Rezension Sengoku Revised

Silvermane

Wahnsinniger
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Sengoku Revised


Grundregelwerk 2 Edition


Konnichi-Wa, Nanbanjin-San.

So, genug Kulturschock (denn davon hatte ich beim lesen wahrhaftig genug), heute möchte ich euch eine wahrhaftige Perle unter den RPGs vorstellen:

Im folgenden kurz "Sengoku" genannt. Und nein, der Name leitet sich nicht von einem kreischenden Animezwerg ab, sondern von Sengoku Jidai, der Zeit der Streitenden Reiche. Wir sind also im alten Japan.

Sengoku benutzt das Fuzion-System (Attribut+Skill+3W6), welches kostenlos im Internet verfügbar ist. Daher erspare ich mir die systemtechnischen Details. Die Charaktererschaffung ist Punktebasierend, die Anzahl der Punkte richtet sich nach dem "Realitätslevel" der geplanten Kampagne. Für unschlüssige gibt es die beachtliche Anzahl von 47 Archetypen, die vom Sänftenträger bis zum kaiserlichen Hochadeligen alle Schichten und Kasten abdecken.

Sengoku bietet 3 mögliche Level:
"Historisch", mit relativ niedrigen Attributen/Skills, ohne Magie und ohne mythologische Monster.
"Chanbara", angelehnt an Samuraifilme wie der Okami (Lone Wolf) oder Zatoichi (Blind Swordsman)-Reihe. Am ehesten mit klassischer "Fantasy" zu vergleichen. Magie, geheime Schwerttechniken und mythologische Monster wie Onis, Kappas, Kitsune und Tengus kommen vor, sind aber selten.
"Anime", keine Limits. Monsterhorden ziehen durchs Land, fast jeder kann Zaubern, Samurai und Shinobi hüpfen von Dach zu Dach.

Der Löwenanteil des Buches beschäftigt sich mit japanischer Kultur; in dieser Hinsicht schlägt es einige Lehrbücher an Umfang und Detail. Der geneigte Leser erfährt einiges über das System von Ehre und Gesicht, aber auch über typische Freizeitvergnügen wie dem Ballspiel, dem Ablauf eines Sumotori-Kampfes, dem Glücksspiel, wie ein Rasthaus aufgebaut ist, aus was eine typische Mahlzeit besteht, wie Verurteilte hingerichtet wurden, was man über Affären und Kurtisanen wissen muß, etc. pp.; der Umfang und Detailgrad ist schier atemberaubend.
Diese Detailverliebtheit zieht sich durch alle Kapitel. Es existiert z.B. ein eigenes Kapitel, das sich nur mit der Namensgebung für die Charaktere beschäftigt, inklusive einer Liste von gängigen Familiennamen und einem Essay darüber, wie ein korrekter Name aufgebaut ist.
Auch das Kapitel über Waffen und Rüstungen ist beispielhaft. Eine Samurai-Rüstung besteht aus diversen Einzelteilen, die wiederum aus bestimmten Materialien bestehen. Es werden nicht nur diese Einzelteile beschrieben, sondern auch gleich eine Latte an "Beispielrüstungen" mitgegeben, um zu zeigen wie sich die Rüstung eines Generals von der eines Ashigaru-Fußsoldaten unterscheidet.
Die Waffenliste ist ebenfalls sehr umfangreich und deckt alle typischen und untypischen Waffen der Periode ab...vom allgegenwärtigen Katana bis hin zur eisernen Tabakpfeife ist alles vertreten, was ungesund und schmerzhaft ist.

Diverse Kampfsportschulen lehren sogenannte "Okuden", geheime Techniken (die man als "Special Moves" beschreiben könnte). Okuden müssen für jede Waffe separat gelernt werden, und die Suche nach einem Lehrmeister kann durchaus ein eigenes Abenteuer werden.

Das Magiesystem basiert auf den 2 Hauptreligionen Japans, dem Shintoismus und dem Buddhismus. Alle "Zauber" sind im Grunde genommen "Gebete", und die Effekte sind meist nicht wirklich kampftauglich. Keine Feuerbälle, aber dafür ordentliche Exorzismen und das Reden mit den Toten. Für Priester gelten bestimmte Reinheitsgebote, bei deren Bruch das wirken von Gebeten unmöglich wird, bis sich der Priester einem Reinigungsritual unterzogen hat.

Es existiert noch eine 3. Stilrichtung der Magie, die meist von übernatürlichen Wesenheiten praktiziert wird, Onomyudo genannt. Im Gegensatz zur "priesterlichen" Magie ist diese und jene, die sie ausüben, beim Volk gefürchtet.

Das Buch endet mit den Bodenplänen einiger typischer Gebäude, unter anderem auch dem einer Festung, sowie einer sehr umfangreichen Liste von Büchern und Filmen, die als Hintergrund/Inspirationsmaterial dienen können.

Das Buch selbst ist in 3 Versionen erhältlich: Als PDF (7.50$), als Softcover (29,95$) und als Hardcover(39,95$). Das Buch selbst hat 342 Seiten, enthält Regeln für die Konvertierung des Settings nach AD&D 2nd Edition, Bushido, Chivalry & Sorcery Light, GURPS, HERO System, Legend of the Five Rings, Usagi Yojimbo, Instant Fuzion und Action!.

Die Illustrationen sind im allgemeinen recht gut; ein besonders schöner Touch ist meines erachtens nach das Zitat in der Fußzeile. Jede(!) Seite beinhaltet ein (meist) zum Text der Seite passendes japanisches Zitat.

Warum Sengoku? Weil es kein besser recherchiertes RPG für das alte Japan gibt, das sich nebenbei noch die Mühe macht, den Leser in diese exotische Welt mit all ihren Merkwürdigkeiten und Besonderheiten einzuführen. Selbst wenn man es nicht spielen wollte, so sind doch alleine die enthaltenen Hintergrundinformationen den Kaufpreis wert. Eine bessere, kompaktere Ressource über das alte Japan findet sich kaum. Auf der anderen Seite sollten alle Mitspieler das Buch, zumindest aber den Kulturteil gelesen haben, um eine stimmugnsvolle Kampagne zu gewährleisten. Es sei denn, alle wollten gestrandete europäische Seeleute spielen (was durchaus spielbar im Rahmen des Regelwerks wäre).

Ein obskures Spiel
So prächtig anzuschauen
Daß Silvermane weint​


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