mitreißende oder atmosphärische Spielrunde, in deren Mittelpunkt das erspielte Geschehen, das 'in-game', die 'Story' steht. Sowas entsteht vor allem durch die Beiträge der Spieler, d.h. ihr "Rollenspiel" (wobei hier Beschreibungen, Erzählungen als auch Schauspiel gemeint ist). Bei vielen Story Games ist es für das Spiel zwingend notwendig, dass diese Dinge einen gewisse Qualität haben, sonst kommt das Spiel nicht richtig in die Gänge. Oder schlimmer noch, fliegt vollkommen aus der Bahn. Ein typisches Beispiel dafür sind die InSpectres-Runden, die schnell in totaler Stumpfsinnigkeit landen. Aber auch die Spiele, die ich erwähnt habe, zünden erst, wenn die Spieler gelernt (und ggf. geübt) haben, wie sie durch ihre Beiträge/ihr Rollenspiel das Ganze so voranbringen können, dass die Regeln richtig greifen und die so erspielte 'Story' Spaß macht.

Daher frage ich mich, kann man darüber sprechen wie man genau das bei einzelnen Spielen lernen oder üben kann?
 
AW: Wer lernen kann, ist klar im Vorteil

Die Fähigkeit soziale Zusammenhänge zu erkennen und sich dadurch besser in Spiele einzubringen, kann man, genau wie alle anderen Fertigkeiten, erlernen und verbessern. Anleitung und Beispiele helfen dabei oft, sind aber nicht unbedingt notwendig.

Das bestätigt mich in meinen eigenen Vermutungen. Ich sehe aber ein Problem darin, dass wir über sehr gruppenspezifische Dinge sprechen: die Vorlieben, Interessen und Vorstellungen der Leute, die da gerade am Tisch sitzen und das Spiel spielen. Je konkreter die Anleitungen und Beispiele sind, desto weniger Gruppen können etwas damit anfangen. Dafür halte ich Leute für zu verschieden.

Ist es möglich einige Richtlinien oder Daumenregeln zu entwickeln, mit denen man sich an ein neues Rollenspiel (bzw. Story Game) trauen kann um mit genug Übung gute Beiträge zu liefern? Gibt es eine Möglichkeit mit der man lernen kann, was man lernen/üben muss?
 
AW: Wer lernen kann, ist klar im Vorteil

Bist Du also der Ansicht, daß diese "spielgebundene Sozialkompetenz" * deutlich von System und Spielwelt abhängig ist/sein sollte, oder das es etwas ist, daß man als RPG-Spieler einfach irgendwann draufhat - oder eben nicht?

Ist diese "spielgebundene Sozialkompetenz" spezifisch (und sei es nur innerhalb einer Gruppe), oder geht es um eine Grundhaltung/Grundkenntnis, die dann einfach von Spiel zu Spiel variiert wird?

Ciao,
RN



* Ich laß den Begriff mal in Anführungszeichen, da ich ihn extrem sperrig finde, obwohl mir auch nichts besseres einfällt.
 
AW: Wer lernen kann, ist klar im Vorteil

Hmm.. ich denke, dass diese "spielgebundene Sozialkompetenz" sich aus Hintergrund und Spielervorliebe ergibt. Zur Zeit habe ich die Vermutung (aber es ist nichts weiter als eine Vermutung), dass Spieler, die ein Mindestmaß dieser Zusammenhänge und Zusammenspiele erkennen, es einfacher haben diese Dinge auch in anderen Spielrunden und Rollenspielen zu tun. Aber auch sie kommen nicht umhin bei einer neuen Runde oder einem neuen Spiel von vorne anzufangen und jedes Spiel bzw. jede Gruppe neu zu erlernen.

Um das Sport-beispiel aufzugreifen: man braucht beim Handball ein gewisses Maß an Grobmotorik, bevor man sich darüber Gedanken machen kann was für eine Spieltaktik man ausübt. Wenn man diese beherrscht, kann man sich auch beim Basketball versuchen. Und es ist auch ganz selbstverständlich, dass man hier wieder neu lernen muss.

Beim Rollenspiel ist es nicht anders. Man muss erst die grundlegenden Interaktionen erkennen und verstehen, bevor man sich darüber Gedanken machen kann, wie man dazu beiträgt, dass es eine total tolle Spielrunde wird. Darum geht es mir: die Grundlagen und die darauf aufbauenden Vorgehensweisen in einzelnen Rollenspielen/Rollenspielrunden. Was sind sie? Wie finde ich sie? Wie vermittele ich sie anderen?
 
AW: Wer lernen kann, ist klar im Vorteil

Sicher braucht man etwas Übung, aber alles in allem denke ich daß sich einem Rollenspiele entweder sehr schnell erschließen oder man ewig braucht und irgend wann keinen Spaß dran hat. Scheint sehr abhängig vom bildlichen Vorstellungsvermögen zu sein...
Ich kenne Leute die sich (für ihr online Rollenspiel) jeden Samstag Abend online treffen und "gutes Rollenspiel" sprich pseudo-mittelalterlich Reden und so einen Mist üben und es ist bei diesem Clan sogar Pflicht. SOWAS finde ich grauenvoll. Die sollten lieber Tennis üben gehen, dann gehen sie mir damit nicht auf den Keks.
 
AW: Wer lernen kann, ist klar im Vorteil

Spielgebundene Kompetenz ist kein Privileg von Story-Games.
D&D auf der ersten Stufe zu spielen verlangt etwa eine ganz andere Herangehensweise als Anfänger-Exalteds zu führen, Charaktere in einem zufallsgetriebenen System wie Traveller oder WFRP zu erschaffen und zum Leben zu erwecken muss ganz anders betrieben werden als in zufallslosen "Pimp-my-character"-Spielen wie Shadowrun oder GURPS...

Unter der Prämisse würde ich zustimmen dass es Spiele gibt die eigens erlernt werden müssen und für die man sich nicht auf generelle Rollenspielerfahrung verlassen kann.
(Falls es das ist was du meinst, Georgios, ich bin mir auch nach einmal darüber schlafen immer noch nicht ganz sicher was du eigentlich mitteilen willst.)
 
AW: Wer lernen kann, ist klar im Vorteil

Spielgebundene Kompetenz ist kein Privileg von Story-Games.

Das sehe ich auch so. Du wirst mir aber mit Sicherheit zustimmen, dass sich eine solche Kompetenz bei einem Spiel wie D&D 3.5 anders ausdrückt als etwa bei Primetime Adventures. Mir geht es darum nicht die Kompetenz, die sich aus dem Regelverständnis ergibt, zu beleuchten, sondern die Dinge zu betrachten, die Spieler erzählen, beschreiben oder schauspielen oder kurz: in-game/story/Fiktion.

Gerade weil es unter den Story Games viele Spiele gibt, die eine gewisse Kompetenz in diesen Bereichen benötigen, bevor man sie richtig spielen kann. PTA geht erst richtig ab, wenn die Spieler gelernt haben wie sie Szenen so erspielen, dass in Kombination mit den Regeln eine 'story' entsteht, die sie alle begeistert, und Charaktere deren Entwicklung sie fieberhaft mitverfolgen.
 
AW: Wer lernen kann, ist klar im Vorteil

Ist es möglich einige Richtlinien oder Daumenregeln zu entwickeln, mit denen man sich an ein neues Rollenspiel (bzw. Story Game) trauen kann um mit genug Übung gute Beiträge zu liefern? Gibt es eine Möglichkeit mit der man lernen kann, was man lernen/üben muss?

Meinst Du das jeweils bezogen auf das spezielle Spiel oder auf Story Games allgemein (und wenn man es weiterverfolgt auf alle Rollenspiele und viele Formen der Erzählung)?

In einigen Story Games (mir fällt jetzt z.B. DitV ein) gibt es direkt aufs Spiel bezogene Tipps für Spieler und SLs.
 
AW: Wer lernen kann, ist klar im Vorteil

Meinst Du das jeweils bezogen auf das spezielle Spiel oder auf Story Games allgemein (und wenn man es weiterverfolgt auf alle Rollenspiele und viele Formen der Erzählung)?

Es geht mir um Rollenspiele allgemein.

Nicht um die Kunst des Erzählens selbst (das wäre Narratologie); auch nicht um einzelne Spiele selbst (das wären SL und Spielertipps). Auch wenn mir klar ist, dass man eigentlich nur sinnvoll darüber sprechen kann, wenn man konkrete RPGs als Beispiel nimmt.

Wenn man zum ersten Mal spielt, gilt für die Erzählungen/Beschreibungen/Schauspiel nur "mach was du willst". Wenn man aber eine Weile gespielt hat, erweitert man diese Regel. In manchen Spielen um "...und was der SL absegnet" oder "... und was von der Stimmung her passt" oder "...und was der Charakter in der Situation tun würde" usw, usf. Von diesen Erweiterungen gibt es Unmengen. Wie erkennen wir, welche in einem Spiel von Bedeutung sind und welche nicht?

Denn gerade durch einige Story Games habe ich gesehen, dass diese Zusätze nicht bei allen Rollenspielen den selben Stellenwert haben.
 
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