Auf nach Ferelden
Das Computerspiel Dragon Age Origins hat ein wenig für Furore gesorgt. Es ist beliebt und hochgelobt. Etwas das so viele Fans hat und ein tolles Fantasy-RPG-Setting ist, könnte doch wunderbar das Interesse am guten alten Pen&Paper-Rollenspiel wecken. Das haben sich wohl auch die Entwickler gedacht und so bekam Green Ronin die Lizenz.
Green Ronin hat nicht nur ein weiteres Lizenzspiel, nämlich A Song of Ice and Fire rausgebracht, sondern hatte damals viele d20-Produkte. Sie kennen sich also aus mit dem bekanntesten Rollenspiel der Welt. Und auch wenn sich das Dragon Age Setting hervorragend für d20 geeignet hätten – oder eine neue Variante davon – wollte Green Ronin doch ein bisschen was anders machen.
Herausgekommen ist ein Einsteigerspiel, das in guter alter Original-D&D-Manier in Boxen erscheint, die aufeinander aufbauen werden. So hat man im Set 1, das bisher erschienen ist, die Grundregeln und alles was man braucht, um seine Charaktere bis zum fünften Level zu spielen. Weitere Sets, die jeweils fünf Stufen bis hin zur 20sten abdecken, sollen nicht nur die Regeln und damit das System ausbauen, sondern auch noch tiefer in die Welt von Dragon Age einführen. Wer jetzt mitgerechnet hat, weiß somit, wie viele Boxen noch erscheinen werden. Und kann ausrechnen, wie viel Geld das am Ende kostet. Aber wer schaut schon auf den Geldbeutel, wenn es ums Lieblingshobby geht . . .
Ein Wort noch bevor es um den Inhalt des ersten Sets geht: ich habe „nur“ die pdfs gelesen. Aber man sollte auch wissen, was man bekommt, wenn man sich stattdessen die Box holt. Hier der Inhalt:
Player’s Guide – 64 Seiten
Gamemaster’s Guide – 64 Seiten
Farbige Posterkarte von Ferelden
3 Würfel
Das Wichtigste zuerst: die Regeln.
Da es ja nicht D&D und nicht d20 sein sollte, hat man sich entschieden nicht mit einem zwanzig-seitigen Würfel zu arbeiten, sondern mit 3W6. Man kann sich darum streiten, ob es im Endeffekt das Gleiche ist – naja, eigentlich nicht. Die Stochastik sagt einem schon, dass da eine andere Wahrscheinlichkeit dahintersteckt.
Und es gibt natürlich noch andere Unterschiede zu D&D. Ich will hier keine falschen Erwartungen schüren oder Vorurteile bestätigen.
Man würfelt eigentlich immer gleich: 3W6 + Ability + Focus und muss damit über eine Target Number kommen. (Man müsste sich mal diesen Begriff schützen lassen. Dann könnte man ganz viele Rollenspiele verklagen, die die TN auch benutzen . . . kleiner Scherz am Rande.)
Dabei sind die Abilities eigentlich das, was immer benutzt wird. Es gibt also keine Fähigkeiten und Attribute und sonstiges, sondern einfach nur Abilities. Diese reichen im Wert von -4 bis +4 und sind, um alles abzudecken, natürlich recht offen. Es gibt Communication, Constitution, Cunning, Dexterity, Magic, Perception, Strength, Willpower – zu Deutsch in etwa Kommunikation, Konstitution (das waren die leichten), Schläue, Gewandtheit, Magie, Wahrnehmung, Stärke, Willenskraft.
Foci sind wiederum Spezialisierungen in den Abilities, die einem auf den Wurf einen +2 Bonus geben. Man kann sie einsetzen, wenn sie zur zu bewältigenden Herausforderung passen – aber immer nur einen Focus. Manchmal kann man sogar nur dann würfeln, wenn man den entsprechenden Focus besitzt.
Und das war’s im Grunde auch schon. Ganz einfach und eingängig.
Natürlich gibt es nicht nur Würfe gegen eine TN sondern auch vergleichende Würfe, wenn zwei Charaktere direkt gegeneinander stehen. Witzigerweise nicht beim Kampf. Dort muss man über den Verteidigungswert kommen um zu treffen. Hat man es geschafft, würfelt man den Schaden aus und zieht den Rüstungswert ab. Ja, ihr lest richtig. Ein kleiner Unterschied zu D&D: die Rüstung verbessert nicht den Verteidigungswert, sondern reduziert tatsächlich Schaden. Schilde dagegen werden auf die Verteidigung angerechnet.
Was diesem Würfelsystem jetzt noch den kleinen Kick gibt, den ich persönlich sehr ansprechend finde: einer der drei Würfel – der andersfarbig sein sollte, damit man ihn identifizieren kann – ist der so genannte Dragon Die. Der Dragon Die hat verschiedene Auswirkungen. Bei normalen Ability-Proben bestimmt die Höhe des Dragon Die wie gut man die Aufgabe erledigt hat. Also nicht die Differenz, die man über der TN liegt, nein, allein der Dragon Die bestimmt dies.
Beim Kampf erhält man im Falle eines Pasches so viele Stunt-Punkte, wie der Dragon Die anzeigt. Diese Stunt-Punkte kann man nur sofort einsetzen um – ja, um Stunts durchzuführen. Dazu gibt es Listen und verschiedene Kosten. Manche Klassen können bestimmte Stunts ab höheren Stufen billiger durchführen.
Das Gleiche gilt beim Anwenden von Magie – es gibt auch Magie-Stunts. Magier haben übrigens Mana-Punkte, die sie ausgeben müssen, um Sprüche anzuwenden. Keine Mana mehr, keine Sprüche mehr. Auch ein Systembestandteil, der mich persönlich anspricht.
Natürlich habe ich das Spiel noch nicht ausprobiert. Aber allein dieser Dragon Die macht mich neugierig es mal anzuwenden. Die Idee, dem dritten Würfel eine besondere Bedeutung zu geben, die auch unmittelbare Auswirkungen hat, macht das System für mich innovativ. Keine Ahnung, ob das in einem anderen Spiel schon umgesetzt wurde. Für mich gibt es dem System das kleine Detail, was es noch hervorhebt.
Aber jetzt zum den beiden Büchern. Oder sind es Broschüren? Egal, 64 Seiten sind eigentlich schnell gelesen. Aber beide sind randvoll mit Informationen.
Die Aufmachung hat mich übrigens im allerersten Moment an das bereits erwähnte aSoIaF-Rollenspiel erinnert. Auf den zweiten Blick ist dem nicht mehr so. Aber vielleicht kann man berechtigterweise sagen: man sieht Dragon Age an, dass es von Green Ronin stammt.
Textbild und -schrift sind auf jeden Fall angenehm zu lesen. Zweispaltig, mit deutlichen und übersichtlichen Tabellen, sowie kleinen Sonderkästen. Vielleicht ein wenig viel Rot, aber das ist schon in Ordnung. Die Illustrationen sind allesamt farbig und haben alle einen ähnlichen Stil. Ob sie einem gefallen, ist Geschmackssache. Aber sie passen. Auch zum Dark Fantasy-Genre, zu dem sich Dragon Age zählt.
Der Schreibstil gefällt mir extrem gut. Es ist ein Tonfall, der wirkt, als würde jemand einem etwas freundlich aber bestimmt erklären. Sie geben viele Tipps und decken damit wirklich viele Details ab. Das hat mich überaus positiv überrascht.
Im Player’s Guide wird einem erstmal kurz umrissen, worum es in Dragon Age eigentlich geht. Man bekommt auch gleich die Essenz des Spielsystems erklärt. Und dann geht es los. Auf 9 Seiten ist schnell der Hintergrund umrissen und was das Setting beinhaltet: auf der einen Seite ist es klassisch. Menschen, Zwerge Elfen und Magie. Die große Bedrohung sind Dämonen. Wer Dragon Age Origins kennt, kann herauslesen wann es im Vergleich zur PC-Version spielt: nämlich ungefähr gleichzeitig. Also zu Beginn der neuen „Blight“, einer neuen Dämonenplage, die alle Zeitalter mal wieder anfängt und vor der die Welt gerettet werden muss.
Danach wird man durch die Charaktererschaffung geführt, dann werden die Abilities und Foci näher erläutert. Im vierten Kapitel darf man sich die Ausrüstung zusammenstellen, im fünften dürfen die Magier sich austoben und erfahren dort, was sie können und wie. Und am Ende wird das System noch mal in aller Ausführlichkeit erklärt.
Leider gibt es keine Inhaltsverzeichnis, aber dafür ein Glossar und einen Index.
Ich würde sagen, hat man das durchgelesen, kann es tatsächlich losgehen. Alles ist verständlich erläutert und man kann sich recht schnell einen Charakter bauen. Erfahrene Spieler mag es ärgern, wenn sie bei manchen Dingen auf die folgenden Sets verwiesen werden, aber ein Anfänger ist damit schon zur Genüge bedient. Erfahrene Origins-Spieler fragen vermutlich auch nach den Grey Wardens, auch die wird es erst in späteren Sets geben.
Ich frage mich eigentlich nur, wie Elfen und Zwerge wohl aussehen. Na gut, eigentlich tu ich das nicht. Wer das Genre Fantasy kennt und/oder Dragon Age Origins wird es auch wissen. Und die Bilder sind auch ein guter Hinweis. Trotzdem fand ich es ein interessantes Details, das mir erstmal überhaupt nicht aufgefallen war.
Falls jemand Dragon Age Origins nicht kennt, noch ein paar Worte bezüglich des Settings: was vielleicht nicht so klassisch ist, bzw. was es zum Dark Fantasy macht, ist der Umgang mit Magie.
Magie ist gefährlich, denn jeder, der Magie anwendet riskiert von Dämonen besessen zu werden. Deshalb ist man in Ferelden der Magie gegenüber sehr misstrauisch. Als Magier muss man dem Zirkel der Magi beitreten, wer es nicht tut, wird gejagt. Die Gefahr eines nicht überwachten Magiers ist zu groß.
Und Elfen übrigens wurden von den Menschen versklavt – die Elven sind dementsprechend die Unterschicht, die Ausgestoßenen, die Heimatlosen.
Das Gamemaster’s Guide ist genauso dick wie das Player’s Guide und genauso gestaltet. Aber Spieler müssen es wirklich nicht lesen. Sollten es eigentlich auch nicht lesen. Wegen der Regeln muss man es auch nicht unbedingt lesen. Aber wegen den vielen Tipps. Man wird wirklich sehr gut in die Aufgaben eines Spielleiters eingeführt. Das DM Guide setzt sich zudem mit verschiedenen Typen von Spielleitern und Spielern heraus, gibt Empfehlungen, wie man mit Problemen in der Gruppe umgehen sollte und stellt vor allem eines in den Vordergrund: nämlich, dass die Spielercharaktere die Helden der Abenteuer sein sollen.
Zusätzlich werden noch weitere Fragen zu den Regeln geklärt, also wie der Spielleiter sie anwenden soll/kann. Dann gibt es 12 Seiten Gegner mit kurzer Beschreibung und Spielwerten. Und dann noch ein Abenteuer.
Also beinhaltet das DM Guide wirklich alles, was man als SL noch zusätzlich braucht.
Ich bin nur der Meinung, dass das Abenteuer „The Dalish Curse“ nicht unbedingt der Knüller ist. Die Geschichte ist nicht schlecht, sie haben diverse Arten von Encountern eingebaut und das Dorf, um das die Geschichte spielt ist mit einigen NSCs ausgearbeitet.
Ich finde nur, es ist zu lang. Vielleicht wären drei kürzere Abenteuer, die zusammenhängen (können) besser geeignet. Außerdem finde ich es immer lustig, wenn man gerade bei Einstiegsabenteuer davon ausgeht, dass die Charaktere zusammenarbeiten bzw. heldenhaft agieren werden. Natürlich kann man entsprechend den Rahmen setzen und vorher die Gruppe dergestalt formen.
Aber eigentlich kommt es immer anders als man denkt, nicht wahr? Ich hab nur ehrlich gesagt wenig Ahnung, wie man es besser machen könnte.
Fazit: Mir gefällt Dragon Age wirklich gut! Ich finde die Regeln gut und interessant und für Anfänger geeignet. Das Setting ist vielleicht nicht das richtige für Kinder, aber um damit Fans vom PC wegzulocken und in eine neue Art von Spiel einzuführen, die ihnen ähnliches, aber anderes (besseres *winkwinknudgenudge*) bieten kann als Dragon Age Origins, dafür ist es wirklich geeignet.
Natürlich kann man sich darüber aufregen, dass es nur ein Einsteigerset ist und die höheren Stufen fehlen und Infos damit erst verfügbar werden, wenn man die noch erscheinenden Sets kauft. Ich kann aber nur wiederholen: für Anfänger und Einsteiger ist es damit wirklich geeignet. Es überfordert niemanden, der mit dem Rollenspiel-Begriff bisher nur PC-Spiele in Verbindung brachte. Und es bietet zugleich alles, was man erstmal braucht.
Hoffentlich kommen die anderen Sets nicht in allzu großem Abstand raus. Und vielleicht gibt es am Ende auch eine Gesamtausgabe, wer weiß. Ich bin jedenfalls froh, nicht so lange gewartet zu haben. Denn allein das Leseerlebnis und wie sich das DM Guide mit dem Spiel, den Spielern und den Umständen, wie man gute Spielerlebnisse erzielt, beschäftigt, finde ich toll. Insofern ist der DM Guide vielleicht kein neu erfundenes Rad (die Spielertypen heißen anders, man kennt sie aber u.a. von Robin Law), aber dafür ist es immerhin rund und funktioniert.
Das größte Manko, das ich persönlich an Dragon Age sehe, ist eben die Verbindung mit dem PC-Spiel. Ich habe es nicht gespielt, nur schon viel erzählt bekommen. Ich finde das Setting gut und spannend und die Welt interessant. Aber will ich es mit Leuten spielen, die Dragon Age von vorne bis hinten und dann noch mal von links nach rechts und retour gezockt haben? Die also die Welt besser kennen als ich?
Das ändert aber nichts daran, dass ich Dragon Age für Einsteiger empfehlen würde und mir vorstellen kann, dass es neue Pen&Paper-Spieler gewinnen kann.
Und irgendwann probiere ich es auch mal aus und vertraue darauf, dass meine Mitspieler ihre Erfahrungen mit Dragon Age Origins nur dazu benutzen, lustige Begebenheiten zu erzählen und nicht dazu mich a) ständig zu verbessern und b) nicht nur die Story vom Computerspiel erneut erleben wollen.
So. Und wer schenkt mir jetzt eine PlayStation 3 damit ich Dragon Age Origins auch mal spielen kann?
Titel: Dragon Age RPG – Set 1
Art: Grundregeln / Einsteigerset
Regeln: Dragon Age
Sprache: Englisch
Verlag: Green Ronin
Publikationsjahr: 2009?
Autor: Chris Pramas (lead design)
Illustrationen: farbig
Umfang: Player’s Guide 64 Seiten, Gamemaster Guide 64 Seiten
Bindung: pdf, auch als Boxed Set erhältlich
Preis: $17.50 pdf-Set, $29.95 Boxed Set
Rezensent: Irene Strauß
Links:
Copyright © 2008 Dominik für den Rollenspiel Almanach.
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