Zornhau
Freßt NAPALM!
- Registriert
- 18. März 2004
- Beiträge
- 16.211
Was bringt gerade langjährige Cthulhu-Spieler dazu zu Unknown Armies "überzulaufen"?
Diese Frage hatte ich - leider als Thread-Hijacking - in diesem Tread hier gestellt und möchte sie hier als eigenen Thread mal wiederholen.
Nachfolgend die (gekürzten) Zitate aus dem ursprünglichen Thread (Unterstreichungen sind von mir und betreffen die Passagen, die mir in den Aussagen besonders zu denken gegeben haben):
@Ascaso:
Also nur Menschen und keine Monster ist Dir wichtig. Mir hört sich das nach einer Übersättigung mit Cthulhu-Mythoswesen an, die vielleicht durch zu häufiges Cthulhu-Spielen erzeugt wurde. Ich kenne selbst Leute, die CoC als ihr Haupt-Rollenspiel bezeichnet haben und nun davon irgendwie enttäuscht oder übersättigt zu UA gewechselt sind. Für mich war CoC immer nur ein Zwischen-System zwischen anderen Rollenspielen, die bessere Kampagnenfähigkeit mitbrachten und einfach auch inhaltlich vielseitiger waren (egal ob Fantasy, Sci-Fi, Piraten, Endzeit oder was auch immer für Genres). Die Langzeitmotivation bei Cthulhu zu erhalten habe ich schon immer als problematisch angesehen. Ja, kürzere Szenario-Folgen gehen schon mal, aber eine "klassische" Kampagne, wo die Charaktere an ihren Taten gemessen werden, an ihren Herausforderungen wachsen oder zugrunde gehen, wo das Schicksal der Welt auf dem Spiel steht und die Charaktere immer stärker hineingezogen werden (ich spiele am liebsten epische Kampagnen - das merkt man wohl
), dies ist bei CoC eher die Ausnahme. Das liegt an der nihilistischen Grundkonzeption des Mythos-Universums, in dem die Welt der Menschen NICHT ZÄHLT. Garnicht. Null.
Du hast von Nachvollziehbarkeit geschrieben. Ich bin mir aber nicht so sicher, ob Du mit Deiner Einschätzung, daß bei UA alles auf "nachvollziehbarem Level" bleiben soll, richtig liegst. Wo Magie möglich ist, da bleibt die Nachvollziehbarkeit IMMER und grundlegend auf der Strecke (außer Du verstehst darunter etwas anderes als ich - dann bitte ich um Erleuchtung).
Und das "theoretisch können alle alles" gilt ja auch schon für reine Fantasy-Rollenspiele wie z.B. Midgard. Alle klassenlosen, rassenlosen, stufenlosen Spielsysteme/-Hintergründe leisten so etwas. CoC beschränkt die Investigators eben bewußt und macht sie auch noch besonders verletzlich. Die Karten bei CoC sind von Anfang an GEGEN die Charaktere gemischt. Es gibt dort keine faire Chance, sondern nur eine Spanne, die für persönlichen Heldenmut, Verzweiflungstaten oder jämmerliches Scheitern und den Wahnsinn offen bleibt. Das liegt aber am Grundkonzept. Andere Horror-Rollenspiele oder generische Systeme mit Horror-Settings sind da anders aufgestellt. Z.B. bei Deadlands kann es wirklich cthulhoid-horrorartig zugehen, oder zombie-splatterhaft, oder persönlich-verzweifelnd (bei den Harrowed) oder einfach überhaupt nicht übernatürlich, da es dort immer die Menschen sind, die das Potential haben die schlimmsten und die strahlendsten Taten zu vollbringen. Die Monster sind nur Beiwerk, Symbole, Metaphern für das, was werden kann, wenn manche Menschen ihr Potential völlig realisieren. Die Menschen lassen es erst zu, daß das Übernatürliche in die Welt dringt. Sie treffen stets die Entscheidung aufgrund ihrer eigenen Werte. Und das kann dazu führen, das große Übel auf die Welt losgelassen werden, von denen, die das in Kauf nehmen. Aber die Spielercharaktere sind anders als bei CoC eben KEINE Luschen, nicht zimperlich, nicht halbwahnsinnig (zumindest nicht am Anfang)! Und ihr Handeln hat Bedeutung. Sie tun Dinge, die der Rest der Welt nie verstehen würde, und wenn man sie offen erklären würde, würde die gesamte Welt in einem Strudel des Verderbens zugrunde gehen. - Und das ist Deadlands. Ein Western-Horror-Steampunk-Rollenspiel, wo Horror nur ein Teil des gesamten Settings ist.
Was ich damit sagen will ist, daß CoC in soweit etwas Besonderes darstellt, daß hier die Charaktere tatsächlich deutlich schwächer sind, als selbst in einem mehr auf Realismus und Simulation ausgelegten Rollenspiel. Also ist das "alle können theoretisch alles" keine Besonderheit von UA.
Wenn es Dir darauf ankommt nur "echte" Menschen zu spielen und keine Monster oder Mutationen, die ja irgendwie alle "nicht nachvollziehbar" sind, zu haben, dann ist m.E. die Hauptfrage bei Dir die nach dem Realismus.
Du magst, so mein Eindruck, eine Welt, deren Gesetzmäßigkeiten leicht für Dich als Spieler durchschaubar sind, eine Welt, wo das übernatürliche Element nicht vorkommt (so habe ich deine Kritik am "um jede Ecke etwas Übernatürliches" aufgefaßt). - Da bist Du mit UA aber schlecht bedient. Die Basis von UA ist ja gerade, daß neben dem ach so "Normalen" eine übernatürliche "Realität" Tatsache ist. Dieses Übernatürliche durchdringt bei UA doch alles mindestens genauso stark wie der Mythos bei CoC hinter der vermeintlich begreifbaren Welt liegt. Für mich sind beide - CoC und UA - in den von Dir aufgeführten Punkten nicht so unterschiedlich. Vor allem weil ja auch bei CoC die wesentlichen Ausübenden von Magie in der Welt die verrückten Kultisten sind. Leute, die ihre Normalität ihre geistige Gesundheit aufgegeben haben, um mehr persönliche, magische Macht anzuhäufen.
Kommt einem das durch die UA-Brille gesehen nicht bekannt vor?
Bei UA ist es m.E. so, daß man selbst einen verrückten Kultisten spielt bzw. zu einem wird. Der hängt zwar nicht an den Mythos-Göttern, wohl aber an anderen übergeordneten Prinzipien (wie es ja z.B. auch im Fantasy-Sektor auf Glorantha durch die Affinität von Charakteren zu bestimmten Runen repräsentiert wird).
Ich bin wirklich neugierig auf Meinungen und Einschätzungen dazu.
Diese Frage hatte ich - leider als Thread-Hijacking - in diesem Tread hier gestellt und möchte sie hier als eigenen Thread mal wiederholen.
Nachfolgend die (gekürzten) Zitate aus dem ursprünglichen Thread (Unterstreichungen sind von mir und betreffen die Passagen, die mir in den Aussagen besonders zu denken gegeben haben):
Malkav schrieb:Ich schmökere mich gerade durch die Posts und finde das Spielprinzip mit jedem Wort interessanter. Im Moment sehe ich darin alles was mir an Cthulhu gefällt ohne den ganzen H.P. Lovecraft Kram der mir schlicht und ergreifend nicht liegt ...
Zornhau schrieb:Das allein ist ja schon etwas, was mich wundert. Nicht so sehr, daß heutige (ja, früher war alles anders) Cthulhu-Spieler mit Lovecraft immer weniger anfangen können. Da hat nicht zuletzt die deutsche Cthulhu-Richtung andere (und, wie ich finde, nicht bessere) Wege weg von den Wurzeln, weg von Lovecraft eingeschlagen, und was dann übrigbleibt, hat eben den besonderen Charme von CoC nicht mehr. Das ist ein bedauernswerter Punkt, aber was mich mehr wundert ist, daß ich direkt miterleben konnte und immer noch kann, wie langjährige Nur-Cthulhu-Fans innerhalb kürzester Zeit auf UA umschwenken. Und zwar mit nahezu religiös anmutender Konsequenz (quasi Cthulhu abschwören und den Unknown Armies beitreten). Das finde ich irgendwie schon seltsam und nicht nachvollziehbar.
Ein sehr persönlicher und wenig durchdachter Eindruck: bei Cthulhu kann der einzelne Charakter nur im kleinen einen Hinhaltekrieg gegen die Schrecken aus dem All führen, er kann aber nichts wirklich bewegen. Bei UA ist zumindest im Global Level und erst recht im Cosmic Level eine echte Einflußnahme auf die Geschicke der Welt möglich, wie es sie zwar in anderen Rollenspielen genauso gibt, wobei diese aber das Identifikationshemmnis haben, daß sie z.B. in einer Fantasy-Welt mit gänzlich anderen Kulturen angesiedelt sind, so daß man sich hier viel schwerer einfinden und eintauchen kann, als das bei den Jetzt-Zeit-Settings wie UA der Fall ist. Ich habe den Eindruck, daß die UA-Euphorie der Ex-CoC-Spieler eine Gegenschwingung des Pendels ist, daß vielleicht zu lange Charaktere in einem nihilistisch angehauchten Universum nichts wirklich bewegen ließ, und wo jetzt dringend mal ein wenig "Bewegung" reinkommen muß, eben das gute Gefühl nötig ist, daß man einen Charakter spielt, der nicht total bedeutungslos ist oder zumindest mehr sein kann als ein CoC-Investigator. - Ist es das, was Dich von CoC zu UA treibt?
Ist UA "Die Ultimative Rollenspiel-Erfahrung (tm)"?
Oder ist UA das Gegenmittel zur Cthulhu-Langzeit-Depression?
Ascaso schrieb:also ich bin einer jener die CoC abgeschworen haben. wie soll ich sagen, ich kanns nichtmehr sehen. es war einfach irgendwann "gaga". je mehr ich mich mit der welt, dem drumherrum auskannte desto weniger gefallen hatte ich daran. der anteil des "man kann nichts bewegen" ist bestimmt nicht zu verachten, aber das wars nicht alleine. ich hatte bei CoC einfach igentwann den eindruck "shadowrun" zu spielen ... hinter jeder ecke irgend etwas unatuerliches, darklings, mutationen ... ich wollte (das) nichtmehr.
das ist bei UA (das ich allerdings noch nicht gespielt habe) einfach anders. menschen, menschen und nochmals menschen. keine uhralten goetter, aliens und weissderteufelwas. nichts ist "vorherbestimmt", alles bleibt auf einem nachvollziebaren level und und "theoretisch" koennen alle alles. das ist ja so angenehm ...
@Ascaso:
Also nur Menschen und keine Monster ist Dir wichtig. Mir hört sich das nach einer Übersättigung mit Cthulhu-Mythoswesen an, die vielleicht durch zu häufiges Cthulhu-Spielen erzeugt wurde. Ich kenne selbst Leute, die CoC als ihr Haupt-Rollenspiel bezeichnet haben und nun davon irgendwie enttäuscht oder übersättigt zu UA gewechselt sind. Für mich war CoC immer nur ein Zwischen-System zwischen anderen Rollenspielen, die bessere Kampagnenfähigkeit mitbrachten und einfach auch inhaltlich vielseitiger waren (egal ob Fantasy, Sci-Fi, Piraten, Endzeit oder was auch immer für Genres). Die Langzeitmotivation bei Cthulhu zu erhalten habe ich schon immer als problematisch angesehen. Ja, kürzere Szenario-Folgen gehen schon mal, aber eine "klassische" Kampagne, wo die Charaktere an ihren Taten gemessen werden, an ihren Herausforderungen wachsen oder zugrunde gehen, wo das Schicksal der Welt auf dem Spiel steht und die Charaktere immer stärker hineingezogen werden (ich spiele am liebsten epische Kampagnen - das merkt man wohl
Du hast von Nachvollziehbarkeit geschrieben. Ich bin mir aber nicht so sicher, ob Du mit Deiner Einschätzung, daß bei UA alles auf "nachvollziehbarem Level" bleiben soll, richtig liegst. Wo Magie möglich ist, da bleibt die Nachvollziehbarkeit IMMER und grundlegend auf der Strecke (außer Du verstehst darunter etwas anderes als ich - dann bitte ich um Erleuchtung).
Und das "theoretisch können alle alles" gilt ja auch schon für reine Fantasy-Rollenspiele wie z.B. Midgard. Alle klassenlosen, rassenlosen, stufenlosen Spielsysteme/-Hintergründe leisten so etwas. CoC beschränkt die Investigators eben bewußt und macht sie auch noch besonders verletzlich. Die Karten bei CoC sind von Anfang an GEGEN die Charaktere gemischt. Es gibt dort keine faire Chance, sondern nur eine Spanne, die für persönlichen Heldenmut, Verzweiflungstaten oder jämmerliches Scheitern und den Wahnsinn offen bleibt. Das liegt aber am Grundkonzept. Andere Horror-Rollenspiele oder generische Systeme mit Horror-Settings sind da anders aufgestellt. Z.B. bei Deadlands kann es wirklich cthulhoid-horrorartig zugehen, oder zombie-splatterhaft, oder persönlich-verzweifelnd (bei den Harrowed) oder einfach überhaupt nicht übernatürlich, da es dort immer die Menschen sind, die das Potential haben die schlimmsten und die strahlendsten Taten zu vollbringen. Die Monster sind nur Beiwerk, Symbole, Metaphern für das, was werden kann, wenn manche Menschen ihr Potential völlig realisieren. Die Menschen lassen es erst zu, daß das Übernatürliche in die Welt dringt. Sie treffen stets die Entscheidung aufgrund ihrer eigenen Werte. Und das kann dazu führen, das große Übel auf die Welt losgelassen werden, von denen, die das in Kauf nehmen. Aber die Spielercharaktere sind anders als bei CoC eben KEINE Luschen, nicht zimperlich, nicht halbwahnsinnig (zumindest nicht am Anfang)! Und ihr Handeln hat Bedeutung. Sie tun Dinge, die der Rest der Welt nie verstehen würde, und wenn man sie offen erklären würde, würde die gesamte Welt in einem Strudel des Verderbens zugrunde gehen. - Und das ist Deadlands. Ein Western-Horror-Steampunk-Rollenspiel, wo Horror nur ein Teil des gesamten Settings ist.
Was ich damit sagen will ist, daß CoC in soweit etwas Besonderes darstellt, daß hier die Charaktere tatsächlich deutlich schwächer sind, als selbst in einem mehr auf Realismus und Simulation ausgelegten Rollenspiel. Also ist das "alle können theoretisch alles" keine Besonderheit von UA.
Wenn es Dir darauf ankommt nur "echte" Menschen zu spielen und keine Monster oder Mutationen, die ja irgendwie alle "nicht nachvollziehbar" sind, zu haben, dann ist m.E. die Hauptfrage bei Dir die nach dem Realismus.
Du magst, so mein Eindruck, eine Welt, deren Gesetzmäßigkeiten leicht für Dich als Spieler durchschaubar sind, eine Welt, wo das übernatürliche Element nicht vorkommt (so habe ich deine Kritik am "um jede Ecke etwas Übernatürliches" aufgefaßt). - Da bist Du mit UA aber schlecht bedient. Die Basis von UA ist ja gerade, daß neben dem ach so "Normalen" eine übernatürliche "Realität" Tatsache ist. Dieses Übernatürliche durchdringt bei UA doch alles mindestens genauso stark wie der Mythos bei CoC hinter der vermeintlich begreifbaren Welt liegt. Für mich sind beide - CoC und UA - in den von Dir aufgeführten Punkten nicht so unterschiedlich. Vor allem weil ja auch bei CoC die wesentlichen Ausübenden von Magie in der Welt die verrückten Kultisten sind. Leute, die ihre Normalität ihre geistige Gesundheit aufgegeben haben, um mehr persönliche, magische Macht anzuhäufen.
Kommt einem das durch die UA-Brille gesehen nicht bekannt vor?
Bei UA ist es m.E. so, daß man selbst einen verrückten Kultisten spielt bzw. zu einem wird. Der hängt zwar nicht an den Mythos-Göttern, wohl aber an anderen übergeordneten Prinzipien (wie es ja z.B. auch im Fantasy-Sektor auf Glorantha durch die Affinität von Charakteren zu bestimmten Runen repräsentiert wird).
Ich bin wirklich neugierig auf Meinungen und Einschätzungen dazu.