Rezension Necropolis 2350 (II) [T-Rezi]

Taysal

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Necropolis 2350 (II)


Savage Worlds Settingband [T-Rezi]


Die Zukunft der Menschheit im Jahre 2350 findet auf dem Planeten Salus statt, von allen nur Necropolis genannt. Es ist die letzte Zuflucht, denn es gibt keinen anderen Planeten mehr, auf dem menschliches Leben möglich wäre. Und auf dieser einen lebensfreundlichen Welt tobt ein erbitterter Kampf gegen die Untoten, Rephaim genannt.

„Necropolis 2350“ ist ein Quellenbuch für das Rollenspiel „Savages Worlds – Gentlemen's Edition“ (ebenfalls erschienen bei Prometheus Games) und bietet eine düstere und gefährliche Kampagnenwelt. Das Buch geht davon aus, dass die Spieler in die Rollen von Rittern der Dritten reformierten Kirche schlüpfen. Seite an Seite mit ihren Kameraden kämpfen sie gegen Repahim, Ketzer, Verräter und unaussprechliche Dinge. Die erfolgreichsten der Ritter werden dabei zu Ikonen der kirchlichen Medien bejubelt. Bilder der Rekrutierungsvideos aus dem Film „Starship Trooper“ drängen sich hier einem unweigerlich auf. Und wie im Film, ist die bittere Realität auf dem Schlachtfeld eine ganze Andere.

Um den Rephaim Widerstand zu leisten, gründete die Kirche die Heiligen Orden (Sacri Ordines genannt). Jeder Orden ist einzigartig und stellt an seine Mitglieder andere Ansprüche. So gibt es Orden die ganz auf Infanterie-Unterstützung ausgelegt sind, andere erfüllen Kommandofunktionen oder stellen die motorisierten Verbände. Es ist für jeden Geschmack das passende Konzept vorhanden. Bei der Charaktererschaffung wird auf die speziellen Punkte geachtet und auch entsprechend Rücksicht genommen. Überhaupt ist der Regelteil sehr vorbildlich gestaltet, ebenso wie das ganze Buch.

„Necropolis 2350“ kommt, wie das Grundregelwerk, als handliches DIN-A5-Hardcover daher. Es ist stabil verarbeitet und besitzt ein helles und klares Layout. Leider fehlt ein Lesebändchen, was heutzutage zum guten Ton eines Rollenspiels gehört. Das Buch selbst gliedert sich in zwei große Teile. Der Eine richtet sich an die ganze Spielgruppe, der Andere ist dem Kriegsmeister vorbehalten – so wird der Spielleiter in diesem Setting bezeichnet.

Die allgemein zugänglichen Informationen stellen den grundlegenden Wissensstand über die Welt vor. Neben den Rephaim und der Kirche existiert noch eine dritte große Fraktion auf Saulus: Die Konzern-Union. Diese liegt im Konflikt mit der Kirche, doch zwischen beiden Parteien herrscht offiziell Friede. Der gemeinsame Feind, die Untoten, ist eine zu große Bedrohung für die Menschen. Allerdings besitzt der Spruch „Der Feind meines Feindes ist mein Freund“ hier keine Gültigkeit. Obwohl es theoretisch möglich ist Mitglieder eines Konzerns zu spielen, ist die Spielwelt vollkommen auf Spielercharaktere als Ritter ausgelegt.

Die Spielgruppe erfährt alles über die unterschiedlichen Orden, es werden neue Handicaps, Talente und Mächte vorgestellt. Wie es sich für eine militärische Rollenspielwelt gehört, präsentiert Autor Paul Wade-Williams (unter Savage-Worlds-Spielern nur Wiggy genannt) auch umfassende Ausrüstungslisten, die vor allem Waffen, Panzerung und Fahrzeuge enthalten. Bei der Ausrüstung gibt es auch einen groben Schnitzer im Lektorat, denn bei einigen Fahrzeugen wurde der Begriff „Kettenkanone“ anstatt „Schienenkanone“ verwendet. Doch das ist vernachlässigbar.

Das Spiel auf dieser Kampagnenwelt basiert nun darauf, dass die Spieler in die Rollen von Rittern schlüpfen, die straff organisiert Missionen erfüllen und sich einem kirchlichen Militärapparat unterwerfen. Das klingt ein wenig nach Rollenspielen wie „Warhammer 40.000 – Schattenjäger“ oder auch „Engel“. Und man muss diesen militärischen Stil mögen – immerhin gibt es Befehlsketten und sind die Spielercharaktere Befehlsempfänger in einer Befehlshierarchie.

Darin eingebettet ist allerdings auch, dass die Spieler als Ritter Truppen aus Extras kommandieren oder Unterstützung anfordern können. Entsprechende Regeln befinden sich im Buch, ebenso Truppenbögen im Anhang. Das bedeutet schlussendlich auch aufregende Missionen und spannende Kämpfen mit vielen Beteiligten. Das Setting transportiert sehr gut das Gefühl, Teil einer militärischen Einheit zu sein.

Der zweite Teil von „Necropolis 2350“ richtet sich vollkommen an den Spielleiter. Hier werden die Geheimnisse der Kampagnenwelt enthüllt. Spieler sollten diesen Abschnitt des Buchs meiden, ansonsten rauben sie sich viel vom Spielspaß. Eine Spielart des Settings ist nämlich die Entdeckung von Neuem und das Aufdecken von Geheimnissen. Ein gelungenes Konzept, das viele Möglichkeiten zum Rollenspiel beinhaltet.

Der Kriegsmeister blickt in seinem Teil des Buchs hinter die Kulissen, bekommt Detailinformationen über die Konzerne und die Rephaim. Das stellt das Wissen der Spieler in einigen Bereichen auf den Kopf und sorgt für aufregende Wendungen. Damit Konzerne und Rephaim auch tatsächlich stilsicher gespielt werden können, gibt es auch hier Ausrüstung, Mächte und viele andere Dinge. Das macht den Gegner einzigartig und Spielsitzungen stecken voller Überraschungen.

Kernpunkte für den Kriegsmeister sind jedoch die Abenteuer. „Necropolis 2350“ bietet hier zwei Möglichkeiten an, um Spielleiter dahingehend zu unterstützen. Zum Einen gibt es einen ausgeklügelten Abenteuergenerator, mit dem schnell passende Missionen für die Ritter gestaltet und umgesetzt werden können. Zum Anderen enthält das Buch die Plot-Point-Kampagne (Handlungspunkte-Kampagne) „Schlacht um Neu Budapest“.

Sicherlich haben die Spieler in ihrem Abschnitt des Buchs bereits etwas über Neu-Budapest gelesen und sind somit auf dem Wissensstand, den der Großteil der Bevölkerung Salus' hat. Durch „Schlacht um Neu-Budapest“ werden sie in den Mittelpunkt des Geschehens katapultiert, sind in der großen Schlacht dabei und haben auch entscheidenden Einfluss auf den Fortgang des Feldzuges und das Schicksal der Menschheit. Savage-Worlds-Kampagnen spielen nämlich im Herzen einer Kampagnenwelt und beeinflussen maßgeblich den Pulsschlag – im Gegensatz zu vielen anderen Rollenspielen, in denen der Ausgang einer Kampagne eher egal ist oder nur lokal begrenzte Auswirkungen hat. In „Savage Worlds“ richten sich die Spieler nie nach dem Kompass, sie sind der Kompass!

Und das macht den großen Reiz der Kampagne aus, die neue Enthüllungen bereithält und die Spieler – stellenweise – vor schockierende Tatsachen stellt. Der genaue Ablauf der Kampagne wird dabei in einer Matrix festgehalten. Erfolg oder Niederlage offenbaren dabei andere Wege. Zudem sollte die Kampagne mit Missionen aus dem Abenteuergenerator unterfüttert werden. Dadurch präsentiert sich jeder Spielgruppe eine andere Kampagne, auch wenn die Eckpfeiler stets gleich bleiben und sich im Ablauf ähneln sollten. Eine faszinierende Sache.

Größe Schwäche der langen Kampagne ist dabei der scheinbare Fokus auf den Kampf. Darauf wird auch kurz von Wade-Williams eingegangen und es sollte jedem Kriegsmeister klar sein, dass im Setting nur die nötigsten Informationen vorhanden sind. Ausschmückungen werden dem Spielleiter überlassen, Szenen Abseits des Kampfes müssen von der ganzen Spielgruppe gefüllt werden. Das Vorhandensein von Spielwerten ist auch keinesfalls eine stete Einladung eine Mission auszukämpfen, sondern nur eine Angabe von Informationen. Missionen können auch ohne Kampf gelöst werden, die Kreativität der Spielgruppe natürlich vorausgesetzt. Mister Wiggy präsentiert nur das Skelett, Muskeln, Fleisch und Haut kommen von der Spielgruppe. Wer das verinnerlicht und umzusetzen weiß, der bekommt ein erstklassiges und einmaliges Spielerlebnis präsentiert. Aber auch ohne eine entsprechende Interpretation macht „Schlacht um Neu-Budapest“ Spaß, kommt dann aber mehr wie ein Tabletop daher.

Um das Spiel zu erleichtern ist ausreichend Kartenmaterial vorhanden. Zum Einen gibt es als Umschlaginnenillustration eine farbige Karte von Salus, zum Anderen liegen die Einsatzgebiete der Kampagne als kleine Karten vor. Diese können den Spielern zur Verdeutlichung einer Szene vorgelegt werden oder dienen – vergrößert kopiert – als Kampfschauplatz auf dem Tisch. Sämtliche Karten sind leidlich gelungen und erfüllen ihren Zweck. Zudem gibt es Schablonen im Anhang, sowie einen Charakterbogen, einen Einsatzbogen, einen Truppenbogen und einen Fahrzeugbogen.

Schöner sehen dagegen die farbigen Illustrationen und Logos der Konzerne aus. Die Bilder wissen zu gefallen und vermitteln den düsteren Stil, der „Necropolis 2350“ ausmacht. Auch wenn es – wie bereits kurz angesprochen - einige Ähnlichkeiten zu bekannten Rollenspielen gibt, so besitzt dieses Setting seinen ganz eigenen Charme und hebt sich in vielen Bereichen stark von der Konkurrenz ab. Besonders die relative Nähe zur Kirche unserer Zeit lässt die Kampagnenwelt authentischer wirken, als eine abgehobene Zukunft die in vierzigtausend Jahren spielt.

Die deutsche Umsetzung des Buchs durch Prometheus ist sehr gelungen. Es haben sich zwar Fehler eingeschlichen, diese werden aber im Errata korrigiert oder fallen – bei Layout und Lektorat - kaum ins Gewicht. Der deutsche Verlag hat hier gute Arbeit geleistet und mit „Necropolis 2350“ das erste übersetzte Setting für „Savage Worlds – Gentlemen's Edition“ abgeliefert. Zudem ein sehr überzeugendes Setting – vorausgesetzt der Stil und die Befehlsmentalität sagen einem zu.

Copyright © 2010 by Günther Lietz

Errata (Stand 2009):

Seite 62, Spezielle Waffen: In der Tabelle "Spezielle Waffen" fehlt leider der Eintrag für den Flammenwerfer. Seine Werte finden sich teilweise auf Seite 40. Die vollständigen Werte sind: "Reichweite: Kegelschablone, Schaden: 2W10, Gewicht: 20, Schuss: 20, Mindeststärke W6, Anmerkung: Ignoriert Panzerung"

Seite 105, Leichter Kampfpanzer Assassinator: Die "45mm-Kettenkanone" unter "Waffen" ist eigentlich eine "45mm-Schienenkanone".

Seite 106, Kanonenjagdpanzer Hammer: "Kettenkanone" im gesamten Text durch "Schienenkanone" ersetzen.

Seite 106f, Mittlerer Kampfpanzer Brigant: Die beiden "Kettenkanonen" unter "Waffen" sind jeweils "Schienenkanonen".

Seite 107, Schützenpanzer Roadrunner: Im Beschreibungstext ("Die Kettenkanone ist auf der linken Seite fest montiert") und in den Anmerkungen ("Festmontierte Waffe (Kettenkanone)") sollte es jeweils "Schienenkanone" statt "Kettenkanone" heißen. Die Einträge unter "Waffen" sind jedoch korrekt.

Seite 107f, Schwerer Kampfpanzer Thor: Die "60mm-Kettenkanone" unter "Waffen" ist eigentlich eine "60mm-Schienenkanone".

Seite 108, Frachtschiffe: Die beiden "Kettenkanonen" unter "Waffen" sind jeweils "Schienenkanonen".

Seite 108, Leichter Kreuzer Man-o'-War: Die beiden "Zwillings-Kettenkanonen" unter "Waffen" sind jeweils "Zwillings-Schienenkanonen".

Seite 228, Inquisitor Malus: Der Eintrag "Wissen (Übernatürliches) W8" gehört natürlich zu den Fertigkeiten, nicht den Attributen.

Seite 230f, Leichenminen: Der unter "Sprengstoff" aufgeführte Schaden sollte 6W6 für gepackte Gegner und 3W6 in einer mittleren Schablone betragen, wie in der Tabelle auf Seite 141 angegeben.

Errata mit freundlicher Genehmigung von Prometheus Games (2010).

Paul "Wiggy" Wade-Williams
Necropolis 2350

Savage Worlds Kampagnenbuch
Prometheus Games Hardcover (2009)
282 Seiten, ISBN 978-3-941077-19-5
Coverillustration: Daniel Rudnick
Lateinische Übersetzung: Umberto Pignatelli
Deutsche Übersetzung: Sascha Schnitzer, Daniel Mayer
Prometheus Games

Diese Rezension erschien zum Zeitpunkt des Eintrags ebenfalls auf Taysal.net und Buchrezicenter.de.Den Artikel im Blog lesen
 
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