Rund um Filme/Serien Hat das Fernsehen irgendwann keine Tabus mehr?

Also mein Gemüt erhitzt sich wegen solchen Dinge überhaupt nicht und ich bin auch nicht der Meinung das es deshalb nun mit der Gesellschaft bergab geht oder sonstiges.

Bei durchschnittlich mehr als 30 Kanälen die einem zur Verfügnung stehen, kann man einfach wegschalten wenn es einen nicht interessiert.

Ich bin auch nicht der Meinung das sich nun irgendwas zum schlechteren wendet, ganz im Gegenteil. Es ist und war schon immer ein Teil der menschlichen Gesellschaft in dieser Art veranlagt zu sein. Es ist zwar nicht erfreulich das diese Art der Unterhalung nicht weniger geworden ist, aber extremer ist sie wohl eher nicht geworden. Schliesslich hat alleine die Zuschauermenge bei Hinrichtungen schon eine lange Tradition.....
 
Kein einziger Fernsehsender kann es sich leisten völlig am Geschmack des Publikums vorbei Sendungen zu produzieren. Dann gehen die Einschaltquoten runter, die lukrativen Werbekunden bleiben aus, und im Endeffekt wird die Sendung abgesetzt. Ob das bei einer Miss Glückten Late-Night-Nachfolgerin der Fall ist oder beim derzeitigen Wettrüsten "Wer hat die ekeligsten und dümmsten Sendungsinhalte?" ist eigentlich egal.

Man kann das, was so läuft, gut oder schlecht finden. Zum Anschauen wird man nicht gezwungen. Ich schaue solchen Scheiß nicht. Ich habe viele schöne DVDs daheim (insbesondere von meinen Lieblingsserien, die ich im deutschen Fernsehen ohnehin nur werbeverstümmelt und fehlsynchronisiert zu sehen bekommen). Ich schaue fast nur noch Magazine, Nachrichten, die Dritten, und Arte, 3Sat etc. Warum? Weil mich das Programm der Marktführer im deutschen Fernsehen nicht reizt. Überhaupt nicht. Auch die beiden öffentlich-rechtlichen Top-Programme haben die private "Denke" mit Haut und Haar gefressen und senden unseriösen Mist. Die journalistische Qualität hat merklich nachgelassen - und zwar in dem Maße, wie Infotainment gute Recherche abgelöst hat. Inzwischen ist ja auch bei den früher recht behäbigen, aber informativen Tierreportagen nur noch Action und die Selbstdarstellung der "Tierfilmer" angesagt (die man früher NIE zu Gesicht bekommen hatte, da sie ja HINTER der Kamera standen). Das hört sich nach senilem "früher war alles besser" an, nicht wahr?

Das ist nur eine Seite der Medallie. Was, wenn manches früher TATSÄCHLICH besser war? Auf jeden Fall haben mir viele Sendungsformate früher zumindest den Eindruck von ernstgemeinter Information gegeben (auch wenn sie natürlich auch damals nie wirklich unabhängig berichtet haben). Heute ist der erste Eindruck: unseriöser Unterhaltungskram. Dieser bleibt leider über die gesamte Sendungsdauer erhalten. Das ist schade.

Ich will gewiß nicht zurück zu den Zeiten, wo quälend langweilige Kameraeinstellungen und uncharismatische Journalisten oberlehrerhaft predigend die meisten Polit-Sendungen geprägt hatten. Aber das war nur langweilig, nicht inhaltslos.

Heute muß ich trotz viel mehr Sendern, die mir zur Auswahl stehen, mehr und länger suchen, bis ich auch nur einigermaßen annehmbare Sendungen finde. Das finde ich für mich schade, jedoch gab es auch früher schon endlos-flache Sendungen die tolle Einschaltquoten hatten. Somit ist es eigentlich nicht verwunderlich, daß die größte Scheiße von den meisten Leuten gesehen wird. Ich meine, das sind ja auch die Leute, denen wir unsere derzeitigen und künftigen Politiker zu verdanken haben. Die Leute, die heute Maden-Ekeleien anschauen, wählen morgen unseren Bundestag.

Da wir die Politiker haben, die wir verdienen, darf man sich nicht wundern, daß man auch das Fernsehprogramm vorgesetzt bekommt, daß wir (sind das Volk) verdienen. Das ist Massenunterhaltung (beides!). Und der Qualitätsanspruch der Masse war früher nie hoch und wird auch nicht höher werden.

Es ist nur so, daß wir in einer Zeit des allgemeinen Werteverfalls leben, und dieser Werteverfall wird von der Politik nachvollzogen: Bedienermentalität der Politiker; Anspruchsdenken von Politikern, die sich Manager als Vorbilder(!) nehmen; Planlosigkeit aufgrund nichtvorhandener Wertmaßstäbe (weder die "sozial" noch die "christlichen" Parteipolitiker leben noch ihre in den jeweiligen Parteinamen enthaltenen Werteausrichtungen außer durch blass-leer automatisiert geheuchelte Lippenbekenntnisse). Und warum sollten dann die auf Steigerung der jeweiligen Konzernwerte eingeschworenen Lenker der Medienkonzerne das nicht in ihren TV-Sendern ebenfalls nachvollziehen. Ein Volk, in dem keine von der Mehrheit getragene Wertvorstellung mehr existiert, ist eben wie ein bodenloses Loch, das hungrig alles an ethisch fragwürdigen "Unterhaltungssendungen" kritiklos konsumiert. Man lebt nur für den Moment zwischen den Werbeblöcken. Das ist traurige Realität in Deutschland im Jahre 2004. - Und es war nicht immer so. Wer in den Dritten mal die Tagesschau von vor 30 Jahren anschaut, wird sehen, daß z.B. in der Berichterstattung von Anschlägen (Stichwort: RAF) oder von Kriegen (Vietnam) wesentlich weniger gezeigt wurde. Es wurden die ja auch damals vorhandenen blutigen Szenen eben NICHT ausgestrahlt. Man mag sich fragen, ob die wohlmeinenden Journalisten während des Vietnam-Krieges, die die "Wahrheit" des Krieges ins Fernsehen bringen wollten, damit gerechnet hatte, daß sich der damals noch vorhandene Schockeffekt sehr bald durch Abstumpfung zur Normalität des heutigen Fernsehalltags entwickeln würde. Damals wollten sie zeigen, wie schlimm ein Krieg ist, und wollten etwas bewegen, wollten die Welt bewegen endlich mit dem Schlachten aufzuhören. Und heute. Heute wollen die Journalisten (und es sind ja gerade auch welche aus Vietnam-Zeiten heute in den großen Nachrichten-Sendern tätig), heute wollen sie nur Einschaltquoten, Marktanteile, Werbegelder. Deshalb muß bei jedem Krieg sofort alles mitgefilmt werden. Wenn US-Soldaten einen Verletzen Iraker erschießen MUSS die Kamera dabei sein. Dann verkauft man nämlich mehr Werbeminuten. DAS ist es, was ich als symptomatisch für den Werteverfall im Journalismus empfinde. Auch früher schon waren Journalisten die Huren der Mächtigen. Aber es gab auch immer noch genug Raum für die kritischen Journalisten, die eine Überzeugung hatte und aus dieser Überzeugung heraus - aus ihren WERTEN heraus - trotz Unterdrückung der freien Presse und trotz Verfolgung das veröffentlicht haben, was ihrer Meinung nach gesagt werden muß. - Nur, ist das heute noch möglich? Ist es möglich in Zeiten von CNN, dessen US-regierungsgefilterte Nachrichten von allen möglichen Nachrichtensendern der Welt einfach nur durchgereicht werden? Früher war es für seriöse Nachrichtenagenturen wichtig Korrespondenten überall auf der Welt verfügbar zu haben. Heute im Zeitalter des Outsourcings braucht man das nicht mehr, sondern kauft die Ware "Nachricht" einfach auf dem Markt ein. Und dann bekommen wir Bilder aus dem Irak, denen wir glauben können, oder auch nicht. Man schaue sich mal die französische Berichterstattung an - die Unterschiede springen einem geradezu ins Auge. Das liegt m.E. daran, daß wir hier einfach alles kritiklos und ungeprüft übernehmen, was aus USA herüberkommt. Es ist ja auch so einfach für ein global agierendes Wirtschaftsunternehmen wie einen Medienkonzern, wenn dieser sich seine Lieferanten für Inhalte unter den politisch akzeptablen Quellen aussucht. Und da stehen US-Quellen ganz oben auf der Liste, da man ja mit global agierend meist meint: in den USA agierend.

Uff, ich hätte noch viel mehr Dampf, zum Ablassen, aber irgendwann muß ich auch mal ins Bett. Darum nur noch eines: das hier angesprochene Problem ist nur der kleine Schatten des eigentlichen Problems. Und das ist der Werteverfall, das Nichtvorhandensein von Werten, ja sogar die aktive Ablehnung jeglicher Werte. Wer das heute noch nicht verstanden hat, der wird sich noch wundern, wie viel weiter alles in die Scheiße fahren kann, bis es mal die "Mehrheit" in Deutschland spannt. Nur ist es dann viel zu spät noch etwas zu tun.
 
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