Rezension Torchwood - Staffel 1

Taysal

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Torchwood


Staffel 1


Mit einem Anagramm zum Erfolg
In Großbritannien genießt die Serie „Doctor Who“ Kultstatus und wurde dort von 1963 bis 1989 produziert. Für 2005 war eine Neuauflage der Serie geplant und um das große Geheimnis zu bewahren, bildete man aus „DDoctor Who“ das Anagramm „Torchwood“ als vorläufigen Projektnamen. Während „Doctor Who“ an den Start ging und sehr familienfreundlich abgedreht wurde, sollte die Serie „Torchwood“ als Ableger ein älteres Publikum ansprechen. So sind die Themen düsterer, kommen mit mehr Gewalt daher und zeigen sich sehr sexy.

In „Torchwood“ gibt es nun etliche Anspielungen auf „Doctor Who“. Bekannte Klänge werden eingespielt, Zusammenhänge kurz angerissen oder es tauchen gar Requisiten auf. Doch auch ohne Vorkenntnisse oder Wissen aus „Doctor Who“ macht „Torchwood“ großen Spaß und bleibt nachvollziehbar.

Das geschieht vor allem durch die Figur der Gwen Cooper (Eve Myles), die aus dem normalen Polizeidienst stammt, und bei Mordermittlungen durch Zufall der Geheimorganisation Torchwood auf die Schliche kommt. Gwen ist sehr neugierig und emotional, spürt Torchwood hinterher und landet schlussendlich in deren Hauptquartier. Obwohl sie eine Amnesiepille untergeschoben bekommt, bleibt sie Torchwood auf der Spur und wird schlussendlich ins Team aufgenommen.

Gwen bildet bei Torchwood 3 – so der Name der Niederlassung im walisischen Cardiff – den emotionalen Pol der abgehärteten Truppe um Captain Jack Harkness (John Barrowman) und dessen Leute. Da Gwen von den Ereignissen, der Aufgaben und der Beschaffenheit des Riss’ unter dem Hauptquartier keine Ahnung hat, stellt sie gleichzeitig auch den ahnungslosen Zuschauer dar, der alles neu erfahren wird. Durch Gwens Augen sieht und lernt das Publikum, was es wissen muss. Ein feiner Kniff.

Die Men in Black Großbritanniens?

Torchwood ist eine Geheimorganisation, die niemandem untersteht und deren Niederlassung in Cardiff vom unsterblichen Captain Jack Harkness geführt wird. Jack verbindet eine ganz besondere Beziehung mit dem Doktor (eben jener Doktor aus „Dr. Who“) die manchmal gestreift, aber nie richtig thematisiert wird. Aufgabe der Niederlassung Nummer drei ist es, einen Raum-Zeit-Riss zu überwachen, der durch Cardiff verläuft – genau unter dem Hauptquartier der Truppe. Dabei kümmert sich Torchwood niemals um normale Probleme, sondern versucht stets Aliens, Monster und Phänomene aufzuhalten und unter den Teppich zu kehren. Dabei erbeutete Artefakte der Aliens werden gerne mal dem eigenen Arsenal einverleibt, was schnell zu großen Problemen führt.

Von der Thematik her fühlt man sich nun an die Men in Black aus „MIB“ erinnert, doch statt der us-amerikanischen Coolness und dem glatten, sauberen Hollywoodflair, ist „Torchwood“ düsterer, erwachsener und vielschichtiger. Action gibt es zwar auch, doch im Zentrum stehen die Charaktere, ihre emotionale Kälte und auch Entwicklung. Liebe, Vertrauen, Sex und Offenbarung sind die Themen, die behandelt werden. Das ergibt somit viele unterschiedlich gelagerte Episoden, die den Zuschauer immer wieder zu fesseln wissen.

Die erste Staffel der Serie setzt sich aus insgesamt dreizehn Episoden zusammen. Die Vermarktung der BBC basiert dabei auf unterschiedlichen Lizenzmodellen. Dadurch sind die einzelnen Folgen in der internationalen Lizenzversion um jeweils zehn Minuten kürzer, als die Originale.

Sexy Science Fiction

Vielleicht traut man dem deutschen Zuschauer nur bedingt zu, den typisch britischen Humor zu verstehen oder die anzüglichen Szenen zu verkraften. Und solche Szenen gibt es zuhauf. Die Sehnsucht der Figuren nach Liebe, Geborgenheit und Verständnis, der Wunsch nach Normalität, treibt dabei auch manch Stilblüte. Ganz abgesehen von den Sexbedürfnissen bei Frau, Mann und Alien.

Sex ist in „Torchwood“ und bei Torchwood eine Angelegenheit, die verschieden ausgeprägt ist. So erleben wir Mediziner und Womenizer Owen Harper (Burn Gorman) der sich seinen Sex auch mal mittels einem Deo besorgt, das unwillige Damen willig macht. Computerfachfrau Toshiko “Tosh” Sato (Naoko Mori) ist dagegen eher gehemmt, scheint prüde – bis sie ein lesbisches Verhältnis anfängt und endlich die Mauer ihrer Zurückhaltung einreißen lässt. Gwen selbst ist mit Rhys Williams (Kai Owen) verlobt. Doch Gwen muss bei Rhys über ihr neues Leben schweigen, wird dadurch emotional beinahe zerrissen und findet Zuflucht und Trost in Owens Bett.

Klingt schon verzwickt, wird aber noch viel besser. Denn Ianto Jones (Gareth David-Lloyd) – Hausmeister, Empfangsdame und Mädchen für alles bei Tochwood 3 – versteckt eine Cyberfrau im Keller. Diese stammt aus der Vernichtung einer anderen Tochwood-Anlage, die in „Doctor Who“ eine Rolle spielte. Ianto ist unfähig mit seiner Vergangenheit abzuschließen und verleugnet, dass er seine Freundin töten muss, da sie kein Mensch mehr ist. Schlussendlich sucht Ianto Zuflucht und Trost in den starken Armen eines Mannes, der selbst unter seiner Vergangenheit leidet: Captain Jack Harkness.

Irre Ideen

Dieses Karussell der Gefühle und Liebschaften dreht sich nun immer schneller. Liebe und Hass gehen dabei Hand in Hand. Aber neben dieser Achterbahn der Emotionen und den tiefsinnigen Handlungsträngen, überzeugt „Torchwood“ auch durch etliche abgedrehte Ideen.

So wird das Team mit einer Maschine konfrontiert, die eine Art emotionale Zeitreise ermöglicht und den sensiblen Owen beinahe zu einem Mord treibt. Märchenfeen zeigen ihr böses Gesicht, töten mit Blüten einen Kinderschänder und lassen keinen Zweifel daran, dass sie bekommen was sie wollen. Ein programmierter Serienmörder und eine tote Kollegin sorgen bei Gwen für große Kopfschmerzen, während durch einen Zeitriss auch mal Menschen aus der Vergangenheit in die Gegenwart katapultiert werden – und manch einer zerbricht regelrecht daran. Schlussendlich endet die Staffel mit einem epischen Kampf und einem Mann, der scheinbar ohne Grenze durch die Zeit reißen kann und Jacks Leute manipuliert, in dem er ihre Gefühle ausnutzt. „Torchwood“ ist nicht rational, „Torchwood“ ist emotional!

Dabei wechseln sich laute und leise Episoden ab. In „Tochwood“ kann es ordentlich krachen, dann gibt es wiederum leise, nachdenkliche Töne. Torchwood selbst ist auch keine Organisation aus unbezwingbaren Superhelden. Oft genug nehmen die Charaktere Schaden, erzielen nur einen Teilerfolg oder versagen gar auf ganzer Linie. Dadurch bleibt die Serie allerdings spannend, denn zu keinem Zeitpunkt ist genau vorhersehbar wie eine Episode endet.

Ein berauschendes Ambiente

Ebenso wie die andersartigen Charaktere und Geschichten, hebt sich auch die Kulisse vom üblichen Mainstream ab. So ist Torchwood eine Organisation, die zu Zeiten Königin Viktorias gegründet wurde. Dadurch entsteht stellenweise eine viktorianische Gaslichtkulisse, die durch Alienartefakte zu modernem Steampunk hochgekocht wird, um das ganze abgerundet und heiß zu servieren. Hochleistungscomputer, Flugsaurier, alte Kanäle und verborgene Geheimnisse in den Katakomben unter Cardiff – das alles bietet „Torchwood“.

Das alles und noch mehr. Denn anstatt in einer typischen Großstadt, spielen die Geschichten im eher beschaulichen Cardiff, der Hauptstadt von Wales. Trotzdem bleibt die Szenerie stets glaubhaft, werden Geschichten auch mal mit Fahrten aufs Land kombiniert und stellen die Produzenten klar, dass keine weiten Reisen und gigantischen Metropolen nötig sind, um eine Gefahr für die Welt darzustellen. In Cardiff ist der Riss, in Cardiff steppt der Bär. Und um einen Eindruck von Cardiff zu vermitteln, gibt es schöne Luftaufnahmen, die oft in einer Draufsicht des Hauptquartiers enden. Das alles wirkt auf den ersten Blick derart harmlos, dass man meint, die Abenteuer von Torchwood könnten auch in der nächst größeren Stadt im eigenen Land stattfinden - beeindruckend beängstigend.

Und der Sieger ist …!

„Torchwood“ ist eine erfrischend andere Art der TV-Science-Fiction. Frische und freche, oft freizügige und immer gefühlsbetonte Geschichten, dazu eine gesunde Prise Trash, viel Düsternis, aber auch britischer Humor … „Torchwood- Stafel 1“ ist eine spannende und brisante Mischung, die mit jeder weiteren Folge hinzugewinnt und ihren Weg findet.

Auch das Bonusmaterial der Box kann sich sehen lassen. Das Making-of, Interviews mit Crew & Cast, Behind the Scenes, Deleted Scenes, Audio-Kommentare und die Dreh-Tagebücher geben einen guten Blick hinter die Kulissen. Vor allem die Hassliebe zum schicken Torchwood-SUV wird sehr deutlich und sorgt für ein Schmunzeln beim Zuschauer.

Die Qualität der DVDs ist hervorragend. Die Synchronisation leider ein wenig flach und vom Wortwitz ging bei der Übersetzung einiges verloren. Ärgerlich ist, dass die deutsche Tonspur nur in Dolby Digital 2.0 daherkommt, während die Originaltonspur mit Dolby Digital 5.1 aufwartet. Heutzutage kann man eigentlich überall 5.1 erwarten, vor allem bei einer dermaßen guten Science-Fiction-Serie. Wer des Englischen mächtig ist, sollte die Episoden auch deswegen mal im Original angucken. Interessanterweise gibt es den Untertitel nur in Englisch, so dass Original mit deutschem Untertitel als Option wegfällt.

Klasse Geschichten, hervorragende Schauspieler und neue Ideen, das macht „Torchwood“ aus - und die erste Staffelbox zu einer klaren Empfehlung!

Regisseure: Brian Kelly, Colin Teague, James Strong, Alice Troughton, Andy Goddard
Komponisten: Murray Gold und Ben Foster
Darsteller: Captain Jack Harkness (John Barrowman), Gwen Cooper (Eve Myles), Ianto Jones (Gareth David-Lloyd), Owen Harper (Burn Gorman), Toshiko “Tosh” Sato (Naoko Mori)

Originaltitel: Torchwood
Produktionsland: Großbritannien
Produktionsjahr: 2006, 2007, 2008, 2009
Dauer: etwa 50 Minuten
Originalsprache: Englisch
Idee: Russell T Davies
Genre: Science-Fiction
Erstausstrahlung: 22. Oktober 2006 auf BBC Three
Deutschsprachige Erstausstrahlung: 11. März 2009 auf RTL 2

Sprache: Deutsch (Dolby Digital 2.0), Englisch (Dolby Digital 5.1)
Untertitel: Englisch
Bildseitenformat: 16:9
Umfang: 4 DVDs
Spieldauer: 650 Minuten (13 Folgen a ca. 45 min)
FSK: 16
Label: Polyband, 6. Juni 2009
Extras: Making-of, Interviews mit Crew & Cast, Behind the Scenes, Deleted Scenes, Audio-Kommentare, Dreh-Tagebücher

Diese Rezension erschien zum Zeitpunkt des Eintrags ebenfalls auf Taysal.net und Filmbesprechungen.de.Den Artikel im Blog lesen
 
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