AW: Pendragon
Skar schrieb:
Und das Spielen über 3 Generationen ist m.M. das einzige, was an dem Spiel möglicherweise interessant sein kann.
Unwissender Bauer! Ich bete zum heiligen Georg für deine Seele!
Also, als Pendragon Liebhaber ein paar Dinge zum Spiel:
Du spielst einen Ritter im Brittanien des 5. und 6. Jahrhunderts. Historisch gesehen haben die da nichts verloren, aber Land und König sind verbunden und so wird Brittanien wachsen und gedeihen, und zwar so sehr wachsen und GGedeihens dass man zwar mit ehemaligen römischen Legionären anfängt, aber bei strahlenden Rittern in weißer Rüstung endet, die wir alle so lieben. Dabei durchläuft das mythische Brittanien ca. 1000 Jahre (500-1500) Technologie und Rittertum. Das ist in sofern ganz praktisch, da man zum einen mit Arthur Ritter (mit Turnieren, Kreuzzügen 'n Stuff) verbindet - zum anderen man den aber historisch Semi-korrekt einfügen wollte (wo es das alles eben noch LANGE nicht gab). Nach dem Tode Arthurs, wenn das Land seine Verbindung zu ihm verliert, verschwindet die Magie aus Brittanien und die Geschichte nimmt ihren korrekten Lauf. Zurück zum Spiel.
Jeder spielt also einen Ritter. ABER: Pendragon schafft es, das die einzigen Ähnlichkeiten zwischen den Charakteren ihr Beruf als Ritter und das Wissen um ihren Tod (irgendwann stirbt hier alles) ist. Charaktere weisen nämlich 5 Attribute auf (Stärke, Konstitution, Größe, Geschick und Aussehen) - aber im Ausgleich dafür insgesamt 20 Persönlichkeitsattribute (immer ein Doppel von Positiv und Negativ) wie z.B. Mutig/Feige, Keusch/Lüstern, Fromm/Weltlich, Gerecht/Selbstgerecht, Fleissig/Faul usw. usw. Man kann das alles auswürfeln (lustig) oder man verteilt punkte (boooring). Dann ermittelte man dereinst das Land aus dem man kam aus (Frankreich, Bretagne, Okzitanien, Logres, Cambria, Cumbria, Irland, Schottland, Cornwall) - ich sage dereinst, weil die White Wolf Edition diese Möglichkeit zumindest im Grundbuch nicht mehr drin hat, aber angeblich soll das im Kampagnenbuch wieder drinstehen. Aus der Herkunft ergibt sich das Volk zu dem man gehört (Römer, Cymrier, Pikten, Sachsen, Okzitanier, Franzosen) - aus denen sich Attributsmodifikatoren ergeben. Ausserdem ermittelt man damit die Religion des Charakters (die meisten sind Christen,gibt aber auch Heiden, Wotananhänger und Juden) zu der ich gleich noch komme. Aus der Herkunft ergeben sich modifikatoren zu Persönlichkeitsattributen (Sachsen kriegen nen Bonus auf "Mut" aber einen Abzug auf "Besonnenheit" usw.) und je nach genauer Herkunft auch noch Regelmäßig eine "Passion". In Salisbury (logres) z.B. hasst man die Sachsen so sehr, das man da "Hass: Sachsen" bekommt. Es gibt noch ein paar Standard "Passionen" wie Loyalität:Lord (Die Iren kriegen da nen Abzug), Liebe:Familie (Iren kriegen da nen Bonus drauf) usw.
Dann würfelt man die soziale Herkunft aus. Hier ist mein Primärkritikpunkt an dem Spiel, denn die Herkunft ist ums VERRECKEN nicht ausgeglichen. Wer das Glück hatte von einem Banneret abzustammen ist dem armen "Krieger" (also, nicht Ritter) Sohn völlig überlegen - ganz besonders weil er eine anständige Rüstung besitzt. Das wächst sich allerdings im Spiel wieder ein wenig raus. Aus Herkunft ergeben sich Persönlichkeitsmodifikatoren, Skillpunkte und Ausrüstung. Man Verteilt ein paar Skills (es gibt Richtlinien was ein Ritter haben MUSS), würfelt auf der Glückstabelle und einen Familienbonus (jede Familie kann etwas besonders gut) und schreibt Ausrüstung auf.
An der Stelle ist der Charakter THEORETISCH spielfähig. Praktisch kommt jetzt etwas das einen meiner Spieler einmal dazu gebracht hat mich anzuflehen ein Findelkind spielen zu dürfen
. Man kann nämlich die gesamte Familie auswürfeln. Es gibt ein recht gutes System, mit dem man einen ganzen Stammbaum für die Familie generieren kann. Je nachdem in welchem Jahr man anfängt, kann man noch die Familiengeschichte dazu generieren.
Das Spiel selbst ist dann geschichtlich in mehrere Perioden eingeteilt und der SL kann sich rauspicken welche er spielen will:
1. Anarchie
2. König Artus erobert ein Reich
3. Festigung.
4. Höhepunkt
5. Niedergang.
Hardcore Spieler (so wie wir) fangen übrigens in der Anarchie an und pflügen sich dann durch 100 Jahre Artuslegende. In Phase 1 (dreckiges Brittanien) erobert man sich ein Lehen zusammen. Der König Uther Pendragon ist tot, das Land ist in Anarchie versunken - DIE Gelegenheit das eigene Land zu vergrößern. In Phase 2 (Wir sind bei William the Conqueror)kann man sich FÜR oder GEGEN Artus entscheiden und erobert dann mit ihm das Land, oder verteidigt sich mit König Lot dagegen. Am Ende erobert Artus Rom. In Phase 3 (Halbplattenrüstung ist bekannt, Turniere sind Mode) kann man munter questen, Drachen töten, Jungfrauen befreien, Raubritter besiegen, Pikten und Sachsen auf ihren Platz zurückschicken usw. In Phase 4 (1300) sind die "Glory Days" vorbei und man muss versuchen sich bei Hofe zu beweisen und mit der erlangten Macht umgehen lernen. Und in Phase 5 (ca. 1500) kann man Gral suchen, mit Artus in den Tod reiten oder schlußendlich im heiligen Land mit den letzten Mitgliedern der Tafelrunde den Tod suchen, nachdem Camelot nur noch Ruinen sind.
Interessant ist eben das man die Kinder des ersten Charakters spielen kann (man schafft etwa 4 Generationen) und die Kinder erben lässt. Magische Waffen und Ländereien gehen damit an die Kinder über. Apropos Ländereien und Frauen. Das Spiel bietet einen kleinen Wirtschaftsteil bei dem man um ein Weib wirbt und seine Ländereien verwaltet. Mit "Lordly Domains" kann man diesen Teil auch nich extrem expandieren.
Das Kampfsystem ist funktional mit einem W20 und verdammt tödlich. Charaktere werden hier gerne mal für ewigkeiten ausser Gefecht gesetzt. Darum empfiehlt das Spiel auch nur eine Queste im Jahr (mehr kann man sowieso nicht heilen).
Interessant sind noch die Passions - auf die kann man im Kampf würfeln um damit seine Werte zu verdoppeln. Wenn es gegen Sachsen geht, sehr hilfreich sie zu hassen. Auf der anderen Seite, wenn man schlecht würfelt, dann dreht man durch - alles hat Risiken.
Letztlich lohnt sich noch den spieltechnischen Effekt der Persönlichkeitsattribute zu erwähnen - Wenn man bestimmte Anforderungen (Mut auf 16 und ein paar andere) hat, dann bekommt man einen "Ritterlichkeitsbonus" (in form einer Rüstung) - und bei anderen Attributen gibt's noch einen "Religionsbonus" und einen "Love Bonus" der bestimmte Vorteile bietet.
Ansonsten ist das Regelsystem verdammt schnell und effektiv.
Der Schwerpunkt liegt bei Pendragon aber eindeutig auf dem Rollenspiel. Man bekommt eine schöne Persönlichkeit durch die Persönlichkeitsattribute generiert und kann die dann ausfüllen. Keine zwei Ritter sind hier identisch. Wir spielen es mit einigem Fanatismus. Aber wir finden auch Ritter und Cowboys noch immer toll.
Edit: Oh, ich sollte noch was dazu sagen wie mythisch es ist:
Es gibt Feen, es gibt Magier (eigentlich eher Druiden), und man kann letztere sogar spielen. ALLERDINGS: Die meisten die einen Druiden (oder Barden, die gibt's auch) spielen wollen sind abgeschreckt wenn man ihnen die Regeln erklärt. Hier wirft man keine Feuerbälle, man verzaubert das Land. Man segnet Felder, spricht mit den Feen, ruft Tiere herbei, verwandelt sich, vertreibt böse Geister usw. (naja, man KANN eine Skelettarmee beschwören, aber das ist auch alles was mich an klassische Fantasy gemahnt). Und der Preis den man dafür zahlt ist hoch - er äußert sich in Form verlorener Lebensjahre. Die kann man allerdings auch ab ruhen. Dann sollte man sich allerdings auf 3 Jahre Schlaf usw. gefasst machen. Davon abgesehen ist Magie sehr Situationsabhängig (Mittags im Sommer kann man lange die Skelettarmee rufen - um Mitternacht an Samhain, in der nähe des Schlachtfelds Badon sieht das aber schon GANZ anders aus). Im Ergebnis ist die Magie einfach großartig als Hintergrundelement, aber GRAUENVOLL zu spielen. Spielt Ritter. Das rockt sowieso mehr
.
Pendragon kann sehr mystisch sein. In "The Boy King" (das ist die alte Pendragon Campaign - ist jetzt revised rausgekommen, aber mir sogar als .pdf zu teuer) befassen sich alle Phase I Abenteuer fast nur mit Feen und bösen Geistern. In der Apogee Phase (4) wird das zugunsten der Politik zurückgedrängt (auch weil das Christentum immer mehr raum gewinnt) - die Gralsqueste ist aber der Gipfel der Mythologie (und die Vereinigung von Heiden und Christen). Wenn man schöne Mystik sehen will: Nehmt es. Im Einführungsabenteuer wird die Ambientemagie bereits großartig gezeigt und man kann ein Feenpferd abstauben ^^