CoC Allgemein Muss man für Cthulhu ein nachdenklicher Mensch sein?

The Saint

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Ich hatte ein interessantes Gespräch mit einem Bekannten über den Gruselfaktor von Call of Cthulhu. Im wesentlichen lief es darauf hinaus das er am Cthulhu Mythos nicht viel beängstigendes finden konnte, im Gegensatz zu einigen zeitgenössischen Horrorfilmen die ich als eklig aber trivial ansah. Passend dazu kam im RPG-Pundit Blog ein Re-post eines Themas von 2006 über Ken Hite's Cthulhu und warum uns Call of Cthulhu einfach nicht mehr gruselt.

Im wesentlichen sagt er: Das Konzept von Cthulhu kann seinen wirklichen Horror nur entfalten wenn man grundsätzlich reflektiert über Leben und Tod nachgedacht hat. Da unsere Gesellschaft als ganzes die Frage nach Tod, Leben und Ethik nicht mehr stellt und in einem schwammigen Atheismus nicht wirklich beantwortet hat kommt Cthulhu heute wie ein großer Godzilla rüber. Lovecrafts ursprüngliche Vision funktioniere nur bei Menschen die überhaupt über solche Fragen mal nachgedacht hätten.

Auf mich zumindest wirkte der Mythos immer sehr erschreckend, aber eine kurze Probebohrung unter Freunden ergab das die meisten Cthulhu auch nicht gruseliger als "Hostel" finden - allerdings sind das auch alles Leute denen ich ein tieferes philosophisches Nachdenken abspreche, mit geringen Ausnahmen vielleicht.

Wie geht's euch da? Ängstigt euch der Mythos noch?
 
AW: Muss man für Cthulhu ein nachdenklicher Mensch sein?

Modern ist halt "homo homini lupus", was auch ein Faktor ist, den ich bei Cthullhu immer wieder geschafft habe, unterzubringen.
Der Mythos an sich kann durchaus gruseln und grausen. Ist aber halt generell weniger wirksam als sonstiger moderner Horror, der bei Sonnenschein in der unmittelbaren Nachbarschaft spielt.
 
AW: Muss man für Cthulhu ein nachdenklicher Mensch sein?

Wie geht's euch da? Ängstigt euch der Mythos noch?

Diese Frage hat einen (wohl ungewollten) Unterton von "Seid ihr auch schlau oder eher abgestumpft?".

Davon abgesehen, ich fand die Lovecraftgeschichten gelegentlich schon recht gruselig. Ich kann mich aber an keine Rollenspielrunde erinnern, bei der dieses verstörende und beunruhigende Moment des Mythos wirklich auftrat. Da schwingt immer eine From von existentiellem Horror mit, den ich noch in keiner Rollenspielrunde in der Art gesehen habe. Bestenfalls hatte man ein Lovecraft-pastiche, das man als Mythos-artig wiedererkannte, aber das nicht die gleiche Wirkung auf mich hatte wie das Original.
 
AW: Muss man für Cthulhu ein nachdenklicher Mensch sein?

Diese Frage hat einen (wohl ungewollten) Unterton von "Seid ihr auch schlau oder eher abgestumpft?".

Der ist in der Tat ungewollt. Natürlich ist mein Post tendenziös weil ICH den Cthulhu Mythos eben spukig finde. Man könnte aber genauso gut anders rum argumentieren und mich als Jammerlappen hinstellen denke ich. Da ich aber keinen Flamewar provozieren will sondern nur abgleichen ob ich bekloppt bin das so zu sehen bitte ich den Initialpost im best möglichen Licht zu lesen.

Davon abgesehen, ich fand die Lovecraftgeschichten gelegentlich schon recht gruselig. Ich kann mich aber an keine Rollenspielrunde erinnern, bei der dieses verstörende und beunruhigende Moment des Mythos wirklich auftrat. Da schwingt immer eine From von existentiellem Horror mit, den ich noch in keiner Rollenspielrunde in der Art gesehen habe. Bestenfalls hatte man ein Lovecraft-pastiche, das man als Mythos-artig wiedererkannte, aber das nicht die gleiche Wirkung auf mich hatte wie das Original.

Hm. Das wäre die konsequente Anschlussfrage: Schafft es das Rollenspiel überhaupt den Lovecraft Horror rüberzubringen oder liegt uns der kontemporäre Slasherschocker einfach so viel mehr?
 
AW: Muss man für Cthulhu ein nachdenklicher Mensch sein?

Danke schön.
 
AW: Muss man für Cthulhu ein nachdenklicher Mensch sein?

Hm. Das wäre die konsequente Anschlussfrage: Schafft es das Rollenspiel überhaupt den Lovecraft Horror rüberzubringen oder liegt uns der kontemporäre Slasherschocker einfach so viel mehr?
Bestimmt. Aber es ist ungleich schwerer als andere Genres rüberzubringen.

Nein. Hat er auch noch nie.
Das find ich jetzt ... erschreckend. :)
 
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Hm. Das wäre die konsequente Anschlussfrage: Schafft es das Rollenspiel überhaupt den Lovecraft Horror rüberzubringen oder liegt uns der kontemporäre Slasherschocker einfach so viel mehr?

Ich würde das gar nicht am Rollenspiel festmachen. Schockeffekte und Ekelmomente sind halt einfacher umzusetzen, um eine Reaktion zu provozieren. Das ist auch in anderen Genres so (ich denke da an The Shield) oder ganz gewöhnliche Melodramen. In beiden wird durch bis ins Extrem ausgereizte Situationen eine Wirkung beim Publikum erzielt.

Der Mythos hat für Rollenspieler natürlich den Vorteil, dass Extreme eben nicht mit dem Stil brechen, aber dafür eine andere Wirkung haben als es die Geschichten tun. In der Regel sind diese Schockeffekte für viele intensiver, als es der vergleichsweise hintergründige Horror der Lovercraft-geschichten ist. (Vgl. Sieben und Rosemary's Baby)

Ich denke Lovecraft-horror kann man im Rollenspiel umsetzen. Allerdings halte ich es für ein nicht zu unterschätzendes Unterfangen, dass sehr viel guten Willen und Kooperation von allen Seiten benötigt. Weit mehr als es bei Rollenspielen sonst üblich ist.
 
AW: Muss man für Cthulhu ein nachdenklicher Mensch sein?

Ich denke, es ist ein Unterschied zu machen zwischen plakativen standardisierten Beschreibungen einerseits und Andeutungen und Ungewißheiten andererseits.
Während das Erstere in heutigen Horrorfilmen präsent ist, zeichnet sich der Mythos in meinen Augen eher durch das Zweite aus. Nichts ist grusliger als das, was man nicht kennt, nicht nennen oder beschreiben kann. Explizite Szenen beschreiben kann jeder, was aber dann meist eher in Ekel oder Splatter mündet.
Der Mythos zieht seinen Horror in meinen Augene eben daraus, das man ihn nicht erklären kann, das es eben etwas aus anders funktionierenden Welten ist. So etwas ist schwer rüberzubringen, aber durchaus machbar. Und wenn es funktioniert, dann kann man auch eher "abgestumpfte" Menschen damit gruseln.
Hab ich selbst in meiner Runde ausprobiert. Einer der Spieler findet die Lovecraft-Geschichten sehr langweilig, beim Spielen jedoch ist er einer derjenigen, die am meisten Unbehagen verspüren.
 
AW: Muss man für Cthulhu ein nachdenklicher Mensch sein?

Ich denke, es ist ein Unterschied zu machen zwischen plakativen standardisierten Beschreibungen einerseits und Andeutungen und Ungewißheiten andererseits.
Während das Erstere in heutigen Horrorfilmen präsent ist, zeichnet sich der Mythos in meinen Augen eher durch das Zweite aus. Nichts ist grusliger als das, was man nicht kennt, nicht nennen oder beschreiben kann. Explizite Szenen beschreiben kann jeder, was aber dann meist eher in Ekel oder Splatter mündet.
Der Mythos zieht seinen Horror in meinen Augene eben daraus, das man ihn nicht erklären kann, das es eben etwas aus anders funktionierenden Welten ist. So etwas ist schwer rüberzubringen, aber durchaus machbar. Und wenn es funktioniert, dann kann man auch eher "abgestumpfte" Menschen damit gruseln.
Hab ich selbst in meiner Runde ausprobiert. Einer der Spieler findet die Lovecraft-Geschichten sehr langweilig, beim Spielen jedoch ist er einer derjenigen, die am meisten Unbehagen verspüren.

Naja, Angst vor dem Unbekannten - geschenkt, das ist natürlich ziemlich gruselig, kann ich aber auch mit einem Vampir oder einem Werwolf haben.

Der wirkliche Horror bei Cthulhu ist der existenzialistische (richtiges Wort?) Horror, dass es keine Götter gibt, dass der Mensch ein bloßer Zufall ist, dass das der Tod das Ende bedeutet, dass das Universum sich einfach nicht darum schert. Es ist die eigene Bedeutungslosigkeit die die Protagonisten bei Lovecraft immer so zielgerichtet in den Wahnsinn zu treiben vermag. Die Frage ist nur - Fürchten wir uns 2008 überhaupt noch davor?
 
AW: Muss man für Cthulhu ein nachdenklicher Mensch sein?

Es ist die eigene Bedeutungslosigkeit die die Protagonisten bei Lovecraft immer so zielgerichtet in den Wahnsinn zu treiben vermag. Die Frage ist nur - Fürchten wir uns 2008 überhaupt noch davor?

Ich denke, es gilt als besonders schick und aufgeklärt darauf mit einem Schulterzucken zu antworten und das als den natürlichen bzw. wahren Zustand der Welt zu akzeptieren.

(Allerdings bin ich auch der Meinung, dass solche Leute entweder sehr sehr dumm oder sehr sehr gefährlich sind.)
 
AW: Muss man für Cthulhu ein nachdenklicher Mensch sein?

Der wirkliche Horror bei Cthulhu ist der existenzialistische (richtiges Wort?) Horror, dass es keine Götter gibt, dass der Mensch ein bloßer Zufall ist, dass das der Tod das Ende bedeutet, dass das Universum sich einfach nicht darum schert. Es ist die eigene Bedeutungslosigkeit die die Protagonisten bei Lovecraft immer so zielgerichtet in den Wahnsinn zu treiben vermag. Die Frage ist nur - Fürchten wir uns 2008 überhaupt noch davor?

Auch hier ein klares Nein. Deshalb funktioniert auch Cthulhu Now in meinen Augen nicht.
 
AW: Muss man für Cthulhu ein nachdenklicher Mensch sein?

Auch hier ein klares Nein. Deshalb funktioniert auch Cthulhu Now in meinen Augen nicht.

Wir beide scheinen das teilweise ähnlich zu sehen.

Ich habe vor einigen Jahren (bereits vor meinem Einstieg ins Rollenspiel) relativ intensiv Lovecraft gelesen, nicht nur seine Geschichten, sondern auch den Essay über literarischen Horror und Sekundärliteratur über Lovecraft. MMn kann man vieles in HPLs Werken recht einfach als Chiffren für seine pessimistische Weltanschauung und damals aktuelle Fragen deuten, zB für die Umstürzung des damals etablierten wissenschaftlichen Weltbilds durch die Relativitätstheorie. Auch die Vorstellung vom Aufstieg und Niedergang von Kulturen anstatt eines linearen Fortschritts in der Geschichte (ein Thema, da ja auch bei RE Howard auftaucht) war damals gängig, insbesondere, nachdem der I.WK dem populären Fortschrittsoptimismus des 19.Jh. ein drastisches Ende gesetzt hatte (siehe zB Oswald Spengler)

Was das Rollenspiel anbetrifft, kam bei mir persönlich dann noch das immer wieder erlebte, repetitive Standard-Schema (Gottheit/Monster/Buch, das verrückt macht der Woche) hinzu. Deshalb war die Horrorwirkung des CoC-Rollenspiels auf mich immer begrenzt bis schließlich gar nicht vorhanden. Bei anderen Szenarien/SLs wäre das vielleicht anders gewesen.

Wobei ich einigen Themen Lovecrafts durchaus ein gewisses Potenzial des Grauens zugestehe, zB dem Nachdenken über die Stellung des Menschen im Universum. Dazu brauche ich aber keinen Tintenfisch mit Größenwahn. Vielleicht finde ich deshalb Lovecraft am besten, wo er am "kosmischsten" ist und mMn am wenigsten die Klischees von Kulten, verbotenen Büchern etc... einsetzt, zB Die Farbe aus dem All und die Berge des Wahnsinns.
 
AW: Muss man für Cthulhu ein nachdenklicher Mensch sein?

Ich sehe wir haben eine ähnliche Herangehensweise an Lovecraft, Stonewall.
 
AW: Muss man für Cthulhu ein nachdenklicher Mensch sein?

Ich denke, es gilt als besonders schick und aufgeklärt darauf mit einem Schulterzucken zu antworten und das als den natürlichen bzw. wahren Zustand der Welt zu akzeptieren.

(Allerdings bin ich auch der Meinung, dass solche Leute entweder sehr sehr dumm oder sehr sehr gefährlich sind.)

Dann bin ich entweder dumm oder gefährlich, denn das war schon immer meine Reaktion auf Cthulhu.
Ich habe Lovecraft immer so wie Stonewall verstanden und sehe ihn einfach als Produkt SEINER Zeit. Nicht MEINER.. SEINER.

Auch wenn ich durchaus gerne Settings in der Zeit von Lovecraft spiele und mich auch imho in Chars reinversetzen kann fällt es mir sehr schwer dann auch noch das Gruseln, dass mein Charakter aufgrund der Umstände der Zeit haben sollte auf mich als Spieler zu übertragen.

Ich denke viel über Sinn des Lebens und ähnliches nach und komme fast immer für mich persönlich zum ERgebnis: Es gibt keinen. Es gibt keinen Gott und wir sind ein Zufall.

Das ist so und das ist okay.
Daher bleibt nur für Cthulhu nur ein Schulterzucken übrig.
Der Mythos war für mich immer ein Hintergrund, der nicht wirklich besser ist als die meisten anderen Horrorspiele (die nicht nur auf Slasherstories basieren).
 
AW: Muss man für Cthulhu ein nachdenklicher Mensch sein?

Ich verstehe auch die Beach Boys, Elvis, Met-Igel und Lavalampen als ein Produkt der jeweiligen Zeit.
Inwieweit macht es mich überheblich wenn ich etwas versuche aus seiner eigenen Zeit heraus zu verstehen und nicht so tue als ob ALLES IMMER topaktuell ist??
 
AW: Muss man für Cthulhu ein nachdenklicher Mensch sein?

Moin Moin.

Der wirkliche Horror bei Cthulhu ist der existenzialistische (richtiges Wort?) Horror, dass es keine Götter gibt, dass der Mensch ein bloßer Zufall ist, dass das der Tod das Ende bedeutet, dass das Universum sich einfach nicht darum schert. Es ist die eigene Bedeutungslosigkeit die die Protagonisten bei Lovecraft immer so zielgerichtet in den Wahnsinn zu treiben vermag. Die Frage ist nur - Fürchten wir uns 2008 überhaupt noch davor?

Da ich nur kurze Abenteuer leite, hat sich obiges bisher als Thema eigentlich nicht wirklich ergeben.
Ich habe überwiegend Spieler, die Lovecraft im Original eher langweilig finden bzw. wohl finden würden, würden sie ihn lesen. Aber ja, die Runden haben sie gegruselt. (Was hat gegruselt? Kommt später wenn mehr Zeit.)

Zum Thread-Namen: Nein, muss man nicht unbedingt. Es kann bei bestimmten Abenteuern helfen, ist aber keine Voraussetzung.
"HPL Weltsicht" war bisher bei uns maximal Aufhänger, aber nie Thema. Cthulhu selbst hat auch noch nie eine Rolle gespielt.

Das Tom sich nicht gruselt beim cthulhu-spielen erstaunt mich dann doch auch.

Gruß
Bernd
 
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