AW: Einteilung von Spielstilen
Ich finde hier das, was der Threadersteller mit "Spielstil" meint und somit diskutiert haben möchte, unzulänglich dargelegt.
Bitte hier mehr Bemühung um eine Klärung, da ich ansonsten - wie ja auch ganz natürlich - das, was ICH unter Spielstil (ist für mich synonym zu Spielweise) verstehe, verwenden werde, wenn ich mich dazu äußere.
Im Folgenden mache ich das somit erst einmal nach meinem eigenen Verständnis von Spielstil.
zu 1. Falsch. Ich postuliere, das ein jeder Spielstil verschiedene Gewichtungen der vier Aspekte beinhaltet.
NULL ist auch eine "Gewichtung". Und dann könnte man noch ein halbes Dutzend oder mehr Aspekte aufführen, die öfter mal NULL sind, unter bestimmten Umständen aber auch Nicht-NULL sein mögen.
Wettbewerb ist z.B. etwas, was für mich und meine Spielerfahrung ins Brettspiel oder zum Tabletop gehört. Im Rollenspiel kenne ich das nur in seltensten Fällen, und das sind dann echte Exoten (AGON z.B.).
Wettbewerb würde ich zu KEINEM Zeitpunkt als einen relevanten Aspekt zur Beschreibung einer Spielweise, eines Spielstils, bezeichnen.
Wettbewerb ist etwas anderes als Herausforderungen oder GESPIELTE Konkurrenz zwischen den Charakteren (nicht den Spielern!). Wettbewerb, wie oben dargestellt, ist für mich kein irgendwie häufig genug auftretendes Element im Rollenspiel, daß es gleich ein Viertel des "Beschreibungsraumes" zugebilligt bekommen dürfte.
Ich habe den Eindruck, daß Wettbewerb hier nur steht, weil Skyrocks ARS-Manifest einen (ZU) starken Eindruck auf den Threadersteller gemacht hat. - Doch selbst bei den sonstigen ARS-Vertretern ist Skyrocks extremer Wettbewerbsansatz alles andere als unumstritten. Letztlich ist Wettbewerb im Rollenspiel NUR FÜR SKYROCK von Belang.
Zu allererst fokussieren die Gruppenmitglieder sich nicht zwangsläufig bewusst auf diese Aspekte. Vielmehr geschieht das unterbewußt gesteuert durch persönliche Vorlieben.
Hier unterschätzt Du die "leitenden Einflüsse", die einzelne Personen auch GANZ BEWUSST während des miteinander Spielens auf die Spielweise nehmen können.
Prominentester Einflußnehmer ist der Spielleiter. Durch seine Mittel zum Geben von positivem und negativem Feedback hat er in der Gruppe eine herausragende Stellung, was die allgemeine Ausrichtung, was das "Gruppenklima" und damit das "Spielklima" anbetrifft. Und das ist auch gut so.
Durch andere Spielleiter lernen selbst DIESELBEN Spieler andere Spielweisen kennen und NEHMEN DIESE AN (zumindest solange sie bei diesem Spielleiter spielen). - Das ist meine inzwischen mehrjährig bestätigte Erfahrung aus Vereinsspielrunden. Für mich ein Fakt.
Und wie in jeder Gruppe, gibt es auch bei den Spielern die "Trendsetter". Da reicht es bei neu gefundenen Gruppen (z.B. auf Cons), daß einer anfängt auf bestimmte Weise vorzugehen, zu reden, Regeln zu verwenden. Damit ist anderen, die ihm als "Leitfigur" folgen, klar, wie hier gespielt werden soll. - Die Gruppe "schwingt sich ein". Und man hat einen Spielstil, der - für den Moment des Spielens - z.T. deutlich von dem irgendwie "bewußt" oder "vom Kopf her" bevorzugten Spielstil der Einzelnen abweicht - und der trotzdem ALLEN Spaß macht.
Daß es ALLEN Spaß macht, liegt daran, daß eine Gruppe, die eingeschwungen ist, bei der die Spieler in Resonanz sind, einfach - unabhängig von der konkreten, irgendwie auf Aspekte reduzierten Spielweise - MITEINANDER Spaß haben kann.
Erst wenn man wieder allein vor dem Rechner sitzt und den in den Foren tätigen "Meinungsmachern" lauscht, kommen wieder die Zweifel, ob man denn mit diesem ach so kritisierten, ach so minderwertigen Spielstil überhaupt hätte Spaß haben DÜRFEN.
Was ich davon halte, kann man sich denken.
Für mich kommt das Spielen in der Gruppe zuerst. - Aber ich werde in JEDEM Falle nicht nur unbewußt, sondern auch ganz BEWUSST versuchen die Gruppe zu Spielszenen und Spielweisen zu beeinflussen, die MIR Spaß machen, die ICH sehen will, die MICH begeistern. - Denn nur wenn ICH auch begeistert bin, bin ich offen die mir zugespielten Bälle meiner Mitspieler aufzunehmen und mit Spielfreude weiterzupassen.
Daher hat die Spielstil-Diskussion für mich im konkreten Spielgeschehen NULL Einfluß.
Was hingegen Einfluß hat, sind PERSÖNLICHKEITEN.
Spielleiter SOLLTEN ausgeprägte Persönlichkeiten sein, wenn sie die Gruppe irgendwie binden oder gar formen wollten. Sind sie es nicht, wird das AUF JEDEN FALL ein anderer aus der Gruppe tun. - Solange es nicht zwei in der Gruppe gibt, die um diese Position des Gruppenformers ringen, wird die Gruppe mit dem, was sie tut und WIE sie es tut (Spielweise), glücklich sein.
Wie paßt das in Deine Spielstil-Aspekte?
Weiterhin unterscheide ich in Gruppen und/oder einzelne Spieler. So dass sich daraus auch ableiten lässt, dass es Gruppenspielstile (wenn die ganze Gruppe auf die selben Aspekte fokusiert ist) und einzelne Spielstile gibt.
Einen einzelnen Spielstil gibt es nur, wenn man Computer-Solo-Rollenspiele spielt, oder Abenteuerspielbücher durchspielt.
Ansonsten gehören selbst bei 1:1-Spielrunden immer mehrere Personen dazu. Und dann hat man erst das, was ich unter einem Spielstil verstehe. Das ist die Spielweise, die man bei den beiden (oder mehr) Spielenden beobachten kann.
Was Du als "Einzel-Spielstil" auffaßt, ist das einsame, verkopfte Befassen mit praxisfernen und unpersönlichen "Theoriegebilden", welches jemand für sich als eine Art "Zwang zum besseren Spielen" auffaßt. Wenn jemand von "seinem" Spielstil spricht, dann ist er unsicher, daß er "falsch" spielt, und hat sich diese Unsicherheit aufschwatzen lassen von Leuten, die effektiv NICHT HELFEN, sondern zerreden, was an sich eine ganz natürliche Sache von Gruppenfindung, Gruppenbildung, Gruppeneigenschaften ist.
Ich habe dann erst einen Spielstil, wenn ich auch gerade SPIELE. Und dann sieht der je nach Gruppe ANDERS aus - je nachdem, welchen Einfluß ich oder andere auf die Wirklichkeit der Spielweise der Gruppe genommen haben.
Die angestrebten Aspekte werden wohl zum Großteil unbewußt ins Spiel kommen.
Und hier kommt noch ein Punkt, den ich als Schwäche des Ansatzes mit den Aspekten empfinde:
Sie sollen "angestrebt" sein.
Tut mir leid, aber ICH strebe nicht irgendeinen dieser Aspekte an. Und auch keiner der Rollenspieler, mit denen ich spiele, setzt sich an den Spieltisch mit dem VORSATZ (Anstreben erfordert einen Vorsatz) "heute spiele ich mal mehr meinen Charakter aus".
Das ist Unfug.
Man setzt sich zum ROLLENSPIELEN hin. Und dazu gehört einfach das Charakterspiel ebenso wie viele (mehr und andere als die obigen Aspekte vermuten lassen!) weitere Elemente. - Diese kommen aber immer als "Gesamtpaket". Sie sind KEIN BAUKASTEN.
Nochmal: Die einzelnen Elemente/Aspekte/was-auch-immer stellen KEINEN BAUKASTEN dar, aus dem man sich bewußt oder unbewußt Bauklötze herausnimmt mit dem Vorsatz diese zum Bauen (= Spielen) zu verwenden!
Die einzelnen Elemente sind IMMER und ÜBERALL vorhanden und der Wechsel des BRENNPUNKTES von einem Element zum anderen bzw. von der einen Gruppierung, Gewichtung, vom einen Konglomerat zum anderen erfolgt in der Geschwindigkeit eines Augenblicks!
Was bestimmt denn diesen Brennpunkt-Wechsel?
Der Spielleiter?
Die Spieler?
Das bewußte Einhalten von als "Best Practices" dargestellten Ums-Spiel-Herum-Regeln (Flags beachten, Player Empowerment, usw.)?
NEIN.
Das Gefühl.
Das Gefühl des Spielers in dem Moment, wo es sich einstellt.
Man EMPFINDET doch eine Rollenspielszene mit seinem ganzen Wesen.
Man schneidet sich nicht einen Teil heraus (die Battlemap mit den komischen Kästchen und die Figuren, die eh nicht genau passen), sondern es ist IMMER die GESAMTEMPFINDUNG der Szene, die gerade von allen in der Runde MITEMPFUNDEN wird.
Man ist TEIL dieser Gruppe. Und alle sind DABEI.
Und da kommt es eben ganz natürlicherweise vor, daß das Gefühl umschlägt.
Beispiel: Der eine Spieler hat etwas hinbekommen, das macht mich neidisch, weil ich trotz besserer Werte das nicht geschafft habe. Und nun feixt mir ein anderer Quer über den Tisch ein "Lift with your legs."-Zitat aus den Gamers über den Tisch. Ich bin für den Moment angepißt (NICHT "mein Charakter"!, sondern ich, der Spieler), und das allein reicht schon, daß ich jetzt immer noch dabei bin, aber mein Brennpunkt woanders im Spiel liegt (z.B. beim "Charakterausspielen" als zurechtgelegte Rechtfertigung für ein "Payback is a Bitch"-Verhalten um es dem Feixer reinzudrücken).
Das ist NORMAL.
Das passiert völlig unabhängig vom verwendeten Regelsystem oder der aktuellen Gruppe jedem STÄNDIG beim Spielen.
Man kann noch so stark in die unheimliche Atmosphäre, die ein wirklich mit beeindruckender Persönlichkeit leitender Spielleiter aufgebaut hat, eintauchen - plötzlich merkt man, daß man dringendst pissen gehen muß. Und das hat SOFORT eine Brennpunktverschiebung zufolge. Nur möchte man nicht mitten in der schönen Szene rausgehen, oder man traut sich nicht, weil der eigenen Charakter gerade prominent daran beteiligt ist, und man möchte dem Spielleiter auch die Stimmung nicht versauen, indem man "Pinkelpause" rufend zur Tür eilt. - Was nun? - Man sitzt da, der Druck auf der Blase wächst, und man will die Szene ENDLICH BEENDEN! - Dann spielt man ANDERS, als wenn man entspannt (ggf. mit frisch entleerter Blase) gemütlich auf dem Spielesofa hockt. Dann spielt man seinen Charakter (ist IMMER man selbst - wie sehr man sich das auch wegzudenken versucht) für andere vielleicht überraschend kurz angebunden und schroff.
Was hat das denn für einen Einfluß auf den Spielstil?
Einen großen!
Man kann gerade in Szene, wo der Charakter, und damit der Spieler, im Rampenlicht steht, durch solche "Nebeneinflüsse" einen ganz anderen EINDRUCK VOM SPIELER gewinnen. Und dieser wirkt sich auf dessen Gefüge in der Gruppe aus. Und damit auf den Spielstil.
Kurz würde ich persönlich das so sagen wollen, dass das Rollenspiel die Gesamtheit sämtlicher Aspekte darstellt, also das drumherum, die Eigenarten des Regelkerns, die Core-Story, der Spielstil usw. Und der Spielstil ist wohl eine Kombination von (nochmal: zumeist unterbewußt!) angestrebten Aspekten sowie die Art und Weise, wie diese zu erreichen versucht werden, während man zusammen eine Fiktion erschafft.
Und wo bleibt das Gefühl?
Spielstil ist eine Sache des GEFÜHLS.
Daher bekommt man sich auch so sehr emotional in die Haare, wenn wieder einmal in Foren rund um Spielstil die Karusselle angeworfen werden.
Man FÜHLT den Spielstil, man "denkt" ihn nicht!
Und alles verkopfte Herumklopfen auf irgendwelchen scheinbar vernünftigen Analysemethoden geht am MENSCHEN vorbei. Das Rollenspiel ist ein Spiel MIT MENSCHEN. Und daher sind hier die ZWISCHENMENSCHLICHEN Fragestellungen in jeder Beziehung die einflußbestimmenden.
Mag ich mein Gegenüber nicht, kann er zehnmal in Foren den praktisch identischen Spielstil beschrieben haben, den ich in meinen Runden wiederfinde. Es paßt einfach nicht. - Und DAS sollte für eine Betrachtung der Relevanz von Spielstil-Diskussionen vielleicht mal zu denken geben.