AW: [Hellfrost] Nichts neues aus der Kälte
Guter Ratschlag, die beiden Häfte beinhalten ja mehr als 250 insgesamt von Ort- und Kreaturbeschreibungen.
Nach überfliegendem, und somit nur punktuellem Einlesen in mir interessant erscheinende Regionen und Kreaturen kann ich nur sagen, daß diese beiden Bände mit je 128 Seiten einfach etwas ... DÜNN sind.
Spielerhandbuch, Regionenbeschreibungen, Kreaturenbeschreibungen - das alles nimmt weniger Seiten in Anspruch als Solomon Kane, und gibt dabei immer noch VIEL WENIGER HER!
Woran liegt das?
Der Kontinent Rassilon (die Welt ist ja noch viel größer!) ist schon ziemlich groß. Es sind viele Regionen darin, die unterschiedlichen Charakter haben, daß sie eigene Einträge in einer Regionenbeschreibung verdienen.
Und doch: Man bekommt KEIN GEFÜHL FÜR DIE KULTUR in diesen Regionen!
Dazu ist einfach zu wenig drin.
Ich habe beim Gazetteer den Eindruck, daß man - nicht zuletzt aufgrund der alphabetischen Sortierung der Landstriche - kreuz und quer über die Karte HASTET und keinen Eindruck von Region, direkter Nachbarschaft, verbündeten und verfeindeten Regionen usw. bekommt.
Hilfreich wäre, wenn jeweils der zur Region gehörige Karten-AUSSCHNITT der leider nur recht klein abgedruckten Rassilon-Karte zu Beginn jedes Regionen-Kapitels aufgeführt würde. Das Entziffern der SEHR KLEINEN Orts- und Fluß- usw. Namen in der doppelseitigen Karte hinten im Buch ist eine QUAL.
Ich habe mir die PDF-Fassung zwar auf A2 Ausgedruckt, aber das ist dann doch sehr unhandlich diese "Tapete" neben dem Buch liegen zu haben.
Mir fehlt das, was ich von einem eigenständigen, eigens zu bezahlenden Settingbeschreibungsband erwartet habe: die UNTERSCHIEDE in den jeweiligen lokalen Gebräuchen, die kulturellen Aspekte, die einem erlauben mehr Darstellungstiefe aus seinen Charakteren dieser Region herauszuholen.
Im TAG-Forum steht letztlich auch nicht mehr als "Mach's Dir selbst! Viel Spaß!" drin.
Es muß ja nicht gerade DSA-artige "Aventuristik" sein, die man hier betreibt, aber bei der Vielzahl an Regionen ist jede doch SEHR kurz abgehandelt.
ZU KURZ.
Nicht zu kurz, wenn noch Abenteuergeneratoren, Savage Tales und eine Plot-Point-Kampagne existierten, und die Spielweltbeschreibung nur die Kulisse für diese Kampagne und die Kurzabenteuer und die generierten Abenteuer abgeben soll.
Aber ZU KURZ für eine "vollwertige" Fantasywelt, in der sich die Regionen nicht nur durch die dort vorkommenden Monster unterscheiden, sondern bei der man auch die kulturellen Übergangsgebiete erkennt.
Das hat ja sogar Midgard hinbekommen! Und Midgard ist ja nun in seinen frühen Ausgaben alles andere als bekannt für eine breite Weltbeschreibung gewesen (inzwischen gibt es ja deutlich mehr Material).
Vielleicht ist bei mir auch nur der Kontrast so stark, weil ich gerade "parallel" in
Sartar: Kingdom of Heroes für HeroQuest 2.0 am Lesen bin. - DAS ist eine Settingbeschreibung, bei der man weiß, wie die Leute dort denken, was sie tun, und was sie umtreibt. Nur eben mit 380+ Seiten für eine Gegend, die so klein ist wie Heligioland, Freelands, Nordmark, und Royalmark zusammen. - So etwas an Breite ist natürlich NICHT zu erwarten gewesen.
Aber wenn ich mir die Fragen zu kulturellen Punkten im TAG-Forum anschaue, und die dort geäußerten Hoffnungen, daß diese im Gazetteer beantwortet werden mögen, dann sehe ich die Antworten eben NICHT. Dazu ist alles bei zu schneller Fahrt dargestellt. Da verschwimmen die Details, auf die man an sich Wert legte.
Hier wäre ein Fokus auf nur einen TEIL des Kontinents Rassilon und mehr Raum (mehr Seiten!) für die insbesondere im Rahmen der erscheinenden PDF-Abenteuer relevanten Regionen einfach angemessener gewesen.
Und was übrigens für eine praktische Nutzung auch fehlt, und worauf ich gehofft hatte: Begegnungstabellen je nach Region.
Man bekommt eine Menge Monster serviert, aber man bekommt zu wenig über diese Kreaturen mitgeteilt. Wie ist ein Orklager aufgebaut, wie ist ein Frostriesen-Clan organisiert, in WELCHEN REGIONEN kommen welche Kreaturen NICHT vor bzw. Ausschließlich vor?
Solche Tabellen helfen enorm die vielfach notwendigen (insbesondere, wegen der geringen Bevölkerungsdichte) längeren Reisen durch "wildes Land" STIMMIG zu gestalten.
Solche Tabellen oder zumindest sonst irgendwie aufgeführte Vorkommensangaben gehören einfach in ein Bestiarium. Und so, wie man die Edges/Hindrances aus dem Grundregelwerk z.T. streicht oder ändert, gehört auch rein, was man mit den im GRW beschriebenen Kreaturen machen soll. Werte ändern? Einfach 1:1 übernehmen oder was umrechnen oder Kälte-Immunität zufügen?
Auch hier hätte ich mir MEHR erwartet.
Das zu kurz, zu wenig soll jetzt nicht mißverstanden werden! Es ist viel Material vorhanden, aber es SOLLTE MEHR SEIN!
Mit dem Spielerhandbuch von 132 Seite, dem Regionenband von 128 Seiten und dem Kreaturenband von 128 Seiten liegen jetzt gut 390 Seiten Hellfrost-Material vor. - OHNE Plot-Point-Kampagne und OHNE Savage Tales und OHNE Begegnungstabellen, Abenteuergeneratoren usw.
Hätte es denn so weh getan, ein paar Abbildungen der Völker bei den Regionenkapiteln einzuflechten? Ich kann heute noch nicht sagen, wie denn nun genau Tuomi oder Finnar oder Saxa im Unterschied zu Anari rumlaufen. Trachten sind nicht alles, aber sie helfen doch sehr sich seinen Charakter, dessen Erscheinungsbild vorzustellen.
Wäre es so schlimm gewesen bei den einzelnen Regionen auch regionale Feiertage in einem BRAUCHBAREN(!) Kalender anzugeben. - Die SCs ziehen z.B. bei den Kauf-PDF-Abenteuern durch einen relativ überschaubaren Bereich von Rassilon. Da gehören neben Begegnungstabellen auch Schilderungen typischen Lokalkolorits dazu.
Mir ist ja klar, daß Wiggy ein "Husch-husch"-Schnellschreiber ist, der gerne mit grobem Pinselstrich arbeitet und das auch noch in Aquarelltechnik. - Da fehlen dann schon in den Kauf-PDF-Abenteuer wohldurchdachte Begegnungsentwürfe, die bei Necropolis nicht weiter auffallen, da ja Krieg herrscht und die SCs in jede Scheiß-Mission abgeordnet werden können.
Aber in Hellfrost hat man es mit einer typischerweise "unsteten" Abenteurergruppe zu tun, die kreuz und quer übers Land zieht, und die nach einer Weile halt von langweiligen Taktiken nicht mehr zu beeindrucken ist (falls sie das bis dahin überlebt haben).
In den Kauf-PDFs gibt es ja so manchen "Fumble" eines Szenarien-Entwicklers. Sei es das DSA-artige "die Spieler haben eh keine Chance die Leute und das Dorf zu retten" in N1, oder den "Single-Point-of-Plot-Failure"-Fae-Charakter in N2, den man sofort wegpustet, nachdem man sich bereits durch HORDEN ähnlicher "Krauts" durchgekämpft hat, dem man aber bitte, bitte, bitte kein Wurzelhärchen krümmen möge, da sonst die Handlung an Plotversagen stirbt. Oder die nach den Regeln für Priester eigentlich selbstmörderische Tour des Oberschurken in N4, deren Folgen Wiggy nie bedacht hatte, als er seine Begegnungen verfaßt hatte.
Das nimmt man ja alles hin, und wenn man einen Spielleiter hat, der auch gewohnt ist, MIT den Spielern zu spielen, und dann eben das Szenario an den Stellen vom Kopf auf die Füße stellt, wo es nötig ist, dann geht das auch.
Und doch: Als NORMALE Savage-Worlds-Plot-Point-Setting-Publikation hätte man eben nicht so viel Detail ERWARTET.
Nun aber liegen die Erwartungen HÖHER.
Und diese Höhe zu erreichen, dazu muß sich Wiggy schon SEHR strecken. - Vielleicht zu sehr. - Vielleicht liegt ihm die knappe Form, das typische SW-"Bare Bones"-Setting-Modell eher als das "Breitwand"- und "Vollwert"-Setting-Modell?
Ich werde über die Feiertage weiterlesen - aber aktuell kommt mir Sartar: Kingdom of Heroes deutlich ATTRAKTIVER vor.