Fehlende Wanderlust vs. weltumspannende Covenants

Stayka schrieb:
Man findet ja mittlerweile sogar geheimste Rituale von IRL-Geheimbünden online, weil irgendwelche Leute wieder nicht dichtgehalten haben.

Naja, man findet aber keine universellen Zugriffscodes der Banken oder Raketenabschusscodes oder die Realnamen aller CIA-Agenten.

Ich denke, Postings von "geheimen Ritualen" sind entweder bullshit, weil derjenige der sie postet sich wichtig machen will, ohne je etwas gewusst zu haben, oder sie sind bullshit, weil sie gezielt gepostet wurden, um andere gezielt mit Falschinformation zu füttern.

Für gewöhnlich ist es schon so, dass du erst ab einem Zeitpunkt reale Geheiminformationen erhältst, ab dem derjenige, von dem du sie erhältst sicher gestellt hat, dass du sie nicht weitergeben kannst.

Klar ist das bei Vampiren ein spezielleres Problem, da es ja auch suizidale Vampire geben wird, die vor ihrem Freitod "die Menschheit warnen" wollen, aber hier passiert etwas recht interessantes:

Angenommen, es kommt ein Posting über die Wahrheit betreffs der Kinder der Nacht in ein öffentliches Forum, so werden Menschen, da sie das Übernatürliche nicht wahrhaben wollenn, erstmal ohnehin skeptisch sein und es wird jede Menge Postings geben, die das hochgeladene "Wissen" verulken. Hinzu kommen dann internetaffine Vampire - das müssen nicht viele sein gemessen an der Gesamtzahl der Untoten, aber 1.000 Stück weltweit reichen ja :) - die gezielt das Posting lächerlich machen, es mit Sichtungen über den Yeti vergleichen oder den Autor unglaubwürdig machen ("Hey, ich kenne diesen Mastery X, der ging auf meine Schule, was ein Depp, immer nur Computer-Rollenspiele...").

Das Internnet produziert ein gewaltiges "Rauschen" aus Spam und Müll, aus Fakes und Hoaxes, aus Leuten die andere gezielt verarschen und aus Usern, die es satt haben auf jeden blöden Trick reinzufallen. Mit dem Kommen des Internet hätte die Menschheit die Möglichkeit, die Wahrheit zu erfahren, aber da 1 Wahrheit unter 1.000 ebenso plausibel klingenden Lügen nicht auffällt, konnten bislang alle größeren Maskeradebrüche verschleiert werden.

Und zwar meistenteils ohne dass ein Vampir auch nur den Finger rühren musste.


AAS
 
Stayka schrieb:
Mal eine ganz blöde Frage von mir - legt denn ein Mensch, wenn er zum Vampir wird damit automatisch seine natürliche Neugierde ab? ... Ich persönlich kann diese "Man guckt eben nicht über den Tellerrand Mentalität" absolut nicht nachvollziehen, insbesondere, da ja ein Vampir ursprünglich doch ein ganz normaler Mensch war, und es geht doch nicht die komplette Persönlichkeit bei der Umwandlung zum Vampir verloren, oder?

Die Persönlichkeit geht nicht verloren, aber sie verändert sich deutlich.

Dein besagter Internnet-freak würde gewiss nicht von heute auf morgen aufhören, im Internet rumzusurfen, aber was will er denn da finden?

Alle Newsportale über Streiks der Bahnarbeiter in Obergummersbach interessieren ihn nicht mehr, denn er ist kein Mensch mehr. Und Vampire sind um die Maskerade besorgt und betreiben daher keine offen zugänglichen Chats.

Dein Surfer würde über die ein oder andere unheimliche Nachricht stolpern und sich fragen, was wohl dahinter steckt. Er könnte sich metertief in Verschwörungs-websites eingraben, und würde dort ebenso viele Spinner treffen wie "Dinge die auf reale Sachen Hinweise sein könnten".

An ein "echtes" Vampirboard kommt er aber nur über einenn annderen Vampir, den er persönlich kennt. Weil nur der ihm sagen kann, wie und wo betreffende Boards sind oder wann sich die anderen Carthianer auf dem Unterchat teletubbies/no-no/mostbelovedcharacter/dipsy-bag/0265744876 treffen, um ihn nach Beendung der Versammlung zu löschen.

Prinzip bleibt:

Wenn dein Charakter was im Internet finden kann, kann's auch ein anderer, und demzufolge ist es eine Maskeradegefahr. Und dann wird ein internetgeiler Charakter wie deiner so lange hacken und bohren, bis er den Urheber des Maskeradebruchs gefunden oder wenigstens lokalisiert hat, und dann wird dein Charakter oder einer der anderen tausend untoter unterbeschäftigter Internet-Freaks aus Sorge um die Maskerade seinen Bund informieren und warnnen, und dann werden diese das maskeradegefährdende Forum online angreifen und lächerlich machen, währennddessen irgendein ein großes, böses Etwas ohne Wanderlust, aber mit mächtig Lust auf Vampirblut sich schlurfenden Schrittes auf in die betreffende Domäne macht.


AAS
 
Also mittlerweile wird der Threat ein bissi kompliziert und deshalb eröffne ich einen weiteren mit der Diskussion "Traditionen vs. Natur der Vampire" und versuche hier einmal eine kleine Zusammenfassung (und fresst.. äh beisst mich nicht, wenn ich etwas falsch interpretiere:

1) Vampire reisen nicht gerne
2) Es existieren weltweite Kommunikationsmittel, die den Vampiren bekannt sind.
3) Es existieren weltweit definierte Covenants, die sich lokal unterscheiden können.
4) Vampire wollen nicht über den Tellerrand schauen.

So, wie passt das nun zusammen bzw. was sind die Probleme dabei:

a) Wieso verlieren Vampire die natürliche Neugier, die sie als Sterblich noch hatten?
b) Wieso gibt es weltweite Covenants aber keine sonstigen Strukturen? Bzw. warum haben Vampire Interesse an so einer Sache aber an sonst keiner internationalen Vernetzung?
 
Cheshire Cat schrieb:
So, wie passt das nun zusammen bzw. was sind die Probleme dabei:
a) Wieso verlieren Vampire die natürliche Neugier, die sie als Sterblich noch hatten?

Das tun sie nicht.

Ihre Neugier wendet sich aber wichtigeren Fragen zu, als wo man die meisten kostenlosen Porno-Downloads bekommt (z.B. "Was ist Gottes Aufgabe für die Verdammten" oder "Wie werde ich meinen Fluch wieder los").

Dass Leute Stunden am Rechner zubringen und in überregionalen Foren posten, bedeutet ja nix anderes, als dass ihr Leben ansonsten gesichert ist, sie satt sind und nicht frieren und aus reiner Langeweile nix Besseres zu tun haben.

Vampire HABEN was Besseres zu tun als mit einem fernen Verwandten aus Tucson, Texas über das Wetter oder das unheimliche Haus am Ende der Straße zu chatten.

Das, was sie Besseres zu tun haben, können sie nicht per Internet erledigen (Noch nicht *muharharhar*)

- Sie müssen jagen - lokal in der Domäne.
- Sie müssen zusehen, in der allnächtlichen Politik der Domäne nnicht abzustinken - lokal!
- Sie müssen sich mit ihren realen und eingebildeten Feinden beschäftigen - lokal, direkt vor Ort
- Sie müssen ihren Platz in der Gesellschaft finden, verteidigen und ausbauen - lokal in ihrer Domäne
- Um Sinn im Requiem zu finden, kommen sie -. lokal in der Domäne - mit ihrer Kabale oder ihrem Bund zusammen, um live zu besprechen, zu lernen, zu diskutieren, zu philosophieren

Cheshire Cat schrieb:
b) Wieso gibt es weltweite Covenants aber keine sonstigen Strukturen? Bzw. warum haben Vampire Interesse an so einer Sache aber an sonst keiner internationalen Vernetzung?

Weil überregionale Vernetzung außer um Infos auszutauschen für sie keinen Sinn macht.

Der mächtige Ober-Ahn an der Spitze einer Gruppe wüsste, dass er keine Möglichkeit hat, seinen Willen durchzusetzen, von daher würde er sich nur zum Affenn machen, wenn er etwas befehlen würde, und die lokalen Machtrräger in der Domäne haben ein massives Interesse daran, die Spitze der Machtpyramide für alle Vampire der Domäne zu bleiben. Und KEIN Vampir hat ein Innteresse daran, mehr Leute über sich zu erdulden als unbedingt nozwendig, und nnotwendig ist niemand, aber einige Leute muss man respektieren, weil diese einen sonst - LOKAL IN DER DOMÄNE - klatschen würden.


AAS
 
Raben-AAS schrieb:
Weil überregionale Vernetzung außer um Infos auszutauschen für sie keinen Sinn macht.
Sorry, aber (welch Überraschung *g*) da stimme ich dir nicht zu.
Kommunikation = Wissen = Macht
Jeder moderne Konzern (und natürlich auch jede Regierung und überhaupt jeder Gruppe, die Macht akkumulieren möchte) weiss das.
Ein paar Beispiele, was man mit Vernetzung als Vampir anrichten könnte:
* Vampire als Attentäter aus anderen Domänen anheuern.
* Wissen über die Interna anderer Covenants/Clans/Domänen gewinnen und dieses aktiv nutzen (Erpressung/Schwächen...)
* Wissen über seine Kontrahenten ausnützen (Haven/Autos/Geld)

Ohne Ausnützen von Kommunikationsmitteln ist die VtR-Welt genauso, wie sie in den Büchern beschrieben wird: lokal, kleingeistig, engstirnig.
MIT internationaler Kommunikation würde etwas ganz anderes draus werden, etwas das eher mehr Ähnlichkeit mit Settings aus z.B. "Blade" oder "Underworld" hat.
 
Cheshire Cat schrieb:
* Vampire als Attentäter aus anderen Domänen anheuern.

Zu riskant.
* Du kannst anderen Vampiren nicht vertrauen, und sie könnten deinen Mordauftrag an andere in deiner Domäne verrraten.
* Plus, die engen geistigen Verbindungen innerhalb derselben Blutsippe machen Morde sehr riskant.
* Plus, einem Vampir von außerhalb kannst du nix anderes bieten als schnödes Geld. Das macht den wohl kaum an, um das Risiko von Reise, Entdeckung, Makel des Raubtieres und das Einlassen auf eine völlig fremde Domäne zu rechtfertigen. Einem Vampir vor Ort könntest du mit Protektion, Macht, Anerkennung und politischer Wegbereitung viel mehr bieten, für ein kleineres Risiko.
* Plus, ein fremder Vampir fällt durch den Makel des Raubtieres so stark auf, dass es auch aus der Perspektive des Auftraggebers (noch mehr aber der des Mörders) unpraktisch erscheint, ihn für einen Mord zu verwenden.
* Plus, du bringst einen Feind wesentlich einfacher selbst, gemeinsam mit deinem Bund oder durch Ghule um.

Cheshire Cat schrieb:
* Wissen über die Interna anderer Covenants/Clans/Domänen gewinnen und dieses aktiv nutzen (Erpressung/Schwächen...)

Da Bünde sich lokal unterscheiden, weißt du als der Vampir vor Ort immer am meisten über den Bund vor Ort, und du kommst auch am Leichtesten an Informationen über diesen Bund vor Ort heran.

Cheshire Cat schrieb:
* Wissen über seine Kontrahenten ausnützen (Haven/Autos/Geld)

Auch das sind alles Infos, die du vor Ort herausfindenn kannst, im Gegensatz zu irgendwelchen Chat-Partnern irgendwo sonst. Und dieses lokale Wissen über die Kinder der Nacht in deiner Domäne nützt deinen überregionalen Gesprächspartnern nichts. Diese Information kannst du also wiederum nur lokal nutzen und lokal verkaufen.

Cheshire Cat schrieb:
MIT internationaler Kommunikation würde etwas ganz anderes draus werden, etwas das eher mehr Ähnlichkeit mit Settings aus z.B. "Blade" oder "Underworld" hat.

Dem stimme ich (wenig überraschend) nicht zu.


AAS
 
Ok, ich glaube ich sehe jetzt deinen Standpunkt.

1) Vampire benützen keine elektronischen Kommunikationsmittel bzw. nur in lokalem Bereich.
Gründe:
a) Sie haben wichtigeres zu tun, z.B. Jagd, Intrigen.
b) Kein direkter Nutzen aus inter-Domänen Verbindungen entsteht, da alle Informationen nur lokale Gültigkeit haben.
c) Sie einen Bruch der Maskerade fürchten.

2) Es existieren internationale Covenants ohne Widerspruch zu rein lokalem Denken.
Gründe:
a) Es gibt eine gewisse Anzahl an Grundgedanken, die für alle Vampire gelten (z.B. Testament des Longinus...) = Coventants
b) Diese Covenants folgen zwar dem gleichen Grundgedanken, sind aber lokal unterschiedlich und tauschen sich untereinander nicht aus (Gründe dafür siehe Punkt 1).

Unter diesen Aspekten betrachtet herrscht tatsächlich kein Widerspruch. Warum allerdings das nicht so explizit in den Regeln beschrieben ist und warum die Covenants dann (zumindest in meinen Augen) weltweit gültig beschrieben werden, ist dann im mildesten Fall irreführend.

Jedenfalls danke für die ausführliche Diskussion!
 
Ich würde es weniger absolut formulieren, aber im Kern stimmt deine Aussage:

1) Vampire benutzen elektronische Kommunikationsmittel hauptsächlich im lokalen Bereich, weil die meisten wichtigeres zu tun haben, als mit Vampiren anderswo zu chatten, die auf ihr lokales Leben keinenn Impact haben.

und

2b) Diese Bünde folgen zwar dem gleichen Grundgedanken, sind aber lokal unterschiedlich und tauschen sich zwar untereinander aus, um gemeinsam in Foren die Philosophie und den Glauben des jeweiligen Bundes zu erörtern, aber es gibt keine internationalen Dachorganisationen, die bis zum n-ten Grad definieren und vorgeben wie "der Bund" zu sein oder was er zu tun hat. Wie ein Bund zu einem bestimmten Zeitpunkt "ist", ist somit der Gesamtentscheid bzw. das Gesamtwirken aller Mitglieder des Bundes, die dessen Philosophie leben.


AAS
 
Das mit den lokal unterschiedlichen Bünden und gemeinsamen Gedankengut ohne Dachorganisation erinnert mich ein wenig an den Buddhismus. Soweit ich das mitbekomme, gibts da auch 1000e Strömungen (oft sehr unterschiedlichen Glaubens), die sich tw. untereinander austauschen und die Zugehörigkeit zur existierenden Dachorganisation dient meistens nur dem Zwecke der Anerkennung als Religion.

Das soll jetzt keine Einladung zur Diskussion über Buddhismus sein, aber ich zumindest kann mir die Struktur der Covenants dann leichter vorstellen. :rolleyes:
 
Genau.

Du kannst es genauso auch mit dem frühen Christentum vergleichen, vor der Vorherrschaft der einigen römischen Kirche.

AAS
 
Cheshire Cat schrieb:
Warum allerdings das nicht so explizit in den Regeln beschrieben ist und warum die Covenants dann (zumindest in meinen Augen) weltweit gültig beschrieben werden, ist dann im mildesten Fall irreführend.
Sieh das GRW als eine Art Baseline für die Covenants an. Etwas, das dem Erzähler und den Spielern einen ersten Eindruck der Covenants vermittelt. Lokale Varianten kann der Erzähler sich dann selber ausdenken.

Außerdem zeigen das Quellenbuch "Nomads", das die Covenants doch nicht so isoliert sind, wie es in VtR erscheint. So benutzen Lancea Sanctum und Invictus durchaus Kuriere, der Circle of the Crone reist auf den Spuren religiöser Erleuchtung, Carthians haben Agitatoren und Demagogen und der Ordo hat auch irgendwas...

Und "Lancea Sanctum" bietet auf einer Seite eine optionale Regelung an. Nach dieser optionalen Lesart sind die Kardinäle etwas mehr als nur besonders mächtige Erzbischöfe. Sie bilden eine Art Konsistorium, die sich einmal pro Jahr (denke ich) treffen und dafür sorgen, dass das Lancea Sanctum in keiner Domäne zuweit vom rechten Glauben abkommt.

Zusätzlich gebe ich noch zu bedenken, dass Vampire derzeit nicht gerne reisen. In der Vergangenheit begleiteten sie jedoch die Ausbreitung der Völker (z.B. in jüngere Vergangenheit die Kolonialisierung der Amerikas). Diese Interpretation wurde auch von Justin Achilli gestützt.
 
Carabas schrieb:
Zusätzlich gebe ich noch zu bedenken, dass Vampire derzeit nicht gerne reisen. In der Vergangenheit begleiteten sie jedoch die Ausbreitung der Völker (z.B. in jüngere Vergangenheit die Kolonialisierung der Amerikas). Diese Interpretation wurde auch von Justin Achilli gestützt.

Ist ja auch kein Widerspruch: Die Vampire breiteten sich mit den Menschen in neue Areale aus, aber der Grund dafür war nicht Wanderlust, sondern Ausweichen aus überjagten Domänen und ein "der Herde folgen".


AAS
 
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