AW: Nochmal: Autoren und Designer
Zum D&D-"Nebenzweig":
Außerdem ist D&D vor allem als Basis für verschiedene Fantasywelten entwickelt worden, weswegen eigentlich auch gar keine Notwendigkeit für spielweltbezogenen Fluff besteht, oder sehe ich das falsch?
Zum ersten Teil des Satzes kann ich nur Zustimmung äußern. Zum zweiten Teil nicht.
Ja, D&D ist seit seinen Ur-Anfängen schon IMMER ein "generisches Fantasy-Rollenspielsystem für 'D&D-like' Fantasy-Welten" gewesen. - Nicht für "Ars-Magica-like"-Fantasy-Welten. Nicht für "Harnmaster-like"-Fantasy-Welten.
Wieso kommt denn überhaupt der Eindruck auf, daß es so etwas wie "D&D-like" Fantasy-Welten im Unterschied zu anderen Fantasy-Welten gibt? Was macht eine Spielwelt aus, die man als "D&D-like" bezeichnen würde? - Was haben Mystara, Faerun, Athas, Oerth, usw. gemein - und was unterscheidet sie von Midgard/Myrkgard, von Kethira, von Glorantha, von der Known World (Artesia-Setting)?
Das auszuführen würde einen LANGEN Beitrag brauchen, daher hier nur angerissen: Eine Welt wie Forgotten Realms wird DURCH DAS REGELSYSTEM, das sie zum Spielen erschließen soll, genauso stark geprägt und geformt, wie durch den Weltenschöpfer (Autoren).
Es gibt KEINE "Einbahnstraße" beim Weltenbau für das Rollenspiel. - Nur der regelsystemlose Weltenbau kann reine Top-Down-Weltenbau-Ansätze versuchen. Und auch dort gibt es, sobald eine VERWENDUNG der Welt für irgendetwas - sei es Romane, Filme, Musik, oder eben auch Spiele - erfolgt eine Rückwirkung der Verwender und der Verwendungsart auf die WEITERE Ausgestaltung der Welt.
Gibt es also eine Spielwelt, die noch unbespielt und allein vom Autoren so ersonnen erstmals zu einer Spielsitzung mit einem bestimmten Regelsystem herangezogen wurde, dann wirkt im Laufe des Spielens die durch das Regelsystem gebotene "harte" Interaktionsschnittstelle mit der Spielwelt bestimmend auf gewisse Bereiche der Spielwelt, die allein durch das Regelwerk SICHTBAR gemacht werden, oder unsichtbar bleiben, inferiert werden, angenommen, aber als nicht wichtig erachtet werden.
Beispiel: Im Weird West Setting von Deadlands müssen die indianischen Schamanen z.T. sehr auszehrende oder gar ihre Körper permanent verstümmelnde Rituale über sich ergehen lassen, um von den Naturgeistern magische Macht zu erhalten. Spielt man in diesem Setting mit dem Deadlands Classic Regelsystem, so muß jedes Ritual, welches auch nur eine kleine Gunst der Naturgeister erbitten lassen möchte, gespielt werden. Gespielt heißt nicht zwangsweise haarklein ausgespielt, wohl aber den entscheidenden Würfelwurf, der bestimmt, ob das Ritual erfolgreich war und wie erfolgreich es war, MUSS man ausführen. Hier bestimmt das Regelsystem, daß JEDES schamanistische Ritual mindestens mit einem entscheidenden Wurf regeltechnisch behandelt wird. - Spielt man nach DL:R so beherrschen die Schamanen dieselben Naturgeister-Zauber, doch "regenerieren" sich die Magiepunkte der Schamanen AUTOMATISCH und spielerisch im OFF des Geschehens. Daher wird man NIE in DL:R einen Schamanen bei seinem explizit aufgeführten Trommeltanz erleben, sondern dieser ist NUR KOLORIT. Reiner "Anstrich", der implizit der automatischen Magiepunkte-Regeneration aufgemalt wurde. "Man geht davon aus, daß ein Schamane in seiner 'down time' eben ständig solche Rituale durchführt und dabei auch halbwegs konstanten Erfolg hat - daher die konstante Regeneration der Magiepunkte."
Zwei Regelsysteme. Zwei ANDERE Schwerpunkte, die diese setzen. Zwei andere FILTER, die aus DEM EXAKT IDENTISCHEN Setting sehr unterschiedliche Dinge herausfiltern.
Mit dem einen Regelsystem MUSS man bestimmte Handlungen in "Großaufnahme" zeigen, mit dem anderen kann man, selbst wenn man wollte, diese NICHT zeigen, weil man kein Mittel hat, sie überhaupt darzustellen.
Das ist der eine Teil der Wirkung eines Regelsystems auf ein Setting. Das macht aus einem Setting noch kein "<regelsystem-XYZ>-like" Setting, sondern das ist der Teil, der in die Richtung der Spielenden wirkt.
Nun der andere Teil. Der wirkt ZURÜCK auf die Setting-Autoren. - Die Regeln stellen bestimmte MUSS-Elemente vor. Diese sind im Spielablauf WICHTIG.
Ein Setting ist aber, außer bei reinen "Fire&Forget"-Settings zu denen NIE WIEDER etwas Neues produziert werden wird, normalerweise mit dem ersten Wurf nicht tot. Es lebt weiter. Es WÄCHST weiter.
Und nun kommt die Rückwirkung aus der spielerischen Sicht, aus der Erfahrung, WIE man mit dem Setting VERMITTELS des "Filters" Regelsystem XYZ spielt, ein Effekt auf die Weiterentwicklung des Settings.
Beispiel: Deadlands Classic hatte ein recht knapp beschriebenes Schamanen-Ritual-Magiesystem in seinem ersten Regelwerk. Nachdem aber gerade die Rituale der Schamanen als so stimmungsvoll und so exotisch bei den Spielern ankamen, war klar, daß zu diesem Umfeld MEHR veröffentlicht werden sollte (schließlich wollte der Verlag seine Spieler nicht enttäuschen UND als Verlag ja auch etwas verkaufen, was sich ausreichend absetzen ließ). - Daher kam Ghost Dancers heraus. Eines der stimmungsvollsten Deadlands-Bücher überhaupt. - Dieses vertieft und ÄNDERT die Settingdarstellung so, daß auch andere indianische Charaktere, nicht nur Schamanen, mit den "exotischen Ritualen" in Berührung kommen können. Es werden Teile des Fluffs nicht nur vertieft, sondern NEU GEWICHTET oder gar NEU ERFUNDEN!
Die Spielwelt wächst in die Richtung, in die sie GESPIELT wird.
Das ist schon das ganze "Geheimnis", warum "D&D-like"-Welten so "D&D-like" sind und nicht anders.
Mit jedem neuen Werk, welches sich aufgrund MASSIVER, ZAHLREICHER Spieleinsätze und entsprechenden Feedbacks nicht nur vertieft hat, sondern auf das an sich "generische" Regelwerk HIN entwickelt hat, wächst Setting und Regelwerk zusammen.
Interessant dabei ist, daß dieses Zusammenwachsen in BEIDE Richtungen passiert. Die Regeln werden erweitert und unterstützen mehr Ideen, die manch ein Settingautor für seine Spielwelt hatte. Die Settings hingegen greifen das auf, was die Regeln anbieten, vor allem was BELIEBT ist, was COOL ist, und erweitern die Settings so, daß dafür Platz ist.
Nachdem der Monk als Kung-Fu-Kämpfer (die entsprechende Fernsehserie und der Hongkong-Film-Boom war garantiert für die Beliebtheit verantwortlich) als D&D-Klasse "kanonisch" wurde, mußten für die Monks, die viele der Kungfu-Film-Begeisterten unter den Spielern spielten, eben auch PLÄTZE in der Spielwelt her, wo diese aus dem immer noch generisch beabsichtigten Fantasy-Regelwerk stammenden Mönche plausiblerweise in der Spielwelt herkommen könnten. Da die Spieler diese Klasse annahmen, brauchten entsprechende Charaktere eine HEIMAT in der Spielwelt.
So auch bei anderen Klassen wie Barbaren, Cavaliers, usw. - Hier mußte einfach aufgrund der Beliebtheit, des Spielerinteresses und um den Spielern nicht solche Klassen für manche Spielwelten zu VERBIETEN (immer eine schlechte Idee!), diese neuen Regelelemente in die Spielwelt "hineingeschrieben" werden.
Ähnliches auch bei Psionik. Diese fristete seit Anbeginn ein Schattendasein, bis die Freunde der Psionik mit Athas eine Spielwelt geboten bekamen, wo die Magie auf dem absteigenden Ast ist, und Psionik eine tolle, und zuverlässigere "Nicht-Magie" darstellt. - Ob das alles auf dem Reißbrett so geplant war, um Psionik zu propagieren, weiß ich nicht. - Es ist aber so, daß hier immer noch eine "D&D-like" mit erkennbaren D&D-typischen Versatzstücken vorliegt, die nur auf einen anderen Teil des Regelsystems stärker aufsetzt.
Bei Dark Sun setzt die Welt auf dem Skelett des Psionik-Regelsystems auf, welches auf anderen Spielwelten kaum verwendet wird. Bei anderen Welten setzt die Welt auf anderen Regelsystemteilen stärker auf. - Die Welt VERWENDET das, was die Regeln zu bieten haben, um den Regeln das "Fleisch" zum Spielen, zum Entfalten, zum darin Leben zu geben.
Beide Seiten beeinflussen einander. Regeln bieten Dinge, die einem Setting mehr Details an bestimmten Stellen entlocken kann, während andere ausgeblendet werden. Settings lassen manche Regelteile (von generischen Regelsystemen, wo man MEHR Regelbereiche hat, als man wirklich immer brauchen wird) außer Acht und stellen sich auf bestimmte Regelteile als Fundament, als Skelett auf.
Die eine Seite stützt die andere. - Wo dies nicht so ist, da "löst sich das Fleisch von den Knochen". Das ist dann für die Spieler unbefriedigend, weil einfach die "Haftung" von Regeln und Weltbeschreibung nicht ausreicht, um Plausibilitätsbrüche zu vermeiden. Plausibilität ist das, was ein Setting glaubwürdig (innerhalb seiner Genre-Konventionen!) macht.
Beispiel für das Stützen und die Lücken:
Deadlands Classic hat ein Setting, den Weird West, in welchem dargelegt wird, daß Huckster zaubern, indem sie mit den Manitous der Ewigen Jagdgründe Poker spielen (reine Setting-Fakten der Weltbeschreibung). Das Regelsystem läßt nun den Huckster-Spieler nicht einfach nur würfeln, sondern läßt ihn Pokerkarten ziehen, ein Pokerblatt zusammenstellen und das dann über den Erfolg und die Qualität des Erfolgs entscheiden. Hier nimmt das Regelsystem klar die Weltbeschreibung auf und bildet sie mit stimmungstransportierenden Regeln ab, auch wenn das Kartenziehen im "Gameplay", d.h. in der Abwicklung der Bestimmung eines Erfolges mit einem Zauber, deutlich mehr Spielzeit kostet, als ein einfacher Würfelwurf. Das ist ein Preis, den man für mehr Stimmung und engere Bindung an die Setting-Fakten zahlt.
Deadlands Classic läßt einen von einem Schuß getroffenen Charakter eine Schock-Probe ablegen. Schafft dieser die Probe nicht, so ist er geschockt und kann nicht mehr frei agieren, sondern muß seine Aktion(en) auf eine ZWANGSWEISE erfolgende Erholungsprobe aufwenden. Ehe er diese nicht geschafft hat, kann er keine Aktionen ausführen. - Die Settinginformation, die Spielweltbeschreibung sagt NICHTS dazu, ob und wie ein Bewohner der Spielwelt sich im angeschossenen Zustand verhalten soll. Es gibt im Setting KEINE VORGABEN. Hier besteht eine LÜCKE in der Settingbeschreibung, die vom Regelwerk gefüllt wird. Und zwar mit etwas, was plausibel ist, was plausible Ergebnisse (= im Spiel geschaffene Setting-Fakten!) erzeugt. Dem Settingautoren war eine hochgdetaillierte Beschreibung solcher Verwundungsspezifika nicht wichtig. Da aber andere Bereiche der Regeln einen bestimmten Detaillierungsgrad vorgelegt haben, ist es hier ebenfalls notwendig und sinnvoll die Detaillierungsebene nicht zu verlassen. Daher BRAUCHT es Regeln, die diese Lücke mit dem notwendigen Detail füllen.
Deadlands Classic läßt einen sehr erfolgreichen Einschüchterungsversuch damit enden, daß der Eingeschüchterte "gebrochen" ist. Die Settingbeschreibung kennt so etwas. Jemand ist so ein harter Brocken, daß ein böser Blick und ein paar dahin geknirschte Drohungen reichen, daß anderen Leuten die Blase versagt. Das Regelwerk gibt dazu Regeln, die bis zur Bestimmung des Ergebnisses "gebrochen" gehen. Was aber mit diesem Ergebnis an Setting-FAKTEN geschaffen wird, das lassen die Regeln OFFEN! Hier geben die Regeln nur die Qualität des Ergebnisses (hoch) an, aber nicht die genaue Auswirkung. Das ist eine LÜCKE im Regelsystem, die der Spieler bzw. Spielleiter mit Setting-Fakten füllen muß. Es BRAUCHT solch ein Füllen mit konkretem Charakterverhalten des Eingeschüchterten, um die Plausibilität des Settings zu wahren.
Drei Beispiele aus demselben Rollenspiel.
1. Zusammenspiel/Zusammenwachsen von Settingbeschreibung und Regeln.
2. Lücke in der Settingbeschreibung wird durch Regeln gefüllt.
3. Lücke in den Regeln wird durch (im Spiel erfolgte) Settingbeschreibung (Fakten) gefüllt.
Ein paar Binsenweisheiten dazu (ausführliche Erläuterung nur bei Bedarf in eigenen Threads):
KEIN Regelwerk kann jemals wirklich "vollständig" sein.
KEIN Setting kann jemals wirklich ALLES detailliert beschrieben haben.
KEIN Rollenspiel ist ohne Lücken.
JEDE Spielrunde WIRD Lücken entdecken und sie SELBST füllen.
Zum letzteren Punkt doch noch etwas: Settingbeschreibung sagt etwas über "Gastrechte" in einer Kultur in einer Fantasy-Welt. Spieler haben unabhängig voneinander ein bestimmtes Verständnis des betreffenden Fluff-Textes erhalten und sehen bestimmte Setting-Fakten als so und so gegeben. Spielleiter legt denselben Text anders aus. - Es ist aber KEIN Regeltext, sondern eine Setting-Information, die - so oder anders ausgelegt - jeweils anderes Verhalten der SCs nach sich ziehen würde. - Hier MUSS die Gruppe zu einer Einigung über die Interpretation des Settingtextes, der ja nur FAKTEN darstellen soll, gelangen, um weiter die Rollen der SCs spielen zu können.
Ähnliches passiert auch auf dem Bereich der Regeltexte, die idealerweise auch eindeutig und klar sein sollten, aber eben auch oft Auslegungsspielraum (= Lücken) bieten.
Jede Gruppe WIRD diese Lücken selbst füllen, wenn sie dieses Spiel weiter spielen will. Einen Teil davon nennt man Hausregeln, einen anderen Teil nennt man im klassischen Sinne die "Kampagne" des jeweiligen Spielleiters (der Konsistenzverantwortlicher für SEINE Spielwelt ist - egal ob er diese selbst ersonnen oder als Produkt gekauft hat, sobald ER die Welt für seine Spieler spielt, ist es SEINE Spielwelt).
D&D ist seit seinen Ur-Anfängen nicht auf genau EINE Welt und nicht auf genau EINE Art darin zu spielen ausgelegt. D&S spannt einen ganzen Raum an Spielmöglichkeiten auf. Nicht wirklich ohne Grenzen, aber innerhalb der Grenzen unendlich viele "Punkte", an denen sich jeweils eine Spielgruppe finden kann.
Das gilt für D&D 4E auch.
Jetzt das Problem mit 4E.
Hatte es in allen Ausgaben von D&D vor der 4E noch LEICHT zu schließende Lücken zwischen Regelsystem-Skelett und dem jeweiligen Setting-Fleisch einer Spielwelt gegeben, so fällt dies bei den aktuellen Powers im 4E-System zusehends schwer.
Um als generisches Regelsystem für "D&D-like"-Fantasy-Welten zu taugen, MUSS ein Regelsystem-Skelett eine gewisse HAFTUNG für das Setting-Fleisch bieten. - Und die 4E wirkt wie anti-haft-beschichtet.
Man KANN und man SOLL sich für die Powers ja spezifische Ausprägungen überlegen. Doch haften diese weit weniger als die Prestige-Klassen und Feat-Listen in der 3E.
Der Mangel an HAFTUNG der Settingspezifika am glatten, gut geölt laufenden 4E-Regelmechanik-Skelett ist meines Erachtens der Grund für das "vieler-forums" zu lesende Gejammer über die 4E hinsichtlich der Spielweltbezüge.
NIEMAND wird m.E. ernsthaft erwarten, daß ein D&D-Grundregelwerk mit "befriedigend ausführlicher" Settingpräsentation nur genau EINER Spielwelt daher kommt. - Ist darin zu 30% Seitenanteil etwas über Faerun zu lesen, werden die nur auf Greyhawk spielenden D&Dler jammern. Und die Eberron-Fans noch mehr.
D&D kann ANSÄTZE zur beispielartigen Demonstration der Verkettung von Setting mit Regeln darstellen, aber darf im Grundregelwerk meiner Meinung nach NICHT auf nur eine Welt beschränkt sein. Das wäre an der Zielsetzung als generisches Fantasy-Regelwerk dienen zu können, mit dem man VIELE Fantasy-Welten erschließen kann, vorbei entwickelt.
Zurück zu Autoren und Designer:
Ich hätte jetzt gesagt, dass die Designer sich gefälligst vorher mit den Autoren abstimmen sollen, damit sie die Dinge, die möglich sind, auch adäquat in Regeln kleiden. Und zwar deshalb, weil sich für mich die Dynamik eines Spiels und damit auch verbundene Spielziele aus dem Setting heraus ergeben.
Für mich ergibt sich die Dynamik eines SPIELS aus den Spiel-REGELN. - Die Dynamik der gespielten HANDLUNG ergibt sich nur zum Teil aus dem Setting, zum viel gewichtigeren Teil aber aus den SPIELERN und wie diese mit ihren Charakteren vom Setting GEBRAUCH machen.
Eine Spielwelt ist (metaplot-artige Entwicklungen ausgenommen) zunächst einmal etwas Statisches. - Das Gegenteil von Dynamik.
Es können "Kraftfelder" beschrieben sein, die beim "Drücken des Start-Knopfes" dann für Bewegung sorgen, doch wird der Start-Knopf NUR IM SPIELEN SELBST gedrückt werden!
Mit dem ersten Charakter, der erschaffen wird, beginnt die Spielwelt zu atmen, zu leben, sich zu strecken - und zu KONTRAHIEREN! - Sie zieht sich an der Stelle zusammen, verdichtet sich, wo die konkreten Charaktere herkommen, wo sie bei Spielbeginn sein sollen.
Wer die gesamte Welt Glorantha kennt, der kennt die relativ kleine Region Dragon Pass. Zu dieser Region gibt es mit WEITEM Abstand die meisten Veröffentlichungen, und die meisten Runden spielen dort. - Warum? - Weil dort ein BRENNPUNKT der Welt ist, wo Kulturen aufeinandertreffen, wo es massig Konflikte gibt, wo man die Chance hat, etwas zu BEWEGEN.
Viele Spielwelten bieten weite Bereiche an statischen Gegenden, in denen auch NACH Betätigen des Start-Knopfes NICHTS LOS ist.
Vielfach bekommen es Autoren von Spielwelten nicht hin, die GESAMTE Welt gleichermaßen interessant - und damit spielenswert! - zu gestalten. - Und das ist auch kein Problem!
Solange die Regeln sich auf den Bereich konzentrieren und den Bereich erschließen, wo etwas los ist, spielt man GERNE auf dieser Welt. Der Rest der Welt dient nur als erweiterter Plausibilitäts-Rückhalt.
Eine Spielwelt muß nicht überall interessant und spannend sein. Klarer Fokus auf die spannendsten Regionen hilft sehr eine Spielwelt auch ZUGÄNGLICH zu machen. (Deadlands spielt im Westen. Nicht in Europa, nicht in Afrika, sondern im Wilden Weird West - dort ist tatsächlich an jedem zweiten Kaktus etwas Spannendes zu finden.)
Doch bietet das Setting KEINE Dynamik, sondern nur das POTENTIAL für Dynamik.
Regeln an sich können hingegen Dynamik aus sich heraus bieten. Hier steckt in den möglichen Mechaniken enorm viel an Möglichkeiten, die in einem bestimmten Regelsystem dann einen konkreten Spielfluß im Rahmen der Regelanwendung ergeben. - Dazu können Gleichzeitigkeiten gehören, Geheimnisse (verdecktes Bieten), Überraschungen (Würfel!), usw.
Die Dynamik innerhalb der Regelmechanismen ist jedoch NIE ausreichend für ein gutes Gesamtspielerlebnis.
Hier müssen Dynamik der Regelmechanismen UND die von den Spielern tatsächlich konkret genutzten Potentiale der Spielwelt zusammen kommen.
Eine Spielwelt kann noch so bunt und voller politischer Spannungen sein, aber wenn das Spiel darin durch einen AUSBREMSENDEN Regelsystem-Mechanismus jedes Tempo verliert, dann läßt die Spannung merklich nach (Beispiel: das "Herunterkloppen" von 200+ Hitpoints, ohne daß "irgendwas passiert"; das Herunterwürfeln von AT-PA-AT-PA-"Endlos-Schleifen", ohne daß "irgendwas passiert").
Dynamik liegt NIE in den Händen des Autors einer Spielwelt. Er kann nur die Spannungsfelder als ANGEBOTE aufstellen, kann aber nicht in jeder Spielrunde mitspielen und Einfluß auf deren Nutzung ausüben.
Dynamik wird vom Regelsystem GEFÖRDERT oder GEBREMST - somit BEEINFLUSST. Das Regelsystem kann aber nur dynamische Mechanismen vorhalten, hat keinen Einfluß darauf, ob und wann diese angewandt werden mögen.
Die eigentlich ENTSCHEIDENDE Dynamik liegt allein in den SPIELERN! - Sie entscheiden, welche der Angebote der Spielwelt sie nutzen wollen, und sie entscheiden, wie sie diese nutzen wollen (d.h. ob Regelmechaniken hier zum Einsatz kommen, oder nicht).
Beispiel: AD&D 1st Ed. sieht Regeln für den Aufbau und Unterhalt von eigenen Festungen nach Erreichen des Name-Levels eines Charakters vor. Er muß dazu eine Gegend finden, die er von Monstern "säubern" kann, und kann dort siedeln (Western-Thematik, ganz klassisch - wäre NIE in einem mitteleuropäischen Geist so entstanden). - Aber, KEIN Spieler ist irgendwie "gezwungen" von diesen Regeln Gebrauch zu machen, weil er nämlich keine Festung aufbauen muß. Er KANN (Angebot in der Spielwelt: es gibt "monster-verseuchte Gegenden", auf die kein anderer Herrscher einen Anspruch anmeldet) eine Festung bauen wollen. FALLS er das will, dann gibt es Regeln, die ihm sagen WIE er das machen kann. Doch bis er das tut, braucht er diese Regeln nicht einmal anzuwenden.
Nicht nur das Setting kann also Angebote enthalten, sondern auch Regeln, die settingübergreifend sind (wie die AD&D-Stronghold-Regeln, die ja für ALLE AD&D-Settings gelten sollen).
Wie es aussieht, können Autoren und Designer beide NUR ANGEBOTE machen. Die Auswahl, die Nutzungsart, die konkrete VERWENDUNG der vom Autor geschriebenen Texte und der vom Designer ersonnenen Mechanismen liegt IMMER in den Händen der Spieler.
Das macht den Beruf des Rollenspiel-Autoren und Rollenspiel-Designers anders als den eines Roman-Autoren oder Computerspiel-Designers. - Im Roman kann der Leser das Buch zwar zuklappen und weglegen. Aber wenn er es weiterlesen möchte, dann hat er KEINE WAHLMÖGLICHKEIT. Er entscheidet nicht innerhalb des Lesens, wie das Geschriebene weitergeht (er nimmt den Text natürlich individuell unterschiedlich auf, aber das ist etwas völlig anderes als die Entscheidungsfreiheitsgrade eines Rollenspielers im Umgang mit einer Settingbeschreibung). - Im Computerspiel MUSS eine einprogrammierte Regelmechanik bei Eintritt der Bedingungen für ihre Ausführung ganz zwangsläufig ablaufen. Der Spieler hat KEINE WAHLMÖGLICHKEIT, ob und wie er mit den Regeln umgeht, sondern er kann nur versuchen die Auslöser zu vermeiden, was aber wiederum ein Verhalten abseits vom eigentlichen Spielinhalt ist.
Ein Rollenspieler hingegen nimmt - selbst als Rules Lawyer - die Regeln nur als Rahmen und die Settingbeschreibung nur als Vorlage für die eigene Phantasie. Nicht einmal die übelsten Rules Lawyer wollen ja wirklich ein sklavisch nur auf reine Regelmechanikanwendung reduziertes Spiel. Denn dann fehlte dem Spiel das Imaginative, was Rollenspiel ausmacht.
Regeln sind während ihrer Anwendung sehr konkret und lassen bei dem, was sie leisten, nichts zum Imaginieren. Man kann die ERGEBNISSE plausibilisieren, aber nicht die Algorithmen, die sie erzeugen. Diese sind NEUTRAL. Denen ist es EGAL, wem der Charakter gehört, in welchem Setting das stattfindet, usw.
Es bedarf daher notwendigerweise eines Settings, um überhaupt INTERESSANT GENUG zum Spielen zu sein.
Das merkt man an vielen Indie-Rollenspielen aus dem "forge-igen" Umfeld sehr deutlich. Hier gilt es als erstrebenswert, daß die Regeln klar und deutlich das tun, was der Entwickler sich dabei gedacht hat. Daher wird sehr stark REGELZENTRIERT entwickelt, es werden Mechanismen erstellt, Resourcenströme betrachtet, usw. - Und wenn das Skelett fertig ist und wie geölt läuft, dann will so etwas außer dem Autoren KEINER spielen. Denn das läßt keinerlei IMAGINATION zu!
Daher bekommen die Indie-Rollenspiele einen "Zuckerguß" aus "Setting-Tünche". Man malt dann Superhelden, oder Western, oder Fantasy, oder sonstwas über das nackte Regelgestellt, damit es überhaupt "genießbar" wird.
Manche Indie-Autoren/Designer können das gut. Dann kommt ein ECHTES Rollenspiel heraus. - Andere können es nicht so gut, und das kalte, high-tech Skelett der Regeln haftet nicht am zu dünnen Latex-Kostüm des Settings. - Das sind die Spiele, auf denen ein Setting-Etikett klebt mit "Western", "Superhelden", usw., bei denen man aber im Laufe des Spiels sich NUR MIT DEN REGELN beschäftigt, und kaum - d.h. ZU WENIG - mit dem Setting. Man bleibt als Spieler hier unbefriedigt, weil ein ROLLENSPIELER eben BEIDES braucht: Country UND Western.
Vielleicht unterscheidet das Autoren von Designern. Autoren legen den Fokus auf die Rollen, Designer den Fokus auf das Spiel.
Wenn ein Autor eine Spielwelt NUR FÜR SICH UND NIEMANDEN SONST ersinnt, dann kann er das halten, wie er will. - Sobald er aber mit der ABSICHT an eine Spielwelt geht, diese SPIELERN für praktische Rollenspielerlebnisse zur Verfügung zu stellen, hat eine ZIELRICHTUNG, die ihn STÄNDIG mit der Frage "Wie sollen die Spieler das <Settingelement> jetzt spielen?" zu beschäftigen hat!
Ein Autor, der ein Setting für eine SPIEL-Welt entwickelt (und nicht für einen Roman oder einen Film), der MUSS an das SPIEL denken und den Fokus auf den SPIELERN haben!
Daß in ihrem Selbstverständnis als Autoren auftretende Spieleschaffende (nicht nur, aber doch sehr auffällig) hierzulande gerne sowohl das Spiel als die "Lebensquelle" eines Settings für ein Rollenspiel ausblenden, und - geradezu sträflich - sich KEINE GEDANKEN zur Aufnahme der Settingbeschreibung durch die SPIELENDEN machen, ist etwas, was ich für meine Wahrnehmung der Deutschen Krankheit zuordne.
Das ist eine z.T. sogar absichtsvolle DISTANZ, die sich die Autoren gegenüber den Spielern als denjenigen, die ihr Werk zum spielerischen LEBEN erwecken sollen, erlauben, die maßgeblich für die meisten der von mir als SCHLECHT empfundenen Rollenspiel-Entwicklungen hierzulande verantwortlich ist.
Das Peinliche ist dabei, daß Runden, die der Autor SELBST mit Testspielern leitet, sogar noch halbwegs laufen. Das liegt daran, daß die "Test"-Spieler meist persönlich bekannt mit dem Autoren sind oder generell einfach keinen Konflikt haben wollen, sondern "nur spielen" wollen. - Ernstzunehmendes Feedback bekommt man von solchen Runden nicht.
Dummerweise müssen, vor solchen Testspielrunden, ja noch Regelmechaniken her. - Hier kommt der nächste Bruch: Der Regelsystem-Entwickler kommt erst an zweiter Stelle, statt VON ANFANG AN und zwar parallel mit dem Autoren der Spielwelt eine um die andere Iteration zu drehen.
Autoren, die eine "Nachrangigkeit" des Regelsystems sehen - ja gar damit kokettieren! - produzieren mit schöner Regelmäßigkeit (so sie denn über ein einziges "Rollenspiel" jemals hinausgekommen sind) spielerische Totgeburten.
Regeln UND Spielwelt UND Spieler.
Das scheint immer noch eine "Geheimformel" zu sein, so wie sich Autoren um den Nachweis ihrer Unkenntnis dieser einfachen Mixtur JEDES spielenswerten Rollenspiels bemühen.
Ein Autor MUSS die IDEE des Spiels ständig als Leitlinie für seine Spielwelt haben und muß sich ständig mit dem Schritt zurück von der "Staffelei" in die Rolle des Spielers, der mit dieser Spielwelt und den darin enthaltenen ANGEBOTEN etwas anzufangen versuchen möchte, hineinversetzen.
Faustregel: Gute Autoren sind sehr angenehme, aufmerksame, einfühlsame Mitspieler (zumindest meine eigene Erfahrung). - Solche Autoren WISSEN nicht nur, WAS sie schreiben/entwerfen wollen, sondern auch FÜR WEN.
Ein Designer, der nur an das Spiel bzw. die Anwendung seiner Regelmechanik denkt, baut ein gefühlloses, uninspirierendes, kaltes Gestell. Ein Gestell, das keinerlei HAFTUNG mit einer Spielwelt zuläßt, sondern im "Wirkbetrieb" ständig die Spielwelt-Belange "abschüttelt".
Ein Spiele-Entwickler kann "nackte" Mechaniken entwickeln und sie dann mit ein wenig "Farbe" überziehen. Sie bleiben dabei aber immer noch NACKT und KALT und erwecken nicht im Geringsten die IMAGINATION der Spieler.
Unterschied zu abstrakten Brettspielen: Rollenspiel lebt nicht allein von der Begeisterung für tolle Regelmechanismen und schöne Resourcenströme und taktische Herausforderungen, sondern es braucht ALL DAS UND MEHR: die Imagination, die Phantasie, das Vorstellungsvermögen.
Wenn ein Designer auch einen noch so ausgeklügelten Mechanismus ersonnen haben mag, so ist dieser einfach nicht spielenswert, wenn er in einem uninspirierenden Setting verbraten wird, das keiner zu spielen Lust hat.
Das ist das klassiche Problem der "Heartbreaker". Hier steckt oft eine tolle Idee - mal regeltechnisch, mal vom Setting kommend - darin, doch ist der gesamte Rest leider uninspiriert und uninspririerend.
Wie oft gibt es in Foren Themen, in denen versucht wird bestimmte "coole Regelmechanismen" aus einem Rollenspiel herauszunehmen und in ein anderen zu "transplantieren"? - Warum? - Weil der Mechanismus so toll ist.
Ja. Der ist toll. Aber PASST er auch in das andere Rollenspiel? Paßt er auch in das andere Setting?
Nicht jedes Setting verträgt ein Ars-Magica-artiges Magie-System. Nicht jedes Setting verträgt ein Fate-artiges Aspekte-System. Nicht jedes Setting verträgt ein Kampfsystem mit Shift-Push-Pull auf der Battlemap.
Ein Designer MUSS sich IMMER das Setting, für das er entwickelt, vor Augen halten. Und er MUSS an die Spieler denken, die seine Regelmechanismen ANWENDEN sollen.
Entwickelt ein Designer ein generisches Regelsystem, so wird das Ganze noch viel schwieriger. Hier gibt es nicht nur ein einziges Setting, sondern einen ganzen "Raum" an Settings, der vom Regelsystem erschlossen werden soll. - Wie bei D&D für "D&D-like" Fantasy oder wie bei den "Generika" wie GURPS, HERO, SW, BRP usw. für so gut wie alle Genres.
Je KONKRETER die Vorstellungen der "Ziel-Spielwelten" sind, je begrenzter der Raum der Settings, desto eher kann das Regelsystem als "one size fits all" für alle in diesem Raum befindlichen Settings verwendet werden.
Setzt man den Raum völlig unbeschränkt auf "unendlich", so bekommt man schnell die typischen Probleme mit den Generika: Sie sind zwar generisch, aber NIEMALS universell! Daran scheitern bislang ALLE generischen Regelsysteme - und kein Wunder! Sie MÜSSEN ja scheitern, wenn die Zielsetzung immer unspezifischer wird.
Es ist schon schwierig auch nur EIN Setting adäquat zu unterstützen, daß in der Spieldurchführung das Regelsystem nicht die Imagination tötet, und daß aber dennoch das Setting ein solides, verläßliches Fundament für die Schaffung von FAKTEN durch die Spielenden im Setting hat.
Ein Designer darf sich somit nie nur auf die Spielmechaniken beschränken, sondern BRAUCHT die ständige Abstimmung mit dem Spielwelt-Autoren. - Und umgekehrt.
Als Team, oder oft in Personalunion, legt der Designer die Filter fest, die bestimmte Teile des Settings "scharf" sehen lassen, wenn man es im Rollenspiel konkret bespielt. - Diese Filterung erlaubt dem Autoren auch mal Teile des Settings nicht in allen Details auszuspezifizieren, sondern nur soweit, wie es das Regelsystem und die Spieler brauchen. - Umgekehrt läßt das Regelsystem auch durchaus bewußt Lücken, um nicht in endlos vielen Regeln, die nur für seltenste Eventualitäten mal gebraucht würden, zu versinken, sondern auch mal Dinge OFFEN zur Entscheidung "im Bedarfsfalle" zu lassen. Dabei muß der Spielwelt-Autor aber unterstützen und klären, ob nicht diese "Bedarfsfälle" DOCH in seinem Setting STÄNDIG notwendig sind, also "Normalfälle" darstellen. - Man sollte versuchen die Regeln so einfach und knapp wie möglich zu halten, aber manchmal ist so knapp wie möglich eben an manchen Stellen doch recht ausführlich. Dann ist diese Ausführlichkeit NÖTIG.
Ein guter Designer hat ein gutes Gefühl dafür, wie er GRUNDMECHANISMEN aufstellen kann, die es bei bewußten oder nicht bewußten Lücken einem Spielleiter erlauben klare, mit den Grundmechanismen konforme ad hoc Regelungen zu treffen. Dem Spielleiter hilft kein "mach's Dir doch selbst", und auch keine x-bändige Bibliothek an kaum während des Spiels aufzufindenden Zusatzbänden, sondern nur klare Mechanismen, die AM SPIELTISCH auch ad hoc zu soliden Regelungen führen.
Ein guter Designer ist daher üblicherweise auch jemand, der SEHR UNTERSCHIEDLICHE Rollenspiele mit sehr unterschiedlichen Regelmechanismen spielt und kennt, und somit einfach ein breites Spektrum an "Ausdrucksmöglichkeiten" hat. - Das, was der Autor statisch vorzeichnet, wird vom Designer mit seiner "Palette" an Ausdrucksmöglichkeiten näher an den Zugriff durch die Spieler gebracht. Daher ist - wie schon beim Autoren - die Idee des SPIELS und das Hineinversetzen in die Sicht des Spielers für einen Designer so wichtig.
Der Unterschied zwischen Autor und Designer könnte darin liegen, dass ein Autor grundsätzlich erst die Idee für die Spielwelt hat, und daraus dann Spielelemente, Dynamik und Regeln ableitet. Der Designer hat eher Spielziele und Mechanismen zur Erreichung dieser im Kopf. Dazu kommt dann die Spielwelt, die sich den Möglichkeiten anpassen muss.
WOHER die beiden ihren Ausgang nehmen, ist egal. - Es gibt beliebte und spielenswerte Rollenspiele, die aus beiden Richtungen entstanden. Keine von beiden ist überlegen.
Es gibt bei beiden Vorgehensweisen jedoch RISIKEN, die jeweils andere Seite - UND DIE SPIELER! - aus den Augen zu verlieren.
Die Spielwelt, die wirklich kreativ beeindruckend ist, wird durch ein inadäquates System als Filter zur Langweiligkeit "heruntergeregelt". Das tolle Regelsystem mit beeindruckenden Mechanismen läßt die gewählte Spielwelt überhaupt nicht am Regelskelett haften und stellt ständig Fakten als Ergebnisse zur Verfügung, die nicht in die Welt passen.
Die Hauptgefahr, die ich sehe, ist das aus den Augen verlieren des SPIELERS. - Selbstverliebte Autoren und ins Basteln vertiefte Regelsystementwickler gibt es zur Genüge.
Oft (oder glücklicherweise!) bleibt es jeweils bei dem EINEN EINZIGEN Werk, das diese Autoren oder Designer erstellen. Der eine hat sein nacktes, an keinem Setting haftendes Regelsystem erstellt und publiziert und kann sich Rollenspieldesigner nennen. Der andere hat seine besser für Romane oder als Fernsehserien-Setting heranzuziehende Spielwelt mit einem wackeligen Regelsystem ausgestopft, und kann sich Rollenspielautor nennen.
Gut, daß die meisten dieser "beispielhaften" Schaffenden mit dem einen einzigen Werk "genug" haben, und nicht noch an anderen Vorhaben arbeiten.
Bei anderen jedoch, ist die eine Welt nicht genug. Und da darf man dann schon bisweilen eine erhebliche "Lernresistenz" registrieren. - Das ist schade. Aber das unterscheidet in EGAL welchem Bereich stets die Guten von den Schlechten. - Die Guten können auch mal schlecht angefangen haben, aber sie lernen dazu und werden besser. Die anderen sind schon so gut, wie sie jemals werden konnten. Leider nicht gut genug.
Man wird sich nie darauf einigen können, wie Flavour XY adäquat in Regeln gepackt wird.
Was heißt "adäquat"?
Man nehme Cthulhu-Flavour. Den packe man in BRP-Regeln. Oder in Gumshoe-Regeln. Oder in D20-Regeln. Oder in SW-Regeln.
Was ist davon "adäquat"?
Wenn JEDE UMSETZUNG FÜR SICH funktioniert und ein spielenswertes Rollenspiel darstellt, dann ist das FÜR MICH in jedem Falle "adäquat".
Beispiel Savage Worlds:
...
Gegenbeispiel D&D 3.0/3.5:
Das sind keine "Gegenbeispiele", sondern einfach unterschiedliche Zielsetzungen, die von den Regeln dann "adäquat", d.h. UNTERSCHIEDLICH umgesetzt werden.
Übrigens: Für besonders "unkaputtbare" Helden bieten ja auch SW-Settingregeln wie die DTA-Settingregeln die Regel, daß Extras keinen explodieren Schaden mehr würfeln dürfen, und daß deren Schaden immer non-lethal ist. Das trifft sehr gut den Low-Level-Gegner bei D&D. Der Held kippt noch lange nicht aus den Latschen, wenn er solch einem begegnet - und der Gobbo ist schneller hinüber als er "Eeek!" sagen kann.
Wenn man mit SW ÄHNLICHE Zielsetzungen wie D&D (4E) abbilden will, dann kann man das mit Grundregeln plus Settingregeln erreichen.
Und man kann auch D&D 3E so "abhärten", daß auch minderstarke Gegner noch spürbar gefährlich sein können.
Für mich als Spieler&SL erzeugt das auf einem gewissen Level eine frustrierende Diskrepanz.
Das ist der Fall, wenn Setting-Beschreibung nicht am Regel-Skelett haftet. Wenn Fakten laut Regeln geschaffen werden, die unstimmig sind, oder wenn im Setting etwas existiert, was laut Regeln nicht sein kann.
Deswegen würde ich mich drüber freuen, ein RPG zu sehen, wo der Flavour dem Crunch folgt, und nicht umgekehrt.
Fast alle "forge-igen" Rollenspiele sind so entstanden. - Und heraus kommen zumeist One-Trick-Ponies, die sich mehr wie Brettspiele spielen und bei denen der "Flavour" nicht am Regelgerüst haftet, sondern beim Spielen verfliegt. Die "Farbe" blättert ab, wenn man versucht das Spiel wie ein Rollenspiel zu spielen.
Wirf mal einen Blick auf solche "brettspieligen" REGEL-Spiele aus der Indie-Ecke (in Dem Anderen Forum werden diese ja stets als die Besser-Rollenspiele für den elitären Geschmack dargestellt - also etwas, mit dem sich Löwenclub-Besucher durchaus mal auseinander setzen sollten).