Rezension Warcraft Legends 3 [B!-Rezi]

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Warcraft Legends Band 3


Auch in Warcraft Legends Band 3 bleibt man dem Konzept der Reihe, den (World of) Warcraft-Hintergrund in Comic-Kurzgeschichten näher zu beleuchten, treu. Auch diesmal sind wieder vier Geschichten enthalten:

Feind
von Richard A. Knaak und Jae-Hwan Kim
In dem dritten Teil der Saga um den untoten Tauren Trag (nach Der Gefallene in Band 1 und Furcht in Band 2) führt es diesen in den hohen Norden nach Nordend, wo er die Zitadelle des Lich-Königs sucht, dessen Stimme er immer noch hören kann und der nach wie vor versucht, Trag zum Bösen zu verführen. Auf seinem Weg trifft Trag auf den Taunka Akiak, dessen Volk die eisigen Tundren des Nordens bewohnt. Obwohl die Taunka erkennen, dass Trag ein Untoter ist, nehmen sie ihn in ihrem Dorf auf. Dort erfährt er von der Dracheneiswüste, einem Ort, zu dem sich die Drachen zum Sterben zurückziehen. Zusammen machen sich Trag und Akiak auf den gefährlichen Weg dorthin. Trag hofft, dass ihm die Magie der Drachengebeine gegen den Lich-König helfen wird und Akiak sucht dort nach Buniq, seiner großen Liebe. Aber der Weg in die Dracheneiswüste ist gefährlich…

Das Blut der Kreuzritter
Von Dan Jolley und Fernando Heinz Furukawa
Der Scharlachrote Kreuzzug ist eine Organisation, die sich dem Kampf gegen Untote und deren Verbündete verschrieben hat. Und Hauptmann Renee Lauer ist eine fanatische Anhängerin dieses Bundes. Als sie eines Tages die untote Jillian Grell und den Blutelfen Rinn tötet, setzt sie damit eine tragische Kette von Ereignissen in Gang. Denn als Rinns Schwester, die Magierin Reynah Feuerwerfer, und Jillians Onkel, der untote Ritter Barnabas, von der Ermordung ihrer Verwandten erfahren, sinnen sie auf Rache. Und obwohl sie einander nicht ausstehen können, macht sie die gemeinsame Mission doch zu einem tödlichen Duo…

Morgen, Kinder, wird’s was geben
Von Christie Golden und Carlos Olivares
Aus der Not heraus nimmt der Goblin Krizz kurz vor dem Winterhauch-Fest einen Job als „Altvater Winter“-Darsteller an und muss sich so die Winterhauchwünsche der Kinder anhören. Dabei sind ihm die Kleinen eigentlich ziemlich egal. Dann aber schaut Krizz in die großen Kulleraugen von Fala Zischelspross, deren einziger Wunsch darin besteht, ihren Vater Fritz zurückzubekommen. Der wurde nämlich von einigen Finsterlingen entführt. So etwas kann Krizz, hinter dessen rauer Schale ein Herz aus purem Gold schlägt, dem kleinen Gnomenmädchen natürlich nicht abschlagen. Aber auf der Suche nach Fritz Zischelspross kommt Krizz einer heimtückischen Verschwörung auf die Spur…

Der Jagdrausch
Von Troy Lewter und Qing Ping Mui
Der Zwerg Hermet Nesingwary ist der beste Jäger im ganzen Königreich. Auf der Jagd nach einem wilden Furbolg trifft er erst auf eine Gruppe Jäger, die von dem arroganten Creedy angeführt werden, und dann auf die Nachtelfin Teleena. Teleena erklärt Hermet, dass Creedy und seine Männer auf der Jagd nach einem Wurf Frostsäbler-Welpen sind, deren Fell besonders kostbar ist. Creedy hat bereits die Mutter der Welpen, Teleenas Reittier, getötet und geht bei seiner Suche nach den Jungtieren auch weiterhin völlig skrupellos vor. Nachdem Teleena durch Creedy getötet wurde übernimmt Hermet es alleine (und ganz wider seine Natur als Jäger), die hilflosen Jungtiere vor einer Jagd, die er als unehrenhaft empfindet, zu beschützen…

Noch deutlicher als in den ersten beiden Bänden der Reihe wird in Band drei als roter Faden erkennbar, dass alle vier der hier präsentierten Geschichten auch tatsächlich innerhalb der jeweiligen Story von einer Person einer anderen erzählt werden. Während in Feind nur ein namenloser Off-Erzähler auftaucht, sind in den anderen Geschichten stets in einer Rahmenhandlung präsente Erzähler vorhanden. Damit wird auch endlich klar, was der Titel der Reihe „Warcraft Legends“ bedeuten soll: Es geht um Sagen und Legenden, die von einer Person an eine andere weitergegeben werden. Und das Schöne an Band 3 ist, dass es sich diesmal tatsächlich um Geschichten handelt, die man sich gerne anhört.

Feind führt die Geschichte um den untoten Tauren Trag nicht nur fort, sondern sogar zu ihrem ersten echten Höhepunkt. Es ist wirklich interessant zu sehen wie Trag, der sich spätestens seit sein eigenes Volk versucht hat, ihn zu vernichten, als Ausseiter fühlt, hier vorbehaltlos von den Taunka in ihrer Mitte aufgenommen wird. Dies erweist sich auch im Endeffekt als weise Entscheidung, da Trag letztendlich gerade weil er anders (nämlich untot) ist, seinen Gastgebern eine große Hilfe erweisen kann. Die Taunka sind in ihrer Naturverbundenheit und Spiritualität den Tauren zwar schon sehr ähnlich, erlangen jedoch bereits in dieser kurzen Geschichte genug Eigenständigkeit, um als Volk interessant zu werden. Die spannende und erstaunlich vielschichtige Geschichte verbunden mit den schönen Zeichnungen Kims führt letztlich dazu, dass dies das erste Kapitel der fortlaufenden Saga um Trag ist, dass nicht nur kurz, sondern zu kurz ist, weil man gerne sofort weiter lesen würde.
Das Blut der Kreuzritter stellt mit den Blutelfen die beliebteste und mit den Verlassenen eine der neuesten Rassen der Horde in den Vordergrund – überhaupt scheint es, dass die Sympathien der Autoren von Warcraft Legends eher auf Seiten der Horde als der Allianz liegen. Die Geschichte zeigt sehr schön die Spirale aus Gewalt und Gegengewalt, die der binde Hass auf alle, die anders sind als man selbst, erzeugen kann. Die Ritter des Scharlachroten Kreuzzugs hassen die Angehörigen der Horde vor allem deshalb, weil sich deren Lebensstil so wesentlich von ihrem eigenen unterscheidet. Immerhin wird mit dem jungen Kreuzritter Stefan, der hier noch am ehesten als Identifikationsfigur dient, auch durchaus Kritik aus den eigenen Reihen an der Vorgehensweise des Kreuzzugs geübt. Allerdings zeigt die Reaktion von Reynah und Barnabas, die auf den Tod ihrer Verwandten auch nur Gewalt als Antwort kennen, dass es auf Seiten der Horde auch nicht unbedingt besser um die Konfliktlösungsstrategien bestellt ist. Eine sehr schöne Geschichte, bei der die Eindimensionalität der Figuren keine Schwäche des Verfassers offenbart sondern für das Geschehen tatsächlich wichtig ist. Außerdem punktet Das Blut der Kreuzritter mit einem herrlich ironischen, aber auch sehr traurigen Ende.
Morgen, Kinder, wird’s was geben ist das absolute Highlight der Warcraft Legends-Reihe (und das nicht nur bezogen auf Band 3). Dabei ist die Ausgangssituation eher lahm. Offenbar braucht jede Fantasy-Welt ihre eigene Version von Weihnachten, egal ob es passt oder nicht – und in die World of Warcraft passt es eigentlich nicht sonderlich gut (vor allem nicht in die Kultur der Goblins). Und niedliche kulleräugige Kinder, die einen grummeligen Helden dazu bringen, seinen guten Charakter zu entdecken, sind keine neue Idee. Und auch der Plan, allen Kindern ihre Weihnachts- Winterhauchgeschenke zu stehlen, hat im Mittelpunkt mehr als eines Zeichentrickfilms gestanden. Aber Christie Golden verpackt diese ollen Kamellen so wunderbar, dass man gar nicht anders kann als von der Story hingerissen zu sein. Das fängt schon mit der Einleitung an, einer wundervollen Homage an die Geschichten aus der Gruft (was ja auch wiederum einen interessanten Bruch mit dem Genre der niedlichen Weihnachtsgeschichte bedeutet). Der Goblin Wulmort (eine harmlose Variante des Cryptkeepers ) präsentiert die Sage in der Reihe „Geschichten aus den Kokelwäldern“, was schon zeigt, dass Frau Golden in ihrer eigenen Jugend offensichtlich die richtigen Comics und Fernsehserien konsumiert hat. Sehr sympathisch. Dazu kommt, dass die Figuren alle so stark überzeichnet sind, dass sofort klar wird, dass an dieser Geschichte nichts ernst gemeint sein kann. Und ein wirklich sehr sympathischer Kniff ist es, dass sich herausstellt, dass die kleine Fala es selbst faustdick hinter den Ohren hat und eben nicht nur ein kleines naives Kind ist. Hinzu kommen die tollen Zeichnungen von Carlos Olivares, dessen Funny-Stil hier wundervoll passt und dem es sogar gelingt, ein sexy Goblin-Mädel in die Geschichte einzubauen. Vorweihnachtliche Pflichtlektüre für jeden Fantasy-Fan.
Der Jagdrausch ist die schwächste Geschichte in Band 3. Insgesamt nicht schlecht, kommt die Wandlung der Hauptfigur vom Saulus zum Paulus (bzw. vom Jäger zum Tierschützer) doch etwas sehr plötzlich. Andererseits ist es eine nette ironische Wundung, wenn typische Jägertricks zum Schutze der Frostsäbler-Welpen eingesetzt werden. Allerdings bekommt man den Eindruck, dass die Rambo-Filme sich auch in Azeroth großer Beliebtheit erfreuen, denn die eine oder andere Falle hat sich Hermet offensichtlich dort abgeschaut. Enttäuschend sind vor allem die Zeichnungen Quing Ping Muis, bei denen sich die Proportionen der Figuren oft von einem Bild zum nächsten verändern. Ein etwas kräftigerer Tuschstrich und etwas weniger Begeisterung für die Verwendung von Rasterfolien zur Schattierung hätten hier schon viel geholfen.

So muss ein Lizenz-Comic aussehen: Aus der Lizenzvorlage entnommene Konzepte werden hier sinnvoll ergänzt und mit Elementen anderer Quellen kombiniert, um der bekannten Lizenz so neue Facetten abzugewinnen. Dabei erweist es sich als Vorteil, dass alle vier Geschichten in diesem Band genau das tun, was in einer Anthologie wie der Warcraft Legends-Reihe möglich ist, nämlich Einzelschicksale zu beleuchten und kurze Ausschnitte aus dem Leben in der World of Warcraft zu präsentieren. Dabei tappt hier erstmals keiner der Autoren in die Falle, in einer Kurzgeschichte eine epische Fantasy-Saga erzählen zu wollen, woran ja einige der anderen Geschichten aus den Vorgängerbänden gescheitert sind. Wer in die Serie einsteigen will ist gut damit beraten, dies mit Band 3 zu tun.

Nutzen für Rollenspieler: Hoch
Während Feind zwar zu sehr von seiner Hauptfigur abhängig ist, um hinsichtlich der Story als Vorlage für ein Rollenspielabenteuer zu dienen, so enthält die Geschichte doch einige interessante Ideen für Abenteuer auf Azeroth. Vor allem die Dracheneiswüste, eine Art Elefantenfriedhof für Drachen, ist angesichts der dort zu erwartenden magischen Schätze ein interessantes Ziel für ein Reiseabenteuer. Und die Kultur der Taunka wird hier in wenigen Bildern schon so einprägsam präsentiert, dass man diese „Eskimos“ bereits als NSC-Rasse in seine Fantasy-Welt einbauen könnte. Das Blut der Kreuzritter zeigt die Vorgehensweise sowohl einer extremen Allianz-Organisation (des Scharlachroten Kreuzzugs) als auch innerhalb der Horde. Hierbei werden auch zum ersten Mal die Verlassenen in den Mittelpunkt gerückt. Diese Untoten erweisen sich hierbei als relativ normale Fantasy-Rollenspiel-Rasse und man bekommt fast Lust, mal eine Gruppe untoter SCs auf seine Lieblings-Fantasy-Welt loszulassen. Morgen, Kinder, wird’s was geben sollte man als skurriles one-shot-Abenteuer gezielt für die Vorweihnachtszeit adaptieren, vielleicht auf einem Con oder bei einem gemütlichen Glühweinabend. Und Der Jagdrausch ist eine brauchbare Vorlage für ein Wildnisabenteuer, in dem die SCs sich selbst (und die Frostsäbler-Welpen) vor einer Gruppe skrupelloser Jäger schützen müssen – oder sich eine goldenen Nase durch den Verkauf der Welpenfelle verdienen können.Den Artikel im Blog lesen
 
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