Dunkle Gedanken

Doomguard

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23. April 2003
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Dunkle gedanken

Blitzende Lichter in der Dunkelheit, das Tacho zeigt 100, mitten in der Stadt. Gen Norden zieht es mich. Kurze Bilder zwischen den Blitzen.
Vergangenheit: ein Kind kämpft gegen einen Wolf, voller Angst und Verzweifelung.

Abfahrt, zum Kanal, Blinker, abbremsen, einbiegen....

Es gibt nur eine Schwachstelle. Die Augen, immer wieder abgeschüttelt, immer wieder emporgekrochen, und immer wieder mit einer langen Nadel zugestochen. Im Todeskampf erstirbt das tödliche und so prächtige Tier unter meinen Händen. Tränen. Leben und Entäuschung.

Warum kommen diese Erinnerungen an die Träume aus der Kindheit gerade jetzt? Es ist doch so lange her. Meine Erinnerung, ist doch sonst auch nicht so gut. Verwirrung. Stop. Wo fahre ich hin? Weg von der Strassenlaterne im Schatten eines Baumes halte ich. Was ist los? Am Rande des Bewusstseins sehe ich den Gadanken. Mein Blick fällt auf meine Hände und Arme, die das Lenkrad umklammert halten.

Ich sehe Narben. Die älteste ist mehr als 10 Jahre alt. Insgesamt vier, jede erzählt ihre eigene Geschichte. Geschichten, die niemand wirklich versteht.

Wer sind sie denn, die andern, die mich Borderliner nennen? Ja, alles ,was nicht der Norm entspricht, ist an der Grenze, also die Borderline. Wenn du etwas nicht verstehst, gib ihm einen Namen und du fühlst dich besser. Idioten! Die dich schwach nennen, weil deinen Weg und mein Leben nicht verstehen uns aus Intolleranz vor dem Unverstandenen lieber ver- und aburteilen. Wer sind sie, dass sie sich anmassen, urteilen zu können, obwohl sie niemals Blut vergiessen mussten, die niemals die Hand eines sterbenden Freundes gehalten haben. Sie urteilen in ihrer Selbstgefälligkeit, in dem schmalen Horizont, der ihre Erfahrungen darstellt.

Blut verändert. Egal, ob man es an anderen vergiessen muss, um sich zu retten, oder um man es freiwillig vergiesst, da es einen teil der eigenen Persönlichkeit ausmacht.

Ich starte das Auto und fahre weiter. Ich bin es leid, mich zu erklären und rechtfertigen zu müssen. Wenn sie nicht verstehen wollen, sollen sie kein Interesse heucheln, auf selbstgefällige „lebenserfahrene“ der Norm entsprechende Meinung kann ich scheissen.

Aber, es ist wahr. Ich bin schwach. Ich habe keine Lust mehr zu kämpfen. Ich will Ruhe. Was nützt ein ständiger Kampf um Verständniss, wenn es keine Ruhe, kein zu Hause gibt? Die dunkle aggressive Seite gehört zu mir. Ja, ich habe auch viel kaputt gemacht, weil ich nicht gesehen habe, dass ich nicht mehr kämpfen brauche, das ich gar nicht mehr angegriffen wurde.
Ein kurzes romantisches Bild des unverstandenen ewigen Kämpfers zuckt durch meinen Kopf und wird von der Schande überlagert, die ich empfinde weil meine Seele durch Blut verdorben wurde und auch Freunde unter mir leiden mussten.
Ich fühlte mich stark, als das Blut, das über meine Hände rann, haben sie doch endlich eingesehen, dass man mich nicht mehr demütigen darf. Wenn Worte versagen dann spricht Blut die Wahrheit. Wenn man seinem Gefühl oder Worten nicht mehr trauen kann, vertrau dem Blut. Blut lügt nicht. Blut verändert einen. Blut versteht jeder. Auch die, die Angst davor haben. Auch die, dessen Seele rein und unverdorben ist, die, die nicht auf ihre dunkle Seite zurückgreifen mussten, um Peiniger abschütteln zu können.

Aber ich will kein Blut mehr vergiessen, ich bin müde. Keine Zweifel mehr. Keine Angriffe, kein Kämpfen, nur noch Ruhe und Schlaf.

Ah, die Brücke. Unter mir 100 Meter zum Wasser. Eine Ruhe und ein kaltes Bett für die Ewigkeit. Keine Angriffe mehr, keine Zweifel, nur noch Freiheit. Scharf nach rechts durch das Geländer und ich könnte endlich schlafen.....
 
Thx für die Reflektion. Ich wollte es eigentlich ein bisschen offen halten, ich hoffe, das ist mir durch das "könnte" am Ende nun möglicherweise besser gelungen.
 
Habs gerade zum ersten mal gelesen - und das "könnte" am Ende wirkt wirklich gut. Bin beeindruckt... lg Tarha
 
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