Rezension Elysium

Taysal

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Mit dem Actionstreifen “Elysium” hat der südafrikanische Regisseur Neill Blomkamp seinen Platz unter den Blockbuster-Machern zementiert und eindrucksvoll bewiesen, dass er locker mit Regisseuren wie Nolan, Snyder und Bay mithalten kann. Dabei durfte er sogar seinen Trumpf ausspielen und Sozialkritik einbauen. Was 2009 in Blomkamps Überraschungshit “District 9″ die Geschichte allerdings noch mitprägte, verkommt in “Elysium” leider zur Randerscheinung. Doch der Reihe nach.

Wir schreiben das Jahr 2154 (was übrigens auch die Startzeit von James Camerons “Avatar - Aufbruch nach Pandora ist). Die Erde ist am Ende, ein regelrechter Drecksplanet, ein großer Slum für die Unterschicht. Und die ist ziemlich groß, denn es gibt nur noch zwei Klassen. Während die Unterschicht also auf der Erde ein Leben in Elend, Kriminalität und Lohnsklaverei führt, lässt es sich die Oberschicht auf der gewaltigen Raumstation Elysium gut gehen. Alter und Krankheit gehören dort der Vergangenheit an und so träumt jeder davon, eines Tages auf Elysium zu leben. Aber das bleibt nur ein schöner Traum, denn selbst wenn es einer illegalen Raumfähre gelingt auf der Station anzukommen, droht die knallharte Abschiebung. Soweit die Gesellschaftskritik, die unsere irdische Gegenwart konsequent weiterspinnt, bis sie in dieser Dystopie der Zukunft ankommt. Ein erschreckendes, weil so realistisches Szenario, das zudem heute schon auf Flüchtlingsschicksale angewandt werden kann.

Held der Geschichte ist Max DeCosta, gespielt von Matt Damon. Ein Waisenjunge, Krimineller und noch immer auf Bewährung. Aber er will nicht mehr in den Knast zurück, hat sich einen Job besorgt und den bösen Jungs abgeschworen. Er schluckt den Dreck, die Erniedrigungen, lässt sich ausbeuten und hofft das Beste. Und so schraubt er in einer Fabrik genau die Roboter zusammen, die ihn in seinem Leben eiskalt schikanieren. Natürlich geht etwas schief und der hart arbeitende Junge von der Straße, dem einfach niemand eine echte Chance gibt, der eigentlich nie eine echte Chance hatte, sieht nach einem Arbeitsunfall seinem baldigen Ende entgegen.

Der Underdog, der unterschätzte Kerl aus der Nachbarschaft, der leidende Sympath mit unglaublichen Nehmerqualitäten - solche Rollen liegen Matt Damon. Das merkt der Zuschauer der Figur Max jederzeit an, denn durch Damons Darstellung ist Max kein austauschbarer Actiondarsteller, der bloß ein paar on-liner-jokes raushaut und ansonsten nur ballert. Keineswegs. Dank Matt Damon erhält Max etwas Charaktertiefe und lässt ein Stück weit den flachen Scherenschnitt zurück, den eigentlich alle Figuren aufweisen. Echte Tiefe, die gibt es hier leider nicht. Dafür folgt “Elysium” einfach zu sehr den ausgetreten Pfaden des Hollywood-Actionkinos. Aber das immerhin verdammt trittsicher.

Neill Blomkamps linke Denkweise und Sozialkritik sind zwar nur vorgeschoben, um Actionkino mit oberflächlichem Niveau zu kredenzen, aber die Sache schmeckt einfach. Das liegt sicherlich daran, dass Blomkamps Regie eine etwas andere Art von Action bietet. Nicht so eindringlich wie “District 9″, aber immerhin unterhaltsam.

Dafür ist sicherlich auch das Zusammenspiel der beiden Hauptdarsteller verantwortlich, die den Film dominieren: Matt Damon und Jodie Foster. Foster stellt Ministerin Delacourt dar, die sich um die Sicherheit Elysiums sorgt und kümmert. Dabei setzt sie auch auf unkonventionelle Methoden, lügt, betrügt und ist ein Machtmensch aus Verantwortung heraus. Ein geniales Spiel, das leider viel zu wenig - bis gar keine - Interaktion mit Matt Damon bietet. Jeder steckt für sich sein Schlachtfeld ab und kämpft dort alleine - irgendwie auf verlorenem Posten, irgendwie aber doch erfolgreich, irgendwie aus hehren Ziele heraus. Die sind oberflächlich unterschiedlich, aber im Kern weitgehend gleich. Eine spannende Sache, die sich hinter der Handlung versteckt.

Das Bindeglied und der letzte bedeutende Schauspieler des Films ist Sharlto Copley, ebenfalls bei “District 9″ dabei und ein Kumpel von Neill Blomkamp. Copley spielt Agent Kruger, ein wirklich dreckiges Arschloch ohne Skrupel, durchgedreht bis zum Anschlag und einfach krank im Hirn. Er ist Vermittler zwischen beiden Welten, der Erde und Elysium. Kruger setzt sich mit Delacourt und DeCosta auseinander, deren Klang ihrer Namen sie schon auf eine Ebene stellt. Und da ist Kruger, den sie alle brauchen, aber eigentlich niemand will. Ein Ausgestoßener der Gesellschaften, nirgends daheim und genau deswegen zu allem bereit. Sharlto Copley kommt hier mit einzigartigem Action- und Charakterspiel daher. Und hier offenbart sich tatsächlich die wohl größte Schwäche des Films, denn je nach Sprachfassung ist die Wahrnehmung und Aussage des Films etwas anders.

In der ansonsten gelungenen deutschen Synchronnisation wirkt “Elysium” ernst in seiner Aussage, ist Kruger ein knallharter Typ, wird seine Gewalt und Bildgewaltigkeit ungefiltert auf den Zuschauer geworfen. Im Original ist die Sache aber etwas anders, denn bereits durch seinen schweren Akzent sorgt Kruger in der ein oder anderen Szene für etwas Humor, setzt einen Gegenpol zur Gewalt und lässt “Elysium” weniger ernst erscheinen. Es sind nur Nuancen, aber für einen echten Cineasten natürlich von Bedeutung.

Die anderen Darsteller erledigen ihren Job übrigens auch hervorragend, sind aber eigentlich nur schmückendes Beiwerk und Stichwortgeber. Sie bleiben sehr stereotyp, flach und wecken kaum Emotionen. Dadurch wirken Damon, Foster und Copley auf dem Schirm um so stärker. Vor allem Foster spielt ihre Rolle grandios (die eigentlich für einen männlichen Darsteller geschrieben wurde) und kommt mit einer überzeugenden Mimik daher. Der Knaller ist aber vor allem ihr Augenspiel, das einen regelrecht vom Hocker reißt. Da braucht es in ihrer Schlussszene nicht einmal mehr Worte!

Die Action ist natürlich vom Feinsten und überzeugt auf der ganzen Linie, ebenso der Sound. Zwar gibt es keine epochalen Bilder wie in “Star Trek” oder “Man of Steel”, aber genau das ist es, was den besonderen Reiz ausmacht. Nicht die ganz große Action ohne Sinn, die nur der Bilder wegen auf die Leinwand gebannt wird, sondern die Action im Kleinen, die punktgenaue Unterhaltung bietet und zur Story passt. Das ist eine von Blomkamps Stärken.

“Elysium” ist jetzt nicht der Mega-Blockbuster oder die soziale Gesellschaftskritik die alle Wände einreißt, aber sehr solide Unterhaltung mit starken Elementen und drei noch stärkeren Hauptdarstellern. Dazu Neill Blomkamps Sinn fürs Detail und die Liebe zu seiner Heimat, die sich in Kleinigkeiten wie einer südafrikanischen Flagge auf Krugers Shuttle zeigt, oder auch darin, dass Kruger fürs Civil Cooperation Bureau (CCB) tätig ist*. “Elysium” ist jedenfalls eine sehr gute Wahl im Bereich der actionlastigen Science-Fiction-Unterhaltung. Top!

Copyright © 2013 by Günther Lietz, all rights reserved
* Das Civil Cooperation Bureau (CCB; deutsch etwa: „Ziviles Zusammenarbeitsbüro“) war eine Einheit der South African Defence Force (SADF), die mit verdeckten Operationen gegen Gegner des Apartheid-Regimes eingesetzt wurde. Die Mitglieder verübten zahlreiche Verbrechen, darunter Mordanschläge. Das CCB existierte von 1986 bis 1990
Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Civil_Cooperation_Bureau

Elysium

Produktion: USA, Kanada, Mexiko (2013)
Originalsprache: Englisch
Länge: 109 Minuten
Altersfreigabe: FSK 16

Regie: Neill Blomkamp
Drehbuch: Neill Blomkamp
Produktion: Simon Kinberg
Musik: Ryan Amon
Kamera: Trent Opaloch
Schnitt: Julian Clarke, Lee Smith

Darsteller: Matt Damon (Max DeCosta), Jodie Foster (Ministerin Delacourt), Sharlto Copley (M. Kruger), Alice Braga (Frey), Diego Luna (Julio), Wagner Moura (Spider), William Fichtner (John Carlyle), Maxwell Perry Cotton (Junger Max), Faran Tahir (Präsident Patel)

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