Rezension John Sinclair [B!-Rezi]

Skar

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Geisterjäger JOHN SINCLAIR


Das Abenteuerspiel


lautet der Titel dieses Buches. Geisterjäger sind das, was man in diesem Spiel spielt. John Sinclair ist die wohlbekannte Lizenz, die hier für ein völlig neues Rollenspiel erworben hat. Wer sich darunter nichts vorstellen kann, das ist quasi das Sword&Sorcery des Horrors. Und Abenteuerspiel steht für ein de facto Rollenspiel, das von vornherein zusätzlich eine neue Zielgruppe ansprechen soll und ohne die Assoziation Rollenspiel daher kommt. Da diese Titulierung bisher kaum gebräuchlich ist, schwingt hier eine gewisse Innovation mit, die dieses Buch auch aufzugreifen gedenkt.

Das Buch kommt als Hardcover im A5-Format daher. Das Cover ist hochglanzbeschichtet und wirkt durch große dunkle Fächen recht edel. Ein blutrotes Lesebändchen rundet diesen Eindruck ab. Im Backcover findet sich eine Einschubtasche mit einem John Sinclair-Poster. Die Seiten des Buches bestehen ebenfalls aus Hochglanzpapier und sind extrem hochwertig und stimmungsvoll layoutet und illustriert.

Das Buch glänzt aber nicht nur von außen und innen, sondern auch durch ein sehr kleines, dafür aber in Rollenspielkreisen recht schwergewichtiges Mitarbeiterteam. Sie alle stehen für jahrenlange Erfahrung und Liebe sowohl zum Rollenspiel, als auch zu den Romanwelten rund um John Sinclair.

Das Buch erschien im Oktober 2009 zu den Internationalen Spieltagen in Essen und wurde gemäß der Titulierung Abenteuerspiel und der damit beabsichtigten Trennung zum sonstigen Rollenspielbereich nicht nur am Stand von Ulisses in der Rollenspielhalle vorgestellt, sondern auch direkt neben dem Haupteingang in Halle 12 und dort auch lediglich unter dem Label John Sinclair.

Die Welt rund um den Geisterjäger John Sinclair aus der Feder des Autors Jason Dark (Helmut Rellergerd) ist aus Romanheften, Büchern und Hörspielern sehr verbreitet und ist die erfolgreichste deutsche Gruselserie.
John Sinclair ist ein Oberinspektor bei Scotland Yard - allerdings in einer Sonderabteilung, die sich mit übersinnlichen Phänomenen befasst. Von hier aus nimmt er mit Kollegen und Freunden den Kampf gegen die Mächte der Dunkelheit auf.
Wem Namen wie John Sinclair, Bill Conolly, Suko oder Jane Collins etwas sagen, wer Antagonisten wie den Schwarzen Tod, Asmodina und die Mordliga kennt und wer bereits von Waffen und Artefakten wie die Beretta mit Silberkugeln, Dämonenpeitsche, Gnostische Gemme und das Silberne Kreuz gehört hat, der kommt an einem Spiel zu dieser Welt eh nicht vorbei.
Alle anderen sollten auf Horror und Grusel mit satten Pulp-Elementen stehen, um diesem Setting etwas abgewinnen zu können. Im Zweifelsfall sollten sie aber zumindest eine Ader für einen kreativen und weniger mechanischen Spielverlauf mitbringen.

Das Buch startet nach einer kurzen Einleitung mit dem Aufrollen des Hintergrundes der ersten 102 Romanhefte bzw. der ersten 26 Hörspiele. Dies ist auch der Hintergund dieses Bandes 1 des John Sinclair Abenteuerspiels. Dieser Hintergrund wird sehr gerafft nacherzählt, liest sich für mich als relativ erfahrener John Sinclair-Leser (auch wenn das bei mir ca. 25 Jahre her ist) extrem teasernd.

Um die grundlegende Arbeitsweise des Abenteuerspiels und die einer selbst gelenkten Romanfigur näher zu bringen, schließt sich an das Hintergrundkapitel ein Soloabenteuer an, das man rein lesend, also ohne mechanische Spielelemente, durchspielen kann, indem man über Entscheidungsverweise am Ende jeden Abschnittes zu immer wieder neuen Abschnitten springt. Man beeinflusst den Fortgang der Geschichte also selber nach eigener Entscheidung für die Protagonisten der Geschichte. Das bindet den Leser recht stark an das Medium und wird hier auch sehr vorbildlich umgesetzt, sodass diese Geschichte sogar Wiederspielwert hat.
Der Umfang des Soloabenteuers erstreckt sich über immerhin 50 Seiten und 61 Abschnitte.

Wir befinden uns damit auf Seite 66 und das Buch wendet sich den Regeln des Abenteuerspiels zu. Dazu gehört in ein solches für Rollenspieleinsteiger geeignetes Druckwerk auch das ganze Drumherum der Aufgaben eines Erzählers und Spielers, wie man sich auf einen Spielabend vorbereitet und wie man zum Beispiel das Spielerlebnis stützen kann. Insgesamt kristallisiert sich hier schon ein gewisser Eventansatz heraus.
Nach einem Spielbeispiel geht es dann an das Eingemachte der tatsächlichen Regeln. John Sinclair hat seinem Regelsystem gleich einen Namen mit auf den Weg gegeben: die Ulisses Universalregeln.
Dieses Regelsystem kennt die Attribute Körper, Geist und Seele mit Werten bei Menschen zwischen 1 und 5 mit Tendenz zur 2. Aus dem Körper-Wert + 1 ergibt sich der abgleitete Wert Ausdauer und aus dem Seele-Wert + 3 ergeben sich die Schicksalspunkte. Hinzu kommen eine Anzahl von Fertigkeiten mit einem Wertebereich von 0 bis 3, die jeweils den Attributen zugeordnet sind.

Erfolgswürfe werden auf das Attribut oder Attribut + Fertigkeit (+/- Modifikatoren) mit einer Anzahl an Würfeln, die der Höhe der abgefragten Werte entsprechen erwürfelt. Alle erwürfelte 5en und 6en gelten als Erfolge. Die Anzahl der Erfolge muss den Erwartungswert des Erzählers erreichen, damit die Handlung gelungen ist. Der Erwartungswert reicht von 1 bis 5 Erfolge und normal sind 2 Erfolge.

Eingesetzte Schicksalspunkte können nicht nur besondere Eigenschaften und Artefakte aktivieren, sondern auch nachträglich zu einer misslungenen Probe 2 Zusatzwürfel hinzufügen. Darüber hinaus kann man mit einem Schicksalspunkt ein so genanntes 1-AP-Ding in die Handlung einbringen. Das ist quasi ein kleiner Gegenstand, den die Spielfigur über das Einbringen eines Schicksalspunktes seinem Charakter während der laufenden Handlung zuschustern kann.
Am Ende eines Abenteuers erhält man neue Schicksalspunkte, diese kann man ebenso wie übrig behaltene Schicksalspunkte und zurückgegebene 1-AP-Dinge in Abenteuerpunkte umwandeln. Mit diesen kann man dann Eigenschaften steigern, aber auch - und das ist ein eher unkonventioneller Ansatz - Gegenstände kaufen.

Wie der Spieler-Charakter hat auch die Gegenseite Werte und Eigenschaften. Diese verfügen über einen Verteidgungswert, dieser bezeichnet die Anzahl der Erfolge, die ein Geisterjäger mit einem Angriffswurf überwinden muss, um den Gegner zu verwunden. Gegen den Angriffswert einer Kreatur muss sich der Geisterjäger gleichermaßen verteidigen, um nicht selbst verletzt zu werden. Der Schadenswert gibt an, wie viel Schaden ein erfolgreicher Angriff einer Kreatur einem Geisterjäger in Form von Ausdauerpunkte-Abzug zufügen kann. Die Ausdauer der Kreatur selbst gibt an, wie viel Schaden sie einstecken kann. Schwächen benennen, welche Waffen diese Kreaturen schädigen können und der Okkult-Wert einer Kreatur gibt an, wie schwer sie (und ihre Schwächen) für die Geisterjäger einzuschätzen ist.

Ein Nahkampfangriff erfolgt auf Seiten der Geisterjäger mit Körper + Nahkampf und ein Fernkampf mit Geist + Fernkampf. Verteidigen muss er sich gegen Nahkampfangriffe mit Körper + Widerstand, gegen Fernkampfangriffe mit Geist + Reflexe und gegen psychische Angriffe mit Seele + Willenskraft. Wichtig ist hier noch, dass Gegner beim Absinken der Ausdauer auf 0 sterben, Geisterjäger aber nur ohnmächtig werden.

Seite 92 beginnt mit einem neuen Kapitel, ab hier geht es um die Erschaffung eines Geisterjägers. Auch hier wird nicht nur der spielerisch/mechanische Ablauf erklärt, sondern eben auch der erzählerische Hintergund, der zu einem Charakter gehört und eben die Immersion stärkt.
Zur Erschaffung werden 2, 3 und 4 Punkte auf die Attribute verteilt. Für ihren Beruf haben die Spielercharaktere bereits 2 Fertigkeitenpunkte erhalten. Hier können sie jetzt 3 weitere Fertigkeiten auf 1 setzen.
Dazu gibt es 120 Abenteuerpunkte, von denen mindestens 30 für Ausrüstung und Besondere Eigenschaften ausgegeben werden müssen. Zwei 1-AP-Dinge gibt es noch kostenlos obendrauf.
Attribute lassen sich mit AP nicht steigern (sonder nur zu besonderen Begebenheiten), die Kosten für Steigerungen von Fertigkeiten belaufen sich je nach Fertigkeit und Stufe zwischen 10 und 60 AP pro Steigerung.

Als dramaturgisches Element gibt das John Sinclair-Abenteuerspiel den Spielern Gruppenaktionen und Erzähleraktionen an die Hand. Wann immer die Spieler eine Gruppenaktion aktivieren, das kann beispielsweise eine unerwartete Unterstützung im Kampf sein, erhält der Erzähler eine Erzählaktion, die er nutzen kann, um den Spielern Steine in den Weg zu legen. Als Beispiel seien hier eine Ladehemmung der Beretta oder negative Modifikatoren auf Herausforderungen sein.

Wir sind mittlerweile dank Listen mit Berufen, Besonderen Eigenschaften und Ausrüstungen auf Seite 130 angelangt und hier beginnt das mitgelieferte Abenteuer Das Horrordorf. Auch hier gibt es wieder eine einsteigerbezogene Einleitung, die die Unterschiede zwischen Solo- und Gruppenabenteuer aufzeigt und einen Leitfaden für Erzähler stellt. Die Aufforderung sich das Spiel im Rahmen der Goldenen Regel zu eigen zu machen schließt diesen Part und das Abenteuer beginnt.
Grob umrissen geht es hier um ein Dorf in Südengland in dem Geisterprozessionen vor sich gehen sollen und Menschen verschwinden. Das klingt nach einem Fall für echte Geisterjäger.
Das eigentliche Abenteuer erstreckt sich von Seite 135 bis 191.

Hier schließt sich ein Bestiarium mit vielen Kreaturen der Finsternis und ihren Werten an. Im Kapitel Himmel und Hölle werden die wichtigsten Protagonisten und Antagonisten der John Sinclair-Welt detailliert beschrieben und ebenso wie im Bestiarium reichlich bebildert.
Da man aber nicht die eigentlichen Hauptcharaktere der John Sinclair-Reihe spielt, sondern quasi deren Kollegen, gibt es noch einen Anhang mit einigen Beispielcharakteren.
Das Buch schließt dann mit "Karten" zu Erzähler- und Gruppenaktionen sowie zu den Gegenspielern aus dem Abenteuer und einer Geisterjäger-Akte (Charakterbogen).

An dieser Stelle sei auch auf die Internetseiten zum Spiel verwiesen, wo man zahlreiche Dokumente zum Spiel downloaden kann: John Sinclair: Die Horror-Spielbücher

Fazit:

Das Geisterjäger John Sinclair Abenteuerspiel ist als Lizenz einer Romanwelt schon von den äußeren Ausmaßen für Buchhandel-Regale geeignet. Der Inhalt ist ebenso entsprechend aufbereitet, um neue Zielgruppen (Einsteiger) zu erreichen. Dem Buch gelingt dieser äußere wie innere Auftritt sehr hochwertig überzeugend.

Das Buch ist ein Projekt, dass neben rein wirtschaftlichen Überlegungen auch von viel Idealismus der Mitwirkenden profitiert und das merkt man dem Buch einfach an. Ich vermute, dass das relativ kleine, aber sehr erfahrene Team an Mitarbeitern dem Werk zudem gut getan hat.

Wir haben hier ein vollwertiges Produkt für den Rollenspieler, dass nicht nur klassische Wege geht, wir haben ein Produkt für Rollenspieleinsteiger und eben eines für eine neue Zielgruppe - den Romanlesern der John Sinclair-Welt.
Im Gegensatz zu vergangenen Produkten, die eine ähnliche Ausrichtung hatten wie zum Beispiel Maddrax: Reloaded, ist hier die Umsetzung sehr viel überzeugender und, was in der Natur der Sache liegt, sehr viel professioneller. Der Spagat zwischen den Zielgruppen ist dem Buch nicht anzumerken und es kommt sehr homogen und "rund" daher.

Ob der Markt der neuen Zielgruppe so etwas annimmt, bleibt abzuwarten, ich wünsche das aber nicht nur dem Produkt, sondern auch dem Hobby allgemein, denn mich hat dieses Buch voll und ganz überzeugt.Den Artikel im Blog lesen
 
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