Rollenspieltheorie Warum Dystopie?

AW: Warum Dystopie?

Solange die Zukunft besser ist als der Status Quo kann man sie durchaus bereits als Utopie ansehen.
"Besser" unter welchen Gesichtspunkten, nach welchen Kriterien?

Und ist damit sichergestellt, daß diese Kriterien auch wirklich ALLEN als "besser" erscheinen?

Wie gesagt: Die Idealvorstellung einer islamischen Republik im Iran war tatsächlich so etwas wie eine Utopie für diejenigen, die sich mehr Verknüpfung von Religion und Staat gegenüber dem nicht-religiösen, geradezu westlich-weltlichen Schah-Regime gewünscht hatten. - Aber waren das ALLE Iraner? Und was ist aus dem Traum, der VORSTELLUNG des Ideals, der Utopie geworden?

Eine Utopie ist immer die Idealvorstellung von jemand ganz bestimmtem, und schon dem nächsten könnte diese das GEGENTEIL des Ideals sein, etwas, was es grundsätzlich abzulehnen und zu bekämpfen gilt.

Eine Dystopie ist die pessimistische Vorstellung des SCHLIMMSTMÖGLICHEN. Und wie die Utopie nur die Vorstellung von jemand ganz bestimmtem. Und dem nächsten könnte dies als weniger schlimm oder gar erstrebenswert erscheinenen.

Nachdem beides aber EXTREME Vorstellungen sind, ist deren Eignung für das Rollenspiel geringer als weniger extreme Welten. Rollenspiele KÖNNEN mit extremen Vorstellungswelten umgehen, aber hier immer im Kontext des Irrealen: Traumlande, Dreamwalker, usw. - In Utopien wie in Dystopien wandelt man NICHT WIRKLICH (auch nicht "spielwirklich"), sondern nur virtuell (und eben auch in-game-virtuell). Wäre dies anders, wären es keine Utopien oder Dystopien mehr.
 
AW: Warum Dystopie?

"Besser" unter welchen Gesichtspunkten, nach welchen Kriterien?

Kommt darauf an. Reden wir von einer religösen, sozialen oder wirtschaftlichen Utopie? Je nachdem sind es andere Gesichtspunkte die eine Gesellschaft zu einer Utopie macht.

Das Wort Utopie wurde ja von einem Griechen (tut mir leid, mir fällt nicht mehr ein wer es war), begründet als er von der Insel Utopia schrieb und dort auf der Insel den Idealzustand der aktuellen Griechischen Vorherschaft beschrieb.

Nehmen wir die Technokratie, deren Vorstellung es ist das nur solche Leute eine Position ausfüllen die auch tatsächlich geeignet sind. Also das der Finanzminister tatsächlich ein Experte auf dem Finanzmarkt ist und generell die Führungsriege nur von Experten gestellt werden. Also um eine Position zu füllen muss man qualifiziert für diese sein.

Kommunismus in seiner Theorie mag als Utopie angesehen werden, da er, würde alles so funktionieren wie in der Theorie angedacht, ein sehr gutes Gesellschaftsmodell ist. Aber es ist eben nur ein Wunschtraum das der Kommunismus funktioniert.

Die religiöse Utopie hingegen wäre z.b. der Garten Eden.

Und wenn man nun diese mal vergleicht bekommt man durchaus verschiedene Bilder von Utopien mit komplett anderen Merkmalen. Gleichzeitig ist jede einzelne dieser Utopien eine "verbesserung" der vorherschenden Gesellschatfsform. Wobei eine Technokratie recht wenig verändern würde, außer das es etwas "besser" läuft. Der Kommunissmus (in der Idealform) würde Armut und so weiter abschaffen... und der Garten Eden... da fließt Milch und Honig und überall herscht Frieden und Freude.

Und ist damit sichergestellt, daß diese Kriterien auch wirklich ALLEN als "besser" erscheinen?

Eine Utopie muss nicht die Situation für jeden einzelnen Bürger verbessern. Sie ist eine (meist unerreichbare oder unmögliche) Wunschvorstellung wie es besser laufe könnte.

In Utopien wie in Dystopien wandelt man NICHT WIRKLICH (auch nicht "spielwirklich"), sondern nur virtuell (und eben auch in-game-virtuell).

Es mag am restalkohol liegen, an meinem Kater oder der Tatsache das ich übernächtigt bin aber....: wandeln im Sinne von gehen/bewegen oder wandeln im Sinne von Einfluss auf die Welt haben? Oder fehlt da nur ein teil des Satzes?
 
AW: Warum Dystopie?

@vision vermutlich meinst du Platons Atlantis?

letztlich wird aber doch nur eine riesige beriffsverwirrung deutlich.
utopie ist ja erstmal der nicht-ort (dys-topie, der 'gegen'-ort?).
der begriff ist nun mit morus&co positiv aufgeladen worden. ob diese positive utopie nun objektiv oder subjektiv bestimmt ist, also alle oder nur die meisten trifft ist die nächste frage.
auch würde ich im bezug auf weltentwürfe von der bloß-psychologischen funktion des idealbildes absehen.

Wenn man dann zu den kommunisten kommt wirds nochmal komplexer. die frühsozialisten wurden -ich meine auch von marx- als utopisten denunziert. sie bauten sich eine idealvorstellung auf, die sie dann realisieren wollten.
marx wollte seine kritik dann aus der realität gewinnen und den gesellschaftszustand nich näher fixieren.
in der tradition von marx wurde dieses 'bilderverbot' (die utopie ist das freie werk freier menschen, nicht das werk heute lebender unfreier menschen...) dann stark gemacht.
heir wird kritisiert dass der begriff utopie durchaus auch als begriff gegen gesellschaftskritik verwendet werden könnte.das etwas also als 'utopie' gebrandmarkt würde um dessen unrealisierbarkeit aufzuzeigen.

ich komme zu dem schluss dass man hier wohl wirklich über -im verhältnis zu heute- bessere und schlechtere geselslchaften der zukunft spricht, wenn man utopie oder dystopie meint. damit haben wir es mit einem politischen (genau genommen: sozialen) utopiebegriff zu tun.
 
AW: Warum Dystopie?

Das Wort Utopie wurde ja von einem Griechen (tut mir leid, mir fällt nicht mehr ein wer es war), begründet als er von der Insel Utopia schrieb und dort auf der Insel den Idealzustand der aktuellen Griechischen Vorherschaft beschrieb.

Fun Fact: Das Wort hat zwar griechische Wurzeln, aber in Umlauf gekommen ist es durch einen Engländer.
 
AW: Warum Dystopie?

@vision vermutlich meinst du Platons Atlantis?

Das hört sich richtig an.


Fun Fact: Das Wort hat zwar griechische Wurzeln, aber in Umlauf gekommen ist es durch einen Engländer.

Nennt sich Thomas Morus oder Mornus oder so ähnlich... und hat den Roman "De optimo rei publicae statu deque nova insula utopia" geschrieben. Ich hab darüber mal für den Latein Unterricht vor einer halben Ewigkeit ein Referat gemacht gehabt.

letztlich wird aber doch nur eine riesige beriffsverwirrung deutlich.

Nun, ich habe das Gefühl das viele wenn sie von Utopia sprechen meist an einen "Garten Eden" zustand denken, also keine Gewalt, keine Probleme, keine Konflikte. Aber im Prinzip ist eine Utopie einfach nur das Gegenteil zur Dystopie. Utopisch ist eine positive Trendentwicklung und dystopisch eine negative Trendentwicklung. Das Glas ist halb voll oder halb leer.

Aber ich denke halt weiterhin das man in einer Utopie trotzdem genug Konflikt potential hat um auch in einer Utopischen Gesellschaft zu spielen. Man nehme z.b. mal die Föderation bei Star Trek, sie ist eine ziemliche Utopie. Keine Armut, kein Neid und jeder kann das tun was er will (Recht zur Faulheit), weil es eben dank Replikationstechnologie und so weiter und so fort keine Verpflichtungsgründe mehr gibt. Trotzdem kennt die Föderation eine Menge Konflikte.

Und trotzdem sind die Erfolge in einer dystopischen Zukunft einfach "besser", weil man eben sich vormachen kann das man wenigstens ein Hoffnungsschimmer für diese Menschen ist, auch wenn man garkeinen Held spielt. In einer Utopischen Gesellschaft wo es eher um die Bewahrung des Status Quo geht als um den Kampf gegen den Status Quo... sind Erfolge, selbst unter gleichen Vorraussetzungen einfach etwas weniger befriedigend. So im Unterbewusstsein. Man hilft zwar, aber man verbessert das Leben nicht.
 
AW: Warum Dystopie?

Nennt sich Thomas Morus oder Mornus oder so ähnlich... und hat den Roman "De optimo rei publicae statu deque nova insula utopia" geschrieben. Ich hab darüber mal für den Latein Unterricht vor einer halben Ewigkeit ein Referat gemacht gehabt.
und wurde hier gefühlte 5 mal angeführt...

Aber im Prinzip ist eine Utopie einfach nur das Gegenteil zur Dystopie. Utopisch ist eine positive Trendentwicklung und dystopisch eine negative Trendentwicklung. Das Glas ist halb voll oder halb leer.
liest du die vorhergehenden Posts eigentlich auch?
das ist beides jeweils eine mögliche lesart.
die letzte halte ich für roman/rollenspieldiskussionen für sinnvoller, die erste ist dadurch jedoch noch lange nicht 'falsch'. am wenigsten ist es 'im prinzip [...] einfach' das zweite...


Aber ich denke halt weiterhin das man in einer Utopie trotzdem genug Konflikt potential hat um auch in einer Utopischen Gesellschaft zu spielen.
siehe oben...

Und trotzdem sind die Erfolge in einer dystopischen Zukunft einfach "besser", weil man eben sich vormachen kann das man wenigstens ein Hoffnungsschimmer für diese Menschen ist, auch wenn man garkeinen Held spielt. In einer Utopischen Gesellschaft wo es eher um die Bewahrung des Status Quo geht als um den Kampf gegen den Status Quo... sind Erfolge, selbst unter gleichen Vorraussetzungen einfach etwas weniger befriedigend. So im Unterbewusstsein. Man hilft zwar, aber man verbessert das Leben nicht.
wobei man anmerken muss das die wenigsten dystopischen spiele eine wirkliche verbesserung enthalten. heredium hat sich ja u.a. dadurch abgegrenzt dass es hier aus der scheisse auch mal anch oben geht. bei vielena nderen ist und bleibt es einfach mies.
ich würde sagen dass viele -im weitesten sinn- dystopische spiele sich gerade damit rühmen dass es eben scheisse bleibt. gerade die nichtigkeit der eigenen existenz ist dort thema. das gilt für cyberpunk ähnlich wie für das -in gewisser weise auch dystopische- cthulhu (wobei das ja in gewissen grenzen auch verhidnerung ermöglicht)...
 
AW: Warum Dystopie?

Ähm, Star Trek IST seit Next Generation LANGWEILIG. (Ob die dort zumindest für die Föderation vorgezeichnete Gesellschaft eine Utopie ist, wage ich stark zu bezweifeln. Das ist eher wie Raumfahrt gemischt mit THX-1138.)

ST:TNG ist gesellschaftlich zu sehr weichgespült, stimmt. Da war ST:TOS noch revolutionärer.

Reibungsflächen sind aber sowohl bei ST:TOS als auch bei ST:TNG hauptsächlich an den Randflächen zu finden.

Was nicht unspannend sein muss, aber zumindest wenige Bad Boys in der Federation zuläßt.
 
AW: Warum Dystopie?

Das Wort Utopie wurde ja von einem Griechen (tut mir leid, mir fällt nicht mehr ein wer es war), begründet als er von der Insel Utopia schrieb und dort auf der Insel den Idealzustand der aktuellen Griechischen Vorherschaft beschrieb.

Ohne den Thread richtig gelesen zu haben: Halb richtig; das Konzept Utopie kommt afaik von Platos Die Republik, das Wort Utopie selber und das Genre kommt aber von Sir Thomas More und eben: Utopia, dem Buch (voller Originaltitel ist... Länger... Und Latein) und ist aus dem frühen 16. Jahrhundert.
Edit: Scheiße wurde das schon oft aufgeklärt. Ich lass es mal drin stehen als Argument für das vollständige lesen von Threads.



Aber gut; das wollte ich ja auch gar nicht breittreten, sondern eher:

Ich würde die Wahl zur Dystopie eher aus Faulheit und der Mechanik wegen anpreisen: Die Aktionen aus der typischen Spielrunde würden die Charaktere bei intaktem Rechtssystem innerhalb weniger Spielabende in den Knast bringen; eigenartige Roadmovie-Rampages gehen höchstens in den Staaten, wegen der schwachsinnigen Kompetenzstreitereien zwischen den Bundesstaaten und der Weitläufigkeit, gepaart mit einer einfach schlecht ausgebildeten und unterfinanzierten Polizei; in dem Moment wo du in einem europäischen Land auf so einen Killingspree geht, gibt es einfach aufgrund der dichten Besiedlung weniger Chance, ohne ernste Vorbereitung zu entkommen - sowas geht nur mit einem riesigen Sympathisantennetz á la RAF -
in einer Dystopie dagegen kann ich als SL recht frei davon ausgehen, dass die dem Plot im Weg stehenden Mechanismen dem gesellschaftlichen Zusammenbruch zum Opfer gefallen sind.

Keine zuverlässige Justiz, keine richtige Strafverfolgung, keine unzensierten Medien, wenn man unwichtige Leute umnietet, dann ist das erstmal egal, will sagen: Dystopien sind freundlicher zu Grand Adventure - und wenn man darüber nachdenkt, dann ziehen die meisten Horrorszenarien aus der Cyberpunk-Ecke auch nur den vollen Kreis zurück zur Leibeigenschaft mit Konzernen statt Lehnsherren - am Ende hat man doch wieder eine Runde, wo die Spieler die Ritter (-> im Konzernauftrag), die Robin Hoods (-> Freelancer; Bürgerrechtler, Freiheitskämpfer - whatever) oder auch einfach der rebellische Mob (->Gangster) sind.

Du kannst eine Dystopie - von der Atmosphäre her abgesehen - einfach wie eine High Fantasy Welt bespielen. Das ist für mich immer der naheliegende Grund gewesen, davon abgesehen dass ich den übertrieben Punkrock-Einfluss mochte.
 
AW: Warum Dystopie?

Es kommt drauf an. Historische Dystopien sind eher nicht so spielbar. BNW z.B. ist quasi zu nahe an der aktuellen realität. 1984 ist einfach nur langweilig, weil die Spieler garnicht wüssten was wirklich gerade passiert. Was sich gut spielen ließe wäre Samjatins WIR aber da kann man ja auch keinen mal eben Töten...das hat bei den Helden ja auch dazu geführt in den Untergrund zu gehen. So dinge wie "Die beste aller Welten" von Steven Lukes(nicht das Buch von dem deutschen Journalisten) sind einfach langweilig zu spielen, aber gut zu lesen.

Utopien:
Platons und Bacon's Atlantis sind äh nicht so mein Ding als Spielwelt.
Bei Campanellas Sonnenstaat ließe sich sehr gut klauen.
Und einen Kriegsgefangenen des Staates Utopia zu spielen finde ich eine wirklich Interressant spielbare sache. Sie haben halt mein Land unterworfen und versklavt, aber hey unser König hat ja angefangen....
 
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